Die Phantomphase zu Lorsch oder was Archäologie mit Pythagoras zu tun hat

Kennen Sie Stille Post? In einer unterhaltsamen Runde erzählt einer der Anwesenden eine Geschichte und am Ende des Abends ist diese nicht mehr wiederzuerkennen? Ob Sie es glauben oder nicht, so etwas ähnliches gibt es manchmal auch in der Archäologie.

Ab dem 19. Jahrhundert begann in Lorsch die leidenschaftliche Suche nach dem Gründungskloster Lorsch, dem Altenmünster. An einem der zwei „verdächtigen“ Fundorte wurden insgesamt 4 Ausgrabungen durchgeführt: 1883 durch Friedrich Kofler, 1906 durch Heinrich Giess, 1935 durch Friedrich Behn und schließlich noch einmal 1983 durch das Landesamt für Denkmalpflege in Darmstadt.

Der publizierte Befundplan Friedrich Koflers zeigt Gebäude, die um einen quadratischen Hof herum gruppiert sind. Im Süden liegen die Fundamente eines Kirchenbaues und an den anderen Seiten des Hofes  befinden sich die Gebäude, die in einem seltsamen Winkel angebaut sind. Diese Schiefwinkligkeit in Bezug auf die anderen Befunde erwähnt der Ausgräber in seinem Bericht in keiner Silbe, obwohl das dem Betrachter zuallererst auffällt.

Der Ausgrabungsplan der zweiten Untersuchung 1906 unterscheidet sich von dem ersten Plan durch eine höhere Befunddichte. Das liegt vor allem daran, dass Heinrich Giess ein sehr erfahrener Ausgräber war und ein guter Beobachter vor Ort, was aus seinen Beschreibungen auch deutlich herauszulesen ist. Wir sehen auch auf diesem Plan einen quadratischen Hof, mit einem Kirchenbau im Süden. Anders als beim Vorgänger sind jetzt aber Gebäude in Westen und Osten angebaut, die in einem rechten Winkel zum Hof errichten worden sind. Die schiefwinkligen Gebäude aus dem Koflerschen Plan wurden mit einer Strichellinie eingetragen.

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Im Folgenden wurde es ruhig um die Archäologie in Lorsch. Der erste Weltkrieg kam und die turbulente Zeit während der Weimarer Republik ließen die Problematik: „Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet“ in den Hintergrund treten.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was die Ursache für diese seltsamen Befunde sein könnten. Der Kunsthistoriker Weise schreibt in seinem Buch über frühmittelalterliche Architektur

Nach dem Plan, den Gieß auf Grund der Aufzeichnungen Koflers gibt, scheinen jene Mauerzüge teilweise von den Resten der festgestellten Klosteranlage überschnitten zu werden, sind also deutlich älteren Ursprungs, teilweise mit ihr im Zusammenhang zu stehen. Hier hätte Gieß mit seinen Grabungen vor allem einsetzen müssen, um das Verhältnis dieser verschiedenen Reste zueinander festzustellen, hier wären für die Baugeschichte dieser Anlage wichtige Ergebnisse zu erwarten gewesen.”[1]

Er greift den Ausgräber Heinrich Giess direkt an, er hätte diese offensichtliche Fragestellung nicht erkannt und auf der Grabung geklärt. Der dritte Ausgräber vor Ort, Friedrich Behn, will diese Frage nun seinerseits während einer Untersuchung klären und schreibt bevor die Grabungen stattfanden:

„Es kam darauf an, das Verhältnis der beiden übereinander liegenden Baukomplexe sowie das Verhältnis des ältesten Klosters zum gräflichen Landgut und unter Umständen zu einem diesem vorangegangenen römischen Gutshofe zu klären; auch durfte erwartet werden, mit den Mitteln neuzeitlicher Grabungstechnik dem Boden noch weitere Aussagen abzuringen. Es mußte ferner geprüft werden, ob die früheren Untersuchungen das Objekt wirklich in seiner vollen räumlichen Ausdehnung erschöpft hatten.”[2]

Er geht also gesichert davon aus, dass es sich um zwei getrennt voneinander anzusprechende Bauphasen handelt, wobei die ältere im Vorfeld schon mal als „gräfliches Landgut“  angesprochen wird, die zweite Phase sei das Kloster Altenmünster. Schaut man sich jetzt den Befundplan Friedrichs Behn an, so erkennt man gar keine schiefwinkligen Gebäude.

Was war passiert?

Friedrich Behn und seine Zeitgenossen gingen in der Betrachtung des Plans von Heinrich Gieß davon aus, dass zwei übereinanderliegende Bauphasen bei den vorrangegangen  Ausgrabungen freigelegt und dokumentiert worden sind. Allerdings, wenn man sich den Plan Friedrich Koflers betrachtet, sind hier nur schiefwinklige Fundamente zu sehen und die rechtwinkligen fehlen. Wie ist das zu erklären?

Es ist durchaus möglich, dass es sich hier um eine Phantomphase handelt. Jeder Archäologe kennt die Situation während einer Ausgrabung, wenn eine schnurgerade Mauer auf dem Papier auf einmal krumm wird, oder eine rechtwinklige Mauerwerksecke auf dem Papier plötzlich spitzwinklig ist. In einem solchen Fall liegt ein Fehler in der Vermessung vor und das passiert sehr schnell. Jedem Archäologen wird deswegen auf Lehrgrabungen beigebracht, wie man schnell und unkompliziert mit Schnur und Maßband einen rechten Winkel auf dem freien Feld festlegt. Und das geht natürlich mit dem Satz des Pythagoras am einfachsten: a2+b2=c2 So können drei Mitarbeiter sehr schnell einen rechten Winkel konstruieren, wenn sie mit Maßbändern ein Dreieck mit den Seitenlängen von 3, 4 und 5m bilden. Diese Faustformel wird jedem Archäologen von Anfang an mitgegeben, aus gutem Grund. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass den Mitarbeitern der ersten Ausgrabung Friedrich Koflers so ein Winkelfehler passiert ist. Kofler selbst ließ den falschen Plan nicht mehr ändern und publizierte das so, ohne dies in seinem Text zu erwähnen. Friedrich Gieß, bemerkte den Fehler und zeichnete dies vollständigkeitshalber ein. Die nachfolgenden Forscher hielten es für eine zweite Bauphase, die der dritte Ausgräber logischerweise nicht vorfand. So kam es zur Phantomphase zu Lorsch, die mit der korrekten Anwendung des Satz des Pythagoras vermeidbar gewesen wäre.

Dieser Blogpost beruht auf meiner Magisterarbeit mit dem Titel: „Altenmünster – Seehof – Kreuzwiese. Neue Betrachtungen zum Siedlungsraum Lorsch von der Spätlatènezeit bis zum Ende des Hochmittelalters“.

Exkurs an den Oberrhein: Die Gründung des Klosters Lorsch aus archäologischer Sicht

Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?

Abb 1: F. Kofler, Lorscher Ausgrabungen. Quartalsbl. Hist. Ver. Hessen, 1983, S. 17. H. Giess, Lorscher Ausgrabungen. 1910. Kreuzwiese, in: Vom Rhein, 1911, Beilage. F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

[1] G. Weise, Untersuchungen zur Geschichte der Architektur und
Plastik des Frühen Mittelalters (Leipzig/ Berlin 1916) 48

[2] F. Behn, Neue Ausgrabungen in Lorsch. Denkmalpflege. 1933,
161.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1032

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Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?

„Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?“ ist eine Frage, die nur dann spannend ist, wenn man erstens weiß was dieses Kloster Lorsch eigentlich ist, zweitens dass es woanders gegründet wurde, also praktisch irgendwann umgezogen ist.

Zu erstens: Das Kloster Lorsch ist eines der berühmtesten karolingischen Reichsklöster auf deutschem Boden, es ist die Begräbnisstätte unter anderem von Ludwig dem Deutschen und beherbergte eine der bedeutensten mittelalterlichen Bibliotheken nördlich der Alpen. Lorsch ist heute eine hübsche kleine Stadt im Kreis Bergstraße im hessischen Rheinried gelegen, im Dreiländereck Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.

Zu zweitens: Das Kloster Lorsch ist kurz nach seiner Gründung tatsächlich umgezogen. Man weiß genau wohin, aber die Frage nach dem woher bewegt die Gemüter seit dem 19. Jahrhundert.

Alles was wir darüber wissen, stammt aus dem Lorscher Codex aus dem 12. Jahrhundert, in dem die Gründungsgeschichte erzählt wird, die aus der Sicht des Chronisten bereits 400 Jahre her ist. Zum Verständnis hier nur die deutsche Übersetzung:

Im zwölften Jahre also der Regierung Pippins  stifteten Cancor, der berühmte Graf des Oberrheingaues, und seine fromme gottwohlgefällige Mutter Williswinda, die Witwe des Grafen Rupert, das Kloster Lorsch auf der Insel, welche jetzt Altenmünster genannt wird. Sie übergaben es dem verehrungswürdigen Metzer Erzbischof Rutgang (742-766), damit er dort eine Schar Mönche ansiedle.[1]

Da man für eine anständige Klostergründung auch eine wichtige Reliquie für die Weihe der Klosterkirche benötigt, brachte man eine Reliquie des Heiligen Nazarius, einem Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert, nach Lorsch.

„Zur feierlichen Wallfahrt der Übertragung strömte die Bevölkerung des ganzen Landgebietes bis zum Wasgenwald haufenweise herbei, viel Volk beiderlei Geschlechtes “Jünglinge und Jungfrauen, die Alten mit den Jungen” (Psalm 148,12). Die weitbekannten Grafen Cancor (vom Oberrheingau) und Warin (vom Ladengau) und andere vornehme und achtbare Männer der Gegend hoben den durch Gottes Fügung ihrer Heimat bestimmten Schatz des heiligen Körpers auf ihre eigenen Schultern und verbrachten ihn, begleitet von den Hymnen und geistlichen Gesängen einer ungeheuren Volksmenge (am 11. Juli 765), an den vom Himmel vorgesehenen Ort. Da aber der verfügbare Raum jener oben erwähnten Insel klein und beengt war, reichte er für die Aufnahme einer solchen Menschenmenge und selbst der alltäglichen Besucherzahl nicht aus. Auch die örtliche Lage entsprach nicht einem Kloster von so berühmtem Namen. Sie entsprach auch keineswegs der durch die Verdienste ihres Märtyrers in der nächstfolgenden Zeit erreichten hohen Würde. Der Wunsch und die Ansicht aller ging daher dahin, dass Kloster und Kirche baulich bedeutend zu erweitern und auf den Hügel zu verlegen seien, auf dem man die Anlage heute noch sieht.”[2]

Wir fassen zusammen: Graf Cancor gründet ein Kloster auf der Insel, das heute, also im 12. Jahrhundert zum Zeitpunkt der schriftlichen Überlieferung, Altenmünster genannt wird. Er ließ eine Reliquie des Heiligen Nazarius nach Lorsch kommen, die man in einer feierlichen Prozession in die Klosterkirche überführte. Die Kirche und das Kloster wurden den Mönchen bald zu klein und so beschloss man, es auf den „Hügel“ zu verlegen.Die Weihe der Klosterkirche, deren Rest heute noch steht, fand nach dem Lorscher Codex, 774 statt, also bereits 9 Jahre nach der Weihe der Klosterkirche auf der Insel.Das Inselkloster wurde aber keineswegs aufgegeben. Es ist überliefert:

“Im Jahre 1056 nach des Herrn Menschwerdung. Nach Abt Arnold wurde Udalrich (1056- 1076) einstimmig gewählt. … Auch die nächst unserem Kloster gelegene und Altenmünster genannte Insel entriß er ihrem seit langem vernachläßigten Zustand, ließ zweckmäßige Bauten errichten, erneuerte die ganze Anlage und machte sie wieder zur Abhaltung von Gottesdiensten geeignet. Auch für die geistigen und leiblichen Bedürfnisse der Mönche, die künftig dort wohnen sollten, sorgte er aufs beste“[3]

Das Kloster Altenmünster auf der Insel wurde also weiterhin von Mönchen bewohnt und Mitte des 11. Jahrhunderts noch einmal gründlich generalüberholt. Auch hundert Jahre später ist das Altenmünster noch besiedelt, danach verliert sich die Überlieferung und wir wissen nicht genau, wann es aufgegeben wurde.

Die Frage ist nun, wo stand dieses Altenmünster auf der Insel? Eine Frage, die schrifthistorisch nicht zu beantworten ist, und so versuchte man, dieser Sache bereits im 19. Jahrhundert archäologisch auf den Grund zu gehen.

Zunächst einmal, heißt es, sich auf die Suche nach Inseln im näheren Umkreis von Lorsch zu begeben. Da hier im Kreis Bergstraße kein größerer natürlicher See ist, wird es sich wohl um eine Flussinsel handeln, die von der Weschnitz umflossen wird. Heutzutage gibt es dort keine Inseln mehr, weil wegen des starken Siedlungsdrucks im erweiterten Frankfurter Umland die Weschnitz kanalisiert und viele feuchte Niederungen trockengelegt wurden. Vor etwa 10.000 Jahren allerdings, kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit, durchzogen Wanderdünen den unbewaldeten Rheingraben. Als die Vegetation zunahm, wurden die Sanddünen zu den natürlichen hochwasserfreien Siedlungsplätzen der dort lebenden Menschen. Die Weschnitz wechselte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ihr Bett und umspülte zeitweise auch die ein oder andere Sanddüne, die dann zur Insel wurde. Der Hügel, auf dem die Reste des Kloster Lorsch stehen, ist eine sehr große Sanddüne. Etwa 300 m östlich dieser Hauptdüne befindet sich eine zweite, sehr viel seichtere, aber hochwasserfreie Düne, die Kreuzwiese, und 3,5km südlich eine dritte, die man Seehof nennt.

Die Kreuzwiese wie auch die Düne am Seehof waren eine Zeit lang von der Weschnitz umspült und somit Inseln. Beide Dünen waren auch besiedelt und bebaut, sodass sie als potenzielle Gründungsklöster Altenmünster in Frage kommen. Ende des 19. Jahrhunderts entbrennt eine kontroverse Debatte über die Lokalisierung des Gründungsklosters, die man ohne weiteres als leidenschaftlich bezeichnen kann. Es bildeten sich zwei Lager, die einen wollten das Kloster am Seehof, die anderen auf der Kreuzwiese sehen.

1882 wurde schließlich das erste Mal archäologisch untersucht. Friedrich Kofler leitete die Ausgrabungen und legte zahlreiche unverkennbar mittelalterliche Fundamente frei, die klar die Überreste einer sakralen Anlage waren. Die Befunde sprachen eine eindeutige Sprache, aber als Heinrich Giess 1904 auf dem Gelände am Seehof untersuchte, kam ebenfalls ein mittelalterlicher Sakralbau zutage. Die Frage nach dem Gründungskloster war also wieder offen. Also führte Heinrich Giess 1907 noch einmal Grabungen auf der Kreuzwiese durch und konnte die Befunde seinen Vorgängers im Wesentlichen bestätigen, widersprach aber der Theorie dort sei das Gründungskloster Altenmünster. Stattdessen identifizierte er den Fundplatz mit der „Ecclesia Varia“, die „bunte Kirche“, die Ludwig der Deutsche in Auftrag gegeben hat und eine Kaisergrablege sein sollte. Die Identifizierung der „Ecclesia Varia“ ist bis heute nicht geklärt.

Nach diesen Grabungen wurde es erst mal still in der Debatte, da Erster Weltkrieg und die politisch instabile Weimarer Republik  dazwischen kamen. 1927/28 wurde der Fundplatz Kreuzwiese schließlich ein drittes Mal ausgegraben. Der Ausgräber Friedrich Behn, der in den 30er Jahren auch das Kloster Lorsch auf der Hauptdüne sehr umfangreich aufgraben wird, kam zu dem glasklaren Ergebnis: Auf der Kreuzwiese ist das Altenmünster. Alles andere ist Blödsinn. Die Debatte ist geklärt. Fertig. Friedrich Behn war nämlich ein Mann klarer Ansagen und Widersprüche waren spätestens ab 1933 nirgendwo in Deutschland mehr erwünscht, auch nicht in der Wissenschaft.  Die verschiedenen Argumente zum Für und Wider habe ich in meiner Magisterarbeit zusammengefasst, die Sie hier herunterladen können.

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Heute sind die Fundamente des vermeintlichen Altenmünsters auf der Kreuzwiese mit niedrigen Steinmauern angedeutet. Das Gelände ist genauso wie das Kloster Lorsch auf der Hauptdüne Unesco-Weltkulturerbe. Unweit davon sollen ein paar neckische Holzhütten einen optischen Eindruck von Lauresham (Lorsch) während der Karolingerzeit geben. Das Freilichtdorf soll noch dieses Jahr eröffnet werden und man darf gespannt sein, wie die Rekonstruktionen angelegt sein werden.

1983 ergab sich noch einmal die Gelegenheit, auf der Kreuzwiese eine Ausgrabung durchzuführen, was durch Mitarbeiter des Landeamts für Denkmalpflege in Darmstadt geleitet wurde.

Abb. 2: Blick auf den Grabungsschnitt 1983 (Bild: LfDH Darmstadt)

Es ist die einzige der vier Grabungen, bei denen die zeichnerische Originaldokumentation vorliegt. Der Schnitt wurde im Bereich der vermeintlichen Klosterkirche des Altenmünsters durchgeführt. Es zeigt sich sehr schnell, dass keinerlei Mauerwerk mehr erhalten war, so dass die ehemaligen Fundamente sich ausschließlich durch sogenannte Mauerausbruchsgräben, also Verfärbungen im Erdreich, zu erkennen waren. Während der Auswertung konnte ein vermutlich sakraler Bau rekonstruiert werden, der nicht ganz dem Kirchenbautyp entspricht wie er auf den Plänen von Kofler, Giess und Behn eingezeichnet ist. Es ist eher ein Saalbau, also ein Raum ohne Innengliederung, mit einem eingezogenen Rechteckchor. Die Mauerstärke der Außenwände kann nicht stärker als 60 cm betragen haben. Um diesen Bau befand sich ein Friedhof, es wurde auch in dem Gebäude bestattet und die sich nördlich anschließenden Gebäude, die um den quadratischen Hof gruppiert sind, sprechen schon dafür, dass es sich tatsächlich um eine Klosterkirche gehandelt hat. Saalbauten mit eingezogenem Rechteckchor sind sehr weit verbreitet und wurden durch das gesamte Mittelalter hindurch gebaut, aber die Mauerstärke von nur 60 cm verweist tatsächlich auf die Vorromanik. Es kann sich also hierbei tatsächlich um das legendäre Gründungskloster Altenmünster handeln.

Abb. 3: Rekonstruktion des Sakralbaues, anhand der dokumentierten Mauerausbruchsgruben (Bild: Maxi Platz)

Schauen wir 3,5 km südlich zum Seehof auf den zweiten Fundplatz mit einem abgebrochenen Kirchenbau.  Hier haben wir einen dreischiffigen Bau vor uns, mit einem Querhaus und drei Apsiden, wobei die mittlere etwas größer ist. Deutlich zu erkennen ist auch, dass die mittlere Apside später durch eine gestelzte ersetzt worden ist. Es gab also Umbauarbeiten an diesem Kirchenbau.

Abb. 4: Grundriss des Kirchenbaus am Seehof.

Nördlich schließen sich hier Befunde an, die möglicherweise auf einen Kreuzgang hinweisen, so dass hier auch ein Kloster gestanden haben könnte. Allerdings weist die Architektur an dieser Stelle auf eine jüngere Erbauungszeit. Wenn wir uns also auf die Planzeichnung von Heinrich Giess verlassen können, ist dieser Bau wohl eher romanisch oder jünger, also möglicherweise ins 11. Jahrhundert oder später einzuordnen.

Das hieße, wenn das Gründungskloster Altenmünster auf einem der beiden ehemaligen Inseln errichtet worden ist, dann wäre die Kreuzwiese, nach allem was wir bisher wissen, der wahrscheinlichere Ort.

 

Dieser Blogpost beruht auf meiner Magisterarbeit mit dem Titel: „Altenmünster – Seehof – Kreuzwiese. Neue Betrachtungen zum Siedlungsraum Lorsch von der Spätlatènezeit bis zum Ende des Hochmittelalters“. In diesem Rahmen kann natürlich nicht die gesamte Argumentationskette wiedergeben werden.

Abb 1: F. Kofler, Lorscher Ausgrabungen. Quartalsbl. Hist. Ver. Hessen, 1983, S. 17.

H. Giess, Lorscher Ausgrabungen. 1910. Kreuzwiese, in: Vom Rhein, 1911, Beilage.

F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

Abb. 2: Grabungsüberblick der Untersuchung auf der Kreuzwiese Lorsch 1983 (Foto: LfDH Darmstadt)

Abb. 3: aus dem Nachlaß Giess, Stadtarchiv Bensheim

Abb.4: Maxi Platz. Hintergrund auf Basis Überblicksplan Friedrich Behn: F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

[1] K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966) S. 49

[2]K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966) S. 52-53

[3] K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966)S. 167

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1008

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