Abstract für die Konferenz Das 20. Jahrhundert und der Erste Weltkrieg
Während die politische Geographie „die Erde als Wohnstätte für ihre menschliche Bewohnerschaft in ihren Beziehungen zu den übrigen Eigenschaften der Erde“ untersucht, ist unter Geopolitik „die Lehre vom Staat als geographischem Organismus und als Erscheinung im Raume“ zu verstehen. So formulierte es zumindest 1916 der schwedische Staatswissenschaftler Rudolf Kjellén und markierte damit noch während des Ersten Weltkrieges die Transformation politisch-geographischer Raumkonzepte zu geopolitisch und in erster Linie staatstheoretisch begründeten Ordnungsentwürfen. Mit und nach dem Ersten Weltkrieg stabilisierte sich auf dieser Grundlage ein weltpolitisches Ordnungsdenken, das vor allem im „Großraum“ die effektivste Form territorialer Herrschaft identifizierte. Ob ökonomisch, militärisch oder kulturell – in der Eroberung, Besiedlung oder zumindest doch Beherrschung von Großräumen lag fortan für diejenigen Staaten, die auf längere Sicht weltpolitisch mitmischen wollten, die politische Herausforderung. Supranationale Großraumpolitik avancierte zum zentralen Ordnungsmodell für das 20. Jahrhundert.
Dr. Ulrike Jureit ist Gastwissenschaftlerin der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur am Hamburger Institut für Sozialforschung.
Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1259