Historiker untersuchen gern Adelsbibliotheken, wenn diese in historischen Katalogen dokumentiert sind. Man kann die Listen bequem auswerten und aus ihnen Rückschlüsse auf das geistige Profil der Besitzer ziehen. Wesentlich mühsamer ist es, sich mit erhaltenen Beständen zu befassen. Besitzeinträge und andere provenienzgeschichtlichen Eigenheiten müssen gesichtet werden, mit durchaus ungewissem Erfolg. Befinden sich die Adelsbibliotheken noch in Privatbesitz, ist oft der Zugang schwierig oder unmöglich. Der Wuppertaler Germanist und Gründungsrektor Rainer Gruenter (1918-1993) hat das einzige nennenswerte Forschungsprojekt in diesem Bereich betrieben, aber nach seinem Tod wurden die Studien in Adelsbibliotheken von seinem Schülerkreis nicht fortgeführt.1 Von herausragenden Forschungs- oder Erschließungsleistungen mit Blick auf Adelsbibliotheken liest man eher selten, während ab und an zu beklagen ist, dass wertvolle historische Ensembles versteigert oder im Einzelverkauf in alle Welt zerstreut werden. Der Ausverkauf der Hofbibliothek Donaueschingen, der mit der Versteigerungen der Inkunabeln 1994 begann und mit der Druckschriftensammlung 1999 fortgesetzt wurde, ist nur das krasseste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. 1995 schrieb ich einen Artikel: Vernichtung unersetzlicher Quellen. Der Schutz historischer Buchbestände in Privatbesitz muß dringend verbessert werden.
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Das Widmungsexemplar der “Gesta illustrium ducum Bavariae” (Clm 1214) von Georg Hauer OSB online
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00105446/image_6
Die 1479 beendete lateinische Chronik des Niederaltaicher Benediktiners (GND) ist als Ganzes ungedruckt. München, SB 1214, kann als Widmungsexemplar gelten (als Autograph ist die Handschrift nicht zu belegen). Am 22. Oktober 1478 hatte Herzog Georg von Bayern historische Auskünfte vom Kloster erbeten (sein deutsches Schreiben eröffnet das Werk), wohl um die Studien des Landeschronisten Hans Ebran zu unterstützen (so die ansprechende Vermutung von Moeglin 1985, S. 236-240). Außer dem Archivar Heinrich Waltzer, der seine Dissertation über Hauer in der Archivalischen Zeitschrift NF 10 (1902), S. 184-289 (Internet Archive) publizierte, hat sich niemand gründlich mit dem Werk befasst.
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Sprichwörtliches: Buck dich, Jägglin
Am 31. August 1822 erschien im Stuttgarter “Armen-Freund”, einer vergessenen Publikation, in der übrigens das erste gedruckte Gedicht von Mörike publiziert wurde, im Rahmen einer ohne Verfasserangabe veröffentlichten Artikelserie “Beschreibung aller ehemaligen Klöster, Kirchen und Kapellen in Ulm” als Nr. 40 ein kurzer Abschnitt zur Antoniuskapelle vor dem Donautor1
Als die Kapelle im J. 1533 abgebrochen wurde, theilte man die daselbst befindlichen hölzernen Bilder und das Gestühl unter den Armen als Brennholz aus; aus dieser oder einer anderen Kapelle, die damals abgebrochen wurde, erhielt ein armer Weber, Namens Hans Fischer, ein hölzernes St. Jakobsbild, als er es in den Ofen zum Einbrennen schieben wollte, stieß er an etwas an, darauf sprach er: tuckte Jäkle, du must in Ofen; diese Redensart tuckte Jäkle wurde ein Sprichwort in Ulm, zu denen gesagt, welche sich bücken mußten, um irgendwohin zu kommen.
Vermutlich aus dieser Vorlage kannte Gustav Veesenmeyer die Geschichte, der 1869 bei seinem Auszug aus Felix Fabris “Sionpilgerin” ebenfalls die Historie der Ulmer vorreformatorischen Kapellen aufarbeitete.2 Der Ausspruch des Webers ist mit einer Spur Dialekt angereichert worden: “Duck de Jäkele, du mußt ‘nein”. Veesenmeyer sah darin einen Beleg, wie sehr um 1530 der Heiligenglaube bereits zerstört gewesen sei.
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Wie können die Historischen Grundwissenschaften in die akademische Lehre integriert werden?
Studienmanager Andreas Frings macht sich Gedanken.
Ich möchte daher auch meine Meinung zur Diskussion stellen. Als in Aachen noch Geld für meinen Lehrauftrag da war, habe ich wiederholt quellenkundliche Veranstaltungen durchgeführt, in denen ich versucht habe, Hilfswissenschaften vorzustellen. Ich habe mehrfach den klassischen Kanon in ergänzter Form (z.B. Handschriftenforschung, digitale Unterlagen) mit Kurzreferaten in einer Stunde vorstellen lassen. Dabei habe ich viel Wert darauf gelegt, dass nur die “Essentials” dargestellt wurden und angegeben wurde, welche Internet- und Literaturquellen sich zum Nachschlagen eignen.
Bei Ahasver von Brandt finden sich im “Werkzeug des Historikers” behandelt: Historische Geographie mit Kartographie (wird nur wenig in der Lehre berücksichtigt), Chronologie (kommt in mediävistischen Proseminaren vor), Genealogie, Allgemeine Quellenkunde, Paläographie, Diplomatik (ebenfalls im mediävistischen Proseminar besprochen), Aktenkunde (wird in Proseminaren zu frühneuzeitlichen Themen von quellenaffinen DozentInnen gelehrt), Heraldik, Sphragistik, Numismatik.
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Jahresrückblick Kulturgut 2015
Im Jahr 2015 wurden in diesem Weblog nur drei Beiträge publiziert:
Spitzenstücke aus der Schweinfurter Bibliothek Otto Schäfer verscherbelt (7. Januar 2015)
Nur wenig gerettet – Jahresrückblick Kulturgut 2014 (12. Januar 2015)
Die Tegernseer Schlossbibliothek, keine Geschichtsquelle? (20. Februar 2015)
Häufiger wurden Meldungen auf unserer Facebook-Seite Rettet die Stralsunder Archivbibliothek verbreitet und noch häufiger in Archivalia (mit Kategorie Kulturgut), das im Dezember 2015 in das Blogportal Hypotheses umgezogen ist. Ich versuche die wichtigsten Themen aus den gut 120 Blogeinträgen in Archivalia 2015 zusammenzustellen.
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Biographien zu Freiburger Persönlichkeiten um 1500
Rosemarie Merkel/Hans Schadek: Ulrich Zasius ‘Geschichtbuch’ der Stadt Freiburg im Breisgau. Eine Sammlung exemplarischer Einzelfälle zur städtischen Politik, Rechts- und Verwaltungspraxis im Spätmittelalter. Hrsg. von Hans Schadek. Bd. 2: Biographien (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 40/2). Freiburg im Breisgau: Stadtarchiv 2015. 504 S., 25 Abb. 30 Euro (Bd.
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Grundfragen des Wissenschaftsbloggens
Mareike König hat im Redaktionsblog ein Interview mit mir geführt, das unter CC-BY steht.
Im Dezember 2015 hat de.hypotheses.org mit der Migration des Blog-Flaggschiffs “Archivalia” prominenten Zuwachs bekommen. Seit 2003 ist Archivalia als Gemeinschaftsblog aktiv und gilt damit als “Mutter aller deutschsprachigen geisteswissenschaftlichen Blogs”1. Archivalia zeichnet sich durch eine bunte Themenvielfalt aus, wie ein Blick auf die rund 50 Kategorien im Blog zeigt: Es geht um Geschichte allgemein, digitale Geschichte, Archiv- und Bibliothekswesen, Digitalisierung, Schutz von Kulturgütern, Urheber- und Archivrecht, Datenschutz und vor allem und immer wieder um Open Access. Gerade als “Sturmgeschütz für Open Access”2 hat sich Archivalia auch international einen Namen gemacht.
Technisch war die Migration des Blogs von twoday.
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Unerkannte Lyrik Clemens Brentanos im “Hürnen Siegfried” des Guido Görres (1843)
Wie die Falken in den Höhen spähend
Fluges Kreise drehend,
Auf den Augen, in den Seen
Beute schauen
Sieht der Weise
Drehend an dem Zauberringe
Durch die grauen
Zeiten Kreiße
Spähend
Ferne Dinge.
Mit diesem Gedicht des romantischen Dichters Clemens Brentanos (GND) endet der von mir in Joseph Görres über den Denkmalschutz und die Zerstörung der Wormser Johanniskirche am Dom (1808) herangezogene Aufsatz von Hartwig Schultz: »Rosengarten überm Rhein«. Zwei unbekannte Gedichte Clemens Brentanos. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1995, S. 22–34. Eine Brentano-Bibliographie von 20091 weist zu dem Gedicht außer der vermeintlichen Editio princeps keine weitere Literatur nach. Als ich wissen wollte, ob es im Netz etwas dazu gibt, stieß ich via Google auf des Guido Görres Schrift “Der hürnen Siegfried und der Kampf mit dem Drachen” (Schaffhausen 1843)2. In ihr befindet sich nicht nur das Falken-Gedicht, sondern auch – leicht geändert – das zweite von Schultz abgedruckte und 1825/28 datierte Gedicht “Überm Rosengarten”, das an das zur aventiurehaften Dietrichepik zählende mittelalterliche Versepos “Rosengarten zu Worms” anknüpft3. In der Weimarer Arnim-Ausgabe von 2014 plädierte Renate Moering für eine frühere Entstehung unter dem Eindruck des Worms-Besuchs 18064.
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Bernhard Sittich, der Herold “Romreich” (um 1500) und seine Amtsvorgänger
Der oberste königliche Herold1 führte in Deutschland im 15. und frühen 16. Jahrhundert den Amtsnamen “Romreich”. Am besten unterrichten über die Reihe dieser Amtsträger die Arbeiten von Nils Bock: Die Herolde im römisch-deutschen Reich (2015) und “Herolde im Reich des späten Mittelalters. Forschungsstand und Perspektiven” in der Francia 20102 Leider ist Bock eher desinteressiert an der Prosopographie der Herolde, was sich auch an dem schlechten Register der deutschen Herolde in der Monographie3 zeigt. Ich möchte Ergänzungen zum letzten Herold Romreich vorlegen, dem einzigen, über den man – nach derzeitigem Kenntnisstand – einige persönliche Details erfährt.
Der erste Herold Romreich ist bezeugt, als im Vorfeld der Schlacht bei Tannenberg 1410 das Heer des Deutschen Ordens den Wappenkönig Romreich ins gegnerische Lager entsandte4. 1413 ernannte Sigismund seinen Herold Paulus “Romrich” zum König aller Herolde im römischen Reich5. Es ist nicht ersichtlich, wie Bock6 auf die Idee kommt, diesem Paul den vorherigen Amtsnamen Ungarland beizulegen.
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Aufsatztitel müssen präzise sein
(Preprint) Ulm und Oberschwaben. Zeitschrift für Geschichte, Kunst und Kultur. Im Auftrag des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben e.V. und der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur e.V. hrsg. von Andreas Schmauder und Michael Wettengel in Zusammenarbeit mit Gudrun Litz. Bd. 59.
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