Plunder of Peach and Plum 桃李劫 (1934)

“Plunder of Peach and Plum” (桃李劫 Táolǐ jié)[1] von Regisseur Ying Yunwei (1904-1967) aus dem Jahr 1934 war einer der ersten abendfüllenden Tonfilme Chinas  Der Film wurde bei der Viennale 1991 in der Reihe “Filmland China” gezeigt und war Teil der Retrospektive The Secret History of Asian Cinema” bei den 62. Filmfestspielen in Venedig (2005).

Ein Schulleiter liest in der Zeitung das Todesurteil über einen seiner früheren Lieblingsschüler. Er besucht ihn in der Todeszelle, wo Tao Jianping auf seine Hinrichtung wartet. Tao erzählt, was schief gelaufen ist – angefangen vom Tag seines Abschlusses.

Plunder of Peach and Plum (1934)

Plunder of Peach and Plum (1934)
Internet Archive

Tao  hatte Li Lilin geheiratet und begonnen, bei einer Spedition zu arbeiten. Er verlor seinen Job, weil er zu ehrlich war, um die ständigen Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen hinzunehmen. Während er – zunehmend verzweifelt – nach neuen Jobs sucht, beginnt Li, als Sekretärin zu arbeiten.  Die Lage der beiden bessert sich, als Tao einen Job bei einem Bauunternehmen findet. Diese Entspannung währt nur kurz, denn Tao verliert auch diesen Job, weil er sich weigert, gegen Sicherheitsbestimmungen zu verstoßen. Wenig später wird Li von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt. Sie kann im letzten Moment entkommen – doch der Vorfall treibt einen Keil zwischen das Paar.

Tao muss Arbeiten im Niedriglohnbereich annehmen, das Paar muss immer wieder umziehen, weil die Wohnungne zu teuer werden. Nach der Geburt ihres Kindes stürzt Li über eine Treppe und bleibt schwer verletzt liegen. Um für ihre Versorgung aufkommen zu können, bitte Tao um einen Vorschuss, der ihm verweigert wird. Tao stiehlt das Geld, doch Li stirbt wenig später. Nach ihrem Tod rutscht Tao immer weiter ab. Er kann das Kind nicht mehr versorgen und gibt es in einem Waisenhaus ab. Bei seiner Rückkehr nach Hause wird er von der Polizei erwartet, die ihn wegen des Diebstahls festsetzen will. Er versucht zu fliehen, bei der Verfolgungsjagd kommt ein Polizist ums Leben – wofür Tao auch zur Verantwortung gezogen wird. Er wird zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Film endet mit dem “Graduation Song” [biye ge 畢業歌], dessen Text[2] von Tian Han 田漢 (1898-1968) geschrieben wurde, die Musik ist von Nie Er 聶耳 (1912-1935). Das Lied ermutigt die Studierenden, die Elite der Gesellschaft zu werden – aber auch als ironischer Kommentar zu Taos Schicksal gelesen werden kann.[3].

Der Titel des Films - 桃李劫 Táolǐ jié – spielt mit Mehrdeutigkeiten, denn táo 桃 (auch: Pfirsich) und   李 (auch: Pflaume) sind die Familiennamen der beiden Hauptfiguren. Zusammen gelesen, steht táolǐ 桃李劫 für besonders begabte Schüler.[4]

  1. Auch: The Fate of the GraduatesLes Malheurs de la jeunesse.
  2. Chinesischer Text: 《毕业歌》, englische Übersetzung: Laikwan Pang: Building a New China in Cinema: The Chinese Left-wing Cinema Movement, 1932-1937 (London etc.: Rowman & Littlefield 2002), 81.
  3. Zum Film u. a.: Laikwan Pang: Building a New China in Cinema: The Chinese Left-wing Cinema Movement, 1932-1937 (London etc.: Rowman & Littlefield 2002), 80 f.; Tan Ye/Yun Zhu: Historical Dictionary of Chinese Cinema (Plymouth: Scarecrow Press 2012), 124 f.
  4. “[...] (fig.) disciples méritants, distignués, qui répondent aux soins dont ils sont l’objet, proposés pour les charges publiques. Disciples; élèves. [...] (Grand Dictionnaire Ricci de la lange chinoise, Bd. V, S. 868 (Nr. 10548).)

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/902

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Ein Bild sagt mehr … (XI): Les mandarins lettrés (1844)

Am 24. Oktober 1844 unterzeichneten Théodor de Lagrené (1800-1862)[1] und Qiying 耆英 (1787-1858)[2] den Vertrag von Huangpu [auch "Vertrag von Whampoa", Huángpǔ tiáoyuē 黃埔條約][3], der Frankreich all das zubilligte, was im Vertrag von Nanging Großbritannien zugestanden worden war: die Öffnung von Guangzhou 廣州, Fuzhou 福州, Ningbo 寧波, Shanghai 上海 und Xiamen 廈門 für den Handel, Extraterritorialität für französische Staatsangehörige, fixe Zolltarife und das Recht, Konsulate einzurichten. Die Vertragsverhandlungen, bei denen  Joseph-Marie Callery (1810-1862) als Übersetzer fungiert hatte, hatten in Macau (Aomen 澳門) stattgefunden, die Unterzeichnung erfolgte an Bord des Dampfer L’Archimède, der im Perlflussdelta auf der Höhe der Insel Huangpu vor Anker lag.

Les mandarins lettrés (1844)

Honoré Daumier: Les mandarins lettrés (1844)
[University of Kansas Luna Insight Image Collection]

China war seit im Kontext des so genannten “Ersten Opiumkriegs” in das Blickfeld der europäischen Politik gerückt, das ‘exotische’ China faszinierte ein breites Publikum. Der wohl bedeutendste Karikaturist Frankreichs dieser Zeit konnte an der Chiffre ‘China’ nicht vorbei gehen:  Honoré Daumier produzierte zwischen Dezember 1843 und Juni 1845 “Voyage en Chine”, eine Serie von 32 Lithographien, die in Le Charivari erschienen. Die einzelnen Blätter der Serie projizierten französische Alltagsszenen in eine exotische Umgebung – und bilden so beißende Kommentare zu den Vorgängen in Frankreich. Das Spektrum der dabei behandelten Themen ist breit gefächert, es geht unter anderem um Zölle/Zollkontrollen, Musik, Tanz, Bildung und Erziehung, Eheschließung, Krieg und Politik.

Am 7. Dezember 1844 erschien in Le Charivari das Blatt “Les mandarins lettrés”[4]. Es zeigt einige ‘asiatisch’ gekleidete Männer, die um einen Tisch sitzen, auf dem einige Bücher liegen. Einer manikürt seine Fingernägel, die anderen scheinen zu schlafen. Der Text erklärt die Szene:

Il existe à Pékin une célèbre institution littéraire nommée A-KA-DE-MIE, les quarante membres de ce corps assistent une fois par an à une grande séance publique où l’on baille, et une fois par mois à une petite séance particulière où l’on dort. Il est vrai que ces personnages s’excusent en disant qu’ils rèvent au dictionnaire de la langue Chinoise, dictionnaire qu’ils sont en train de rédiger depuis cent cinquante ans; mais ils ne se pressent pas, sous le prétexte qu’ils ont tout le temps de travailler, puisqu’ils sont immortels.

Daumier zielt auf die Académie française, die 1635 auf Betreiben Richelieus von Louis XIII. gegründete Gelehrtengesellschaft, deren offizielle Aufgabe die Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache war und ist.  Die Akademie hat 40 auf Lebenszeit berufene Mitglieder, “les immortels”/”die Unsterblichen” – nach dem Motto der Akademie.[5]

1637 hatte die  Académie française begonnen, an einem normativen Wörterbuch zu arbeiten. Die erste Auflage des Dictionnaire de l’Académie[6] erschien 1694 – also 150 Jahre vor Daumiers Karikatur. Bis 1844 waren 5 Ausgaben erschienen, die letzte vollständige Ausgabe ist die 8. Ausgabe (1932-1935) mit ca. 35 000 Wörtern. Seit 1986 wird an der neunten Auflage gearbeitet, deren erster Band erschien 1992, der zweite Band folgte 2000.

Das ‘Chinesische’ in Daumiers Karikatur beschränkt sich auf ‘asiatische’ Kleidung, die Zöpfe der ‘Unsterblichen’ und auf die Schreibung “A-KA-DE-MIE”, die den Monosyllabismus aufgreift, den man seit dem 17. Jahrhundert dem Chinesischen nachgesagt hatte.[7]

BTW … Schon die klassischen einsprachigen  chinesischen Wörterbücher (Lexika, Zeichen- und Reimwörterbücher) übertrafen den Umfang des Dictionnaire de l’Académie françoise spielend:

  • Im Kangxi zidian 康熙字典 (1716[8] finden sich 47035 Schriftzeichen (von denen etwa 20000 Varianten sind).
  • 1711 wurde das Peiwen yunfu 佩文韻府[9]  [wörtlich: “Reimsammlung des kaiserlichen Studierzimmers”[10] präsentiert,  Es enthält mehr als 500.000 Einträge unter ca. 10.000 Lemmata – angeordnet nach 106 Reimgruppen.[11]

  1. Biographie in der Base de données des députés français depuis 1789.
  2. Fang Chao-ying, “Ch’i-ying (Kiying),” in A. W. Hummel, ed.: Eminent Chinese of the Ch’ing Period (1644-1912). (Washington: United States Government Printing Office, 1943), Vol I, pp. 131-134. Online: Qing Studies Workshop.
  3. S. Treaties, conventions, etc., between China and foreign states. 2d ed. Published by order of the Inspector General of Customs, Vol. 1 (Shanghai: Published at the Statistical Dept. of the Inspectorate General of Customs; and sold by Kelly & Walsh, 1917), 771-813.
  4. Voyage en Chine 18. Daumier Register Nr. 1206.
  5. S. http://www.academie-francaise.fr/les-immortels/les-quarante-aujourdhui.
  6. Académie française: Le dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy.  (Paris: Vve J. B. Coignard et J. B. Coignard 1694); Digitalisate (gallica): t. 1, t. 2.
  7. S. Gustav Ineichen: “Historisches zum Begriff des Monosyllabismus im Chinesischen”, In: Historiographia Linguistica, Volume 14 (1987),Number 3, 265-282.
  8. Zhang Yushu 張玉樹 et al.: Kangxi zidian 康熙字典 (1716). – Online: http://www.kangxizidian.com/.  Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  9. Zhang Yushu 張玉樹 et. al.: Peiwen yunfu 佩文韻府 (1711, Supplement 1720). Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  10. Helwig Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München: C.H. Beck; 2. Auflage 1999), 247.
  11. Christoph Kaderas: Die Leishu der imperialen Bibliothek des Kaisers Qianlong. (Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Berlin 4, Wiesbaden: Harrassowitz 1998), 236-240.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/953

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Ein Bild sagt mehr … (X): Die Preußen in China (1898)

In den Jahren nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg (1894/95) erreichte der Scramble for Concessions, der Wettlauf um Stützpunkte (und Einfluss) in China, einen neuen Höhepunkt. Im Deutschen Reich hatte es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhudnerts Überlegungen um einen Flottentützpunkt in China gegeben, auch Tirpitz hatte entlang der Küste nach geeigneten Standorten gesucht. Einer der zahllosen Missionszwischenfälle, die Ermordung zweier deutscher Missionare in der Provinz Shandong 山東 bot schließlich den Vorwand zur Besetzung eines Territoriums.  Am 14. November landeten deutsche Truppen in der Jiaozhou-Bucht, die kampflos besetzt wurde.[1]  Am 6. März 1898 pachtete das Deutsche Reich die Bucht für 99 Jahre, im April wurde sie offiziell unter deutschen Schutz gestellt.

Das besetzte Gebiet “Kiaotschou” (Jiāozhōu 膠州) lag an der Südküste der Shandong-Halbinsel und umfasste 552 Quadratkilometer. Das Gebiet hatte eine Größe von 552 km²  dazu gehörten neben auch etwa zwei Dutzend Inseln in der Bucht, die Stadt Jiaozhou im Nordwesten der Bucht war jedoch nicht Teil des Pachtgebiets.[2]

Die deutschen und österreichisch-ungarischen satirisch-humoristischen Zeitschriften beschäftigten sich 1897/1898 intensiv mit dem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet in China – der Tenor war, dass das Deutsche Reich sich mit dem, was die die anderen Mächte übrig gelassen hatten, begnügen mussten. Eine Karikatur im Wahren Jakob vom 1. Februar 1898 – also noch bevor das Gebiet offiziell gepachtet war – bringt diese Einschätzung auf den Punkt:

Der wahre Jakob Nr. 301 (1. Februar 1898) 2650

Der wahre Jakob Nr. 301 (1. Februar 1898) 2650
© UB Heidelberg http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1898/0028

“Die Preußen in Chin” zeigt die “Ergebnisse eines Requirierungs-Zuges i Kiau-Tschou. Guten Appetit.” Die Beute des Requirierungszuges war nicht sehr beeindruckend: ein Korb mit einer zerhackten Schlage, eine Menge Ratten, die am Schwanz an eine Stange geknüpft sind, und eine Platte mit Krebsen/Spinnen. Im Hintergrund ist ein Werbebanner zu sehen, auf dem ‘exotische’ Spezialitäten des “Grand Hotel Kiaotschou” anpreist:  “Schlangen-Ragout”, “Ratten-Braten” und “Mops-Keule”.

Die kritischen Kommentare im Wahren Jacob und anderen satirisch-humoristischen Zeitschriften scheinen fast prophetisch – erwies sich die ‘Musterkolonie’[3] doch bald als Fass ohne Boden, die Kosten überstiegen den Nutzen bei weitem, die großen Erwartungen blieben unerfüllt.

 

 

  1. S. dazu: BArch N 255/24: Proklamation des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Otto von Diederichs, zur Besetzung von Kiautschou durch deutsche Truppen am 14. November 1897. Online: http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/00765/index-3.html.de.
  2. Karte: BArch N 253/41: Karte von Tsingtao. Online: http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/00765/index.html.de.
  3. Klaus Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der „Musterkolonie“ Kiautschou: Interaktionen zwischen China und Deutschland 1897-1914 (München: Oldenbourg Verlag 2000).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/923

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Queen of Sports 体育皇后 (1934)

In 体育皇后 Tǐyù huánghòu (“Queen of Sports”) aus dem Jahr 1934 erzält Regisseur Sun Yu 孫瑜 (1900-1990) die Geschichte der Sprinterin Li Ying zwischen sportlichen Erfolgen und der Oberflächlichkeit der ‘besseren Gesellschaft’ Shanghais.

体育皇后 Queen of Sports (China, 1934)

体育皇后 Queen of Sports (China, 1934).

Sun Yu [1] gehörte zu den führenden linken Filmregisseuren Shanghais der 1930er Jahre. Er hatte in Beijing und in den USA studiert und war einer der wichtigsten Regisseure der  Lianhua Film Company (Liánhuá yǐngyè gōngsī 聯華影業公司), der sich mit sozialkritischen Dramen einen Namen gemacht hatte. “Queen of Sports”, der den Durchbruch für Lí Lìlì 黎莉莉 (eigentlich Qián Zhēnzhēn 錢蓁蓁, 1915-2005), zeichnet ein positives Bild der modernen chinesischen Frau – losgelöst von der üblichen Darstellung der ‘Heldinnen’ im chinesischen Film.

Lin Yin (dargestellt von Li Lili), reist nach Shanghai, um sich dort an einem College einzuschreiben. Mit großer Disziplin erarbeitet sie sich sportliche Erfolge – bis hin zu nationalen Meisterschaften. Durch ihre sportlichen Erfolge wird sie zu einer Berühmtheit und findet Zugang zu den ‘oberen 10.000′ – doch dadurch vergisst sie die wahren Ideale des Sports. Der Film, dessen Buch Sun 1933 schrieb, ist von sowjetischen Filmen stark beeinflusst – er erzählt eine Geschichte von sportlichem Erfolg und den Versuchungen, denen sich ‘Stars’ ausgesetzt sehen.

  1. Zur Biographie: Li Cheuk-To: “A Gentle Discourse on a Genius: Sun Yu”, in: Cinemaya: The Asian Film Magazine, Vol. II (1991), 53-63, Zhang  Yingjin/Xiao Zhiwei. “Sun Yu”, in Encyclopedia of Chinese Film (1998), 324f

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/843

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Das Bild vom Anderen: ‘Gelbe Gefahr’ − ‘Weiße Gefahr’

Das Schlagwort von der ‘Gelben Gefahr’ ist (vor allem im deutschen Sprachraum) fest mit dem Bild Völker Europas, wahr(e)t eure heiligsten Güter verknüpft, so fest, dass  das Bild als Illustration des Schlagworts gesehen wird – was sich bei genauerer Betrachtung als Konstrukt späterer Generationen erweist – denn die diffuse Angst vor einer Bedrohung aus dem Osten war lange vor Knackfuß’ Federlithographie und vor der Prägung des Begriffs ‘Gelbe Gefahr’ weit verbreitet.

Der Begriff ‘Gelbe Gefahr’ (‘Yellow Peril’, ‘Yellow Terror’, ‘le péril jaune’) sollte Ressentiments gegen asiatische Völker, speziell gegen ‘die Chinesen’ und China schüren. In den amerikanischen Medien waren anti-chinesische Stimmen seit der Diskussion um den ‘Chinese Exclusion Act’, der die Einwanderung von Chinesinnen und Chinesen massiv einschränkte[1] in den 1880ern häufig zu lesen, in Europa dauerte es bis zum Ende des Jahrhunderts. 1897 veröffentlichte der russische Soziologe Jacque Novikow (Yakov Aleksandrovič Novikov, 1849-1912) Le péril jaune[2]. Matthew Phipps Shiel (1865-1947) veröffentlichte 1898 die Serie The Empress Earth, der wenig später als Roman unter dem Titel The Yellow Danger ((M. P. Shiel: The Yellow Danger (London: Grant Richards 1898): Online: Internet Archive.)). Spätere Editionen erschienen unter dem Titel The Yellow Peril. Im Deutschen wurde der Begriff vermutlich durch Die Gelbe Gefahr (1900), einen Roman des ‘Kolonialschriftstellers’ Stefan von Kotze (1869-1909), geprägt.[3]

Das Bild Völker Europas, wahr(e)t Eure heiligsten Güter schuf der Historienmaler Hermann Knackfuß (1848-1915)[4] im Jahr 1895 nach einem Entwurf von Kaiser Wilhelm II.;; es war ein Geschenk des deutschen Kaisers an Zar Nikolaus II.

Das Bild zeigt unter einem schwebenden Kreuz eine Gruppe von walküren-ähnlichen weiblichen Figuren und den Erzengel Michael. Der Engel deutet auf einen auf dunklen Gewitterwolken über eine europäischenLandschaft schwebenden Buddha deutet.che und christliche Missionare getötet wurden. Die weiblichen Figuren sind Allegorien der Völker Europas – sie verkörpern (von rechts) Frankreich (“Marianne”), das Deutsche Reich (“Germania”), Russland, Österreich (“Austria”), Italien (“Italia”) und Großbritannien (“Britannia” mit dem ‘Union Jack’ auf dem Schild), die Figur ganz links ist nicht eindeutig identifiziert. Die Darstellung gilt als Versuch, die Aufmerksamkeit der europäischen Mächte auf die potenziellen Gefahren aus dem Osten zu lenken …

Als 1896 Li Hongzhang durch die USA und einige Staaten Europas reiste, ändert sich das Bild: China wird als Markt interessant – was auch in der Karikatur durch Verfremdung eines allgemein bekannten Bildes verarbeitet wird: “Der Feind aus dem Osten naht, rüstet euch zum Lossschalgen! Völker Europas, verkauft eure theuersten Güter!”[5].

kla_1896

Beiblatt zum Kladderadatsch Nf. 27 (5.7.1896)
Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg (Creative Commons-Lizenz cc-BY-NC-SA)

Diesmal steht an der Stelle des Erzengels Michael Hermes (oder Merkur), der ‘Götterbote’. Die ‘Walküren’ haben ihre Waffen fallen gelassen und alle Hände voll mit Waren, die sie anpreisen wollen – Schiffe, Waffen, Munition.  Anstelle des Kreuzes schwebt über ihnen ein praller Geldbeutel. Und in den Rauchwolken, die aus Fabriksschloten aufsteigen, schwebt Li Hongzhang 李鴻章 im Sonnenglanz mit einem ganzen Berg von Geldsäcken.[6]

Im Sommer 1900 tauchte das Bild wieder auf, um die deutsche Kriegstreiberei im Kontext der militärischen Intervention zur Unterdrückung der Yihetuan 義和團-Bewegung (des so genannten ‘Boxeraufstandes) zu untermauern. Eine Karikatur von Johan Braakensiek[7] zeigt “une nouvelle interprétation du tableau connu de l’emperuer Guillaume”[8]: “Confucius: ‘Volkeren van Azië, verdedigt uwe heilige goederen.” ["Confucius: Völker Asiens, verteidigt eure heiligen Güter].

braakensiek_1900

“Confucius: ‘Peuple d’Asie, protégez votre biens sacrés.’”
Reproziert in: Chinois d’Europe et Chinois d’Asie | Quelle: gallica[Ausschnitt]Bildunterschrift im Original: “Confucius: “Volkeren van Azie, verdedigt uwe heilige goederen!
Abb. (zoombar)De Amsterdammer. Weekblad voor Nederland Nr. 1200 (24.6.1900) S. 10A

Brakensiek verlagert in der Karikatur, die am 24. Juni 1900 in De Amsterdammer.[9] erschien, die Szene auf eine Klippe am Meer. Auf der Klippe steht unter einem schwebenden Drachen ein chinesischer Beamter mit geflügelten Kappe und Mantel vor einer Gruppe von Asiatinnen und Asiaten und deutet auf ein Schlachtschiff, das sich der Küste nähert. Auf der Brücke des Schiffes sind Europäer bzw. Ausländer schemenhaft zu erkennen – die Figur ganz links trägt Zylinder und Kinnbart (und steht für die USA), die anderen Figuren sind nicht so klar zu erkennen, über dem Schiff schwebt ein Kreuz im Strahlenkranz.

Die Karikatur wurde Wochen vor der so genannten “Hunnenrede”[10] veröffentlicht – und lange bevor Anatole France in seinem Roman Sur la pierre blance (1905)[11]- allerdings vor dem Hintergrund des Russisch-Japanischen Krieges auf Japan bezogen – davon sprach, dass man nicht von einer ‘gelben Gefahr’, sondern viel eher von einer ‘weißen Gefahr’ sprechen müsste:

[...] Les Japonais passent le Yalu et battent avec précision les Russes en Mandchourie. Leurs marins détruisent élégamment une flotte européenne. Aussitôt nous discernons un danger qui nous menace. S’il existe, qui l’a créé ? Ce ne sont pas les Japonais qui sont venus chercher les Russes. Ce ne sont pas les Jaunes qui sont venus chercher les Blancs. Nous découvrons, à cette heure, le péril jaune. Il y a bien des années que les Asiatiques connaissent le péril blanc. [..] Nous avons créé le péril blanc. Le péril blanc a créé le péril jaune. [...].[12]

 

  1. An act to execute certain treaty stipulations relating to the Chinese, May 6, 1882; Enrolled Acts and Resolutions of Congress, 1789-1996; General Records of the United States Government; Record Group 11; National Archives. (Online: http://www.ourdocuments.gov/doc.php?flash=true&doc=47#); Materialsammlung: Harvard University | Open Collections Program
  2. Jacques Novicow: Le péril jaune (Paris : V. Giard et E. Brière 1897) http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k68266m
  3. S. dazu http://stefan-von-kotze-gesellschaft.de/html/html/das_werk.html.
  4. Zur Biographie: Brigitte Lohkamp: „Knackfuß, Hermann“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 149 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118563599.html
  5. Beiblatt zum Kladderadatsch, Nr. 27 (5. Juli 1896) [1].
  6. Ein ähnliches Sujet findet sich nach Grand-Carteret auch in den Lustigen Blättern im August 1896, dort stehen anstelle der Nationalallegorien Minister – und Li Hongzhang schwebt auf einem Drachen, s. [John Grand-Carteret:] Chinois d’Europe et Chinois d’Asie, documents illustrés pour servir à l’histoire des chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900, recueillis… par John Grand-Carteret,… (s.l. s.d. [um 1900]) 8.
  7. Johan Coenraad Braakensiek (1858-1940) war Maler, Illustrator und Karikaturist – und arbeitete immer wieder für De Amsterdammer. Zur Biographie: J.L. Heldring, ‘Braakensiek, Johan Coenraad (1858-1940)’, in Biografisch Woordenboek van Nederland. URL: http://www.historici.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn3/braakensiek [10-02-2012].
  8. [John Grand-Carteret:] Chinois d’Europe et Chinois d’Asie, documents illustrés pour servir à l’histoire des chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900, recueillis… par John Grand-Carteret,… (s.l. s.d. [um 1900]) 34.
  9. Die politische Wochenzeitschrift wurde 1877 gegründet – der volle Name war De Amsterdammer – weekblad voor Handel, Industrie en Kunst. 1925 erhielt das Blatt den Namen De Groene Amsterdammer. Mit der Ausgabe vom 12. 10. 1940 wurde De Groene Amsterdammer eingestellt, am 16. Juni 1945 erschien das Blatt wieder. Die Ausgaben von 1877 bis 1940 wurden vollständig digitalisiert und sind über das Archief frei zugänglich.
  10. Ansprache Wilhelms II. bei der Veranbschiedung des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps am 27. Juli 1900 in Bremerhaven – Bernd Sösemann: “Die sog. Hunnenrede Wilhelms II. Textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven”. In: Historische Zeitschrift 222 (1976),  342–358 (mit der maßgeblichen Textversion).
  11. Anatole France: Sur la pierre blanche (Paris: Calmann-Levy 1905) – Online: gallica.
  12. Anatole France: Sur la pierre blanche (Paris: Calmann-Levy 1905), S. 212.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/873

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China-News: Am Vorabend des Opiumkriegs (1839)

China hatte seit den ersten Versuchen europäischer Händler, in China Geschäfte zu machen, alles unternommen, den Handel einzuschränken und zu limitieren. Im 18. Jahrhundert etablierte sich das “Kanton-System”, benannt nach Guangzhou 廣州, dem einzigen Hafen, wo der Handel möglich war. Die ausländischen Händler lebten dort in einem abgeschlossenen Gebiet in ihren Faktoreien, der Handel lief über die Cohong [公行 gonghang] und wurde vom Hoppo [關部 guanbu] überwacht. Die chinesische Seite kontrollierte den Handel und legte (häufig willkürlich) die Handelsbegingungen fest. Bis in die 1820er war die Handelsbilanz eindeutig zu Gunsten Chinas ausgefallen. Die Europäer wollten immer größere Mengen an Tee und Seide kaufen, doch die Waren, die sie in China anboten, stießen auf wenig Interesse. Die Devisenabflüsse nach Ostasien führten in Europa zu einer Silberverknappung.

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Ab den 1820ern verstärkte die East India Company systematisch den Opiumexport aus Bengalen nach China, die Opiummengen verfünffachte sich zwischen 1821 und 1837. Damit kippte die Handelsbilanz, große Mengen Silbers floßen aus China ab. Der Daoguang 道光-Kaiser ( 1782-1850, reg. 1820-1850) bemühte sich intensiv, den Opiumahndel einzudämmen – doch ohne Erfolg. Im Gegenteil, der Opiumhandel wuchs beständig an.

1838 wurde Lin Zexu 林則徐 (1785-1850) als Sonderkommissar nach Guangzhou geschickt, um dem Opiumhandel ein Ende zu setzen. Er ließ chinesischen Konsumenten und Zwischenhändler verhaften und Opium und Opiumpfeifen beschlagnahmen. Gegen die East India Company hatte er keinen Erfolg, die Händler forcierten noch die illegale Opiumeinfuhr.

Im März 1839 eskalierte die Situation. Auf der Basis eines kaiserlichen Edikts, das Ausländern den Handel mit Opium in China verbot, ließ Lin 350 in den Opiumhandel involvierte Ausländer in den Faktoreien quasi internieren, um den britischen Superintendenten zur Herausgabe von rund 1400 Tonnen Opium zu zwingen. Nach der Übergabe des Opiums, das im Juni 1839 vernichtet wurde, mussten die Kaufleute Guangzhou verlassen.

Nachrichten über diese Vorgänge brauchten etwa vier Monate nach Europa – und so fand sich im Österreichischen Beobachter[1] vom 5.10.1839 ein Bericht über die Beschlagnahme des Opiums, der auf ‘Nachrichten aus England’, ‘Briefen aus Macao [Aomen 澳門]‘ und englischen Zeitungen basierte und dis Situation bis Ende Mai 1839 darstellt.

Zunächst wird kurz umrissen, dass die englischen Kaufleute, die bis zur Ablieferung des Opiums quasi als Geiseln festgehalten worden waren, Guangzhou verlassen hätten.

Der brittische Handel mit China ist durch diese Ereignisse vorläufig wenigstens gänzlich vernichtet, und es steht zu fürchten, daß die Amerikaner diese Gelegenheit benutzen werden, alle Handelsvortheile an sich zu ziehen, wenngleich sie sich genöthigt sehen sollten, vielen Erniedrigungen sich zu unterwerfen.[2]

Der kurze Seitenhieb auf amerikanische Kaufleute, die – anders als die britischen Kaufleute – als Privatleute ohne direkte Verbindung zur US-Regierung auftraten und so auf dem chinesischen Markt Fuß fassen konnten, ist wenig mehr als eine Fußnote. Es folgt eine  Darstellung der Entwicklung des Opiumhandels – und der ‘Petition’ der britischen Kaufleute in Guangzhou bzw. Macau an Lord Palmerston vom Mai 1839.

Nachrichten über die Zuspitzung der Lage in China waren im August 1839 nach London gelangt, wo sich die Lobby der Opium-Kaufleute auf eine militärische Intervention drängte, untersützt von Vertretern der Industrie, die den Markt China öffnen wollte. Anfang Oktober beschloss das britische Kabinett unter Premier Lord Melbourne diese Intervention.

  1. Der Österreichische Beobachter war eine quasi-offizielle Tageszeitung, die erste Nummer erschien am 2.3.1810, zunächst 3 Nummer pro Woche, ab März 1811 täglich. Digitalisat (1811-1847) → ANNO.
  2. Österreichsicher Beobachter Nr. 278 (5.10.1839) 1380.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/867

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“Blonde Venus” auf Chinesisch? Shennü 神女 [The Goddess] (1934)

Shénnǚ 神女 (The Goddess”/”Göttinnen”) aus dem Jahr 1934 gehört zu den bedeutensten Filmen Chinas seiner Zeit. Der Film war einer der ersten von Regisseur Wu Yonggang  吳永剛 (1907-1982) – und einer der letzten der Hauptdarstellerin Ruan Lingyu  阮玲玉 (1910-1935).

Shennü 神女 | The Goddess (1934)

Shennü 神女 | The Goddess
(Regie: Wu Yonggang, 1934)

Shénnǚ 神女 proträtiert eine junge Frau (dargestelllt von Ruan Lingyu) im Shanghai der 1930er. Sie muss sich selbst und ihren Sohn Shuiping durchbringen und verdingt sich als Sexarbeiterin. Eines Nachts flieht sie vor der Polizei und landet eher zufällig bei einem Spieler (dargestellt von Zhang Zhizhi 章志直 (1901-1970)), der sie versteckt und fortan als sein Eigentum betrachtet. Er droht damit, ihr ihren Sohn wegzunehmen, wenn sie nicht ihr Geld abliefert. Es gelingt ihr jedoch, Geld hinter einem losen Ziegelstein zu verstecken.

Als ihr Sohn etwa 6 Jahre alt ist, meldet sie ihn in einer Schule an. Die Eltern der anderen Kinder finden bald heraus, dass sie Sexarbeiterin ist. Sie beschweren sich und verlangen, dass Shuiping der Schule verwiesen wird. Der Schulleiter besucht die Mutter und erkennt, beeindruckt von ihrer Entschlossenheit, dem Sohn um jeden Preis ein besseres Leben zu ermöglichen, dass er Shuiping nicht für die unglückliche Lage der Mutter bestrafen kann. Die Schule ist damit nicht einverstanden, deshalb tritt der Schulleiter zurück und Shuiping wird der Schule verwiesen.

Die Mutter entscheidet sich, mit Shuiping zu fliehen und an einem Ort zu gehen, wo niemand die Vergangenheit kennt, neu anzufangen. Sie nimmt den Ziegel aus der Wand und will das Geld nehmen, doch der bösartige Spieler hatte ihr Versteck entdeckt und das Geld gestohlen. Sie verlangt ihr Geld, was er verweigert. Sie schlägt ihn im Streit mit einer Flasche und tötet ihn. Dafür wird sie zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Schulleiter besucht sie und verspricht ihr, sich um Shuiping zu kümmern. Sie bittet ihn, ihrem Sohn zu sagen, seine Mutter wäre tot, um ihm die Schande zu ersparen. Der Film endet damit, dass das Leben des Sohnes vor dem geistigen Auge der Mutter abläuft.

Shénnǚ gilt als chinesische Fassung von Josef von Sternbergs Blonde Venus (1932) mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle. Doch anders als bei Sternberg steht im chinesischen Streifen nicht die Selbsverwirklichung der Frau im Vordergrund. Shénnǚ stellt die Liebe einer Mutter für ihren Sohn in den Vordergrund. Sie opfert sich auf, verdingt sich gar als Sexarbeiterin und nimmt ihr Schicksal hin, in der Hoffnung, dem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen.

Der Film besticht durch die Darstellungskraft von Ruan Lingyu  阮玲玉 (1910-1935), einer der herausragenden Schauspielerinnen ihrer Zeit.[1] Ruan hatte sich kurz nach der Veröffentlichung von Shénnǚ 神女 das Leben genommen – und wurde so “zu einer Repräsentantin der unterdrückten Frauen und Vrkämpferin für mehr Menschlichkeit und ein gerechteres Gesellschaftssystem [...]”[2] Ihr Leben erzählt der Film Ruǎn Língyù 阮玲玉 (“Centre Stage”, Hong Kong 1992[3] ) von Stanley Kwan. Maggie Cheung [張曼玉 [Cheung Man-Yuk/Zhāng Mànyù] wurde für ihre Darstellung der Ruan Lingyu bei der Berlinale 1992 mit dem Silbernen Bären als Beste Darstellerin ausgezeichnet.

  1. Zur Biographie: Richard J. Meyer: Ruan Ling-Yu: The goddess of Shanghai. (Hong Kong: Hong Kong University Press 2005).
  2. Stefan Kramer: Geshcichte des chinesischen Films (Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler 1997) 27.
  3. Ruan Lingyu in der IMDb

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/849

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China-News: Tee und der Handel mit China (5.9.1767)

Die Rubrik ‘China-News’ sammelt Zufallsfunde und (frühe) Zeitungsartikel zu China und Chinathemen. Diesmal geht es um den Tee (Camellia sinensis) und seine wirtschaftliche Bedeutung. In den “Gelehrten Beiträgen zu dem Wienerischen Diarium, oder Auszüge aus verschiedenne ausländischen Monat- und Wochenschriften” findet sich am 5.9.1767 ein Beitrag  “Vom Thee, und den großen Summen, welche dadurch für Europa verloren gehen”.

ANNO: Wienerisches Diarium 5.9.1767

ANNO: Wienerisches Diarium 5.9.1767

Vor allem ist die Handlung nach China, welcher alle Nationen so nachstreben, in vielem Betracht die allerverderblichste. Für unser schönes Gold und Silber erhalten wir nichts weiter von den Chinesern zurück, als eine Menge der entbehrlichsten Waaren, und unter diesen vornämlich zerbrechlichen Thon, und getrocknete Blätter von einem ihrer Sträuche, Thee nämlich und Porcellain:[1]

Der Verfasser hält offensichtlich sehr wenig vom Tee – und von ‘den Chinesern’, die seiner Darstellung nach nichts anders im Sinn haben, als die Europäer zu übervorteilen:

Sie lassen sich durch keine neuen Moden hinreißen, wie es bey uns zu geschehen pflegt, und sehn alle ausländischen Waaren mit großer Gleichgültigkeit an. Sie trinken gern Caffee und Wein, aber sie kaufen sich keinen, und lassen sich von den Europäern damit traktiren. [...] Überdieß sind sie sehr listig, und mit allen ihren Sachen außerordentlich geheim. Soblad sie merken, daß ein Europäer sich zu genau wornach erkundigt, und etwas nicht in seinem Lande hat, so brechen sie die Unterredung ab, oder suchen ihn mit falschen Nachrichten zu betrügen.[2]

Dann geht es darum, dass der Teestrauch in Europa nicht und nicht gedeihen will – trotz aller Bemühungen, selbst Linné hätte es nicht hingekriegt. Es wäre allerdings den Engländern gelungen, Tee in South Carolina zu kultivieren[3] – was die Lage allerdings kaum verbessert, denn so würde ‘unser Geld’ eben nicht ‘den Chinesern’, sondern ‘den Engländern’ in den Rachen geworfen.

Es gibt allerdings eine Möglichkeit, das zu verhindern:

[...] wenn wir nähmlich unserer Vernunft Gehör gäben, den Thee als ein bloß überflüssiges Getränk ganz abschaften [sic!], oder an dessen Stelle einen Thee aus einheimischen Kräutern oder Blättern machten, und ihn allgemein einzuführen suchten. Die herrn Aerzte und die Vornehmen eines Landes könnten viel hiezu beytragen; die erstern, wenn sie uns den chinesischen Thee zuwider machten; und den einheimischen für besser erklärten; und die zweyten, wenn sie durch den Gebrauch des einheimischen zuerst ein gutes Beyspiel geben wolltne. [...][4]

Stimmen wie diese – mit Vorschlägen für Pflanzen, die den teuren chinesischen Tee ersetzen sollen – finden sich seit dem späten siebzehnten Jahrhundert häufiger. [5] Diese Bemühungen blieben erfolglos – der Tee war bis ins 19. Jahrhundert die begehrteste Ware, die aus China nach Europa kam.

  1. Geleherte Beyträge zu dem Wienerischen Diarium, oder Auszüge aus verschiedenen ausländischen Monat- und Wochenschriften. Sonnabends, Nro. 71. den 5ten Herbstmonat im Jahre 1767, [S. 1 f.] Online bei ANNO [dort S. 9 f.]
  2. Ebd. [S. 3]; online bei ANNO [dort S. 11].
  3. Dieser angebliche ‘amerikanische Tee’ hatte allerdings – wie Zeitgenossen bald erfuhren – mit dem chinesischen wenig gemeinsam, vgl. Gothaische gelehrte Zeitungen (10.9.1774) 560, online bei ANNO.
  4. Ebd. [S. 4]; online bei ANNO [dort S. 12].
  5. Ein Beispiel unter vielen: Johann Francke schlug vor, Veronica (Ehrenpreis) zu verwenden und widmete sich dem Thema in mehreren Schriften, u.a.: Johann Francke: Die preißwürdige Veronica oder europäischer Thee : wie selbige an statt der indianischen Thee mit Fug gebrauchet werden kan, auch worinnen derer, wie auch des Coffi Nutz und Eigenschafft bestehe … (Lübeck: Wiedemeyer 1695 [erste Aufl. 1694]; VD17 12:641673P, URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10913515-0.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/820

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Ein Bild sagt mehr … (VIII): Alexander, The costume of China (1805)

Die Macartney Mission (1792-1794) sollte – unter Leitung von George Macartney (1737-1806[1] )
W. Alexander: The Costume of China (1805)

W. Alexander:
The Costume of China (1805)
Internet Archive

Zur Mission gehörte neben Diplomaten, Übersetzern, dem Arzt und Bediensteten auch die Maler Thomas Hickey (offiziell als ‘Maler’ (‘painter’)[2] und  William Alexander (offiziell als ‘Zeichner’ (‘draughtsman’)[3] ).

William Alexander (1767-1816) arbeitete nach seiner Rückkehr einige seiner Studien und Skizzen für eine Ausstellung in der Royal Academy aus; seine Zeichnungen illustrierten dann den offiziellen Bericht der Mission[4] und er veröffentlichte zunächst einige der auf der Reise entstandenen Arbeiten in Views of Headlands, Islands, &c. taken during a voyage to, and along the eastern coast of China, in the years 1792 & 1793, etc. (London: W. Alexander 1798).

1805 erschien The Costume of China, containing forty-eight coloured engravings (London: Miller 1805)[5], als Teil  einer Reihe The Costume of …[6].Darin wird jeweils eine ganzseitige Abbildung mit einer kurzen Beschreibung kombiniert.

Unter den 48 Darstellungen finden sich Porträts von chinesischen Beamten, die der Mission beigeordnet worden waren, Bilder von Soldaten und Schauspielern in Kostüm und Maske, Darstellungen von Körperstrafen, Ansichten von Booten und Schiffen, Landschaften und Bauten und Chinesinnen und Chinesen in Alltagsszenen.  Während diese Darstellungen sehr ‘bunt’ sind, bleibt ein Bild fast monochrom.
Der Titelkupfer zeigt ein kleines Bauwerk mit zweistufigemWalmdach, das auf einer Plattform steht. Links auf der Plattform steht ein Gefäß, aus dem eine dicke Rauchsäule aufsteigt.
Am Fuß des Podests liegen unter anderem Waffen und eine Fahne mit (angedeuteten) Schriftzeichen, die die nicht zu entziffern sind.
Im Hintergrund – in sehr großer Entfernung von dem eigenartigen Baumwerk – ist ein Schiff auf dem Wasser zu sehen, dahinter eine ‘chinesische’ Landschaft.

An dem Bild sind einige Elemente merkwürdig/bemerkenswert:

  • Das Walmdach werden von Säulen getragen, von denen eine von Blattwerk umrankt wird.
  • Auf der unteren Stufe des Dachs sind die Grate mit deutlich erkennbaren Drachenfiguren geschmückt, auf der obereren mit nur eben angedeuteten Wächterfiguren (yánshòu 檐獸  oder zǒushòu  走獸 oder dūnshòu 蹲獸). Diese Figuren schmückten in der Ming-Zeit (1368-1644) und Qing-Zeit (1644-1912) die kaiserlichen Paläste sowie Amtsgebäude in ganz China, aber auch an den Toren/Durchgängen der Großen Mauer.  Die Zahl der Figuren variiert je nach Rang – je höher der Rang, desto mehr Figuren hatte die Prozession.
  • Dem Duftrauchbrenner (xiānglú 香爐) scheint der Deckel zu fehlen, die Rauchsäule selbst ähnelt eher der aus einem Fabriksschlot denn der aus einem Räuchergefäß.[7]
  • Die Schriftzeichen auf der Fahne sind – obwohl Alexander ein sehr aufmerksamer Beobachter war – nicht zu entziffern.

Das Bild passt nicht so recht zu den übrigen Darstellungen, die dokumentarischen Charakter haben – denn wirkt wie eine Collage von things Chinese: Bauwerke, Räuchergefäß, Waffen, etc.

  1. Zur Biographie: Roland Thorne, ‘Macartney, George, Earl Macartney (1737–1806)’, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004; online edn, May 2009 [http://www.oxforddnb.com/view/article/17341, accessed 28 June 2013]; DOI: doi:10.1093/ref:odnb/17341) – die Beziehungen zwischen Großbirtannien und China neu ordnen. Großbritannien wollte Handelserleichterungen, unter anderem durch eine ständige Vertretung in Beijing 北京, die Überlassung eines Handelsstützpunkts auf einer Insel des Zhoushan 舟山-Archipels, wo Händler sich dauerhaft niederlassen, ihre Waren stapeln und Schiffe ausrüsten konnten, und die Senkung der Zölle in Guangzhou 廣州. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht, die Mission scheiterte kläglich – was sich in den zahlreichen gedruckten Berichten allerdings nicht so drastisch anhörte. ((Zur Macartney-Mission: Robert A. Bickers (ed.): Ritual and Diplomacy: The Macartney Mission to China, 1792–1794 (London: British Association for Chinese Studies 1993); James L. Hevia: Cherishing Men from Afar: Qing Guest Ritual and the Macartney Embassy of 1793 (Durhma: Duke Univ. Pr. 19959 – dazu die Rezension: Joseph W. Esherick: “Cherishing Sources from Afar.” Modern China Vol. 24, No. 2 (1998): 135–61 [http://www.jstor.org/stable/189414] bzw. Hevias Antwort: James L. Hevia: “Postpolemical Historiography: A Response to Joseph W. Esherick.” Modern China Vol. 24, No. 3 (1998): 319-327 [http://www.jstor.org/stable/189407] und Eshericks Reaktion: Joseph W. Esherick: “Tradutore, Traditore: A Reply to James Hevia.” Modern China Vol. 24, No. 3 (1998): 328-332 [http://www.jstor.org/stable/189408].
  2. Zu Hickey (1741-1824): John Ingamells, ‘Hickey, Thomas (1741–1824)’, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [http://www.oxforddnb.com/view/article/13208, accessed 28 June 2013]; DOI: doi:10.1093/ref:odnb/13208.
  3. Zur Biographie: Richard Garnett, ‘Alexander, William (1767–1816)’, rev. Heather M. MacLennan, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [http://www.oxforddnb.com/view/article/337, accessed 28 June 2013]; doi:10.1093/ref:odnb/337.
  4. George Staunton: An Authentic Account of an Embassy from the King of Great Britain to the Emperor of China [...] (London 1797) – Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  5. William Alexander: The costume of China, illustrated in forty-eight coloured engravings (London: W. Miller 1805) – Digitalisate: Bibliotheca Sinica 2.0.
  6. Vgl. dazu die Anmerkungen bei Mason: Punishments of China.
  7. Vgl. dazu die Abbildung in Staunton, An Historical Account of the Embassy to the Emperor of China … (1797) Tafel zwischen S. 212 und 213.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/763

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Ein Bild sagt mehr … (VII): Mason: The Punishments of China (1801)

Johan Nieuhof hatte im 17. Jahrhundert eine Form von Standard für die Darstellung Chinas etabliert: ‘exotische’ Formen, ‘exotische’ Kleidung, ‘exotisches’ Dekor – dem der Augenzeugen-Bonus Autorität verlieh. Mit den verstärkten Ambitionen Großbritanniens, Handelsbeziehungen mit China zu etablieren, setzte eine neue Phase intensiver Beschäftigung mit China ein. Die Gesandtschaft unter Macartney (1792) sollte Handelsbeziehungen etablieren und den Zugang zum chinesischen Markt öffnen. Eines der Mitglieder dieser Gesandtschaft war der  Maler William Alexander (1767-1816), der die Reise in Skizzen dokumentieren sollte.
Die Zeichnungen, die er auf der Reise durch China anfertigte, illustrierten den Reisebericht von George Staunton[1] und wurden vom Verleger William Miller 1805 unter dem Titel The Costume of China[2] noch einmal auf den Markt gebracht. Damit griff Miller einen Titel wieder auf, den er wenige Jahre vorher schon für einen anderen Band mit Skizzen aus China verwendet hatte – damals für einen Band, der auf Bildern chinesischer Maler basierte.

George H. Mason (fl. um 1800) hatte einige Jahre in China gelebt und die Bilder wohl aus Guangzhou 廣州 nach England gebracht[3]. Die Genrebilder wurden mit Erklärungen in englischer und französischer Sprache versehen[4].

A culprit before a magistrate. Digital ID: 1565308. New York Public Library

“A culprit before a magistrate.” (1804)
Digital ID: 1565308. New York Public Library

Während Masons The Costume of China den ersten Band einer ganzen Reihe ähnlicher Bände bildete (u.a. zu Russland, zur Türkei und zu Österreich), steht Masons zweiter Titel zu China singulär: Ein Jahr nach The Costume of China brachte Miller The Punishments of China (1801)[5]. Gezeigt werden – ohne Hintergrund – Gerichtsszenen und die Anwendung von Folterinstrumenten, jeweils ergänzt durch kurze erklärende Texte.

Diese für den europäischen Betrachter eigenartig anmutende Form der Präsentation trägt dazu bei, China als fremdartig und die chinesische Justiz als besonders grausam darzustellen. Damit wird das nach Reed das Bild vom grausamen Chinesen verstärkt[6]. Eric Hayot sieht Darstellungen als Reaktion auf die gescheiterte Macartney-Mission[7].

Der Ursprung der Bilder ist ungeklärt, Marcia Reed vermutet, dass es sich um Massenware für den Export handelt[8] – Aquarelle, die in Studios in Guangzhou produziert wurden und von Ausländern gekauft und nach Europa gebracht wurden.

 

  1. [George Leonard Staunton/George Macartney/Erasmus Gower:] An authentic account of an embassy from the King of Great Britain to the Emperor of China [...] Taken chiefly from the papers of His Excellency the Early of Macartney, Knight of the Bath, His Majesty’s Embassador Extraordinary and Plenipotentiary to the Emperor of China; Sir Erasmus Gower, Commander of the Expedition, and of other Gentlemen in the several departments of the Embassy. By Sir George Staunton, Baronet … In Two volumes, with engravings …; beside a folio Volume of Plates. (London: Printed by W. Bulmer and Co. For G. Nichol. 1797). Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  2. Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0.
  3. Zu Aquarellen, die für den Export produziert wurden s. Craig Clunas: Chinese Export Watercolours (London: Victoria & Albert Museum, Far Eastern Series 1984).
  4. George Henry Mason: The Costume of China, illustrated by sixty engravings: with explanations in English and French. (London: W. Miller 1800) [ESTC Citation No. T97026].
  5. George Henry Mason/Dadley (graveur): The punishments of China. Illustrated by twenty-two engravings, with explanations in English and French (London: Printed for William Miller 1801) [Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0]; 2. Auflage 1804.
  6. Marcia Reed: “A Perfume Is Best from Afar: Publishing China for Europe.” In: China on Paper. European and Chinese Works form the Late Sixteenth to the Early Nineteenth Century. Ed. by Marcia Reed and Paola Demattè ( Los Angeles: Getty Research Institute 2007), 9-28, hier 22.
  7. S. dazu das Kapitel “The Compassion Trade: Punishment, Costume, Sympathy.” in: Eric Hayot: The Hypothetical Mandarin: Sympathy, Modernity, and Chinese Pain (Oxford/New York et al.: Oxford University Press 2009)  60-94.
  8. Marcia Reed: “A Perfume Is Best from Afar: Publishing China for Europe.” In: China on Paper. European and Chiense Works form the Late Sixteenth to the Early Nineteenth Century. Ed. by Marcia Reed and Paola Demattè ( Los Angeles: Getty Research Institute 2007), 9-28, hier 22. Vgl. auch: Antonia Finnane: Changing Clothes in China. Fashion, History, Nation (London: Hurst & Company 2007) 27.

Quelle: http://de.hypotheses.org/71955

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