Zeitleiste | Epochen der Geschichte | Epochenbegriff und eurozentristisches Geschichtsbild hinterfragen

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Epochen sind das Ordnungsmuster der Geschichte und des Geschichtsunterrichts schlechthin - die meisten Geschichtslehrpläne der Sek I in Deutschland gehen chronologisch vor. Dabei werden Schüler/innen selten dazu angeleitet, über den Konstruktcharakter des Epochenbegriffs und das implizite eurozentristische Geschichtsverständnis der gemeinhin verwendeten Einteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit zu reflektieren. Die neue, auf segu erschienene Zeitleiste (für Schüler/innen der Sekundarstufe I) verfolgt als Ziele, erstens einen (stark reduzierten) Überblick über die Einteilung der europäischen Geschichte in Epochen zu geben und beispielhaft jeweils wichtige Ereignisse oder Entwicklungen zuzuordnen. Neben dem Konstruktcharakter einer solchen Einteilung, der in den Texten thematisiert wird, soll (bezogen auf den Epochenbegriff der Neuesten Geschichte) verdeutlicht werden, dass die Epocheneinteilung immer auch weitergedacht und angepasst werden kann und muss. Zugleich soll das implizite eurozentristische Weltbild des europäischen Epochenbegriffs hinterfragt werden, indem Geschichtsverständnisse und Bilder sowie Epocheneinteilungen außereuropäischer Kulturen beispielhaft vorgeführt werden. Viel konsequenter findet sich der ein solcher Ansatz beispielsweise in der Synchronoptische Weltgeschichte von Arno Peters umgesetzt - die aber hochkomplex und für den Geschichtsunterricht ggf. zu unübersichtlich ist.

Ob und wie sich die Ziele in einer anderen Darstellung oder Visualisierungsform besser erreichen lassen, ob die vorgeführten begrifflichen Kategorien und Epochenzuschreibungen ausreichen, die Aufgaben (am Seitenende) sinnvoll zu diskutieren - diese und weitere Punkte oder Anregungen sind diskussionswürdig.

Die mittels Timeline JS erstellte Zeitleiste gibt erstens einen Überblick zu: Epochen nach dem europäischen bzw. eurozentristischen Geschichtsverständnis - Frühgeschichte / Steinzeit - Griechische Antike - Römische Antike / Imperium Romanum - Mittelalter - Frühe Neuzeit - Neuere Geschichte / "langes" 19. Jahrhundert - Neueste Geschichte / "kurzes" 20. Jahrhundert / Zeitgeschichte | Beispielhafte Ereignisse und Entwicklungen der europäischen Geschichte - Ötzi - Demokratie Athen - Expansion des Römischen Reiches - Kreuzzüge - Entdeckung Amerikas - Französische Revolution - Kolonialismus und Imperialismus - Zweiter Weltkrieg | Geschichtsverständnisse und Epocheneinteilungen außereuropäischer Kulturen - Altes Ägypten - China - Indien - Mittelamerika - Osmanisches Reich - USA - Afrika.

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Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2650

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2015 | 100 Jahre Völkermord an den Armeniern | Herausforderung für den Geschichtsunterricht


 
Deportation von Armeniern aus Kharpert, April 1915 (Public Domain, Wikimedia Commons)
 

Das Gedenkjahr 2014 holt den Ersten Weltkrieg ins öffentliche Bewusstsein zurück. In der hiesigen breiten medienöffentlichen Beschäftigung mit der vermeintlichen „Urkatastrophe“ (Kriege sind keine Katastrophen, sondern von Menschen verursacht) fällt allerdings auf, dass (zumindest bislang) nur wenig kontrovers debattiert wird. Beispielsweise sorgt die durch Clarks „Schlafwandler“ erneut aufgerollte Kriegsschuldfrage längst nicht mehr für so große Aufregung wie noch vor einem halben Jahrhundert die Fischer-Kontroverse. Auch das gelegentliche Bemühen, Parallelen zwischen 1914 und 2014 herzustellen, verfängt nicht wirklich.

Das kann sich 2015, wenn sich im April der Beginn des Völkermords an den Armeniern zum 100. Mal jährt, ändern. Die gezielte Tötung von hunderttausenden Armeniern bei Todesmärschen und Massakern (die Schätzung der Opferzahlen reicht von 300.000 bis 1.500.000; häufig angenommen wird eine Zahl zwischen 800.000 und 1.000.000) in den Jahren 1915/16 wird heute von den meisten Historikern als Völkermord bezeichnet. Die Anerkennung dieses Genozids im Sinne der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (von 1948) ist umstritten; bisher 22 Staaten haben die Massentötungen offiziell in diesem Sinne anerkannt, außerdem auch internationale Organisationen wie die UN-Menschenrechtskommission und das Europäische Parlament. Die deutsche Bundesregierung hat (trotz verschiedener Anträge im Bundestag) eine solche Anerkennung bislang nicht ausgesprochen (ein wichtiger Hintergrund hierfür: das Deutsche Reich war seinerzeit Bündnispartner des Osmanischen Reichs). Der Streitpunkt (auch im Zusammenhang mit einem möglichen EU-Beitritt) liegt besonders in der Verweigerung der Türkei, die Ereignisse während des Ersten Weltkriegs als Völkermord zu bezeichnen. Um sich einen Überblick über die ideologischen Hintergründe zu verschaffen, die zur Vertreibung der Armenier führten – der Prozess “der Transformation des osmanischen Vielvölkerstaates zu einem türkischen Nationalstaat” – und die zugleich wichtige Ursache für die bis heute andauernde Leugnung in der Türkei bilden, kann der Beitrag Nationale Vision und Gewaltpolitik: Der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Mihran Dabag als Einstieg dienen. Zugleich zeichnet sich in den letzten Jahren aber auch ab, dass in der türkischen Gesellschaft zunehmend kontrovers über die Ereignisse von 1915/16 debattiert wird.

Auf der Fachdidaktischen Tagung für Geschichte und Politik des Volksbunds
Deutsche Kriegsgräberfürsorge und des niedersächsischen Kultusministeriums in Hannover im Februar 2012, auf der Mihran Dabag o.g. Vortrag hielt, wurde auch die Frage diskutiert, ob und wie sich der Völkermord an den Armeniern angemessen im Geschichtsunterricht behandeln lässt. Auf die besondere Problematik angesichts häufig vieler türkischstämmiger Schüler/innen in den Klassenzimmern wurde bereits vielfach hingewiesen, beispielsweise in einer Ausgabe der Zeitschrift des Geschichtslehrerverbandes Geschichte für heute (aus 2013) oder auch auf einer Themenseite von Planet Wissen. Zum politischen Streit kam es 2002, als das Land Brandenburg den Völkermord an den Armeniern in den Lehrplan aufnahm. Aus didaktischer Sicht desaströs wäre – kommt der Armenier-Genozid im Unterricht zur Sprache -  eine gegenseitige, nationalen Zuschreibungen folgende Vorwurfshaltung: euer Holocaust hier, euer Armenier-Genozid dort. Bemerkenswert ist – um solche Stereotype  aufzubrechen – der Beitrag Völkermord an den Armeniern von Martin Stupperich, den er ebenfalls auf der Tagung in Hannover vorgestellt hat. Stupperich konstatiert sich “widersprechende nationale Selbstbilder [...] Haben wir auf deutscher Seite ein selbstkritisches Narrativ, so finden wir auf türkischer Seite ein heroisierendes.” (S. 1f.) Stupperich schlägt (für den Oberstufenunterricht) erstens eine Rekonstruktion der Massentötungen aus den Akten des Auswärtigen Amtes vor. Zweitens verfolgt er ein Unterrichtskonzept (ab S. 13), das die heutigen Auseinandersetzungen und Debatten über die Anerkennung des Völkermordes zum Gegenstand macht. Überzeugend an diesem Vorgehen ist der Anspruch, die emotional aufgeladene Debatte zu verstehen und die Interessenlagen der Akteure nachzuvollziehen. Hierfür lassen sich insbesondere geschichtskulturelle Materialien wie z.B. Presseartikel heranziehen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Rezeptionsgeschichte des Holocaust in Deutschland vergleichen. Erst die Auseinandersetzung mit geschichtspolitischen Debatten lässt die kontroverse Berteilung der Vergangenheit und die perspektivische, nicht selten nationalistisch verengte Bedingtheit der hart aufeinandertreffenden Positionen deutlich werden. Eine solche Beschäftigung mit dem Armenier-Genozid könnte insbesondere während der 2015 erwartbaren medienöffentlichen Debatte einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Lernen leisten. Es wäre dabei erstens erstrebenswert, Lernangebote und konkrete Materialien (auch online) zur Verfügung zu stellen. Zweitens wäre ein Austausch über – sicher gelegentlich schwierige – konkrete Umsetzungen und Erfahrungen der Thematisierung des Armenier-Genozids im Geschichtsunterricht notwendig.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2014):2015 | 100 Jahre Völkermord an den Armeniern | Herausforderung für den Geschichtsunterricht In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 20.1.2014. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/2343, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2343

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Virtuelle Dokumentationsstelle Polen in Deutschland

  Bericht vom Workshop zur Vorstellung der Machbarkeitsstudie zur “PID” von Jacek Barski  |  Dortmund, 10./11. Juli 2012 Der Tagungsort Zeche Zollern in Dortmund: Das berühmte Jugendstil-Portal wird zurzeit renoviert. Auch eine Baustelle: die geplante “Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland”   In Dortmund ging heute auf der Zeche Zollern ein Workshop zu Ende, auf dem die Machbarkeitsstudie “Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland” (im Folgenden: PID) präsentiert und diskutiert wurde. Vorrangiges Ziel ist der Aufbau einer Online-Plattform, die möglichst viele Interessierte über die Geschichte polnischer Migranten in Deutschland informieren soll – eine Zuwanderergruppe, die jenseits von Podolski und Klose heute öffentlich kaum wahrgenommen wird. Die “reale” Dokumentationsstelle soll in Bochum angesiedelt werden. Initiiert wurde das Projekt im Juni 2011 sowohl von deutscher als auch polnischer Seite. Als Förderer der Machbarkeitsstudie wurde neben dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auch der Landesverband Westfalen Lippe (LWL) mit ins Boot geholt. Jacek Barski hat in den vergangenen Monaten die rund 150-seitige Machbarkeitsstudie erstellt, die sowohl die historisch-politische Relevanz des Themas als auch ein vielversprechendes virtuelles Dokumentations-Konzept umfassend darlegt. Wichtigstes Ergebnis des Workshops war, dass alle beteiligten Akteure und die verschiedenen Kooperationspartner das Projekt jetzt konkret angehen wollen. Auf inhaltlicher Ebene betonten die anwesenden polnischen Verbände den Anspruch, in erster Linie polnische “Spuren” zu dokumentieren und die Interessen der “Polonia” zu vertreten. Prof. Dieter Bingen (Deutsches Polen Institut, Darmstadt) konnte mit seinem Hinweis auf aus Migrationen resultierenden hybriden Identitäten deutlich machen, dass für die Dokumentation multiperspektivische Fokussierungen von besonderem Interesse wären, um einseitige nationale Perspektivierungen zu überwinden und interkulturelles Lernen zu ermöglichen. Der Ansatz der hybriden Identitäten kann heute den größten Teil der meist bereits schon lange in Deutschland lebenden polnischen Migranten zutreffend beschreiben, die ihre Identität nicht eindeutig als polnisch oder deutsch verorten. Abgesehen von inhaltlichen Debatten erwiesen sich aus didaktischem Blickwinkel das von Barski angestrebte Konzept eines virtuellen Dokumentationszentrums und die verschiedenen Vorträge zu technischen Aspekten und virtuellen Präsentationsformaten als innovativer Ausweis des Projekts. Die Open-Source-Plattform soll multimediale Anwendungen mit allen Formaten digitaler Medien, User-generated Content, Online-Ausstellungen, einer Zeitzeugen-Plattform und Kommunikation über verschiede Social-Media Kanäle integrieren. Zudem soll mittels Apps ein Atlas deutsch-polnischer Erinnerungsorte erstellt werden. Die Kooperationspartner (insbes. Fraunhofer-Institut) vermittelten hier originelle und pragmatische mediale Umsetzungsstrategien. Zum Web2.0-Anteil wurde noch nicht deutlich, in welchem Umfang die User beitragen können resp. wie viel redaktioneller Aufwand daraus entsteht. Zu hoffen ist auch, dass der formulierte Open-Source Anspruch mittels geeigneter Lizensierung (Creative Commons) tatsächlich umgesetzt wird. In der abschließenden Diskussion eine generationsabhängige Skepsis über den “Wert des Virtuellen” deutlich. Während des Workshops wurde auch auf das politische Prestigeobjekt des deutsch-polnischen Schulbuches verwiesen, das mit hohem finanziellen Aufwand erstellt und in Zukunft als Buch erscheinen soll. Die meisten Experten sind sich schon im Vorfeld einig, dass es kaum Nachfrage finden wird, weil es zu wenig auf die Bedürfnisse der Schulen abgestimmt ist. Das nutzerorientierte Konzept des Online-Portals PID setzt sich positiv hiervon ab und in Zukunft kann diese Open Source-Ressource direkt im Schulunterricht eingesetzt werden. Die Online-Plattform könnte sich somit zu einem Leuchtturmprojekt entwickeln. Bildnachweis: Zeche Zollern, Baustelle Jugendstilportal, 10. Juli 2012: Pallaske CC BY SA 3.0    

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/377

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