Fremdheit ohne Entfremdung. Über die Aktualität alltäglicher Fremdheit am Beispiel der Figur des Backpackers

verfasst von Meta Cramer

Was ist Fremdheit? Georg Simmels populäre Beschreibung des Fremden, als „der Wandernde, […] der heute kommt und morgen bleibt“ (Simmel 1908: 685), gilt auch noch heute häufig als Ausgangspunkt soziologischer Überlegungen zu Fremdheit und Entfremdung.

Aktuell findet eine breite theoretische wie empirische Auseinandersetzung mit dem Thema Fremdheit statt. Vor dem Hintergrund weitläufiger Forschung im Bereich Migrationssoziologie sowie Netzwerk- und Systemtheorie beschäftige ich mich im vorliegenden Essay mit einem Wandernden, wie ihn Simmel 1908 als Metapher zur Beschreibung von Fremdheit heranzieht. Simmel betrachtet Fremdheit als eine Normalität sozialer Beziehungen in der Moderne, wodurch sein Fremdheitsbegriff entgegen dem alltäglichen Gebrauch nicht an räumliche oder kulturelle Distanz gebunden ist. Das vorliegende Essay geht der Frage nach ob Simmels kontraintuitiver Fremdheitsbegriff auch heute noch analytisches Potential für moderne Phänomene besitzt. Dazu vollziehe ich Simmels Beschreibung von Fremdheit am Beispiel des Backpackings nach, welches sich durch die Suche nach Fremdheit auf Reisen charakterisieren lässt. In der Arbeit zeige ich, dass sich viele semantische wie strukturelle Parallelen in Simmels Beschreibung des Fremden und der Selbstbeschreibung heutiger Backpacker_innen finden lassen, was die Aktualität Simmels Begriff unterstreicht.

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Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/10804

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Vertrautheit in der Fremde?


Die Wahrnehmung der Fremde an der Ostfront

Laura Maring

„Gerade in der Wahrnehmung der deutschen Besatzungsgebiete in Osteuropa waren“, so Jörn Leonhard in seiner monumentalen Synthese zum Ersten Weltkrieg, „die Semantiken und Vokabulare von Unsicherheit und Entfremdung in einem als unzivilisiert empfundenen Raum gekennzeichnet.“[1] Vor dem Hintergrund dieser These bekommt die Suche nach Äußerungen zur Wahrnehmung der Fremde durch deutsche Soldaten, die im Zuge des Ersten Weltkriegs an der Ostfront stationiert waren und sich über Feldpostsendungen ihren Verwandten in der Heimat mitteilten, noch mehr Gewicht. Auch Heinrich Echtermeyer – seit 1916 in Wolhynien, im Nordwesten der heutigen Ukraine stationiert – sah sich mit der Herausforderung einer fremden Umgebung konfrontiert, mit der er nur schwer zurecht kam.

Der Versuch, diese Konfrontation in seinen an den Bruder Bernard adressierten Briefen und Feldpostkarten wiederzufinden, gestaltet sich indes als schwierig: Denn explizite Beschreibungen der fremden Umgebung finden sich in den Schriftstücken nur selten. Ebenso schreibt Heinrich Echtermeyer nur wenig über die Menschen vor Ort, mit denen er möglicherweise in Kontakt kam. Und dennoch gewährt er uns bei genauerer Analyse seiner Feldpost tiefe Einblicke in seine Wahrnehmung der Fremde: Denn der Halverder Landwirt bedient sich einer Vielzahl an Distanzbegriffen, die zwar sprachlich nur sehr vage Bezug auf die fremde Umgebung nehmen, sich jedoch in über 80 Prozent seiner Briefe wiederfinden. Dabei dominiert die sprachliche Kennzeichnung „hier“ für die Fremde, die uns in 47 von insgesamt 58 Schriftstücken begegnet. Aber auch die explizite Nennung des Landes „Rußland“, einiger weniger Ortsnamen und der Substantive „Ferne“ sowie „Weite“, die in jeder zehnten Feldpostsendung Echtermeyers Verwendung fanden, können als sprachliche Mittel zur Kennzeichnung des Fremden gedeutet werden.

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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/468

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Call4Papers “Was bedeutet Kritik heute?” (bis 01.10.13)

Begriff und Praxis der Kritik befinden sich seit einiger Zeit in einer tiefen Krise. Ein Grund dafür ist, dass ihre Voraussetzungen, die lange Zeit als selbstverständlich galten und deshalb kaum eigens reflektiert wurden, problematisch geworden sind. Dazu gehören ein unterstelltes … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4968

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