Mit einem internationalen Symposium wurde am 10. Juni 2018 in dem unweit von München gelegenen ...
Russische Pfadfinder im Nachkriegsdeutschland
Die Bayerische Staatsbibliothek konnte im vergangenen Jahr eine Sammlung zur Geschichte der exilrussischen Pfadfinderbewegung in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erwerben. Die gedruckten sowie handschriftlichen Materialien dokumentieren die Bemühungen um den Aufbau und die ideologische Ausrichtung der Pfadfinderorganisation „Organizacija rossijskich junych razvedčikov“ (ORJuR) in den ersten Jahren nach ihrer Gründung im Jahr 1945.
Der 30. April 1909, an dem das erste Pfadfinderfeuer im Schlosspark von Pavlovsk bei Sankt Petersburg entzündet wurde, gilt als das Gründungsdatum der russischen Pfadfinderbewegung. Der in den Folgejahren mit wohlwollendem Interesse des Zaren Nikolaus II. begleitete Aufbau kam in den Wirren der Oktoberrevolution und des Bürgerkriegs vorläufig zum Erliegen. Anfang der 20er Jahre wurden in der Sowjetunion im Zuge der Machtmonopolisierung die Pfadfinder verboten und durch die von der Kommunistischen Partei kontrollierte Pionierorganisation – die gleichwohl eine ganze Reihe Pfadfinderelemente übernahm – ersetzt. Während die Pfadfinderbewegung in der UdSSR bis Ende der 20er Jahre mit brutalen Mitteln weitgehend zerschlagen wurde und – bis auf einige wenige illegale Gruppen – praktisch aufgehört hat zu existieren, lebte sie in den Zentren der Russischen Emigration in West- und Südosteuropa, China und Amerika weiter. Einen weiteren empfindlichen Einschnitt für die europäischen Pfadfinder brachten der deutsche Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg mit sich. Die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens im Dritten Reich und seiner Einflusssphäre zwang auch die exilrussischen Pfadfindergruppen zur Auflösung oder zum Gang in den Untergrund. Für sie markierte das Kriegsende de facto einen Neuanfang, in Russland selbst ließ dieser dann allerdings noch bis in das Jahr 1990 auf sich warten.
Die Sammlung füllt eine in etwa schuhkartongroße Schachtel aus und beinhaltet verschiedene Zeitschriften, Rundbriefe, Formulare und Handreichungen für Pfadfinderanführer etc., die vorwiegend in den DP-Lagern in der Region München sowie dem Lager Mönchehof bei Kassel gedruckt wurden. Außerdem sind diverse handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen sowie Korrespondenz von Irina Vasil’evna Brunst und ihrem späteren Ehemann Andrej Korolenko mit anderen Aktivisten der Organisation enthalten.
Die sehr seltenen bzw. unikalen Materialien der Jahre 1945-1951 werden im Nachlassreferat der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke unter der Signatur Fasc.germ. 307 aufbewahrt. Alle Zeitschriftentitel aus dem Bestand wurden katalogisiert und sind in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen. Sie können separat durch die Eingabe der Nachlasssignatur Fasc.germ. 307 im OPAC der BSB abgerufen werden.
Eine Beschreibung der ganzen Sammlung erhalten Sie hier.
Filip Hlušička
Quelle: http://ostbib.hypotheses.org/135