Der Prozess des wissenschaftlichen Schreibens ist in der Regel einsam. Mit dem Material aus den diversen Bibliotheken und Archiven, seinen Notizen und Exzerpten sitzt der Wissenschaftler am Schreibtisch und arbeitet an Form und Inhalt seines Textes. Der Austausch mit Fachkollegen ergibt sich eher fernab des Schreibtisches bei Forschungskolloquien oder wissenschaftlichen Tagungen.
Hebt sich das “Schreiben im Autorenkollektiv”, wie es bei der Netzbiographie geschieht, hiervon ab? Der Begriff deutet zunächst an, dass der Prozess des Schreibens gemeinsam vollzogen wird. Dennoch ist auch jeder Autor der Netzbiographie während des Schreibens zunächst auf sich allein gestellt. Der Blickwinkel auf den jeweiligen biographischen Abschnitt ist also zunächst subjektiv und nicht der eines Kollektivs, dass ihm beim Schreiben “über die Schulter sieht”. Und dennoch gewinnt das Autorenkollektiv im weiteren Prozess des Schreibens für die Netzbiographie an Einfluss auf den Text des einzelnen Autors.
Das “kollektive Schreiben” der Netzbiographie beinhaltet dabei nicht allein die gegenseitige Bestätigung oder Widerlegung von Ergebnissen der Mitautoren. Die Arbeit und der Ausstausch in einem Autorenkollektiv bieten darüber hinaus einen direkten Zugang zu den Expertisen und Ansätzen der Mitautoren und führen somit auch zu einer wesentlichen Erweiterung der Perspektiven auf den eigenen Themenbereich. Was sich hieraus ergibt, ist weniger ein “miteinander” als “aufeinander zu Schreiben” (vgl. Blogbeitrag vom 16.07.2013). Die oftmals eher mikrohistorischen Darstellungen der einzelnen Themengebiete der Netzbiographie gewinnen durch diese Synergieeffekte zwischen den einzelnen Beiträgen an Tiefe, da sie die individuellen “Sehepunkte” in einen direkten Zusammenhang zueinander stellen können.
Als Beispiel kann hier der Beitrag zur Tätigkeit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks in der napoleonischen Ehrenlegion dienen. Für sich allein genommen erscheint das Themengebiet des Beitrags sehr klar umgrenzt. In der Zusammenschau aller Themengebiete ergeben sich allerdings relativ unerwartete Verbindungen zu verschiedensten Gebieten, wie etwa “Freimaurerei”, “Botanik” oder “Großgrundbesitzer”. Die Perspektiven dieser “verwandten” Beiträge und damit das Wissen der Mitautoren kann durch das einfache Setzen eines Links abgeschöpft werden. Salm-Reifferscheidt-Dycks Tätigkeit für die napoleonische Ehrenlegion kann hierdurch sehr viel genauer in ihrer Bedeutung vermessen werden.
Martin Otto Braun
Quelle: http://rhad.hypotheses.org/188