Historische Fettecke?

Am letzten Wochenende habe ich ein Weiterbildungsangebot des NS-Dokumentationszentrums Köln wahrgenommen, in dem ich als Begleiter arbeite. Das Angebot firmiert unter dem Titel “Verunsichernde Orte” und hat in Münster in der Villa ten Hompel stattgefunden.
Zielsetzung war die „Reflexion pädagogischer Praxis an Erinnerungsorten für feste und freie Mitarbeiter_innen, Lehrer_innen sowie andere Engagierte“, so sollten nach der Zielsetzung beispielsweise das „eigene Selbst- und Rollenverständnis, der Kontakt zu Teilnehmenden und Gruppen sowie der Umgang mit Vermittlungsmedien“ thematisiert werden. Die Seminarleitung hatten Barbara Thimm und Christian Geißler inne.

Die Weiterbildung war höchst spannend, weil ziemlich viele Einrichtungen vertreten waren, u.a. das Jüdische Museum Dorsten, die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Ich habe viele Impulse und Anregungen mitgenommen, aber im Zusammenhang mit der MA steht eine Übung im Vordergrund.

„Mein Bild vom Nationalsozialismus“

Aus welchen Versatzstücken, Ereignissen, Erfahrungen, Orten, Gegenständen, Theorien, etc. setzt sich mein Bild vom Nationalsozialismus in 10 Begriffen zusammen?

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An diese Überlegung stellte sich die Frage an, wie man überhaupt auf diese Versatzstücke gekommen ist, wo Verbindungen und Schnittstellen existieren, die bei der Vermittlung genutzt werden könnten.

Letzten Endes verformt und erweitert die Beschäftigung mit der „Winzengruppe“ ohne Frage mein eigenes Geschichtsbild. Es kommen neue Aspekte und Informationen hinzu, die zu neuen Fragen und Themengebieten führen.
Weitergehend, über dieses bruchstückhafte Mosaikbildchen hinaus, kann man sich natürlich die Frage stellen, welche tiefere Motivation, welcher „Urtrieb“ hinter der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steckt.
Ob man diesen eventuell gezielt füttern kann, um die eigene Produktivität zu erhöhen? (Zu diesem Thema hatte ich mal eine interessante Unterhaltung mit zwei Psychologen während der Tagung der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944). Ich halte diese Überlegungen für wichtig, weil meine Masterarbeit eigentlich schon zu überambitioniert ist. Die Motivation, die ich beim Schreiben nämlich ohne Weiteres identifizieren kann, ist der Drang, die gesamte Geschichte dieser Gruppe darzustellen.

Der Bestand an Quellen, den ich bisher entdeckt habe, reicht wahrscheinlich mindestens schon für eine Dissertation. Die Überlegungen, die ich zur Struktur der Arbeit anstellen muss, übertreffen alles bisher da gewesene in meiner universitären Ausbildung, stellen aber zugleich einen enormen Lernprozess dar, den ich so wahrscheinlich erst während der Dissertation durchgemacht hätte. Während ich im Bundesarchiv von der Menge der Akten schlicht überfordert war und dann aus Zeitgründen mir alles habe digitalisieren lassen, habe ich im Staatsarchiv Münster fast dieselbe Menge an Akten durchgesehen und sehr zielgerichtet aussortieren können.

Der eigentliche Schreibprozess meiner Arbeit zieht sich unglaublich in die Länge. Nicht nur, weil ich arbeiten muss und versuche Tagungen und Weiterbildungsangebote wahrzunehmen, sondern, weil es mir an manchen Tagen auch einfach schwerfällt, einen Anfang zu finden. Ich habe mir neulich den Spaß bereitet, all meine Exzerpte in ein Dokument zu ziehen, um daraus einen ungefähren Umfang ableiten zu können. Das Ergebnis waren 381 Seiten eines wunderschönen Word-Dokumentes. Allein meine Exzerpte sprengen schon den Rahmen einer gewöhnlichen Arbeit. Die Reaktion, die aus dieser Erkenntnis unweigerlich folgen muss, ist die erneute Reduktion. [Die schon am Anfang der Arbeit eine wichtige Rolle spielte.]

Ist das Geschichte oder kann das weg?

  • Spielt es [im Rahmen der MA] eine Rolle, dass die Charité in Berlin die Körper der Hingerichteten als ‚Versuchsobjekte‘ erhielten?
  • Ist es für meine Arbeit relevant, dass einem Mitglied der Gruppe in der BRD aufgrund seiner Zugehörigkeit zur KPD Entschädigungszahlungen abgesprochen wurden?
  • Ist ein Gutachtenkrieg, den einige Mitglieder in der BRD mit Entschädigungsstellen ausgefochten haben wichtig?
  • Was passierte eigentlich mit dem Gestapomann, der der Hauptverantwortliche in den Vernehmungen war?
  • Welche Mitglieder der Gruppe sind „wichtig“ oder „unwichtig“?

Tendenziell bin ich in Versuchung, überall Anmerkungen zu hinterlassen, die in die Richtung gehen: „Leider konnte folgender Frage nicht nachgegangen werden, weil diese den Umfang der Arbeit gesprengt hätten“. Doch erscheint dies nicht wirklich als gangbarer Weg…

 

1 Farblegende: Blau: privates Umfeld; Grün: berufliche Tätigkeit; Rot: Familie; Gelb: Schule/Ausbildung; Grau: Literatur/Filme

Quelle: http://winzen.hypotheses.org/92

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