Rückenkratzer und Zepter – und (doch kein) Kulturtransfer (II): Das ruyi-Zepter

Nach Bemerkungen zum Rückenkratzer[1] folgt nun Kulturgeschichtliches zum ruyi-Zepter.

Der Begriff ruyi 如意 bedeutet “nach Wunsch”.  Diese Bedeutung wurde im Buddhismus in der Bezeichnung mehrerer Objekte  verwendet: “Auch das Szepter, das der buddhistische Abt als Zeichen seiner Würde handhabt, wird ju i genannt, wohl als Symbol der alle Wünsche befriedigenden buddhistischen Lehre.”[2].

Wu Zetian 武則天, die einzige Frau, die in der Geschichte des kaiserlichen China auch formell die Herrschaft übernommen hatte (684-705), verwendete den Begriff ruyi 如意 auch als nianhao (Devise) für ein Jahr (692) ihrer Herrschaft.  Im Zusammenhang mit Wu Zetian und dem Begriff ruyi erwähnt Eberhard in seinem Lexikon chinesischer Symbole ein weiteres Detail:  “Der Liebhaber der berüchtigten Kaiserin Wu aus der T’ang-Dynastie wurde Ju-i chün [also ruyi jun 如意君] (‘Herr, dem alles nach Wunsch geht’) genannt, was sich zweifelsohne auf seine sexuellen Fähigkeiten bezog.”[3] Dieser “Stoff” rund um Xue Aocao 薛敖曹 und die Kaiserin erfuhr vermutlich im frühen 16. Jahrhundert in der “Geschichte vom Herrn, dem alles nach Wunsch geht” (Ruyi jun zhuan  如意君傳) seine literarische Verarbeitung.[4]

Das ruyi- oder Wunsch-Zepter  steht in keinerlei Zusammenhang mit herrscherlichen Insignien: es ist ein länglicher Gegenstand, meist aus Holz oder auch aus Bambus gefertigt, der Form nach gebogen und an einem Ende mit einem Kopf oder Knauf versehen.[5] Für luxuriösere Ausführungen griff man auf Materialien wie Jade, Elfenbein, Rhinozeroshorn[6], Koralle und Achat zurück, auch Gold, Silber, Porzellan und Kristall wurden dafür verwendet. Vom Kopf oder Knauf des ruyi sagt man bisweilen, dass er dem daoistischen Pilz der Unsterblichkeit (lingzhi 靈芝) nachempfunden wäre. [7] Daher wurden solche Stücke vor allem zur Zeit der Qing-Dynastie (1644-1911) bei Anlässen wie Geburtstagen oder Hochzeiten dem Kaiser präsentiert oder von diesem an ranghohe Beamte verschenkt.[8]

  1. Vgl. dazu übrigens auch Hochschule Ludwigshafen am Rhein/Ostasieninstitut Ostasienlexikon, Art. ‘Rückenkratzer’.
  2. Heinrich Hackmann: Erklärendes Wörterbuch zum chinesischen Buddhismus: chinesisch-Sanskrit-deutsch. Nach seinem handschriftlichen Nachlaß überarbeitet von Johannes Nobel. Herausgegeben von der Religionskundlichen Sammlung der Universität Marburg/Lahn, Lieferung 5 (Leiden: Brill, 1954) 288 (Art. “如意 Ju i.”).  Zum ruyi allgemein vgl. John Kieschnick: The Impact of Buddhism on Chinese Material Culture (Princeton 2003) 138-152 (‘The Ruyi Scepter’.
  3. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996) 311 (“Zepter”).
  4. Vgl. dazu Thomas Zimmer: Der chinesische Roman der ausgehenden Kaiserzeit. Bd. 2/1 (Geschichte der chinesischen Literatur, Bd. 2; München 2002) 415-417; Robert Hans von Gulik: Erotic Colour Prints of the Ming Period with an Essay on Chinese Sex Life from the Han to the Ch’ing Dynasty, B.C. 206 – A.D. 1644. Authorized reprint. With introductions by James Cahill, Wilt L. Idema and Sören Edgren. Vol. I (Leiden 2004) liii.
  5. Abbildungen eines Rotlack-ruyi: “Cinnabar lacquer ruyi sceptre” in Art World. Online resources for teaching and learning in World Art.
  6. Vgl. dazu auch Natasha Heller: “Why Has the Rhinoceros Come from the West? An Excursus into the Religious, Literary, and Environmental History of the Tang Dynasty.” Journal of the American Oriental Society 131,3 (2011) 358.
  7. Ronald G. Knapp, Michael Freeman: Things Chinese. Antiques – Crafts – Collectibles (Singapore 2011) 133. Weitere Beispiele für den reichen Symbolgehalt des Gegenstandes bietet Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and visual imagery (Singapore 2008) 259 (‘Scepter’).
  8. Vgl. dazu Lothar Ledderose (Hg.): Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt (Frankfurt a. M. 1985) 133 (Kat.-Nr. 17) und ebd. Abb. 80).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1167

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