Die Idee – Studierende in den wissenschaftlichen Diskurs einbinden
Im April 2014 fand am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover die Tagung Zeit-Raum-Identität. Interdisziplinäre studentische Tagung zu aktuellen Fragen der Geisteswissenschaften statt. Organisiert und durchgeführt wurde diese von Studierenden des Historischen Seminars, die sich zu diesem Zweck bereits im Mai 2013 zu einer Projektgruppe zusammengeschlossen hatten. Ausgehend von der Feststellung, dass der wissenschaftliche Diskurs im studentischen Alltag häufig keine Rolle spielt und gerade auch disziplinenübergreifender Austausch zu selten stattfindet, machten sie sich daran, eine studentische Tagung zu organisieren.
Im Wintersemester 2013/14 begann im Rahmen des studentischen Kolloquiums Zeit-Raum-Identität die inhaltliche Annäherung an das weit gefasste Themenfeld, dessen Kategorien Zeit und Raum in den letzten Jahren in verschiedensten geisteswissenschaftlichen Disziplinen immense Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, ohne dass jedoch gerade hinsichtlich deren Verknüpfung und der dritten Kategorie, der Identität (oder besser Identifikation), abschließende Antworten gefunden worden wären. Damit war die Grundlage geschaffen, auf der die konkrete Planung der Tagung und später die Auswahl der Beiträge durchgeführt werden konnten. Obwohl die Projektgruppe hin und wieder mit Dozierenden Rücksprache über die Antragstellung und das Projektkonzept hielt, erarbeiteten die Studierenden beides eigenständig. Dabei galt es durchaus, sich mit Neuem auseinanderzusetzen, mit Dingen zu befassen, die keiner zuvor gemacht hatte: Ein stichhaltiges Konzept schnüren, einen konkreten Finanzplan kalkulieren, die Finanzierung bei unterschiedlichen Förderern absichern, Unterkünfte für die Referenten buchen, Werbung für die Tagung erstellen, Plattformen für den Call for Papers suchen, einen Verlag für den Tagungsband finden, Räume buchen und vieles mehr. Unsicherheiten ergaben sich, weil keine geeigneten und aktuellen Mailverteiler für Fachräte und Fachschaften der entsprechenden Studiengänge im Bundesgebiet vorhanden waren und der Bewilligungsbescheid des Hauptförderers, dem mittlerweile nicht mehr existenten Leibniz-KIQS-Förderprogramm, auf sich warten ließ. Gefördert wurde das Projekt zudem durch den Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni Hannover und den Verein Campus Cultur e.V. zur Förderung der Fakultätskultur der Geistes- und Sozialwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover.
Ende Januar 2014, nachdem alle eingegangenen Exposés gesichtet, eine Auswahl getroffen und die Teilnahmebescheide verschickt waren, begannen diese konkreten Vorbereitungen. Als Moderierende oder für Inputvorträge konnten Lehrende des Historischen Seminars gewonnen werden, die von der Idee einer studentischen Tagung im Hause begeistert waren und ihre Unterstützung ohne Umschweife zusicherten.
Die Tagung – fachliche Diskussionen, statusgruppenübergreifender Austausch
Die Tagung selbst fand vom 25. bis 27. April 2014 in den Räumen des Historischen Seminars statt und gliederte sich in einen Begrüßungs- und Inputblock am Freitagnachmittag, zwei Vortragsblöcke am Samstag und einem Vortragsblock am Sonntagvormittag mit zusammenfassender Abschlussdiskussion des Wochenendes. Leider mussten zwei Referenten wegen Krankheit absagen, sodass für den Samstagnachmittag kurzfristig ein Ersatzvortrag organisiert werden musste, was jedoch glücklicherweise gelang und zur Auflockerung der Veranstaltung beitrug. Obwohl die Referenten und ihre Beiträge aus unterschiedlichsten geisteswissenschaftlichen Disziplinen stammten, sich mit verschiedenen Themenfeldern befassten und methodisch anders operierten, stellten sich bereits unmittelbar am Freitag intensive fachliche Diskussionen ein, die das ganze Wochenende über vertieft wurden. Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Hintergründe und Qualifikationen stellten dabei aber kein Hindernis, sondern wie erhofft eine immense Bereicherung dar. Alle Beteiligten zeigten sich im Anschluss an die Veranstaltung begeistert und zufrieden.
Die Ergebnisse – Resümee und Perspektiven
Im Anschluss an die Tagung sollten deren Ergebnisse gesichert werden. Dazu hatte die Projektgruppe einen Tagungsband geplant und den jmb-Verlag für das Projekt gewinnen können. Die überarbeiteten und durch Anregungen aus den Diskussionen im Rahmen der Tagung ergänzten Beiträge der Referenten wurden von den Mitgliedern der Projektgruppe mehrfacher Korrekturlesungen unterzogen, an die Autoren zurückgegeben und nochmals redigiert. Da viele Beiträge erst nach der Tagung ihre finale Ausformulierung fanden oder auf Grundlage der Tagungsdiskussionen ergänzt oder editiert wurden, verzögerte sich die Sichtung der Beiträge und dauerte bis in den Oktober hinein. Der Tagungsband konnte daher nicht, wie optimistisch geplant, im Oktober, sondern erst im Dezember 2014 veröffentlicht werden. Auch wenn die Projektgruppe hierfür weniger Zeit eingeplant hatte, ist es in der Wissenschaftspraxis kaum üblich, dass ein Tagungsband bereits acht Monate nach der Veranstaltung publiziert werden kann.
Die Realisierung des gesamten Projektes, der Tagung und des Tagungsbandes, hat gezeigt, dass es Studierenden durchaus möglich ist, eigenständig und selbstbestimmt die Universität und den wissenschaftlichen Austausch und Diskurs mitzugestalten, dass auch sie durchaus in der Lage sind, Beiträge zu aktuellen wissenschaftlichen Debatten zu leisten. Die Verleihung des Campus Cultur-Preises für Studierende an den Studierendenrat Geschichte, aus dem ein Großteil der Projektgruppe und die Idee zu Tagung und Kolloquium stammte, zeigt die Wertschätzung vonseiten der Lehrenden und die Wichtigkeit derartiger Projekte. Der Preis wurde am 16. Januar 2015 im Rahmen der Absolventenfeier der Philosophischen Fakultät überreicht.
Dennoch bleibt viel zu tun, damit solche Projekte nicht Einzelfälle, sondern die Regel werden, damit Studierende sich aktiv in wissenschaftliche Diskurse einbringen und an der Wissenschaftspraxis teilnehmen. Nicht nur in der Wissenschaft gehört das Knüpfen von Netzwerken heute zu den absoluten Notwendigkeiten. Tagungen sind hierfür eine großartige Möglichkeit, die Referenten unserer Tagung stehen auch heute noch in Kontakt und tauschen sich aus. Gerne wollen sie das Projekt mit einer neuen Tagung fortführen – wann, wo und wie dies geschehen wird, ist allerdings noch unklar, da studentische Gruppen einer starken Fluktuation unterliegen oder sich deren Mitglieder anderen Projekten widmen und stetig auf engagierten Nachwuchs angewiesen sind.
Eines aber ist gewiss: die nächste Tagung kommt bestimmt!