Ein Bild sagt mehr … (XVI): “Gelbe Jacken” (1894)

Eine Karikatur ‘funktioniert’, wenn sie spontan dekodiert werden kann, wenn also der Betrachter die Elemente der satirischen Darstellung mit Fakten- und Kontextwissen zu einem bestimmten Ereignis im Moment des Betrachtens verbindet. Die zeitliche Distanz lässt manche Karikatur kryptisch, mitunter unverständlich erscheinen. Manchmal sind einzelne Elemente nicht zu identifizieren, manchmal bleibt der Kontext (‘das Gemeinte’) unklar, manchmal sind alle Elemente klar, doch der Zusammenhang bleibt offen.  Ein Beispiel, das die Herausforderungen von Karikatur als Quelle deutlich macht,  ist das Blatt “Gelbe Jacken”, die Titelseite des Beiblatts zum Kladderadatsch vom 19. August 1894.

Kladderadatsch 1894

Kladderadatsch Nr. 33 (19.8.1894) | UB Heidelberg

Die beiden Panels zeigen in einem asiatisch angehauchten Ankleidezimmer[1] jeweils vier Figuren. Die größeren Figuren sind durch Porträtköpfe und Tags in der Kleidung identifiziert: Georg Leo Graf von Caprivi de Caprera de Montecuccoli (1831-1899), Reichkanzler 1890-1894[2] (jeweils rechts im Bild) und Johannes Franz Miquel (1828-1901), Finanzminister 1890-1901[3] (jeweils links im Bild). Beide sind in ‘asiatische’ Gewänder gehüllt, Caprivi hängt ein langer Zopf nach vorn über die kahle hohe Stirn, Miquel hängt der Zopf über den Rücken.
Auf dem oberen Bild knöpft Miquel die kurze helle Jacke zu, wobei ihm ein (sehr kleinwüchsiger) asiatischer Diener mit einer Kerze leuchtet. Während Caprivi sich im Spiegel mustert, beschmiert sein Diener mit einem großen Pinsel an einem Bambusstiel Miquels Rücken mit dunkler Farbe.
Auf dem unteren Bild sitzt Miquel am Boden und liest. Captrivi steht vor dem Spiegel und knöpft die Jacke zu, während der Diener Miquels den Rücken Caprivis mit Farbe aus aus demselben Topf mit demselben Pinsel beschmiert.

Der konkrete Anlass/Bezugspunkt dieser Karikatur von Ludwig Stutz (1865-1917) aus der deutschen Innenpolititk soll hier nicht weiter diskuteirt werden.

Spannender ist die Frage nach den im Titel erwähnten “gelben Jacken” …[4]

Im September 1894 findet sich in der Deutschen Rundschau ein Beitrag von M. von Brandt[5] zum Chinesisch-Japanischen Krieg. Der Beitrag Die koreanische Frage” (S. 459-463) skizziert die Lage in Ostasien und kommt zum Schluss auf Li Hongzhang 李鴻章 (1823-1901) zu sprechen. Der Autor will dabei explizit das Bild, das in westlichen Zeitungen gezeichnet wurde, zurechtrücken.

In den Berichten, die über die koreanische Frage einlaufen, wird oft, und stets an erster Stelle, Li Hung Chang erwähnt, und zwar meistens in einer Weise, die weder der Stellung und dem Charakter dieses hervorragendsten aller chinesischen Staatsmänner, noch den Schwierigkeiten, gegen welche er zu kämpfen hat, gerecht wird. (S. 462)

Max von Brandt skizziert kurz die Laufbahn Li Hongzhangs und meint dann:

Wenn der Kaiser Li die gelbe Reitjacke, die höchste militärische Auszeichnung genommen hat, so ist das bis auf Weiteres nur ein Zeichen der kaiserlichen Unzufriedenheit, wie solche unter allen Umständen einen unglücklichen Führer oder Beamten trifft. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß Li, wie dies sehr häufig geschieht, in dem Bericht über die ersten Vorfülle selbst seine Bestrafung beantragt habe; ein Erfolg würde genügen, ihm die verlorene Auszeichnung wieder zu verschaffen. (S. 463)

Gerüchte, Li hätte seine Asuzeichnungen verloren, hatte es seit der Niederlage bei Asan im Juli 1894 gegeben. Ein Dekret vom 17. September 1894[6] machte die Sache offiziell: Li verlor sowohl die huangmagua 黃馬褂 („Gelbe Reitjacke“)[7], die er 1863 für seine Verdienste im Kampf gegen die Taiping 太平erhalten hatte, als auch die sanyan hualing 三眼花翎 (“dreiäugige Pfauenfeder”)[8], die Li  erst wenige Monate zuvor verliehen worden war.[9]

Die ‘gelbe Jacke’ des Li Hongzhang beschäftigte 1894/95 weltweit die Tages- und Wochenzeitungen ebenso wie satirisch-humoristische Blätter, ob aber jede Leserin und jeder Leser des Kladderadatsch den Gedankensprung des Karikaturisten von Ostasien nach Berlin spontan mitmachte, muss offen bleiben …

  1. Der Bildaufbau erinnert an Motive japanischer Farbholzschnitte wie z.B.  Behind the Screen (c. 1673–81) von Hishikawa Moronobu 菱川 師宣 – der Wandschirm im Farbholzschnitt ist in der Karikatur ein Spiegel, das Fenster im Farbholzschnitt ist in der Karikatur ein Gemälde einer asiatischen Landschaft.
  2. Zur Biographie: Heinrich Otto Meisner: „Caprivi, Georg Leo Graf von“, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), 134 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11851900X.html.
  3. Kurzbiographie: Rita Aldenhoff: „Miquel, Johannes von“, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), 553 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11873413X.html.
  4. Dass die Jacken, die Caprivi und Miquel über langne Kleidern tragen, gelb sind, ist nur dem Text zu entnehmen. Die Jacken sind kurz und weit geschnitten und vorne einreihig mit großen Knöpfen geschlossen, die Ärmel sind gerade geschnitten, weit und (über-)lang.
  5. Maximilian August Scipio von Brandt (1835-1920), der 1875 bis 1893 Gesandter in China gewesen war, galt als einer der besten Ostasienkenner seiner Zeit. – Kurzbiographie: Wolfgang Franke: „Brandt, Max von“, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), 531 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118934759.html.
  6. Text in englischer Übersetzung: United States Department of State: Foreign relations of United States, 1894 (1894) Nr. 52 (S. 60 f.), Mr. Denby, chargé, to Mr. Gresham (Peking, September 18, 1894).
  7. Die huangmagua 黃馬褂 („Gelbe Reitjacke“), eine Auszeichnung für Verdienste um den Staat, häufig für militärische Leistungen. S. dazu: H. S. Brunnert and V. V. Hagelstrom, Present Day Political Organization of China. Revised by N. Th. Kolessoff, Translated from the Russion by A. Beltchenko, E. E. Moran (Foochow: 1911)., p. 497, nr. 947. – Digitalisat > Bibliotheca Sinica 2.0.
  8. )  , war Li Hongzhang 1863 für seine Verdienste im Kampf gegen die  verliehen worden. D. ((ie kongqueling 孔雀翎 [Pfauenfeder] war eine noch bedeutendere Auszeichnung, von der es  mehrere Abstufungen gab. Die höchste war die Sanyanhualing 三眼花翎, die dreiäugige Pfauenfeder, die in der Regel Angehörigem des Kaiserhauses und besonders verdienten Beamten verliehen wurde. S. dazu: H. S. Brunnert and V. V. Hagelstrom, Present Day Political Organization of China. Revised by N. Th. Kolessoff, Translated from the Russion by A. Beltchenko, E. E. Moran (Foochow: 1911) p. 498, nr. 950.
  9. S. C. M. Paine, The Sino-Japanese War of 1894-1985. Perceptions, Power, and Primacy (Cambridge: Cambridge University Press, 2003)., 101 unter Verweis auf den North-China Herald vom 16.2.1894, p. 145.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1288

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (XIV): “Die junge Republik” (1912)

Mit dem 1. Januar 1912 -  guó chénglì jìniàn 國成立紀念 – begann offiziell die Republik China. Drei Tage vorher, am 29. Dezember 1911 war Sun Yat-sen 孫逸仙 zum provisorischen Präsidenten ernannt worden. In den europäischen Zeitungen waren die Entwicklungen in China eher Randnotizen, die Schlagzeilen dominierten andere Themen. Das spiegelt sich auch in deutschen satirisch-humoristischen Periodika[1], wo China nur selten groß thematisiert wird. Umso überraschender wirkt die Titelseite des Kladderadatsch vom 14. Januar 1912 mit “Die neue Republik”.

Die neue Republik (Kladderadatsch 65.1912)

“Die neue Republik” (Kladderadatsch Nr. 2 (14.1.1912)
Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg (Nutzung gemäß CC-BY-SA 3.0 DE)

Die Karikatur von Ludwig Stutz (1865-1917) zeigt eine ziemlich durch Kleidung, Bart und Zopf als chinesisch markierte Figur mit einem glänzenden Zylinder auf dem Kopf. “Der chinesische Drache” hat die Arme um die Schultern des französischen Präsidenten Armand Fallières (1841-1931, Präsident 1906-1913[2]) und von US-Präsident William Howard Taft (1857-1930, Präsident 1909-1913[3]) gelegt, die durch Porträt und Inserts markiert sind, bei Fallières steht der Name auf einer Tricolore-Schärpe, bei Taft auf der Frackweste, er trägt die US-Flagge als Kummerbund.

“Der chinesische Drache” spricht zu den beiden:

“Ich sei, gewährt mir die Bitte,
Mang euren Zylindern der Dritte!”

Die Anspielung auf den Schlussvers von Schillers Bürgschaft[4] impliziert den Anspuch, gleichberechtigter Partner zu sein. Der Zylinder ist allerdings nur ‘draufgesetzt’, Kleidung und Haartracht sind traditionell. Ob sich der Chinese jovial zwischen die beiden drängt oder von den beiden gestützt wird, bleibt offen …

  1. In den satirisch-humoristischen Periodika Österreich-Ungarns war das etwas anders, dort finden sich – ganz gegen den internationalen Trend – häufig Bezüge auch China.
  2. Kurzbiographie: Armand FALLIERES (1906-1913) bei elysee.fr.
  3. Kurzbiographie: William Howard Taft auf whitehouse.gov.
  4. Vgl. Friedrich Schiller, “Die Bürgschaft”. In: Ders. (ed.), Musen-Almanach für das Jahr 1799 (Tübingen: Cotta 1799) S. 176-182.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1252

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (XIII): “Magot de la Chine” (1834)

Nach der Juli-Revolution (1830) begann die Blüte der satirisch-humoristischen Periodika mit La Caricature morale, religieuse, littéraire et scénique. Die erste Nummer der von Charles Philipon (1800-1862) herausgegebene Zeitschrift erschien 4. November 1830, das Blatt war nur im Abonnement erhältlich. Jede Nummer von La Caricature bestand aus vier Seiten Text und zwei ganzseitigen Lithographien, die herausnehmbar waren. Ein großer Teil dieser Blätter stammte von Honoré Daumier (1808-1879), einem der bedeutendsten Karikaturisten der Zeit.

Daumier nutzte die exotische Verfremdung, um die aktuelle Situation in Frankreich zu charakterisieren.[1] Der Mode der Zeit entsprechend konnte sich Daumier nicht entziehen, Chinoiserien (im weitesten Sinn) sind in seinem Œuvre häufiger zu finden. Das Blatt “Magot de la Chine (Tiré du Cabinet de M. Ch. Philipon.)”, das in La Caricature am 28.8.1834 erschien, war wohl das erste Mal, dass Daumier ein China-Motiv aufgriff.[2]

Daumier: Magot de la Chine (1844)

Daumier: “Magot de la Chine (Tiré du Cabinet de M. Ch. Philipon.)” (1844) – Quelle: gallica

“Magot de la Chine” ist ein lachender Buddha (chinesisch bùdài 布袋 (japanisch: hotei, wörtlich “Stoffsack”, “Leinensack”[3]), eine populäre Figur der chinesischen (und japanischen Volksreligion), in der Regel dargestellt als dickbäuchiger lachender Kahlkopf im Mönchsgewand mit mālā [Gebetskette] und einem Sack für Almosen.

Auf den ersten Blick scheint Daumiers Darstellung die geradezu idealtypische Abbildung eines bùdài. ((Dass der Buddha die Gebetskette, die deutlich weniger als 108 Perlen hat), in der Hand hält die auf dem Knie ruht, erscheint vernachlässigbar.)) Erst auf den zweiten Blick werden die zahlreichen Doppel- und Mehrdeutigkeiten erkennbar …

  • Die für Buddha-Darstellungen typischen langen Ohrläppchen[4] sind so lang, dass sie auf den Schultern aufliegen.
  • Die Figur ist nicht kahlköpfig, auf dem höchsten Punkt steht ein kurzes Zöpfchen.
  • Der Buddha lächelt nicht, das Gesicht ist zur Fratze verzerrt.

Der Titel “Magot de la Chine (Tiré du Cabinet de M. Ch. Philipon.)” macht klar, dass es nicht um ein Glückssymbol geht, sondern darum, die Gier des “Bürgerkönigs” Louis-Philippe (1773–1850, regierte 1830-1848) anzuprangern.[5].

“Magot de la Chine” ist die übliche Bezeichnung für Nippes-Figuren aus Ostasien, “magot” (ohne jeden Zusatz) ist mehrdeutig. Im Trésor de la langue française finden sich unter “magot” zwei Einträge:

magot¹
A. Singe à queue rudimentaire du genre macaque vivant en Afrique du Nord et à Gibraltar. [...]
B. Bibelot figurant un personnage plus ou moins grotesque, sculpté ou modelé, provenant ou imité de l’Extrême-Orient. [...][6]

und

magot²
Fam. Somme d’argent assez importante que l’on a thésaurisée et que l’on cache. [...][7]

Daumiers “Magot de la Chine” hat die Gesichtszüge Louis Philippes, das Zöpfchen und die Ohrläppchen ersetzen die Perücke und evozieren die Assoziation “Birne” – und damit die Dekodierung (und damit das Verstehen) der Karikatur sichergestellt ist, gibt es den Zusatz “Tiré du Cabinet de M. Ch. Philipon” ["Aus der Sammlung von Mr. Charles Philipon"].[8] Schon in “Gargantua” (1831) hatte Daumier den Bürgerkönig als von der Gier aufgeblähten Nimmersatt gezeigt, von Gier und Fresssucht aufgebläht – was ihn ins Gefängnis gebracht hatte. Bei “Magot de la Chine” arbeitet er subtiler – und doch wird der König wieder als gierig und gefräßig charakterisiert: der Sack für Almosen kann als Geldsack gedeutet werden.[9].

  1. S. dazu: Elizabeth C Childs: Daumier and exoticism: satirizing the French and the foreign (=Hermeneutics of art, v. 11; New York: Peter Lang 2004).
  2. La Caricature Numéro 199 (28 aout 1834), Pl. 416.
  3. S. Patricia Jaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Tokyo/Rutland, Vermont/Singapore: Tuttle 2008), 191 f. “Laughing Buddha”.
  4. Die buddhistische Kunst war zunächst anikonisch, die ersten erhaltenen Statuen entstanden um 1000 n. Chr. Grundlage der Darstellung waren Lehrreden, die das Aussehen des Buddha beschrieben, vor allem die “32 Merkmale eines Großen Mannes” und die “80 Kleineren Merkmale”, die die 32 großen ergänzen. Dort heißt es, die Ohren wären ‘lang wie Lotosblüten’. Zum Bild des Buddha: Y. Krishan/Kalpana K. Tadikonda: The Buddha image: its origin and development (2nd rev. & enlarged edition; New Delhi: Munshiram Manoharlal Publishers 2012).
  5. Vgl.  Elizabeth C. Childs, “The Body Impolitic: Press Censorship and the Caricature of Honoré Daumier.” In: Dean de la Motte/Jeannene Przyblyski (ed.): Making the News: Modernity and the Mass Press in Nineteenth-Century France (Amherst: University of Massachusetts Press 1999), 43-81, speziell 56 f.
  6. http://atilf.atilf.fr/dendien/scripts/tlfiv5/visusel.exe?11;s=3308966700;r=1;nat=;sol=0;) <abgerufen am 4.1.2013>.
  7. http://atilf.atilf.fr/dendien/scripts/tlfiv5/visusel.exe?12;s=3308966700;r=1;nat=;sol=1; <abgerufen am 4.1.2014>.
  8. Charles Philipon hatte mit “La Métamorphose du roi Louis-Philippe en poire” (1831). [BnF, Estampes et Photographie, Rés. B-16-Boîte] die Birne gleichsam unsterblich gemacht. S. auch: Ursula Koch/Pierre-Paul Sagave/André Fontaine: Le Charivari. Die Geschichte einer Pariser Tageszeitung im Kampf um die Republik (1832 – 1882) ; ein Dokument zum deutsch-französischen Verhältnis. (Köln: Leske 1984), 45-50.
  9. S. dazu auch Childs (2004) 127-129. Die dort hergestellte Verbindung zu Cruikshanks “The court at Brighton à la Chinese!!” von 1816 erscheint allerdings weit hergeholt.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1240

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (XII): Die Revolution in China (1911)

Später als die meisten anderen satirisch-humoristischen Periodika Europas thematisiert Der wahre Jacob[1] die Xinhai辛亥-Revolution, die im Oktober 1991 das Ende der Qing-Dynastie einleitete und an deren Ende die Gründung der Republik China 1912 stand.

Am 4. November 1911 heißt es zur “Revolution in China”:

Das chinesische Volk sollte bisher nur “erwacht” sein; man sieht aber, daß es bereits “ganze Arbeit” macht.

Einst hieß es: der chinesische Teekessel wird seien Wände sprengen! Jetzt ist statt dessen nur der monarchische Topfdeckel in die Luft geflogen.

Die Chinesen gelten für die “umständlichste Nation des Erdballs”. Trotzdem machen sie jetzt mit ihrem historischen Gerümpel die allerwenigsten Umstände.

China ist wirklich ein sehr gelehriger Schüler Europas: sein früherer Meister kann heute schon allerlei von ihm lernen![2]

In der folgenden Nummer folgt das Thema auf dem Titel – mit einer Variation des Motivs ‘Völker Europas …‘, einer Karikatur von M(aximilian) Vanselow.

Der Wahre Jakob (18.11.1911)
Quelle: UB Heidelberg

Im Hintergrund brennt eine chinesische Stadt, die ersten Türme/Pagoden stürzen um. Über den Flammen schwebt eine durch Bart und Kleidung asiatisch markierte Figur mit roter Jakobinermütze auf dem Kopf, die eine große dreieckige rote Fahne schwenkt. Auf der Klippe im Mittelgrund der Erzengel Michael und allegorische Figuren, die die Mächte darstellen. Der Engel hält eine Feuerspritze in der Hand, hinter ihm eine Figur mit Pickelhaube an einer Wasserpumpe, doch aus dem Schlauch kommen nur wenige Trupfen. Unterhalb der Klippe sind die Dächer Berlins zu sehen (der Turm deutet das Rote Rathaus an, daneben ist ein Gebäude mit “Alexanderpl[atz]” beschriftet).  Die Bildunterschrift lautet: “Der heilige Michael erblaßt! Wer konnte auch voraussehen, daß die gelbe Gefahr einmal – rot werden könnte.”[3]

Die Karikatur lässt viel Raum für Interpretationen:

  • Beginnen die Löschversuche gerade oder wurden die Löschversuche aufgegeben?
  • Steht (der Erzengel) Michael für (den deutschen) Michel?
  • Und warum hält der Beobachter im Vordergrund das Fernrohr verkehrt herum?

  1. Der Wahre Jacob, der 1879 in Hamburg gegründet worden war, ab 1884 in Stuttgart verlegt wurde und – mit Unterbrechungen – bis 1933 erschien, war eine vielgelesene Zeitschrift im Umfeld der SPD. Seit 1891 dominierte eine vierfarbig gedruckte Karikatur das Titelblatt. Zur Geschichte des Blattes: Konrad Ege: Karikatur und Bildsatire im Deutschen Reich: Der ‘Wahre Jacob’, Hamburg 1879/80, Stuttgart 1884-1914; Mediengeschichte, Mitarbeiter, Chefredakteure, Grafik (=Form & Interesse; 44; Münster/Hamburg: Lit 1992); Der Wahre Jacob – Digital: UB Heidelberg.
  2. Der Wahre Jacob Nr. 660 (4.11.1911) 7262;  online: UB Heidelberg.
  3. Der Wahre Jakob Nr. 661 (18.11.1911), [1] – Online: UB Heidelberg.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/971

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (XI): Les mandarins lettrés (1844)

Am 24. Oktober 1844 unterzeichneten Théodor de Lagrené (1800-1862)[1] und Qiying 耆英 (1787-1858)[2] den Vertrag von Huangpu [auch "Vertrag von Whampoa", Huángpǔ tiáoyuē 黃埔條約][3], der Frankreich all das zubilligte, was im Vertrag von Nanging Großbritannien zugestanden worden war: die Öffnung von Guangzhou 廣州, Fuzhou 福州, Ningbo 寧波, Shanghai 上海 und Xiamen 廈門 für den Handel, Extraterritorialität für französische Staatsangehörige, fixe Zolltarife und das Recht, Konsulate einzurichten. Die Vertragsverhandlungen, bei denen  Joseph-Marie Callery (1810-1862) als Übersetzer fungiert hatte, hatten in Macau (Aomen 澳門) stattgefunden, die Unterzeichnung erfolgte an Bord des Dampfer L’Archimède, der im Perlflussdelta auf der Höhe der Insel Huangpu vor Anker lag.

Les mandarins lettrés (1844)

Honoré Daumier: Les mandarins lettrés (1844)
[University of Kansas Luna Insight Image Collection]

China war seit im Kontext des so genannten “Ersten Opiumkriegs” in das Blickfeld der europäischen Politik gerückt, das ‘exotische’ China faszinierte ein breites Publikum. Der wohl bedeutendste Karikaturist Frankreichs dieser Zeit konnte an der Chiffre ‘China’ nicht vorbei gehen:  Honoré Daumier produzierte zwischen Dezember 1843 und Juni 1845 “Voyage en Chine”, eine Serie von 32 Lithographien, die in Le Charivari erschienen. Die einzelnen Blätter der Serie projizierten französische Alltagsszenen in eine exotische Umgebung – und bilden so beißende Kommentare zu den Vorgängen in Frankreich. Das Spektrum der dabei behandelten Themen ist breit gefächert, es geht unter anderem um Zölle/Zollkontrollen, Musik, Tanz, Bildung und Erziehung, Eheschließung, Krieg und Politik.

Am 7. Dezember 1844 erschien in Le Charivari das Blatt “Les mandarins lettrés”[4]. Es zeigt einige ‘asiatisch’ gekleidete Männer, die um einen Tisch sitzen, auf dem einige Bücher liegen. Einer manikürt seine Fingernägel, die anderen scheinen zu schlafen. Der Text erklärt die Szene:

Il existe à Pékin une célèbre institution littéraire nommée A-KA-DE-MIE, les quarante membres de ce corps assistent une fois par an à une grande séance publique où l’on baille, et une fois par mois à une petite séance particulière où l’on dort. Il est vrai que ces personnages s’excusent en disant qu’ils rèvent au dictionnaire de la langue Chinoise, dictionnaire qu’ils sont en train de rédiger depuis cent cinquante ans; mais ils ne se pressent pas, sous le prétexte qu’ils ont tout le temps de travailler, puisqu’ils sont immortels.

Daumier zielt auf die Académie française, die 1635 auf Betreiben Richelieus von Louis XIII. gegründete Gelehrtengesellschaft, deren offizielle Aufgabe die Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache war und ist.  Die Akademie hat 40 auf Lebenszeit berufene Mitglieder, “les immortels”/”die Unsterblichen” – nach dem Motto der Akademie.[5]

1637 hatte die  Académie française begonnen, an einem normativen Wörterbuch zu arbeiten. Die erste Auflage des Dictionnaire de l’Académie[6] erschien 1694 – also 150 Jahre vor Daumiers Karikatur. Bis 1844 waren 5 Ausgaben erschienen, die letzte vollständige Ausgabe ist die 8. Ausgabe (1932-1935) mit ca. 35 000 Wörtern. Seit 1986 wird an der neunten Auflage gearbeitet, deren erster Band erschien 1992, der zweite Band folgte 2000.

Das ‘Chinesische’ in Daumiers Karikatur beschränkt sich auf ‘asiatische’ Kleidung, die Zöpfe der ‘Unsterblichen’ und auf die Schreibung “A-KA-DE-MIE”, die den Monosyllabismus aufgreift, den man seit dem 17. Jahrhundert dem Chinesischen nachgesagt hatte.[7]

BTW … Schon die klassischen einsprachigen  chinesischen Wörterbücher (Lexika, Zeichen- und Reimwörterbücher) übertrafen den Umfang des Dictionnaire de l’Académie françoise spielend:

  • Im Kangxi zidian 康熙字典 (1716[8] finden sich 47035 Schriftzeichen (von denen etwa 20000 Varianten sind).
  • 1711 wurde das Peiwen yunfu 佩文韻府[9]  [wörtlich: “Reimsammlung des kaiserlichen Studierzimmers”[10] präsentiert,  Es enthält mehr als 500.000 Einträge unter ca. 10.000 Lemmata – angeordnet nach 106 Reimgruppen.[11]

  1. Biographie in der Base de données des députés français depuis 1789.
  2. Fang Chao-ying, “Ch’i-ying (Kiying),” in A. W. Hummel, ed.: Eminent Chinese of the Ch’ing Period (1644-1912). (Washington: United States Government Printing Office, 1943), Vol I, pp. 131-134. Online: Qing Studies Workshop.
  3. S. Treaties, conventions, etc., between China and foreign states. 2d ed. Published by order of the Inspector General of Customs, Vol. 1 (Shanghai: Published at the Statistical Dept. of the Inspectorate General of Customs; and sold by Kelly & Walsh, 1917), 771-813.
  4. Voyage en Chine 18. Daumier Register Nr. 1206.
  5. S. http://www.academie-francaise.fr/les-immortels/les-quarante-aujourdhui.
  6. Académie française: Le dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy.  (Paris: Vve J. B. Coignard et J. B. Coignard 1694); Digitalisate (gallica): t. 1, t. 2.
  7. S. Gustav Ineichen: “Historisches zum Begriff des Monosyllabismus im Chinesischen”, In: Historiographia Linguistica, Volume 14 (1987),Number 3, 265-282.
  8. Zhang Yushu 張玉樹 et al.: Kangxi zidian 康熙字典 (1716). – Online: http://www.kangxizidian.com/.  Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  9. Zhang Yushu 張玉樹 et. al.: Peiwen yunfu 佩文韻府 (1711, Supplement 1720). Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged (Harvard-Yenching Institute Monograph Series; Cambridge, Mass./London 2000), 64.
  10. Helwig Schmidt-Glintzer: Geschichte der chinesischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München: C.H. Beck; 2. Auflage 1999), 247.
  11. Christoph Kaderas: Die Leishu der imperialen Bibliothek des Kaisers Qianlong. (Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Berlin 4, Wiesbaden: Harrassowitz 1998), 236-240.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/953

Weiterlesen

Ein Bild sagt mehr … (X): Die Preußen in China (1898)

In den Jahren nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg (1894/95) erreichte der Scramble for Concessions, der Wettlauf um Stützpunkte (und Einfluss) in China, einen neuen Höhepunkt. Im Deutschen Reich hatte es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhudnerts Überlegungen um einen Flottentützpunkt in China gegeben, auch Tirpitz hatte entlang der Küste nach geeigneten Standorten gesucht. Einer der zahllosen Missionszwischenfälle, die Ermordung zweier deutscher Missionare in der Provinz Shandong 山東 bot schließlich den Vorwand zur Besetzung eines Territoriums.  Am 14. November landeten deutsche Truppen in der Jiaozhou-Bucht, die kampflos besetzt wurde.[1]  Am 6. März 1898 pachtete das Deutsche Reich die Bucht für 99 Jahre, im April wurde sie offiziell unter deutschen Schutz gestellt.

Das besetzte Gebiet “Kiaotschou” (Jiāozhōu 膠州) lag an der Südküste der Shandong-Halbinsel und umfasste 552 Quadratkilometer. Das Gebiet hatte eine Größe von 552 km²  dazu gehörten neben auch etwa zwei Dutzend Inseln in der Bucht, die Stadt Jiaozhou im Nordwesten der Bucht war jedoch nicht Teil des Pachtgebiets.[2]

Die deutschen und österreichisch-ungarischen satirisch-humoristischen Zeitschriften beschäftigten sich 1897/1898 intensiv mit dem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet in China – der Tenor war, dass das Deutsche Reich sich mit dem, was die die anderen Mächte übrig gelassen hatten, begnügen mussten. Eine Karikatur im Wahren Jakob vom 1. Februar 1898 – also noch bevor das Gebiet offiziell gepachtet war – bringt diese Einschätzung auf den Punkt:

Der wahre Jakob Nr. 301 (1. Februar 1898) 2650

Der wahre Jakob Nr. 301 (1. Februar 1898) 2650
© UB Heidelberg http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1898/0028

“Die Preußen in Chin” zeigt die “Ergebnisse eines Requirierungs-Zuges i Kiau-Tschou. Guten Appetit.” Die Beute des Requirierungszuges war nicht sehr beeindruckend: ein Korb mit einer zerhackten Schlage, eine Menge Ratten, die am Schwanz an eine Stange geknüpft sind, und eine Platte mit Krebsen/Spinnen. Im Hintergrund ist ein Werbebanner zu sehen, auf dem ‘exotische’ Spezialitäten des “Grand Hotel Kiaotschou” anpreist:  “Schlangen-Ragout”, “Ratten-Braten” und “Mops-Keule”.

Die kritischen Kommentare im Wahren Jacob und anderen satirisch-humoristischen Zeitschriften scheinen fast prophetisch – erwies sich die ‘Musterkolonie’[3] doch bald als Fass ohne Boden, die Kosten überstiegen den Nutzen bei weitem, die großen Erwartungen blieben unerfüllt.

 

 

  1. S. dazu: BArch N 255/24: Proklamation des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Otto von Diederichs, zur Besetzung von Kiautschou durch deutsche Truppen am 14. November 1897. Online: http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/00765/index-3.html.de.
  2. Karte: BArch N 253/41: Karte von Tsingtao. Online: http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/00765/index.html.de.
  3. Klaus Mühlhahn, Herrschaft und Widerstand in der „Musterkolonie“ Kiautschou: Interaktionen zwischen China und Deutschland 1897-1914 (München: Oldenbourg Verlag 2000).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/923

Weiterlesen

Das Bild vom Anderen: ‘Gelbe Gefahr’ − ‘Weiße Gefahr’

Das Schlagwort von der ‘Gelben Gefahr’ ist (vor allem im deutschen Sprachraum) fest mit dem Bild Völker Europas, wahr(e)t eure heiligsten Güter verknüpft, so fest, dass  das Bild als Illustration des Schlagworts gesehen wird – was sich bei genauerer Betrachtung als Konstrukt späterer Generationen erweist – denn die diffuse Angst vor einer Bedrohung aus dem Osten war lange vor Knackfuß’ Federlithographie und vor der Prägung des Begriffs ‘Gelbe Gefahr’ weit verbreitet.

Der Begriff ‘Gelbe Gefahr’ (‘Yellow Peril’, ‘Yellow Terror’, ‘le péril jaune’) sollte Ressentiments gegen asiatische Völker, speziell gegen ‘die Chinesen’ und China schüren. In den amerikanischen Medien waren anti-chinesische Stimmen seit der Diskussion um den ‘Chinese Exclusion Act’, der die Einwanderung von Chinesinnen und Chinesen massiv einschränkte[1] in den 1880ern häufig zu lesen, in Europa dauerte es bis zum Ende des Jahrhunderts. 1897 veröffentlichte der russische Soziologe Jacque Novikow (Yakov Aleksandrovič Novikov, 1849-1912) Le péril jaune[2]. Matthew Phipps Shiel (1865-1947) veröffentlichte 1898 die Serie The Empress Earth, der wenig später als Roman unter dem Titel The Yellow Danger ((M. P. Shiel: The Yellow Danger (London: Grant Richards 1898): Online: Internet Archive.)). Spätere Editionen erschienen unter dem Titel The Yellow Peril. Im Deutschen wurde der Begriff vermutlich durch Die Gelbe Gefahr (1900), einen Roman des ‘Kolonialschriftstellers’ Stefan von Kotze (1869-1909), geprägt.[3]

Das Bild Völker Europas, wahr(e)t Eure heiligsten Güter schuf der Historienmaler Hermann Knackfuß (1848-1915)[4] im Jahr 1895 nach einem Entwurf von Kaiser Wilhelm II.;; es war ein Geschenk des deutschen Kaisers an Zar Nikolaus II.

Das Bild zeigt unter einem schwebenden Kreuz eine Gruppe von walküren-ähnlichen weiblichen Figuren und den Erzengel Michael. Der Engel deutet auf einen auf dunklen Gewitterwolken über eine europäischenLandschaft schwebenden Buddha deutet.che und christliche Missionare getötet wurden. Die weiblichen Figuren sind Allegorien der Völker Europas – sie verkörpern (von rechts) Frankreich (“Marianne”), das Deutsche Reich (“Germania”), Russland, Österreich (“Austria”), Italien (“Italia”) und Großbritannien (“Britannia” mit dem ‘Union Jack’ auf dem Schild), die Figur ganz links ist nicht eindeutig identifiziert. Die Darstellung gilt als Versuch, die Aufmerksamkeit der europäischen Mächte auf die potenziellen Gefahren aus dem Osten zu lenken …

Als 1896 Li Hongzhang durch die USA und einige Staaten Europas reiste, ändert sich das Bild: China wird als Markt interessant – was auch in der Karikatur durch Verfremdung eines allgemein bekannten Bildes verarbeitet wird: “Der Feind aus dem Osten naht, rüstet euch zum Lossschalgen! Völker Europas, verkauft eure theuersten Güter!”[5].

kla_1896

Beiblatt zum Kladderadatsch Nf. 27 (5.7.1896)
Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg (Creative Commons-Lizenz cc-BY-NC-SA)

Diesmal steht an der Stelle des Erzengels Michael Hermes (oder Merkur), der ‘Götterbote’. Die ‘Walküren’ haben ihre Waffen fallen gelassen und alle Hände voll mit Waren, die sie anpreisen wollen – Schiffe, Waffen, Munition.  Anstelle des Kreuzes schwebt über ihnen ein praller Geldbeutel. Und in den Rauchwolken, die aus Fabriksschloten aufsteigen, schwebt Li Hongzhang 李鴻章 im Sonnenglanz mit einem ganzen Berg von Geldsäcken.[6]

Im Sommer 1900 tauchte das Bild wieder auf, um die deutsche Kriegstreiberei im Kontext der militärischen Intervention zur Unterdrückung der Yihetuan 義和團-Bewegung (des so genannten ‘Boxeraufstandes) zu untermauern. Eine Karikatur von Johan Braakensiek[7] zeigt “une nouvelle interprétation du tableau connu de l’emperuer Guillaume”[8]: “Confucius: ‘Volkeren van Azië, verdedigt uwe heilige goederen.” ["Confucius: Völker Asiens, verteidigt eure heiligen Güter].

braakensiek_1900

“Confucius: ‘Peuple d’Asie, protégez votre biens sacrés.’”
Reproziert in: Chinois d’Europe et Chinois d’Asie | Quelle: gallica[Ausschnitt]Bildunterschrift im Original: “Confucius: “Volkeren van Azie, verdedigt uwe heilige goederen!
Abb. (zoombar)De Amsterdammer. Weekblad voor Nederland Nr. 1200 (24.6.1900) S. 10A

Brakensiek verlagert in der Karikatur, die am 24. Juni 1900 in De Amsterdammer.[9] erschien, die Szene auf eine Klippe am Meer. Auf der Klippe steht unter einem schwebenden Drachen ein chinesischer Beamter mit geflügelten Kappe und Mantel vor einer Gruppe von Asiatinnen und Asiaten und deutet auf ein Schlachtschiff, das sich der Küste nähert. Auf der Brücke des Schiffes sind Europäer bzw. Ausländer schemenhaft zu erkennen – die Figur ganz links trägt Zylinder und Kinnbart (und steht für die USA), die anderen Figuren sind nicht so klar zu erkennen, über dem Schiff schwebt ein Kreuz im Strahlenkranz.

Die Karikatur wurde Wochen vor der so genannten “Hunnenrede”[10] veröffentlicht – und lange bevor Anatole France in seinem Roman Sur la pierre blance (1905)[11]- allerdings vor dem Hintergrund des Russisch-Japanischen Krieges auf Japan bezogen – davon sprach, dass man nicht von einer ‘gelben Gefahr’, sondern viel eher von einer ‘weißen Gefahr’ sprechen müsste:

[...] Les Japonais passent le Yalu et battent avec précision les Russes en Mandchourie. Leurs marins détruisent élégamment une flotte européenne. Aussitôt nous discernons un danger qui nous menace. S’il existe, qui l’a créé ? Ce ne sont pas les Japonais qui sont venus chercher les Russes. Ce ne sont pas les Jaunes qui sont venus chercher les Blancs. Nous découvrons, à cette heure, le péril jaune. Il y a bien des années que les Asiatiques connaissent le péril blanc. [..] Nous avons créé le péril blanc. Le péril blanc a créé le péril jaune. [...].[12]

 

  1. An act to execute certain treaty stipulations relating to the Chinese, May 6, 1882; Enrolled Acts and Resolutions of Congress, 1789-1996; General Records of the United States Government; Record Group 11; National Archives. (Online: http://www.ourdocuments.gov/doc.php?flash=true&doc=47#); Materialsammlung: Harvard University | Open Collections Program
  2. Jacques Novicow: Le péril jaune (Paris : V. Giard et E. Brière 1897) http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k68266m
  3. S. dazu http://stefan-von-kotze-gesellschaft.de/html/html/das_werk.html.
  4. Zur Biographie: Brigitte Lohkamp: „Knackfuß, Hermann“, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 149 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118563599.html
  5. Beiblatt zum Kladderadatsch, Nr. 27 (5. Juli 1896) [1].
  6. Ein ähnliches Sujet findet sich nach Grand-Carteret auch in den Lustigen Blättern im August 1896, dort stehen anstelle der Nationalallegorien Minister – und Li Hongzhang schwebt auf einem Drachen, s. [John Grand-Carteret:] Chinois d’Europe et Chinois d’Asie, documents illustrés pour servir à l’histoire des chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900, recueillis… par John Grand-Carteret,… (s.l. s.d. [um 1900]) 8.
  7. Johan Coenraad Braakensiek (1858-1940) war Maler, Illustrator und Karikaturist – und arbeitete immer wieder für De Amsterdammer. Zur Biographie: J.L. Heldring, ‘Braakensiek, Johan Coenraad (1858-1940)’, in Biografisch Woordenboek van Nederland. URL: http://www.historici.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn3/braakensiek [10-02-2012].
  8. [John Grand-Carteret:] Chinois d’Europe et Chinois d’Asie, documents illustrés pour servir à l’histoire des chinoiseries de la politique européenne de 1842 à 1900, recueillis… par John Grand-Carteret,… (s.l. s.d. [um 1900]) 34.
  9. Die politische Wochenzeitschrift wurde 1877 gegründet – der volle Name war De Amsterdammer – weekblad voor Handel, Industrie en Kunst. 1925 erhielt das Blatt den Namen De Groene Amsterdammer. Mit der Ausgabe vom 12. 10. 1940 wurde De Groene Amsterdammer eingestellt, am 16. Juni 1945 erschien das Blatt wieder. Die Ausgaben von 1877 bis 1940 wurden vollständig digitalisiert und sind über das Archief frei zugänglich.
  10. Ansprache Wilhelms II. bei der Veranbschiedung des deutschen Ostasiatischen Expeditionskorps am 27. Juli 1900 in Bremerhaven – Bernd Sösemann: “Die sog. Hunnenrede Wilhelms II. Textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven”. In: Historische Zeitschrift 222 (1976),  342–358 (mit der maßgeblichen Textversion).
  11. Anatole France: Sur la pierre blanche (Paris: Calmann-Levy 1905) – Online: gallica.
  12. Anatole France: Sur la pierre blanche (Paris: Calmann-Levy 1905), S. 212.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/873

Weiterlesen

FES: Darüber lacht die Republik – Friedrich Ebert und „seine“ Reichskanzler in der Karikatur

http://www.ebert-gedenkstaette.de/Ausstellung_wa_kar.html Die Ausstellung der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte „Darüber lacht die Republik – Friedrich Ebert und ‚seine‘ Reichskanzler in der Karikatur“ präsentiert eine Auswahl von rund 70 Zeichnungen, die Ebert und jene Kanzler ins Visier nehmen, die er zu seinen Lebzeiten ernannt hat. Dies waren die SPD-Politiker Philipp Scheidemann, Gustav Bauer und Hermann Müller, von der Zentrumspartei Constantin […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/02/3865/

Weiterlesen

Der Telegraph als Synonym für Fortschritt und Modernisierung?

De rebus sinicis notiert in Ein Telefon im Kaiserpalast, dass ein landesweites Telefonnetz erst in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eingerichtet wurde und kurz vor dem Ende der Qing-Dynastie auch den Kaiserpalast erreichte. Schon lange vorher war der Telegraph in China eingeführt worden. [1] Der Telegraph, der als ein Element der Modernisierung gesehen wurde, war auch Thema im Zusammenhang mit der Reise, die Li Hongzhang 李鴻章 1896 durch mehrere europäische Staaten und die USA führte. Li hatte zwar nach der Niederlage Chinas im Chinesisch-Japanischen Krieg 1894/1895 vorübergehend seinen Einfluss bei Hof verloren (was seine Reise kaschieren sollte), galt aber im Westen als verlässlicher Ansprechpartner und als Befürworter der Modernisierung, worunter weniger eine Modernisierung des politischen Systems als die Öffnung Chinas für westliche Technologien geehen wurde. Dies zeigt sich im Reiseprogramm: Li Hongzhang traf nicht nur mit Staatsmännern und Herrschern zusammen, sondern besuchte auch zahlreiche Industriebetriebe und Infrastruktureinrichtungen: Fabriken, Werften, Rüstungsbetriebe und Telegraphenämter.

"Früchte von Li Hung-Tschang's Reise" (Kikeriki 23.7.1896)

Kikeriki 23.7.1896, S. 2. Quelle: ANNO

Eine kleine Karikatur im Kikeriki [2] vom 23.7.1896, S. 2 greift das Thema auf: “Früchte von Li-Hung-Tschang’s Reise” – “Li-Hung-Tschang: Ganz Europa ist mit einem Netz von Telegraphen überzogen. Gut, das wollen wir auch bald haben, und besser als die Barbaren.”

Das Bild zeigt einen durch Bart und Zopf als ‘chinesisch’ markierten Mann (durch die Überschrift als Li Hongzhang identifiziert), der in einem Pavillon mit Glaswänden sitzt. Von dem Pavillon führen in alle Himmelsrichtungen Reihen von (durch Zopf und Kleidung) als ‘chinesisch’ markierten Figuren weg. Jeweils zwei Personen stehen Nase, sie sind durch einen breiten Gürtel aneinandergebunden. Über die verknoteten Enden der Zöpfe sind die Paare jeweils mit den banchbarten Paaren verbunden. Der Zopf der Figur, die dem Pavillon jeweils am nächsten steht, hängt durch ein Loch im Fenster in den Pavillon. Die Figur in der Mitte ‘telegraphiert’, indem an einem der Zöpfe gezogen wird und so das Signal bis in die fernsten Ecken Chinas geleitet wird …

Die Karikatur erweckt den Eindruck, der Telegraph wäre in China in den 1890ern weitgehend unbekannt gewesen. Die Great Northern Telegraph Company (大北電報公司 Dabei Dianbao Gongsi), eine dänisch-chinesische Initiative,  hatte Anfang der 1870er Jahre die Telegraphie in China eingeführt. [3], die neue Technologie verbreitete sich rasch und wurde an das Sprachumfeld angepasst. Um die Schrifzeichen via Telegraph zu übernmitteln, entwickelte der däänische Astronom Hans Carl Frederik Christian Schjellerup den ersten Telegraphencode, der bald  von einer verbesserten Version von S. A. Viguier abgelöst wurde. [4] /und später kontinuierlich erweitert/verbessert wurde. Eine chinesische Telegraphenveraltung gab es seit 1882 – zunächst als guandu shangban-Unternehmen [ein Unternehmen, das von Kaufleuten geführt, aber von Beamten kontrolliert wurde], das 1908 vom Verkehrsministerium übernommen wurde …

[1] Zum Telegraphen in China (und zur Rolle Dänemarks) im 19. Jahrhundert: Erik Baark: Lightning Wires: The Telegraph and China’s Technological Modernization, 1860–1890. (Westport, CT: Greenwood Press 1997). Erik Baark: Catalogue of Chinese Manuscripts in Danish Archives (= Studies on Asian Topics No. 2, London/Malmö: Curzon Press 1980) verzeichnet eine Reihe von Korrespondenzen zwischen den chinesischen Behöreden und den Vertretern Dänemarks im Zusammenhang mit der Great Northern Telegraph Company.

[2] Der Kikeriki, der sich als “humoristisches Volksblatt” sah, erschien zwischen 1861 und 1933 war eine der einflussreichsten satirisch-humoristischen Zeitungen Wiens.

[3] Zur Great Northern Telegraph Compnay: Erik Baark: “Wires, codes, and people: The Great Northern Telegraph Company in China.” In: China and Denmark: Relations Since 1674, edited by Kjeld Erik Brødsgaard and Mads Kirkebæk (Nordic Institute of Asian Studies 2001) pp. 119–152. 

[4] S. A. Viguier((威基謁 Waijiye): Dianbao xinshu 電報新書 [New numbercode for the telegraph in Chinese made by S. A. Viguier in 1871 based on the first invented code made by the Dane H.C.F.C Schjellerup from 1871] (Published in Shanghai in theTongzhi shiyi year = 1872) [→ Digital version]. 

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/330

Weiterlesen

Li Hongzhang in New York: Meeting the “The Yellow Kid” (1896)

Li Hongzhang 李鴻章  (1823-1901), einer der bedeutensten Staatsmänner der späten Qing-Zeit, nahm 1896 an der Krönung von Zar Nikolaus II. teil und reiste dann durch mehrere europäische Staaten – unter anderem besuchte er Bismarck in Friedrichsruh – und in die USA. Alle Phasen dieser Reise wurde von den Medien genauestens beobachtet, jeder Schritt des Gastes aus China wurde ausführlich beschrieben, manche sonderbar wirkenden Elemente dem Publikum erläutert. Die Zeitungen waren voll mit Berichten und Analysen; und auch in satirischen Blättern und Comic Strips taucht der Besuch aus China immer wieder auf. Auf 井底之蛙 erinnert Alan Baumler in dem Beitrag Yellow Kid an einen Comic von Richard F. Outcault (1863-1928) aus dem Jahr 1896.

Li Hung-Chang Visits Hogan's Alley

Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley (6.9.1896)  [Quelle: SFCGA - San Francisco Academy of Comic Art Collection, The Ohio State University Billy Ireland Cartoon Library & Museum]

Der one-pager “Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley” (6.9.1896 | → full size/zoomable image) gehört zu den bekanntesten Yellow-Kid-Seiten [1] und taucht in den unterschiedlichsten Kontexten auf. In Darstellungen zur Comic-Geschichte im Zusammenhang mit Copyright-Fragen. Baumler findet die Qualität der Schrifzeichen beachtenswert. Wolfgang Höhne [2] sieht das Bild als Beispiel für “die Welt vor 1945″ und sieht “eines der vielen ärmlichen Einwandererviertel mit seinen viergeschossigen Backsteinbauten und den offenbar schon damals obligatirischen [sic!] Feuerleitern.” [3]Dabei unterbleibt eine Auseinandersetzung mit dem Entstehungskontext und die sich daraus ergebende Deutung – der Witz geht damit verloren …

Li Hongzhang kam Ende August nach New York, er reiste nach Philadelphia und Washington und traf mit dem US-Präsidenten Stephen Grover Cleveland (1837-1908, Präsident 1885-1889 und 1893-1897). Die New York Times berichtete im August 1896 ausführlich über die Vorbereitungen und dann Ende August und Anfang September ausführlich über den Verlauf des Besuchs. Am 28. August 1896 wurde ausführlich über die Vorbereitungen für den Empfang und das Programm des Besuchs in New York berichtet: “Awaiting the Viceroy [...] ‘Chinatown’ to Celebrate with Fireworks. [4] Genauso ausführlich wurde über Lis Besuch am Grab von Gen. Grant (31.8.1896) [5] und Lis andere Aktivitäten berichtet. Der Besuch wurde in mehreren Filmen dokumentiert. [6]

Richard Felton Outcault (1863-1928) gilt mit Hogan’s Alley als ‘Erfinder’ des modernen Comic Strips. Seine Arbeiten erschienen in den Sonntagsbeilagen großer Tageszeitungen The Yellow Kid ist eine Schlüsselfigur in Hogan’s Alley, einer Seire, die zwischen 1895 und 1898 (zunächst in der New York World, später im New York Journal) erschien. Die one-pager greifen in der Regel aktuelle Themen der vergangenen Woche auf und bewegen sich an der Grenze zwischen Comic und Karikatur – so auch “Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley” (New York World, 6. September 1896):

Das Bild zeigt die typische Straßen-Szene der Hogan’s Alley, die – dem Anlass entsprechend – mit zahlreichen chinesischen Lampions geschmückt ist. Die explodierende Feuerwerkskörper erleuchten die Szenerie. Im Zentrum des Bildes sitzt eine männliche, als Chinese markierte Gestalt auf einem etwas merkwürdigen Karren, der von einem Ziegenbock gezogen wird. Der Bock wird vom Yellow Kid am Bart geführt. Wie in jedem Yellow Kid-Comic erzählt der (wie üblich mit zahlreichen orthographischen Fehlern behaftete) Text auf dem gelben Kleid die Geschichte: “Me & LI has made a big hit with each oter. Say! He tinks I’m a Chinaman – don’t say a woid. I’m goin ter give a yellow tea fer him – I know my Q.”
Rechts spielen “The Hogan’s Alley Guards” für den Gast, links und im Hintergrund sieht man zahlreiches Publikum – mit Lampions an Stangen, Klapp- und Faltfächern, mit Stars & Stripes und einer “chinesischen” Fahne
[7]- eine eigentlich recht idyllische Szene …

Liest man die Texte auf Plakaten, Fächern, Wimpeln, Transparenten etc., ergibt sich ein ganz anderes Bild.

  • Einer der Sänger, die vor der Kapelle marschieren singt nach anderen Noten
  • An dem Bretterzaun hängt ein Plakat “The new song / Did you  ever get the money that you loaned? / Or / Where are all your Friends? – A Park Row Ballad.”
  • Das Mädchen vorne links trägt einen Blattfächer mit der Aufschrift: “HURRAH! FER LIE-HANG-CHUNK.
  • Darüber sieht man ein großes Plakat “Quiet Corner Club Picnic fer Li-Hung-Chang in Ryan’s Vacant Lot next Thursday – Gents 50 cents, Ladies 25 [cents], real Ladies free”, in der Ecke das Schriftzeichen 李 [Li].
  • Der Hund im Vordergrund rechts balanciert auf seinem Schwanz, am Halsband ein Etikett “I am leading an upright life. We are all at our best Today”
  • Links vorne steht ein “gepinseltes” Banner: “Bee Gee!” Nothing so much fun as lots of noise”
  • Rechts vorne: “Quit yer kiiddiin.”

Die dargestellte Szene mit all ihren Widersprüchlichkeiten lässt sich durch die Sprechblase bei der kleinen Ziege am Dach des Hauses deuten: “They are giving him some genuine Chinese music.”

In die Neugierde, mit der man dem seltenen Gast begegnete, mischen sich gängige Klischees und Vorurteile und Anspielungen auf die aktuelle politische Lage – u.a. die schwierige finanzielle Lage Chinas, der Umgang mit chinesischen MigrantInnen in den USA (der Chinese Exclusion Act von 1882, der 1892 erneuert worden war, beschränkte deren Einwanderung) massiv. Lampions, Feuerwerke und (dissonante) Musik evozieren das Leben in den Chinatowns – obwohl auf dem Bild außer Li niemand als Chinese oder Chinesin markiert ist.

Li Hongzhang (der durch die Überschrift und den Text auf dem gelben Kleid zusätzlich identifiziert wird) selbst ist eine Mischung aus Fakt und Phantasie, aber durchaus erkennbar, wie ein Vergleich mit einer Photographie aus dem Jahr 1896 zeigt. Zwei Elemente erscheinen merkwürdig: die gelbe Kleidung – die im Qing-zeitlichen China den Angehörigen des Kaiserhauses vorbehalten war – und die Pfauenfedern, die an Lis Hut steil hochstehen. Diese Pfauenfedern sind ein Element, das in Karikaturen mit China-Bezug häufig auftaucht, aber nur selten so, wie sie tatsächlich getragen wurden: Die Federn – Auszeichnungen, die Beamten für ihre Verdienste verliehen werden konnten (lingzhi 翎枝) – wurden tatsächlich mit einer Öse am Rangsknopf befestigt und hingen nach unten. [8]

Yellow Kid gilt zwar als Urform des modernen Comic Stips, steht aber in Form und Inhalt an William Hogarths Beer Street and Gin Lane (1751) [9], wo sich hinter einer vordergründig heiteren Szene beißende Ironie und Satire verbergen, die dem oberflächlichen Betrachter verborgen bleiben …

[1] Zu “The Yellow Kid” vgl. Mary Wood: The Yellow Kid on the Paper Stage.

[2] So u.a. bei Wolfgang Höhne: Technikdarstellung im Comic. Der Comic als Spiegel technischer Wünsche und Utopien der modernen Industriegesellschaft [online] (Diss, Univ. Karlsruhe 2003).

[3] Wolfgang Höhne: Technikdarstellungen im Comic (2003) – Bildteil online: http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/2003/geist-soz/1/html-1/3-welt/fr-w-02.html.

[4] U.a.:  The Arrival of Li Huang Chang (imdb), Li Hung Chang Driving Through 4th St. and Broadway(imdb), und Li Hung Chang at Grants Tomb (imdb).

[5] New York Times, 28. Augst 1896.

[6] New York Times, 31. August 1896.

[7] Die “chinesische” Fahne ist hier dreieckig mit gezacktem/geflammtem Rand. Sie zeigt eine art von Drachen oder Fabelwesen und erinnert an die dreieckige Variante der “Gelbe-Drachen-Flagge” [huanglongqi 黃龍旗], die zwischen 1862 und 1889 von der Marine und von “offiziellen” Schiffen verwendet worden war, bevor die viereckige Form in Gebrauch kam.

[8] Zu den Abstufungen: Present day political organization of China. By H.S. Brunnert and V.V. Hagelstrom; rev. by N. Th. Kolessoff ; tr. from the Russian by A. Beltchenko and E.E. Moran (New York : Paragon [s. d., Foreword dated Foochow, 1911] Nr. 950 (p. 498).

[9] William Hogarth, Beer Street and Gin Lane (1751) – Kurzbeschreibung und kurze Erläuterung → The British Museum.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/270

Weiterlesen