Tagung: Digitale Geschichte (de)konstruieren – Lille, 27.-29.11.2017 #dhnord2017

Ab nächsten Montag findet in Lille zum vierten Mal eine Digital Humanities Tagung der MESHS statt: Dieses Mal rund – und ausschließlich – um das Thema „Digitale Geschichte“: (De)constructin Digital History. Die Tagung ist in Kooperation mit dem Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History (C2DH) organisiert und verspricht äußerst interessant zu werden. Ich darf zwei Sessions chairen und bei der Abschlusspodiumsdiskussion teilnehmen und werde sicherlich viel unter hashtag #dhnord2017 twittern. Hier das Programm, entstanden auf einen CfP hin, unter internationaler Beteiligung und bekannten, auch deutschen Gesichtern.

Tagungswebsite mit allen Informationen: https://dhnord2017.sciencesconf.org/.

Lundi | Monday 27.

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Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/3136

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Digitale Geschichtswissenschaft ist keine Wahl, sondern Realität

digiwIm Lektürekurs und im Proseminar beschäftigt uns ein einleitender Aufsatz über digitale Geschichtswissenschaft besonders intensiv: Der Beitrag von Gerben Zaagsma „On digital history“, erschienen 2013 in den BMGN und online hier zugänglich1. Ich halte diesen Beitrag für die derzeit beste Einführung in die Materie auf knappem Raum. Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte der Digital Humanities2, erläutert er die Entwicklung in den Niederlanden sowie exemplarisch zwei Bereiche, in denen sich die Geschichtswissenschaft durch den digital turn besonders gewandelt hat und weiterhin wandelt. Dabei unterstreicht Zaagsma, das derzeit in den Debatten zu sehr auf Werkzeuge und Daten geachtet wird und zu wenig darauf, wie sich „Geschichte machen“ durch den digital turn ändert. Methodologische und epistemologische Überlegungen müssten mit Blick auf die neue digitale Praxis stärker in den Mittelpunkt rücken3.

Hybridity is the new normal

Die Hauptthese von Zaagsma lautet, dass Digitalität in der Geschichtswissenschaft keine Wahl mehr ist, sondern längst Realität: „going digital is not a choice“4. Dies ist so richtig wie auf den ersten Blick unspektakulär, hat aber tatsächlich weitreichende Konsequenzen. Doch zunächst zur Bestandsaufnahme: Die Praktiken der historischen Forschung haben sich längst verändert. Eine hybride Herangehensweise ist unter Historikerinnen und Historikern mittlerweile normal. „Hybridity is the new normal“, formuliert Zaagsma5. Wobei dies, das müsste man aus meiner Sicht einschränkend dazu sagen, in erster Linie auf die Online-Recherche und schon deutlich weniger auf die Verbreitung/Publikation von Forschungsergebnissen zutrifft. Fast gar nicht trifft es auf die Interpretation zu, denn es ist nach wie vor eher ungewöhnlich, wenn Forschende neben einer qualitativ-hermeneutischen Herangehensweise auch Datenmodellierung wie z.B. Textmining, oder Visualisierungstechniken anwenden. In der Verbindung und Integration der beiden Herangehensweisen, z.B. „close und distant reading“-Methoden zur Auswertung von Quellen, liegt die eigentliche Herausforderung für die zukünftige Geschichtswissenschaft6. Für alle, die Französisch können, sei der Blogbeitrag von Frédéric Clavert nahegelegt, der über die parallele Verwendung dieser Methoden in seinem Blog nachgedacht hat7 – für die deutschsprachigen Leserinnen und Leser bleibt der Kommentar von Peter Haber bei histnet, um einen Eindruck zu erhalten.

Folglich plädiert Zaagsma dafür, digitale Geschichte nicht gegen nicht-digitale Geschichte in Stellung zu bringen. Das sehen auch Teile unserer Community so, wie eine Twitterumfrage vor gut einem Jahr an den Tag brachte8. In diesen von Jan Hecker-Stampehl initiierten (Massen-)Interviews sollte man den Satz ergänzen „Digitale Geschichtswissenschaft ist für mich…“. Die lesenswerten Antworten sind in einem Storify gespeichert. Sie spiegeln in unterschiedlichem Maße zwar, aber doch deutlich wider, dass digitale Geschichtswissenschaft nicht von der analogen zu trennen ist.

@digigw nichts anderes als das Nutzen unserer heutigen Mitteln, um Antworten zu finden auf alte & neue Fragen, die Historiker sich stellen”.

— Franziska Heimburger (@FHeimburger) 14. März 2014

Oder noch deutlicher:

 

@digigw Geschichtswissenschaft. Wir müssen mal von diesen exotischen Diskussionen wegkommen….

— Gudrun Gersmann (@GGersmann) 10. März 2014

 

Es ist also an der Zeit, die ohnehin zumeist künstliche Dichotomie zwischen quantitativer und qualitativer Geschichte, zwischen analoger und digitaler Geschichte ad acta zu legen (ein frommer Wunsch, ich weiß). Schon jetzt gibt es keine nicht-digitale Geschichtswissenschaft mehr, und damit ist nicht gemeint, dass alle Historikerinnen und Historiker mittlerweile halbwegs autonom Mail- und Textverarbeitungsprogramme anwenden können. Alle arbeiten bereits digital, auch diejenigen, die sich nicht zu den digitalen Vorreitern zählen und digitale Geschichtswissenschaften ablehnen oder für vernachlässigbar halten.

Mangelnde Reflektion als Gefahr

Die eigentliche Gefahr liegt in dieser indifferenten Haltung, unterbleibt doch so die notwendige Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des digital turns für die Geschichtswissenschaft. Um in der digitalen Welt zu forschen, werden bestimmte Techniken und Kenntnisse benötigt für die Suche in Katalogen, Datenbanken, Volltextplattformen, Suchmaschinen (oftmals sind nicht mal die Unterschiede bekannt), für die Prozessierung der so gefundenen Information, Literatur und Daten, für ein wissenschaftliches Monitoring wie auch für die Kommunikation über und die Publikation der Forschungsergebnisse, die sich längst nicht mehr auf traditionelle Formen beschränkt. Die meisten Historikerinnen und Historiker tun all dies, d.h. sie recherchieren online, sie verwenden digitale Quellen, wenden digitale Tools an etc., doch ohne dass dies ausreichend reflektiert würde.

Wie man sucht und welche Suchergebnisse man erhält, beispielsweise, wirkt sich aber auf die eigene Forschung aus und ist daher wichtig, wenn nicht zentral9. Wie ist damit umzugehen, dass innerhalb von wenigen Sekunden riesige Datenmengen zur Verfügung stehen? Auch wenn die Ergebnismenge durch dringend zu lernende Suchoptimierung eingeschränkt werden kann: Vollständigkeit kann keine Prämisse der historischen Arbeit mehr sein.

Und damit sind wir bei der Frage,  wie sich Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter verändert. Zaagsma macht dies an zwei Beispielen fest: zum einen an der Digitalisierung von Quellen und Archivmaterialien, zum anderen am Umgang und der Interpretation dieser digitalen Ressourcen.

Änderungen der Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter

Zunächst zur Digitalisierung: Zaagsma hebt hervor, dass Digitalisierung immer eine Auswahl beinhaltet und somit eine „Politik der Digitalisierung“ ist. Wenn bestimmte Quellen oder Archivalien digitalisiert werden, bedeutet das gleichzeitig, dass andere nicht digitalisiert werden. Historikerinnen und Historiker sollten sich daher aus seiner Sicht stärker für die Frage interessieren, wieso bestimmte Bestände online zugänglich sind und andere nicht. Digitalisierung wird von staatlichen Institutionen vorangetrieben und ist vielfach eine nationale Angelegenheit. Das schlägt sich auf die Auswahl der digitalisierten Quellen nieder. Als Beispiel nennt er die Digitalisierungsprojekte in Osteuropa, in denen sich “nationaler Stolz und die Unabhängigkeit der post-kommunistischen Ära spiegele”10. Ähnliches ließe sich über Westeuropa auch sagen, man denke nur an Gallica, die Online-Plattform der französischen Nationalbibliothek. Und wie Zaagsma richtig erwähnt, ist auch die Europeana lediglich die Addition der nationalen Digitalisierungsprojekte und kein Projekt mit genuiner europäischer Blickrichtung.

Genauso wenig wie digitale Werkzeuge neutral sind, da sie Vorannahmen und Urteile enthalten, sind Digitalisierungsprojekte neutral. Die derzeitige Digitalisierungspraxis wird die Themen der Historikerinnen und Historiker von morgen vorgeben, da bevorzugt über das geforscht wird, was leicht zugänglich, d.h. online zu finden ist. Derzeit erlebt die nationale Geschichte über die Digitalisierungspraxis der einzelnen Länder ein Comeback, während Marginales weiter marginalisiert wird. Nicht vergessen werden darf darüber hinaus, dass ein Großteil des Archivmaterials nicht digitalisiert ist und auch nie sein wird.

Digitale historische Analyse

Ebenso wichtig ist es aus der Sicht von Zaagsma, dass sich Historikerinnen und Historiker stärker mit der Frage befassen, wie die Arbeit mit digitalisierten Quellen unsere Quellenkritik und Quellenarbeit beeinflusst. Die Arbeit mit Online-Quellen bringt zum einen den Verlust des Kontextes mit sich. So werden in Online-Portalen etwa tausende Zeitungsartikel auf bestimmte Suchwörter durchsucht und die Ergebnisse in einer Liste angezeigt. Die Ansicht der ganzen Seite einer Tageszeitung oder ihrer ganzen Ausgabe geht dabei verloren, wenn man nicht explizit diese erneut aufruft. Zum anderen gehen bestimmte haptische Erfahrungen der Arbeit mit Online-Quellen verloren, und auch deren Materialität (Geruch). Zaagsma plädiert daher für eine neue digitale Quellenkritik, mit der man sich bisher noch zu wenig beschäftigt hat. Wirkliche Antworten, das hatten wir andernorts bereits festgestellt, gibt es darauf noch nicht.

Zentral ist darüber hinaus – das sei abschließend erwähnt – die Ausbildung der Studierenden, die neben wichtigen Online-Kenntnissen wie Recherche, Auswertung und Publikation auch in kritischer Reflexion der digitalen Praktiken geschult werden sollten.

  1. Zaagsma, Gerben, On Digital History, in: BMGN – Low Countries Historical Review, 128-4 (2013) S. 3-29. URN:NBN:NL:UI:10-1-110020
  2. Zaagsma gibt übrigens ebenso wie Peter Haber als erste DH-Konferenz das internationale Kolloquium „The Use of Computers in Anthropology“ 1962 in Burg Wartenstein (ibid., S. 7) an, was uns Österreicher freut, aber auch Anlass gibt, dieser Darstellung einmal nachzugehen und zu fragen, ob das die anglo-amerikanischen Digital Humanists ebenfalls so sehen. Das wird in Kürze in einem eigenen Blogbeitrag geschehen.
  3. Ibid., S. 24.
  4. Ibid. S. 14.
  5. Ibid, S. 17.
  6. Vgl. ibid., S. 24.
  7. Vgl. Frédéric Clavert, Lecture des sources historiennes à l’ère numérique, in: L’histoire contemporaine à l’ère numérique, 14.11.2012, http://histnum.hypotheses.org/1061. Siehe auch den Kommentar von Peter Haber bei histnet: http://weblog.hist.net/archives/6563.
  8. Vgl. Jan Hecker Stampehl, Dokumentation der Twitter-Umfrage “Digitale Geschichtswissenschaft ist für mich…”, in: Digitale Geschichtswissenschaft, 5.4.2014, http://digigw.hypotheses.org/697.
  9. Vgl. ibid., S. 25.
  10. Vgl. ibid, S. 20.

Quelle: http://dguw.hypotheses.org/161

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Geschichte schreiben im digitalen Zeitalter

Geschichtsschreibung, so stellte Rudolf Vierhaus vor Jahren einmal fest, ist die sprachliche Darstellung von komplexen diachronen und synchronen Zusammenhängen in der Vergangenheit (Vierhaus 1982). Wenn wir also über das Schreiben der Geschichte nachdenken, so bedeutet dies, dass wir über die Möglichkeiten dieser sprachlichen Darstellung unter den Bedingungen digitaler Schreibprozesse und Verbreitungswege nachdenken. Konkret lassen sich [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6369

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Six Claims for Digital History

Some three months ago, in the context of the conference «Digitale Medien und Infrastrukturen für die Geschichtswissenschaften», that took place from 11 to 12 September, 2009 in Berne, we published six «Thesen zur digitalen Geschichtswissenschaft». Due to some requests from our english speaking readers, we decided to have those claims translated and to post them [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/3502

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