Aus der “Fluchtkiste” ins WWW: Einblicke in die rheinischen Adelsarchive auf Schloss Ehreshoven

Gängige Archivklischees von schmucklosen Archivräumen und einer eher amtsstubenmäßigen Atmosphäre werden auf Schloss Ehreshoven in Engelskirchen im bergischen Land nicht bedient. Und auch die hier archivfachlich professionell durch den Landschaftsverband Rheinland verwahrten Bestände der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. können als durchaus außergewöhnliche „Fundgrube“ für Historiker bezeichnet werden. Grund genug, sie im Ansschluss an die Online-Stellung der Netzbiographie zum Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in einem Blogbeitrag vorzustellen…

Zugegeben: Es gibt tristere Orte, die ein Historiker auf der Suche nach den entscheidenden Quellen für seine Arbeit mitunter aufsuchen muss. Vor den vom Wassergraben gespiegelten Mauern des Schlosses Ehreshoven waiden im Sommer auf sattgrünen Wiesen zottelige Hochlandrinder. Nicht selten kommt es vor, dass der sich unerschrocken dem beeindruckenden Steintor nähernde Besucher Kamerateams ausweichen muss, die hektisch gestikulierend darum bemüht sind, Schauspieler ins rechte Licht zu rücken.

Schloss Ehreshoven, Außentor

Außentor des Schlosses Ehreshoven in Engelskirchen bei Overath mit Blick auf das Schloss (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandtner).

Es besteht also kein Zweifel daran, dass auch das altehrwürdige Ehreshoven, dessen Geschichte bis in das Jahr 1355 zurückverfolgt werden kann, in der Moderne angekommen ist. War das Schloss vom Spätmittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz der rheinischen Grafenfamilie von Nesselrode-Ehreshoven, so beheimatet es heute ein adeliges Damenstift der Rheinischen Ritterschaft. Die Produktion der öffentlich-rechtlichen Vorabendserie “Verbotene Liebe”, die hier in Teilen produziert wird, hat das Schloss auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht (zu diesen und weiteren Informationen siehe Homepage Stift Ehreshoven)

Die langersehnte Auflösung des „Cliff-Hangers“ wartet für (Kunst-)Historiker allerdings in einem Seitenteil der Vorburg. Hier werden die Archivbestände der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. archivfachlich durch das Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbands Rheinland (AFZ-LVR) betreut und verwahrt. Die Bestände umfassen dabei derzeit allein auf Ehreshoven 21 Familienarchive so bekannter Adelsfamilien des nördlichen Rheinlands, wie der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, der Grafen von Hoensbroech, der Freiherren von Fürstenberg, der Freiherren Geyr von Schweppenburg oder der Freiherren von und zu Gymnich. Darüber hinaus sind 29 weitere Adelsarchive am Wohnort der jeweiligen Familien benutzbar. Da es sich um Privatarchive handelt, ist eine vorherige Anmeldung bzw. Benutzungsanfrage über das AFZ erforderlich. Eine Übersicht der Bestände, die auch als pdf-Datei auf den Seiten des AFZ  abrufbar ist, gibt hierüber erste Auskunft.

Die Eingangs des Magazins ausgestellte „Fluchtkiste“ aus dem 17. Jahrhundert, in der einst das Archiv der Grafen Wolff Metternich zu Gracht verwahrt und bei Gefahr zum Stadtpalais in Köln geflüchtet werden konnte, kann nur kurz von den eigentlichen Dimensionen der Archivregale ablenken, deren Inhalt noch auf Jahrzehnte hinaus Material für wissenschaftliche Forschungen bieten dürfte.

Archivkiste Gracht

“Fluchtkiste” des Grachter Archivs aus dem 17. Jahrhundert im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandnter).

 

Archivregale Ehreshoven Langbrandtner

“Laufende Meter” – Archivregale im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven (Foto/Rechte: Hans-Werner Langrbrandtner).

Was erwartet den Benutzer konkret in den Beständen? Bereits ein Blick in die diversen im AFZ in der Abtei Brauweiler einsehbaren Findbücher der Einzelarchive offenbart ein breites Quellenrepertoire. Neben mittelalterlichen Urkunden, Kataster-, Rechnungs- und Tagebüchern aus der Frühen Neuzeit finden sich durchaus zahlreiche „moderne“ Quellen zur Adelsgeschichte wie Fotografien und Briefwechsel des frühen 20. Jahrhunderts. Die Einblicke, die für Historiker über diese hier nur ansatzweise skizzierten Deposita in die adligen Lebenswelten möglich sind, sind somit zeitlich ausgreifend. Vergleichende Fragestellungen auf Grundlage des hier vorhandenen Archivmaterials sind somit über die in der Netzbiographie vorgestellte schillernde Person des Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck hinaus denkbar.

Archiv Dyck Ehreshoven

Front eines Archivregals im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven mit Blick auf Dycker Archivquellen (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandtner).

Auch abseits rein adelsgeschichtlich ausgerichteter Fragestellungen sind die Bestände auf Schloss Ehreshoven beachtenswert. Durch die mannigfaltige Einbindung des Adels in landesherrliche Herrschafts- und Verwaltungsangelegenheiten über Krisenzeiten wie die der Französischen Revolution von 1789 hinweg und seines hieraus resultierenden, ausgreifenden personalen Netzwerks, lassen sich auch Erkenntnisse zu gänzlich anders gelagerten Fragestellungen generieren. Auch hier können die diversen Beiträge der Netzbiographie als erstes Beispiel dienen, die ausgehend von genuin adelsgeschichtlichen Fragestellungen (Elisabeth Schläwe, Der junge Graf als Reiseliterat auf Kavalierstour), über kunsthistorische (Martin Wolthaus, Die Ahnengalerie der Altgrafen und Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck), gendergeschichtliche (Elisabeth Schläwe, Die Mutter – Augusta Maria von Truchsess Zeil-Wurzach), militärgeschichtliche (Florian Schönfuß, Offizier der preußischen Landwehr), wissenschaftsgeschichtliche (Rita Hombach, Botaniker) sowie netzwerkanalytische (Gudrun Gersmann, Postrevolutionäre Netzwerke) Zugriffe bereits einige mögliche Perspektiven aufzeigen.

Aus Sicht online-affiner Historiker ist zudem zu begrüßen, dass sich neben der Familie der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, Eigentümer des im Zuge der Netzbiographie ausgewerteten Archivs Schloss Dyck, auch andere archivbesitzende Familien des rheinischen Adels offen gegenüber einer wissenschaftlichen Aufbereitung von Archivdokumenten im „WWW“ zeigen.

In Ergänzung zu den Befunden der Netzbiographie sollen zukünftig im Blog „Rheinischer Adel – Ein geschichtswissenschaftlicher Forschungsblog“ ausgewählte Dokumente zu verschiedensten Facetten der Adelsarchive in Transkription vorgestellt werden. Ausdrücklich willkommen sind hierbei auch Gastbeiträge, gerne auch zu adelsgeschichtlichen Themen abseits des Rheinlandes.

Ob es abgesehen von Schloss Ehreshoven ebenfalls derartig idyllische und ertragreiche Arbeitsstätten für Adelshistoriker gibt? Hinweise werden mit Spannung erwartet!

Martin Otto Braun

Für die Bereitstellung der Fotografien aus den Archivräumen sowie Informationen zu den Beständen der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. bedanke ich mich recht herzlich bei Dr. Hans-Werner Langbrandtner, Ansprechpartner für die Adelsarchive in Ehreshoven und wissenschaftlicher Archivar des Archivberatungs- und Fortbildungszentrums des Landschaftsverbands Rheinland in der Abtei Brauweiler.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/480

Weiterlesen

Fürst Joseph 2.0 – Netzbiographie online

Zahlreiche Blogbeiträge haben im vergangenen Jahr Schlaglichter auf das bewegte Leben des Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck geworfen und für tiefere Einblicke auf eine entstehende Netzbiographie zu seiner Person verwiesen.

Das Redaktionsteam freut sich mitteilen zu können, dass diese multiperspektivische Netzbiographie Fürst Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck nun online erschienen ist! Vom Ancien Régime über die französische und preußische Zeit ist Fürst Joseph somit auch im 21. Jahrhundert präsent.

Wir bedanken uns bei allen, die zum Gelingen der Netzbiographie beigetragen haben und freuen uns auf Kommentare, Diskussionen und Beiträge auf historicum-eStudies.net!

Ihr Redaktionsteam

Rheinischer Adel – Ein geschichtswissenschaftlicher Forschungsblog

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/465

Weiterlesen

Ein Attentat auf Napoleon?

Am 30. Frimaire des Jahres XIII (21. Dezember 1804) wurde der 1768 auf Schloss Broich bei Jülich geborene Freiherr Theodor von Hallberg-Broich von den französischen Behörden des Hochverrats angeklagt. Mehrere Zeugen bezichtigten ihn, in einer Gaststätte Schmähreden auf Napoleon Bonaparte gehalten und ein Attentat auf den frisch zum Kaiser der Franzosen gekrönten Feldherrn geplant zu haben.

Der Arretierung des in bayerischen Militärdiensten stehenden Hallbergs folgte ein längeres Gerichtsverfahren sowie seine Einkerkerung in der Pariser Conciergerie. Aus Sorge um ihren Sohn, der nicht nur seelisch, sondern auch körperlich unter den Haftbedingungen litt, flehte seine Mutter in den folgenden Monaten bei den französischen Behörden, aber auch beim Kaiser selbst um die Freilassung ihres Sohnes.

In ihrem Bittschreiben an Napoleon führte die Mutter als Gewährsmann für die unerschütterliche Treue zu Frankreich und der Person des Kaisers auch den „Comte de Salm“ auf. Hiermit war mit großer Sicherheit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck gemeint, der durch zahlreiche Ämter einigen Einfluss in Paris besaß.

Die hier nur angedeutete Gegenüberstellung beider Schicksale verdeutlicht, dass längst nicht jeder rheinische Adlige gewillt war, mit dem napoleonischen Regime zu kooperieren. Während Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck aufgrund seines Einflusses in Paris in den Quellen als „Retter in der Not“ erscheint, sollte der schließlich aus der Haft entlassene Theodor von Hallberg-Broich noch längere Zeit unter den Folgen dieses Vorfalls zu leiden haben. Die Planung eines Attentats auf den Kaiser der Franzosen konnte ihm zwar nicht nachgewiesen werden, seine Schmähreden ließen sich jedoch nur unweit schwerer aus der Welt schaffen.

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/416

Weiterlesen

In den Salons von Paris

Eine breite gesellschaftliche Vernetzung kann als Basis der erfolgreichen politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks gesehen werden. Dabei profitierte der Dycker Schlossherr nicht nur von seinen persönlichen Qualitäten als Netzwerker.

Vielmehr konnte er insbesondere in der französischen Zeit des Rheinlandes von den bereits etablierten Kontakten seiner zweiten Ehefrau Constance de Salm (1767–1845) zehren.

Die engagierte femme de lettres unterhielt bereits vor ihrer Ehe mit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck einen gut frequentierten Salon im Paris der nachrevolutionären Epoche. Zu eben diesem Kreis, der sich zum größten Teil aus herausragenden zeitgenössischen Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern zusammensetzte, stieß Salm-Reifferscheidt-Dyck um das Jahr 1800 hinzu. Im geistigen Fahrwasser der Idéologues und der Décade philosophique – ihrem publizistischen Sprachrohr – erhielt er nicht nur einen Zugang zu bedeutenden Intellektuellen der Zeit, sondern ebenfalls zu einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Netzwerke.

Neben den Beiträgen zur Person Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks ist daher eine eingehendere Beleuchtung des gesellschaftlichen Engagements der Constance de Salm sowie dem Verhältnis der beiden Ehepartner zueinander innerhalb der Netzbiographie von großer Bedeutung. Die Beiträge zum Wirken der Constance und den gemeinsamen Pariser Netzwerken des Ehepaares profitieren dabei nicht zuletzt von einer intensiven Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHI Paris). Die Forscherinnen des DHI Paris widmeten sich in den vergangenen Jahren der Erschließung des umfangreichen Korrespondenznachlasses der Constance de Salm, der im Archiv der Société des amis du Vieux Toulon et de sa région in Toulon verwahrt wird und nun auch online zugänglich ist (siehe http://dhdhi.hypotheses.org/902 sowie http://dhdhi.hypotheses.org/1575).

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/375

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Ein grüner Faden durch die Netzbiographie. Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck und die Botanik

Sein Name begegnet bereits in der Schule, wenn auch nicht im Geschichtsunterricht. Dafür jedoch beim Mikroskopieren dickblättriger Pflanzenteile, beim Pippettieren krautig riechender Säfte und natürlich in den unausweichlich folgenden Fragen der Biologielehrerin nach den bevorzugten Standorten von Salmia, Dyckia oder Reifferscheidia… . Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck ist in aller erster Linie bekannt als großer Pflanzenkundler, als begnadetes Talent und umtriebiger Wissenschaftspionier auf dem Feld der Botanik. Etliche Pflanzengattungen wurden nach ihm benannt, durch ihn erstmalig bestimmt. Insbesondere seine Abhandlungen zur Systematik der Kakteengewächse wie allgemein zu den Sukkulenten und natürlich sein Hortus Dyckensis, in dem er die zahlreichen, in seinem Dycker Schlosspark versammelten und kultivierten seltenen Pflanzenarten dokumentiert, brachten ihm eine entsprechende Reputation ein. Seine botanische Bibliothek (nach ihrer Versteigerung heute leider in alle Winde zerstreut) gehörte wohl zu den bestsortiertesten seiner Zeit. Der malerische Landschaftsgarten lockt demgegenüber noch immer viele Besucher nach Dyck.

All jenen Aspekten seines botanischen Wirkens sind in der multiperspektivischen Netzbiographie zu seiner Person einzelne Beiträge gewidmet. Darüber hinaus wird man in den zahlreichen weiteren, um ganz unterschiedliche Handlungsräume des Protagonisten kreisenden Artikeln immer wieder auf das Thema Botanik stoßen. Bereits während seiner Kavalierstour und insbesondere im Jardin du Roi zu Paris wurde der junge Graf in der Pflanzenkunde unterwiesen. Hier wurde seine Leidenschaft offenbar geweckt. Seine sozialen Netzwerke durch ganz Europa spannten sich primär längs der botanischen Wissenschaft, seine Ämterkarriere unter Napoleon I. ließ sich immer wieder vorteilhaft mit ihr verbinden. In preußischer Zeit hüteten livrierte Parkwächter seine kostbarsten Pflanzenschätze, und repräsentierten zugleich seinen standesherrlichen Anspruch. Selbst mancher Brief des Landwehrmajors handelt zuvorderst von – Kakteen… .

Die Botanik stellt eine tragende, ja vielleicht die zentrale Achse im Leben Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck dar. Dabei wird die Prominenz dieses Aktions- und Denkfeldes erst in der Fokussierung anderer Tätigkeitsbereiche durch ein Kollektiv spezialisierter Autoren, durch intensive Verlinkungen, gezielte Verschlagwortung (Tag Cloud) und innovative Visualisierung (Itinerar) wirklich deutlich. So entsteht Schritt für Schritt, trotz aller bisherigen Bekanntheit des “Botanikerfürsten”, ein neues, ein präziseres Bild Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in seiner Zeit. Das ist so sicher wie der grüne Daumen!

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/242

Weiterlesen

Auf der Suche nach einem Fürsten. Gedanken zu einem Itinerar Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck

“Wo ist Joseph? […] Ah, da ist er ja!”. Fast wie bei einem beliebten Kinderpiel geht es dem an seiner Person Interessierten durch den Kopf, wenn er versucht, die unterschiedlichen Aufenthaltsorte und Reisewege Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck auf der historischen Europakarte nachzuverfolgen. Denn dies ist bei einem solch umtriebigen “Wanderer” wie ihm gar nicht so einfach: Dyck und sein Umland; die Reichsstadt Köln, wo Joseph die Schulbank drückte; die alte Kaiser- und Bäderstadt Aachen, Hauptort des Roer-Departements, auch dort besaß er ein prächtiges Haus; Düsseldorf und der rheinische Provinziallandtag; Brüssel, zentrale Station auf seiner “Kavalierstour” und Sitz des Bankiers seines Vertrauens; Wien, wo er studierte; Berlin, Hauptstadt der Hohenzollernmonarchie; das rheinische Alfter mit seinen Mineralquellen als traditioneller Familienenbesitz und Nebenresidenz; Spanien und Südfrankreich, die er bereiste; London, das Mekka der Botaniker; Nizza, wo er seinen Lebensabend verbrachte; und natürlich Paris, immer wieder Paris… .

Reisen machen Leute, Orte prägen Menschen. Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck steht dafür eindrücklichst Pate. Ein (netz-)biographischer Zugriff muss dies freilich berücksichtigen, aber auch in eingängiger Form visualisieren! Deshalb entsteht im Rahmen der Netzbiographie ein Itinerar in Form einer kartenbasierten Mehrebenengraphik. Anhand farbiger Linien und Punkte werden hier die Wege, Lebensorte und -stationen Salm-Dycks überlappend wie überblickend dargestellt. Bei der Beantwortung der obligatorischen Folgefrage nach dem “wann?” helfen Verlinkungen auf die biographische Zeitleiste. So wird der Protagonist auf eine ganz neue, entscheidende Weise sichtbar gemacht – ohne rot-weiß gestreiften Pulli, versteht sich!

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/205

Weiterlesen