Die Eigenwirtschaft der Zisterzienserabtei Tennenbach von ihren Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts

Abb. 1, GLAK 66 Nr. 8553

Eingangseite Tennenbacher Güterbuch (1317-1341). Miniatur mit Darstellung eines Konversen (Bildmitte), Generallandesarchiv Karlsruhe (im Folgenden GLAK) 66 Nr. 8553, fol. 1v (Ausschnitt). Die Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte liegen beim Landesarchiv Baden-Württemberg.

Gastbeitrag von Dr. Christian Stadelmaier (Gießen)

1. Einführung

In der Gießener Dissertation zum Grangienwesen des Zisterzienserklosters Tennenbach, die mittlerweile gedruckt vorliegt (Kurzzusammenfassung und Inhaltsverzeichnis),1wird die Landwirtschaft auf den klösterlichen Grangien und die Agrarverfassung im Umfeld der Höfe systematisch analysiert, wodurch repräsentative Ergebnisse generiert werden. Dazu wird verschiedenen Fragestellungen nachgegangen.2 Die Untersuchungen fußen in erster Linie auf der Kombination der urbariellen und urkundlichen Überlieferung des Klosters unter Beachtung von historischem Kartenmaterial.3

In Bezug auf die urbarielle Überlieferung ist das Tennenbacher Güterbuch als wesentliche Quellengrundlage zu nennen.4 Um die Erkenntnisse zu Tennenbach einordnen und bewerten zu können, wird zum Vergleich auf die Überlieferung zum Kloster benachbarter Grundherrschaften rekurriert.5 Neben der Rezeption der geschichtswissenschaftlichen Forschung werden Daten und Arbeiten beachtenswerter Nachbardisziplinen herangezogen. Dies betrifft in erster Linie die Mittelalterarchäologie und die Archäobotanik.6 Auf die einführenden und grundlegenden Kapitel folgt die Analyse der einzelnen Grangien nach einheitlichem Muster. Abschließend werden die Ergebnisse kontextualisiert, wobei die Frage nach den klösterlichen Innovationen im Bereich der Grangien einen zentralen Aspekt darstellt.7

Im Folgenden sollen die zentralen Ergebnisse der Arbeit vorgestellt werden.

2. Ergebnisse der Analyse der Grangien8

Bis ins frühe 14. Jahrhundert baute Tennenbach insgesamt 14 Grangien auf. Von diesen lagen zehn im Altsiedelland des Breisgaus. Drei Grangien wurden im östlich anschließenden Bereich des Schwarzwalds in der Nähe der Abtei angelegt, eine auf der Baar. In Bezug auf den räumlichen Schwerpunkt des Grangienwesens ist ein Zusammenhang von Bodenqualität und Ortswahl evident. Die Grangien mit umfangreichem Ackerland können in für den Ackerbau geeigneten Gegenden des Breisgauer Altsiedellands verortet werden. Dies belegt eine gezielte Arrondierungspraxis des Klosters.

Abb. 2, GLAK H Weisweil 5

Abb. 2: Der Harderer Hof auf dem Gemarkungsplan des Weisweiler Banns von 1763. GLAK H Weisweil 5 (Ausschnitt). Die Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte liegen beim Landesarchiv Baden-Württemberg.

Diese Arrondierungspraxis ist ein indirekter Nachweis für eine Marktorientierung der Klosterökonomie: Die Umsetzung der die Eigenwirtschaft fordernden Ordensstatuten in der Frühphase Tennenbachs muss die Produktion von Überschüssen zur Folge gehabt haben, die abgesetzt werden mussten. Die Einkünfte aus dem Handel wurden wieder in Güter investiert, durch deren Bewirtschaftung eine weitere Steigerung der Produktion und der Überschüsse eintrat. In Folge dessen erlangten Marktbesuch und Handelsaktivitäten zunehmende Bedeutung. Ein deutlicher Nachweis für die Marktorientierung des Klosters ist der Umstand, dass Tennenbach vor allem seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Städten und Marktorten Besitz anhäufte und mehrere Stadthöfe aufbaute.9

Der wichtigste Sektor der Grangienwirtschaft war der Ackerbau, was der Gesamtumfang des Ackerlandes der Grangien deutlich macht. Neben dem beträchtlichen Umfang der Getreideanbauflächen sowie zahlreiche Mühlen und Scheunen im Grangienzubehör zeigen die ermittelten Bodennutzungsformen die zentrale Bedeutung des Ackerbaus. Die Dreifelderbrachwirtschaft wurde sicher auf sieben Grangien betrieben. Bei einer Grangie ist dies anzunehmen. In drei Fällen ist eine Zweifelderwirtschaft mit oder ohne Brache belegt, in einem Fall anzunehmen. In Bezug auf die Fruchtfolgesysteme korrelieren zelgengebundene, also eine innerhalb der Großfelder (Zelgen) verbindlich im jeweiligen regelmäßigen Turnus stattfindende, Bebauung und Gemengelage der Grangiengüter signifikant. Die effektiven Bodennutzungsformen gingen einher mit einer Fokussierung auf den Brotgetreideanbau.10

Viehhaltung und die Viehwirtschaft rangieren in der Bedeutung für die klösterliche Landwirtschaft auf dem zweiten Platz. Neben den Wiesenlandanteilen belegen Flächen, die in Form der Feldgraswirtschaft bebaut wurden, und Weidegewalten im klösterlichen Besitz sowie Weiderechte für die Viehbestände der Grangien dieses Ergebnis deutlich.11

Daneben wurden auch der Gartenbau und die Waldwirtschaft in nicht zu unterschätzendem Ausmaß betrieben.12 Des Weiteren besaßen der Anbau von Öl- und Faserpflanzen sowie die Fischereiwirtschaft ebenfalls eine gewisse Bedeutung.13

Die Tatsache, dass der Grangienweinbau bei Tennenbach einen verhältnismäßig geringen Stellenwert besaß, ist auffällig. Lediglich auf drei Grangien wurde nachweislich Weinbau betrieben. In einem weiteren Fall ist dies für eine kleine Fläche anzunehmen. Der Umfang des Reblandes der Grangien war vergleichsweise niedrig. Dem gegenüber steht der Umstand, dass das Tennenbacher Güterbuch in großem Ausmaß in Pacht gegebene Rebgüter verzeichnet. Dies verdeutlicht die insgesamt geringe Bedeutung des Weinbaus auf den Grangien.14

Die wesentlichen Träger der Agrarwirtschaft auf den Grangien waren die Konversen. Sie dürften als Fachleute die landwirtschaftlichen Arbeiten im Lohnarbeiter zunehmend einen großen Anteil der Arbeiten auf den anwachsenden Grangien erledigt haben und deshalb in größerer Anzahl auf den Grangien anwesend gewesen sein.15

Für die Agrarwirtschaft und deren Gestaltung bedeutende Verfügungsgewalten und Berechtigungen sowie wirtschaftlich bedeutsame Privilegien versuchte Tennenbach systematisch anzuhäufen. Dabei zeigte sich bei den Grangien und im Grangienumfeld vor allem die zisterziensertypische Tendenz, Zehntprivilegien durchzusetzen und Steuer- und Abgabenbefreiungen zu erhalten. Daneben erlangte Tennenbach zahlreiche für die Landwirtschaft relevante Rechte.16

3. Das Tennenbacher Grangienwesen im Kontext

Der Abgleich der Ergebnisse zum Tennenbacher Grangienwesen mit dem agrargeschichtlichen Forschungsstand Südwestdeutschlands verdeutlichte, dass die Dreifelderbrachwirtschaft und Varianten der Zweifelderwirtschaft im Altsiedelland des Oberrheins koexistierten. Dabei wurde aufgezeigt, dass verzelgte Flursysteme im Altsiedelland des Breisgaus im 13. und 14. Jahrhundert stärker als bisher vermutet wurde, verbreitet waren. Weiter bestätigte sich, dass am Oberrhein während des Spätmittelalters eine außerordentlich differenzierte Flurverfassung bestand.17

Abb. 3, GLAK H Tennenbach 2_klein

Abb. 3: Gemarkungsplan des Tennenbacher Distrikts von 1759. GLAK H Tennenbach 2. Die Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte liegen beim Landesarchiv Baden-Württemberg.

Im Vergleich mit dem Forschungsstand zum Grangienwesen der übrigen südwestdeutschen Zisterzienserklöster traten vor allem die Eigenheiten Tennenbachs hervor. Dies betrifft vor allem die verhältnismäßig geringe Bedeutung des Grangienweinbaus. In Hinblick auf den Ackerbau und die Viehwirtschaft bewegte sich das Kloster im Wesentlichen im üblichen Bereich. Vermutungen und Thesen, die von einer ausgeprägten Fischereiwirtschaft der Zisterzienser im südwestdeutschen Raum ausgehen, konnten im Ansatz bestätigt werden. Fischereiwirtschaft, Wassernutzungsrechte und Mühlenwesen waren dabei stets vernetzt.18

Tennenbach erbrachte nachweislich innovative Leistungen im Agrarbereich. Dies betrifft besonders den Umfang der landwirtschaftlichen Nutzflächen und die großen Viehbestände. Auch die mit systematischer Stringenz betriebene Düngepraxis ist als Neuerung zu deuten. Weiter ist davon auszugehen, dass das Kloster an der Einführung von verzelgten Fruchtfolgesystemen beteiligt war. Ferner konnten Indizien für Pferde in den Pfluggespannen im Grangienbereich erbracht werden. Daneben wurden Hinweise darauf, dass Tennenbach bei der Einführung und Verbreitung von Stampfmühlen im Breisgau eine Vorreiterrolle einnahm, beigebracht. Die Innovationen im Tennenbacher Grangienwesen treten deutlich hervor, auch wenn es sich bei ihnen größtenteils um die Weiterentwicklung und Verbesserung von Bestehendem handelte. Die Innovationen werden durchaus kritisch betrachtet. Nicht jede Neuerung ist per se als positiv zu bewerten. Abhängig von den jeweils angesetzten Kriterien und Maßstäbe zeigte sich die Ambivalenz der klösterlichen Innovationen. Als Träger der Fortschritte können die Konversen des Klosters angesehen werden. Da sie sich zu großen Teilen aus der ländlich-bäuerlichen Gesellschaft rekrutiert haben, ist davon auszugehen, dass von dort Anstöße für die Landwirtschaft auf den Grangien kamen, die im Zusammenspiel mit der Wirtschaftsleistung des Klosters ihr volles Potential entfaltet haben dürften.19

Das Grangienwesen Tennenbachs profitierte von den Gegebenheiten und Entwicklungen in seinem Wirkungsraum. Dies betrifft vor allem die klimatischen Bedingungen am Oberrhein, die hohe Nachfrage nach Getreideprodukten und die Ausbildung der Städte und Märkte. Vereinzelt stieß das Kloster aber auch an seine Grenzen. Die grundherrlichen Strukturen und die Genese der dörflichen Gemeinde erschwerten die Aktivitäten der Zisterze. Durch seine großen Viehbestände, seine Düngepraxis sowie die Schaffung großer Ackerlandareale und der damit zusammenhängenden Prägung der Agrarlandschaft beeinflusste die Tennenbacher Grangienwirtschaft das klösterliche Umfeld und die Umwelt.20

Die Schnittstellen spiritueller Grundzüge des Ordens und den damit in Zusammenhang stehenden Entwicklungen der Ordensverfassung auf der einen Seite und der Geschichte eines Einzelklosters auf der anderen liegen auf der Hand: Die Genese des Tennenbacher Grangienwesens sowie die auf den Grangien betriebene Agrarwirtschaft können dezidiert auf die Befolgung der Regel zurückgeführt werden. Die Intention der Grangienwirtschaft war es, die Klosterfamilie unabhängig von äußeren Anhängigkeiten zu versorgen. Dabei wurde deutlich, dass die Regeltreue immer einen Bezug zu den jeweiligen Gegebenheiten haben musste, um praktisch umgesetzt werden zu können. Tennenbach konnte die Ordensregeln rational und angepasst an die jeweiligen Umstände realisieren.21————————————————————————————————————————-

Zitiervorschlag:

Christian Stadelmaier: Die Eigenwirtschaft der Zisterzienserabtei Tennenbach von ihren Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Mittelalter am Oberrhein. Ein Blog der Abteilung Landesgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 12. März 2015, http://oberrhein.hypotheses.org/921 (ISSN: 2199-210X)

  1. Christian Stadelmaier: Zwischen Gebet und Pflug. Das Grangienwesen des Zisterzienserklosters Tennenbach (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte, Bd. 58), Freiburg/München 2014. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf eben diese Publikation. Zwei in jüngster Zeit publizierte Aufsätze des Autors beziehen sich in unterschiedlichem Ausmaß auf die Dissertation und enthalten Inhalte, die auch im vorliegenden Beitrag zu finden sind: Christian Stadelmaier: Die Agrarwirtschaft der Grangien des Zisterzienserklosters Tennenbach: Grundlagen, Charakteristika und Neuerungen, in: Die Pforte 32/33 (2012/2013), S. 27–38; Christian Stadelmaier: Grangienwirtschaft und Agrarinnovationen in der Tennenbacher Grundherrschaft, in: 850 Jahre Zisterzienserkloster Tennenbach. Aspekte seiner Geschichte von der Gründung (1161) bis zur Säkularisation (1806), hrsg. von Werner Rösener, Heinz Krieg und Hans-Jürgen Günther (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte, Bd. 59), Freiburg/München 2014, S. 131–146.
  2. Siehe dazu Stadelmaier, Gebet (wie Anm. 1), Kap. I.1.2.
  3. Ebd., S. 17, 21 f.
  4. Generallandesarchiv Karlsruhe 66, Nr. 8553. Edition: Das Tennenbacher Güterbuch (1317–1341), bearb. von Max Weber u. a. (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A: Quellen, Bd. 19), Stuttgart 1969.
  5. Stadelmaier, Gebet (wie Anm. 1), S. 20.
  6. Ebd., S. 22.
  7. Zum Vorgehen: Ebd., S. 22 f.
  8. Die Angaben unter 2. beziehen sich auf ebd., Kap. II.3.
  9. Ebd., S. 235 f.
  10. Ebd., S. 239 ff. Zur zelgengebundenen Bebauung des Ackerlands vgl. ebd., S. 29.
  11. Ebd., S. 241.
  12. Ebd., S. 241 f. (Waldwirtschaft), 244 (Gartenbau).
  13. Ebd., S. 245.
  14. Ebd., S. 242 und zu den Ergebnissen zum Weinbau insgesamt ebd., S. 242 ff.
  15. Ebd., S. 245 f.
  16. Ebd., S. 246 ff.
  17. Ebd., Kap. III.1.1.1, hier S. 251.
  18. Ebd., Kap. III.1.1.2, hier v. a. S. 256 f.
  19. Ebd., Kap. III.1.2.2. Zu den Innovationen des Klosters siehe auch Stadelmaier, Grangienwirtschaft (wie Anm. 1).
  20. Stadelmaier, Gebet (wie Anm. 1), Kap. III.1.3.
  21. Ebd., Kap. III.2., hier v. a. S. 265 f.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/921

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