Herbert Kappler war zwar kein Hundertjähriger als er am 15. August 1977 aus dem Fenster eines römischen Militärkrankenhauses stieg und verschwand. Zudem ist nicht einmal sicher, ob Kappler sich – wie von den Boulevard-Medien seinerzeit kolportiert – überhaupt aus seinem Zimmer im dritten Stock abseilen musste, um in die Freiheit zu gelangen. Ein Methusalem war er in gewisser Hinsicht aber dennoch: 32 Jahre hatte der ehemalige SS-Mann in italienischer Haft gesessen, ehe er bei einem Krankenhaus-Aufenthalt die Flucht ergriff. Somit gehörte er zu den letzten im westeuropäischen Ausland inhaftierten deutschen Kriegsverbrechern. Kappler hatte 1944 mit dem Massaker in den Fosse Ardeatine einen der grausamsten Massenmorde in Italien während des Zweiten Weltkriegs zu verantworten. Nach dem Krieg war er in Rom wegen der brutalen Erschießung von 335 Italienern zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt worden. In den drei Jahrzehnten seiner Haft wurde Kappler in Italien zunehmend zur Symbolfigur für die deutschen Besatzungsverbrechen. In der Bundesrepublik hingegen wurde er gern zum Opfer einer ungerechten und unbarmherzigen italienischen Kriegsverbrecherpolitik stilisiert.
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Quelle: http://histrhen.landesgeschichte.eu/2019/12/rezension-bohr-glahe/