Einquartierungen im Gebiet von Fulda (1623)

Tilly ließ nicht mit sich reden: Die Einquartierung mußte sein. In dem Tenor schrieb er im November an den Fürstabt von Fulda, der sich darüber beschwert hatte, daß einige fuldische Dörfer doch „zur Contribution adsignirt worden“ seien(Generalleutnant Tilly an den Fürstabt Johann Bernhard von Fulda, Hersfeld 8.11.1623, Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen A 10, Bd. 2 Manuskripte II, Bd. 93: Fürstabtei Fulda fol. 183-183, 186‘ Ausf.). Die Klage des Fürstabts war nicht unbegründet, denn der Generalleutnant sprach in seiner Antwort selbst von seinem „steiffen vorsaz“, das Stift Fulda nicht mit Militär der Katholischen Liga zu belegen. Der ursprüngliche Plan konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Tilly stellte fest, daß die bislang ausgeschriebenen Gebiete zur Kontribution nicht ausreichten; also war man gezwungen, „in der nähe noch etliche dorffschafften zur assistenz ahnzuwenden“.

Der Vorgang an sich war nicht spektakulär, die gesamte Organisation des Kriegswesens beruhte ja darauf, die Unterhaltung der Truppen aus dem Land zu bestreiten. Deswegen ging es in einem Feldzug immer auch darum, gute Quartiere für die eigenen Regimenter zu erwerben. Aber auch unter Verbündeten kam es deswegen zum Streit; der Konflikt zwischen der Armee der Liga und der kaiserlichen unter Wallenstein in den 1620er Jahren spielte sich vielfach vor diesem Hintergrund ab. Die Einquartierung im Gebiet der Fürstabtei Fulda berührte hingegen noch ein anderes Problem.

Denn der Fürstabt von Fulda war Mitglied der Katholischen Liga. Dieser Bund verstand sich nun als Defensivorganisation, deren vornehmstes Ziel es war, den Krieg von den Gebieten der Ligastände fernzuhalten. Konkret hieß das, daß auch Einquartierungen auf ligistischen Territorien zu vermeiden waren. Wofür sollte man Truppen unterhalten, wenn diese auf eigenem Gebiet unterhalten werden mußten und dort weitere Kosten und womöglich immense Schäden verursachten? Dieses Kalkül war Tilly natürlich sehr wohl bewußt und wurde ihm von den Ligaständen auch immer wieder neu vorgehalten.

Dabei ging es Tilly hier gar nicht um Fulda; er hatte seine Truppen im hessischen Raum einlogiert, um den Landgrafen von Hessen-Kassel in Schach zu halten, einen calvinistischen Reichsfürsten, der aus kaiserlich-ligistischer Perspektive ein Unruhestifter war. Entsprechend war Tillys Hauptquartier in dieser Phase des Kriegs in Hersfeld, ein Stift, das zu Anfang des Jahrhunderts säkularisiert worden und an Hessen-Kassel gefallen war. Gleichwohl konnte der ligistische Generalleutnant Fulda nicht verschonen.

Doch er bemühte sich, daß diese Einquartierung so glimpflich wie möglich ablief. Es wurden nicht reguläre Truppen einquartiert, vielmehr ging es Tilly darum, seinen „Hofstaat“ unterzubringen: Auch der Feldherr der Liga hatte ein eigenes Gefolge, das versorgt werden mußte. Vor allem waren es Mitglieder der Militärverwaltung und einige weitere Offiziere samt ihrer Dienerschaft. Mochte auch deren Unterhaltung nicht ganz billig sein, war es eben doch nicht die wilde Soldateska, mit der man sonst klarkommen mußte. Und Tilly hatte noch einen Trost bereit: Er sagte dem Fürstabt zu, „vff andere begebenheiten“ das Stift „in ein vnd anderen nach möglichen dingen zuuerschonen“. Ob er selbst daran glaubte?

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/405

Weiterlesen

Papstkritik

Es ist Ende Juli 1630 in Regensburg. Ein Mönch hält eine Predigt, in der er die Person des Papstes scharf angreift: „Wann der babst der Antichrist wehre, so wehre eß gewißlich dieser.“ Berichtet hat diesen ungeheuerlichen Vorwurf Sigismund von Götze, kurbrandenburgischer Kanzler und Geheimer Rat, in einem Brief an einen Kollegen im Geheimen Rat, Levin von dem Knesebeck (31.7.1630, GStA PK, I. HA Rep. 12, Nr. 162 fol. 20-22‘ Ausf.). Götze hielt sich in diesen Wochen in der Reichsstadt auf, weil dort der Regensburger Kurfürstentag stattfand, den er als Vertreter Brandenburgs besuchte. Er selbst hatte diese Predigt nicht gehört, sondern berief sich aufs Hörensagen. Dadurch wird diese Episode nicht unglaubwürdig, denn einen solchen Vorgang wird man schlecht frei erfunden haben. Warum auch hätte er als Reformierter sich die Predigt eines Mönches, also eines katholischen Geistlichen, anhören sollen?

Als er von dem Vorfall erfuhr, wird er es aber vielleicht sogar bedauert haben, daß ihm dieses Schauspiel entgangen ist. Wann kam es schon einmal vor, daß von katholischer Seite genau der Vorwurf ins Spiel gebracht wurde, der zu den Klassikern reformatorischer Papstkritik gehörte? Genauso gut kann es sein, daß diese Geschichte bei Götze zuerst nur auf ungläubiges Staunen gestoßen ist und ihn im Weiteren vor allem irritiert hat, zumal in einer Situation, die von Bedrängnis und Unsicherheit gekennzeichnet war. Auf dem Regensburger Kollegialtag ging es, wie die einschlägige Literatur ausweist (Kober, S. 229-246, Kaiser, S. 279-302, Albrecht, S. 733-759), vor allem um Wallenstein und die Frage, wer das Oberkommando über die kaiserliche Armee übernehmen sollte. Gerade für die protestantischen Reichsstände standen aber die Religionsgravamina im Vordergrund, über die sie verhandeln wollten. Denn sie begannen immer stärker die Auswirkungen des Restitutionsedikts zu spüren und fürchteten nun ein kaiserliches Durchregieren mit dem Vorzeichen einer ungehemmten Gegenreformation.

Götze leitete seine Erwähnung der mönchischen Anti-Papst-Predigt aber noch mit einem bezeichnenden Satz ein: Mit dem Papst sei man hier gar nicht zufrieden, meinte er, was darauf hindeutet, daß er womöglich noch mehr antikuriale Kritik mitbekommen hatte. Dies wiederum überrascht nicht, denn tatsächlich waren insbesondere der Kaiserhof und auch einige katholische Reichsstände unzufrieden mit der Politik des Heiligen Stuhls. Schon seit einigen Jahren waren sie über das mangelnde Engagement Roms in diesem Krieg enttäuscht; konkret hatten sie sich – wenig verwunderlich – vor allem eine stärkere finanzielle Unterstützung der Kriegsanstrengungen Kaiser Ferdinands II. und der Katholischen Liga erhofft. Doch die Kurie hielt es für ratsam, die habsburgischen Machtphantasien nicht allzu sehr in den Himmel wachsen zu lassen. Gerade mit Blick auf die Kräfteverhältnisse in Italien konnte der Papst eine schrankenlose Machtfülle der Casa d’Austria nicht befördern.

Solche unübersehbaren Risse in der Front der katholischen Mächte werden den brandenburgischen Kanzler allerdings kaum getröstet haben. Seine Briefe vom Regensburger Kurfürstentag sind durchweg von einer düsteren Stimmung gekennzeichnet, mit der er die Verhandlungen des Kollegialtags begleitete. „Jst viel gereded vonn einem solchem Mann“, schließt Götze seinen Bericht über die Papstkritik ab. Letztlich unklar ist hier, wen er konkret meinte: Sprach man damals viel von dem papstfeindlichen Mönch oder war etwa der Antichrist ein häufiges Thema? Für den Brandenburger wird man eher die apokalyptische Sichtweise annehmen können. Tatsächlich sollte der heraufziehende schwedische Krieg noch einmal mehr Belastungen und mehr Unheil bringen – für alle daran Beteiligten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/125

Weiterlesen