Neue Erkenntnisse zur Vorratsdatenspeicherung

Wie in den österreichischen Medien jetzt auch krone.at (“Vorratsdaten nicht zur Prävention von Terror geeignet”) und zuvor derstandard.at (“Vorratsdatenspeicherung kein Mittel gegen Terrorismus”) berichten, veröffentlichte die Technische Universität Darmstadt pünktlich zum 11. Jahrestag von 9/11 in einer Presseaussendung Ergebnisse einer Untersuchung zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Die Kernaussage darin ist, dass die Vorratsdatenspeicherung womöglich kein geeignetes präventives Mittel ist, um terroristische Anschläge zu verhindern. In der Aussendung heißt es:

„Das hierzulande vorgebrachte Hauptargument, dass Terroristen schon vor einer Straftat identifiziert werden könnten – also rein präventiv –, ist nach unserer Studie fraglich“, bringt es der Bioinformatiker Prof. Kay Hamacher vom Fachgebiet Computational Biology and Simulation, auf den Punkt. „Entgegen bisheriger Vermutungen haben unsere Simulationen gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Terroristen ausfindig zu machen, praktisch nicht steigt“, konkretisiert Hamacher, der die Studie gemeinsam mit Prof. Stefan Katzenbeisser, Security Engineering Group der TU Darmstadt, leitete.

Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Um terroristisches Verhalten erkennen zu können, müssen Telekommunikationsmuster erkannt werden, die von “normalen” Mustern abweichen. Die Forscher erklären es für problematisch,  “dass auch unverdächtige und gesellschaftlich gewollte Organisations- und Kommunikationsstrukturen auf diese Weise funktionieren” und führen die Organisation einer Hochzeit als Beispiel an.  Es ist also nicht möglich, als terroristisches Verhalten definierte Muster von “normalen”, nicht terroristischen Mustern zu unterscheiden. Außerdem sei es für Terrorgruppen ohne weiteres möglich, die “Ermittler auf falsche Spuren zu locken”, etwa durch die Bildung einer Art “Zwillings-Gruppe”, die durch ihr Verhalten die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Auch potentielle Bankräuber verhalten sich “normal”

Sehr ähnliche Ergebnisse präsentiere ich in meinem Paper “The thinking eye is only half the story: High level semantic video surveillance”: Um Vorbereitungshandlungen von möglichen Banküberfällen (z.B. Ausspionieren der Örtlichkeit) präventiv verhindern zu können, gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe von Kameras und Bildverarbeitungsalgorithmen Bewegungsmuster von Personen automatisiert zu analysieren.

Bei den Beobachtungen in Bankfilialen hat sich aber ergeben, dass das Verhalten von “normalen” Bankkunden so unterschiedlich und divers ist, dass das Erkennen und Herausfiltern von ungewöhnlichen oder sogar verdächtigen Bewegungsmustern nicht mehr möglich ist. Wenn man also nur diejenigen herausfiltern würde, die vom Durchschnittsverhalten abweichen (z.B. eine Person, die in aller Ruhe ein Überweisungsformular ausfüllt und anschließend in einer Schlange vor dem Schalter wartet), würde es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit immer die Falschen, nicht aber potentielle Bankräuber treffen. Auch hier habe ich den Vergleich mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gebracht: Denn z.B. im Verhältnis zu geschätzten 70 Milionen Personen, die pro Jahr die 512 Bankfilialen in Wien pro Jahr betreten und verlassen, ereigneten sich etwa im Jahr 2008 in Wien “nur” 63 Banküberfälle  (Musik 2011: 348f.).

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3966

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