Freund und Favorit: Begriffliche Reflexionen zu zwei Bindungstypen an spätmittelalterlichen Höfen

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“)1

Am Anfang der folgenden Überlegungen steht eine Irritation: Sie resultiert aus der Bourdieu’schen Theorie von der Existenz unterschiedlicher Kapitalformen – des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals –, die im sozialen Miteinander mehr oder weniger konvertierbar sein sollten und vom Individuum zur sozialen Positionierung eingesetzt werden können. Zur Erklärung der sozialen Dynamik spätmittelalterlicher Höfe ist dieses Modell gleichermaßen einleuchtend und hilfreich.2 Es weist aber mindestens eine Bruchstelle auf: So gut es viele (wenn auch nicht alle) Prozesse und Strategien des Handelns im höfischen Kontext erklärt, ist die Dynamik erst einmal angelaufen, so lässt es doch die Frage nach dem Eintritt in das Spiel offen. Woher kommt das Kapital, das Bewegung über die ständige Konvertierung hinaus ermöglicht? Oder anders gefragt: Wie gelingt Neuankömmlingen der Eintritt?

Eine mögliche Antwort bietet die Ressource des ‚Gefallens‘, die man auch als ‚emotionales Kapital‘ fassen könnte und die zwei Typen der sozialen Nahbeziehung verbindet, welche oft analytisch getrennt werden. Mit der folgenden knappen Skizze möchte ich diese Trennung kritisch hinterfragen, die dem ‚Freund‘ den ‚Favoriten‘3 gegenübergestellt – denn das ‚Gefallen‘ oder die ‚positive emotionale Zuwendung‘ scheint ja sowohl bei der Freundschaft wie beim Favoritentum von großer Bedeutung zu sein. Dabei will ich nicht verschweigen, dass die Rolle der Emotionen für die spätmittelalterliche Freundschaft recht umstritten ist4, während für den Favoriten – oder zumindest eine seiner Spielarten – Philippe Contamine ausdrücklich formulierte: „Le mignon doit plaire.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6130

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