Freimaurer, Möpse und digitale Quellen

Von Martin Otto Braun

Um es direkt vorweg zu nehmen: Wer sich von diesem Blogpost Enthüllungen streng gehüteter Geheimnisse erhofft, wird bitter enttäuscht werden. Die Quellen zur Geschichte der Freimaurerei (und auch anderer Geheimbünde) des 18. Jahrhunderts sind derartig öffentlich, das “Enthüllungen” von Ritualen, Logenmatrikeln oder Statuten in der Regel eine Archivreise, immer öfter sogar nur einen Mausklick weit entfernt liegen.

Im Wintersemester 2013/14 beschäftigten sich die Teilnehmer des Arbeitskurses „Streng geheim?! Quellen zur Geschichte der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts“ an der Universität zu Köln sowohl mit den nichtdigitalen als auch den digitalen Dokumenten zur freimaurerischen Geschichte. Selbstverständlich kann an dieser Stelle nicht auf alle im Seminar präsentierten Quellen im einzelnen eingegangen werden. Es sollen vielmehr fünf Fundstücke beispielhaft angerissen werden, um die Bandbreite des bereits digital zugänglichen Materials zu illustrieren.

Titelbild der "Constitutions of the Free-Masons", London 1723. (By Christophe Dioux (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or Public domain], via Wikimedia Commons)
Titelbild der “Constitutions of the Free-Masons”, London 1723 (By Christophe Dioux (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or Public domain], via Wikimedia Commons).

1. The Constitutions of the Free-Masons. Containing the History, Charges, Regulations, &c. of that most Ancient and Right Worshipful FRATERNITY, London 1723
Ein grundlegendes Dokument zur freimaurerischen Geschichte des frühen 18. Jahrhunderts bilden die “Constitutions of the Free-Masons” oder auch “Alten Pflichten”. Diese regelten für die um das Jahr 1717 in London gegründete Großloge nicht nur die innere Verfassung, sondern gaben auch den “neugeordneten” Geschichtsmythos der Freimaurerei wider. Dieser versuchte die sogenannte “Königliche Kunst” bis auf Adam bzw. einen göttlichen Ursprung zurückzuführen. Um einen Einblick in die Vorstellungswelten der Freimaurerei des frühen 18. Jahrhunderts zu gewinnen und sich ein Bild über die Regelung von Logengemeinschaften zu machen, ist dieses Dokument als Ausgangsbasis unerlässlich.

2. Samuel Prichard, Masonry Dissected: Being a Universal and Genuine Description of All Its Branches, from the Original to this Present Time, London 17301
Samuel Prichards ‘Enthüllung’ der Freimaurerei aus dem Jahr 1730 zählt zu den frühen “Verräterschriften“. Diese erfreuten sich im 18. Jahrhundert durchaus großer Beliebtheit. Sie zeigen, dass das freimaurerische “Geheimnis” um Einweihungsrituale schon in diesen Zeiten mehr als brüchig war. Ohnehin kann mit Blick auf die frühe englische Freimauerei festgestellt werden, dass sie weit weniger im Verborgenen wirkte, als oftmals angenommen wird.2 Prichards Schrift kann herangezogen werden, um sich dem freimaurerischen Ritualen und den dabei vorgenommenen Wechselreden zwischen Rezipient und Meister zu nähern.

Von Unbekannt, Schaubild zur Einweihung in den Lehrlingsgrad aus Gabriel-Louis-Calabre Pereau: L'Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).
Von Unbekannt, Schaubild zur Einweihung in den Lehrlingsgrad aus Gabriel-Louis-Calabre Pereaus “L’Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé”, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).

3. Der sich selbst vertheidigende Freymäurer, oder Sammlung unterschiedlicher Wohlverfaßten Schriften, welche einige Mitglieder dieses Ordens selbst zu dessen Vertheidigung herausgegeben nebst einer vorläufigen historischen Nachricht von dieser vortrefflichen Gesellschaft, Frankfurt und Leipzig 17443
Diese Sammlung verschiedener freimaurerischer Texte wird hier vor allem aufgrund einer Rede aus dem Jahr 1737 erwähnt, die für die Entwicklung der “Hochgrade” innerhalb der Freimaurerei einige Bedeutung besitzt. Gemeint ist die Rede des Chevalier Andrew Michael Ramsay. In dieser versuchte Ramsay die Ursprünge der schottischen Freimaurerei auf die Zeit der Kreuzzüge zurückzuführen. Als Ergänzung zu der hier verlinkten Version ist die Analyse Alain Bernheims mit dem Titel “Ramsay et ses deux discours”4 zu empfehlen, die die verschiedenen Überlieferungen des Textes ausführlich miteinander vergleicht.

Von Unbekannt, Abbildung eines Logentapis des Mopsordens aus Gabriel-Louis-Calabre Pereau: L'Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé. Amsterdam 1771, Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons.
Von Unbekannt, Abbildung eines Logentapis des Mopsordens aus Gabriel-Louis-Calabre Pereaus “L’Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé”, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).

4. L’ordre des Francs-Macons trahi et le Secret des Mopses révéle, Amsterdam 1745
Die Schrift „L’ordre des Francs-Macons trahi et le Secret des Mopses révéle“ zählt ebendalls zur Gattung der sogenannten “Verräterschriften“. Mit dem innerhalb der Schrift thematisierten „Mopsorden“ wird zudem eine vornehmlich durch Adlige bevölkerte Gesellschaft erwähnt, die die Freimaurerei und ihre Symbole u. a. mit dem Symbol des Mopses persiflierte – eine nicht nur bei modernen Karikaturisten vom Schlage eines Loriot, sondern auch in der höfischen Welt des 18. Jahrhunderts beliebte Hunderasse. Der Mopsorden kann – auch wenn er keine eigentliche freimaurerische Vereinigung darstellte – mit der “Adoptionsmaurerei” verglichen werden, also Logen in denen Männer und Frauen gemeinsam arbeiteten. Im 18. Jahrhundert sahen viele Zeitgenossen diese gemischten Gesellschaften als durchaus ‘skandalöse’ Vereinigungen an.

5. Rede, welche die Gräfin R. S. bei ihrer Aufnahme in den Orden der Freimäurer zu T. 1785. gehalten hat5
Die ab Seite 158 im “Magazin für Frauenzimmer auf 1785″ abgedruckte Rede besitzt meines Wissens nach keine größere Relevanz innerhalb der Geschichte der Freimaurerei. Sie wird hier dennoch aus zwei Gründen aufgeführt. Zum einen handelt es sich um ein weiteres Beispiel aus der oben erwähnten (oft  vernachlässigten) Adoptionsmaurerei. Zum anderen gibt sie Zeugnis vom Interesse des Adels an der Freimaurerei. Auch wenn das Engagement adliger Akteure in freimaurerischen und angrenzenden Geheimgesellschaften immer wieder im Zuge der Besprechung der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts thematisiert wird (siehe etwas Friedrich II. von Preußen), fehlt bislang eine ausführlichere Analyse der Gründe adliger Personen sich derartigen Gemeinschaften anzuschließen.

Diese Beweggründe und ihre Veränderungen im Laufe des 18. Jahrhunderts sind ein Kernpunkt meiner Untersuchungen zum rheinischen Adel in der Freimaurerei gewesen, die in Kürze unter dem Titel “An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765-1815″ bei MAP als Open Access-Publikation und Print-Ausgabe erscheinen werden.

Im nächsten Blogpost möchte ich die Archive vorstellen, die ich während der Erstellung der Arbeit aufgesucht habe.

Anmerkungen:
1 Hier 20. Ausgabe, 1770; ARK: ark:/13960/t4sj3xj9c.
2
Siehe hierzu etwa die bei Kristiane Hasselmann erwähnten freimaurerischen Umzüge und Spottumzüge durch London: Kristiane Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer: Zur Konstitution eines bürgerlichen Habitus im England des 18. Jahrhunderts, Diss., Bielefeld 2009, S. 248-258.
3 URN: urn:nbn:de:gbv:3:1-134728.
4 Alain Bernheim, Ramsay et ses deux discours, Paris 2011.
5 Die Rede findet sich in: Magazin für Frauenzimmer auf 1785, April, Mai, Juni. Viertes Stük [sic!], hier S. 158-160.

Quelle: http://esohist.hypotheses.org/74

Weiterlesen