Im November diesen Jahres eröffnet in der Schirn Kunsthalle die Ausstellung “German Pop”. Bis zum 8. Februar 2015 werden mit dem “Motorboot” sowie dem „Portrait Dr. Knobloch“ auch zwei Werke aus dem Dresdner Albertinum in Frankfurt zu sehen sein. Aus diesem Grund haben wir einen der beiden Richter-Räume im Albertinum neu konzipiert.
Anstelle der beiden fotorealistischen Arbeiten präsentierten wir erstmals Gerhard Richters „Gebirge (Pyrenäen Z.)“ (186-1) aus dem Jahr 1968. Das Bild ist eines von acht Werken, bei denen der Künstler ganz auf die Farbe verzichtet und das Motiv nur mit Bleistift auf die grundierte Leinwand gezeichnet hat. Es zeigt ein schemenhaftes Bergpanorama, bei dem Richter vergleichbar mit seinen Stadt-, Gebirgs- und Seestücke in Öl das Gezeigte auf wenige prägnante Linien und Schraffuren reduziert. Das Bild wurde im letzten Jahr restauriert und erstrahlt nun im neuen Glanz.
Neben der seltenen Gebirgslandschaft wird nun auch der „Strip“ (927-9), eine zweiteilige Arbeit aus der jüngsten Werkgruppe des Kölner Malers, ausgestellt. 2013 wurde die Arbeit in der Ausstellung „Gerhard Richter. Streifen & Glas“ im Albertinum zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Ausstellung war im Anschluss im Kunstmuseum Winterthur zu sehen und wird leicht variiert in der nächsten Woche in der Marian Goodman Gallery in London eröffnet. Bereits im Herbst 2013 haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden den “Strip” (927-9) für die Galerie Neue Meister erwerben können. Damit ist es gelungen, den repräsentativen Bestand an Richter-Werken in Dresden maßgeblich zu erweitern.
Richters Streifenbilder entstehen mit Hilfe des Computers im Siebenfarbdruckverfahren. Nur damit ist die filigrane und variierende Breite der Streifen sowie die flimmernde schnell raumgreifende Wirkung realisierbar. Alle Streifenbilder des Künstlers gehen auf eines seiner Abstrakten Bilder von 1994 zurück. In einem aufwendigen computergestützten Verfahren, wird das ursprüngliche Bild bis zu 4096 Mal geteilt, gespiegelt und verdoppelt. In diesem Prozess werden aus großen bunten Flächen erst kleine, ornamentale Farbsegmente dann monochrome Pixel, die der Künstler dann bewusst auswählt, neu anordnet und mit Hilfe des Computers in die Länge zieht. Die scheinbare künstlerische Reduktion des Motivs auf das Nebeneinander klarer und verbindungsloser Farbstreifen ist bei näherer Betrachtung ein bildtheoretisches Statement. Führt Richter doch das menschliche Auge an seine Grenzen. So vermischen sich bei der distanzierten Betrachtung die Streifen zu einem irritierenden Farbenspiel, das sich mit der kleinsten Bewegung des Betrachters verändert, verschwimmt und sich dem festen Blick zu entziehen sucht. Bisweilen werden aus den unterschiedlich hellen und dunklen, sowie breiten und äußert schmalen Farbstreifen dreidimensionaler Gebilde, die in der horizontalen Ausgerichtetheit der Bilder an Landschaften erinnern. Von Nahem betrachtet überwältigen die Streifenbilder aufgrund der ungebrochenen Intensität der Farben und der Strenge ihrer Linien. Dabei driften die Streifen durch der Breite des Bildes aus dem Blickfeld des zunehmend verunsicherten Betrachters heraus und flüchten sich in eine unfassbare Unendlichkeit.
Die visuelle Offenheit der Streifenarbeit wird auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes von zwei Bildern aufgefangen. Im Kontrast zu dem 300 auf 250 cm großen abstrakten Bild “Fels” (694) hängt das 55 auf 50 cm kleine Bild „Schädel“ (548-1) . Das farblich sehr zurückgenommene Gemälde erinnert mit seinem Motiv an die Memento Mori-Stillleben des Barock. Vielmehr aber noch führt das Kontrastpaar die Spannweite des malerischen Œuvre Gerhard Richters eindrucksvoll vor Augen.
Quelle: http://gra.hypotheses.org/1342