Mit den Greifen über Schweden

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå Foto: CC-BY Michael Meichsner

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå
Foto: CC-BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slott Foto: CC BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slottFoto: CC-BY Michael Meichsner

 

Auf meinem letzten Inlandsflug in Schweden war der pommersche Greif ein Begleiter, den ich nicht unbedingt erwartet hatte. Die schwedische Fluggesellschaft Malmö Aviation trägt den gekrönten pommerschen Greifen in ihrem Firmenlogo und auch die Bordzeitung des Unternehmens trägt den kurzen Titel Grip, also Greif.

Bei genauerer Betrachtung ist der Greif in und um Malmö ein ständiger Begleiter: Er wird von weiteren Firmen genutzt, die ihren Sitz in Schonen haben bzw. hatten: Die Lundenser Studentenverbindung Malmö Nation nutzt ihn als Symbol und benennt ihre Studentenzeitung auch nach dem Greifen. Die Suche schweift von der Luft zum Boden – auch die Gullydeckel in Malmö zeigen den Greifen.

Der Anfang dieser Darstellungsbegeisterung ist in der Wappenverleihung Eriks von Pommern an Malmö 1437 zu suchen. In dem erhaltenen Privileg heißt es, die Gemeinde Malmö solle für immer die beschriebenen Wappen und Kleinodien auf ihrem Siegel und Schild führen. Folgend wurde das Wappen näher beschrieben: auf weißem Feld ein roter Greifenkopf mit rotem Hals und roten Ohren mit einer goldenen Krone auf dem Haupt sowie auf dem Helm ebenso ein rotes Greifenhaupt mit einer goldenen Krone sowie einem Busch weißer und roter Straußenfedern. Zur genaueren Beschreibung findet sich auf dem Wappenprivileg eine Zeichnung dieses Wappens.

 

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö Foto: CC BY-SA Sven Rosborn

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö
Foto: CC-BY-SA Sven Rosborn

Nach einer kurzen Recherche zeigt sich, dass das Malmöer Wappen heute das einzige offizielle Kommunalwappen in Schweden ist, das den Greifen zeigt und somit auf die Zeit des ersten Unionskönigs der Kalmarer Union zurückgeht. Auf der Ebene der schwedischen Regionen findet sich noch das Wappen Schonens, das ebenso den Greifen zeigt. Dieses geht jedoch auf spätere Entwicklungen zurück, als Schonen nach 1658 an Schweden fiel und kein eigenes Wappen hatte. Zur Repräsentation der neugewonnenen Landschaft auf dem Begräbnis Karls X. Gustav 1660 wurde kurzerhand ein neues geschaffen, wobei man sich an dem Wappen Malmös orientierte. In Dänemark findet sich kein einziges Kommunalwappen, welches auf die Herrschaft des Greifen Erich von Pommern zurückzuführen ist.

Die Privilegierung Malmös steht in Zusammenhang mit einer Konzentration des Königs aus dem Greifengeschlecht auf die Öresundregion. Seit März 1413 stärkte Erik von Pommern diese Region in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht. Er gründete die Stadt Landskrona, befestigte die östliche Seite des Öresunds mit der Festung Krogen und verlagerte die Stadt Helsingör. Darüberhinausgehend erwarb er Kopenhagen für das dänische Königtum. In Malmö verlieh er dem Rat weitere Privilegien und sorgte für die Befestigung der Stadt.

Die visuelle Anbindung Malmös an das Herrscherhaus der Greifen ist in Spannungen innerhalb der Kalmarer Union zu suchen. Erik von Pommern entstammte dem Geschlecht der pommerschen Herzöge aus der Seitenlinie der Herzöge von Pommern-Stolp und erhielt zunächst den typischen Namen Bogislaw. Durch dynastische Zufälle und die energische Politik seiner Ziehmutter Margrete I. von Dänemark avancierte der junge Pommer zum Thronfolger in Dänemark, Schweden und Norwegen als Erik VII., Erik XII. und Erik III. Ab 1397 war er Regent der Kalmarer Union, die diese drei Königreiche zusammenfasste. Nach dem Tod Margaretes I. 1412 war Erik Alleinregent, wobei er die Interessen der verschiedenen Reichsräte stets in seine Politik mit einkalkulieren musste. Solange der Interessenausgleich funktionierte waren keine größeren Spannungen innerhalb der Union festzustellen. Dies wandelte sich jedoch in den 1430er Jahren. In Schweden brach 1434 ein Aufstand aus, der sich zunächst gegen eine Erhöhung von Abgaben richtete. Diesem Aufstand schlossen sich schwedische Hochadlige an, wobei nun v.a. die zentralistische Regierungsweise Eriks mit der Bevorzugung nichtschwedischer Adliger für schwedische Reichsgüter und dessen Thronfolgepläne für die drei nordischen Königreiche im Mittelpunkt standen. Zunehmend vehementer versuchte der König eine pommersche Thronfolge für die Unionsreiche durchzusetzen. Ins Auge fasste er dabei seinen Cousin Bogislaw IX., der auch im oben erwähnten Wappenbrief Malmös als Thronfolger genannt ist. Angesichts dieser Politik einer Bevorzugung pommerscher Verwandter des Königs – Bogislav wurde mit bedeutenden Burgen und Besitzungen in Dänemark bedacht – brach auch Unmut im dänischen Reichsrat aus.

Auch wenn 1436 ein Ausgleich zwischen Erik und dem schwedischen Reichsrat erzielt werden konnte, waren die Probleme, die Erik mit dem Adel seiner Reiche hatte, nicht vollständig ausgeräumt. Auch in Dänemark wuchs 1438 die Unzufriedenheit mit Eriks zentralistischem Regierungsstil und seinen Plänen, die Greifen als Erben der Unionskönigswürde zu installieren. Der Konflikt zwischen den Mitgliedern der Reichsräte und Erik von Pommern kulminierte schließlich 1439 in der aufeinander folgenden Absetzung Eriks  als König in Dänemark und Schweden. Die Norweger schlossen sich dieser Entscheidung später an – die Union zwischen den Reichen sollte aber fortbestehen. Die Wappenverleihung an Malmö ist in diesem Kontext als Versuch des Königs zu verstehen, in einer schwierigen Zeit Verbündete in einer der wichtigsten Handelsstädte der Öresundregion zu gewinnen.

Um den Konflikten in seinen Reichen zu entgehen und um eine zentrale Position im Ostseeraum einzunehmen, zog sich Erik 1438 nach Gotland zurück. Von dort aus versuchte er bis 1449 weiterhin Einfluss auf die Entwicklungen innerhalb der Kalmarer Union zu nehmen. Gotland war auch schon vorher ein sicherer Hafen für Erik. Das Privileg für Malmö wurde1437 so auch auf der Visborg abgefasst – seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Burganlagen des Ostseeraums. Seinen Lebensabend verbrachte Erik schließlich wieder als Herzog von Pommern-Stolp, er starb 1459 in Rügenwalde/Darłowo.

An die Zeit des Unionskönigs aus dem Greifengeschlecht erinnern also noch heute der Greif im Stadtwappen Malmös oder die Fluggesellschaft Malmö Aviation. Auch wenn Erik von Pommern seine Königswürde am Ende verlor, ist es noch möglich mit dem König  über Schweden und die Ostsee zu reisen…

Malmö Aviation über Schweden Fotos: CC BY Michael Meichsner

Malmö Aviation über Schweden
Fotos: CC BY Michael Meichsner

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2715

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Geschichtsdarstellung im Internet: Nordeuropa und der Zweite Weltkrieg

Auf dem studentischen Wissenschaftsblog Eisbrecher ist neue Aktivität zu vermerken. Im Rahmen eines von mir unterrichteten Kurses Erinnerungskultur 2.0 – Nordeuropa und der Zweite Weltkrieg im Internet haben sich Studierende im Laufe des Wintersemesters mit Geschichtsdarstellungen im Netz beschäftigt.

Icebreaker von Flickr

Flickr Commons
Tyne & Wear Archives & Museums

Nun ist die Auseinandersetzung so weit gediehen, dass sie sich in publizistischer Form niederschlägt: Auf dem Eisbrecherblog analysieren die Studierenden ausgewählte Internetseiten, die sich mit bestimmten Facetten der Geschichte Nordeuropas im Zweiten Weltkrieg beschäftigen. Da geht es z.B. um das finnisch-deutsche Verhältnis während des Krieges, das Schicksal der norwegischen Kriegskinder (die Beziehungen norwegischer Frauen mit deutschen Soldaten entstammten) und um die Zeit der deutschen Besatzung Norwegens. Zunächst stand die Erarbeitung des wichtigsten historischen Hintergrundwissens an. Zudem war eine der wichtigsten Aufgaben und auch ein Bedürfnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nach passenden Analysekategorien für die Untersuchung von Internetseiten zu suchen. Reicht da die klassische geschichtswissenschaftliche Quellenkritik aus oder wieviel medienwissenschaftliche / -theoretische Fundierung muss noch her? Eine (unsortierte) erste Sammlung von Gedanken hierzu sah folgendermaßen aus:

  • äußere Gestaltung
  • Aufbau
  • sprachliche Gestaltung
  • sachliche Darstelllung, nicht polemisierend
  • MedieneinsatzAktualität (Seite an sich, Links)institutionelle Anbindung
    • Bilder
    • Archivmaterialien
    • Herkunft?
    • verlinkt oder Google-Suchergebnisse?
  • Verfasser oder Herausgeber erkennbar, mit Namen benannt?
  • offensichtliche Auslassungen oder Ergänzungen
  • Adressat / Zielgruppe erkennbar?
  • Umfang – eher Überblick oder detaillierte Teildarstellung?
  • interaktive Elemente vorhanden, um Userbeteiligung zu ermöglichen (z.B. Kommentarfunktion)
  • Werbung auf der Seite (verweist gegebenenfalls auf Zielgruppe)?
  • kostenpflichtige Inhalte vorhanden?
  • Verweis auf wissenschaftliche Literatur
  • wird mit Fußnoten oder anderen Verweisen gearbeitet?
  • wie “schön” ist die Seite gestaltet? — problematisch: Schlichtheit könnte wegen Konzentration auf den Inhalt entstehen
  • Statistiken, falls zugänglich: wie stark ist die Seite nachgefragt? hoher Traffic?
  • Navigation zuverlässig und logisch?
  • Qualität der Abbildungen

Nachdem die Studierenden ihre Teilgebiete für die Arbeit in Kleingruppen gefunden hatten, musste eine passende Umsetzungsform gefunden werden. Letztlich fiel die Entscheidung dann für das Blogformat, mit dem fast alle nun erste Erfahrungen sammeln. Schließlich wurde gemeinsam ein Analyseleitfaden erarbeitet, an den man sich zwar nicht sklavisch halten muss, der aber einen gewissen Rahmen anbietet und der die wichtigsten Analyseobjekte benennt:

  1. Technische bzw. “bibliographische” Angaben zur Seite
  2. Aufbau und Struktur – Eindruck der Startseite, Inhaltsverzeichnis vorhanden?, Fließtext oder Stichpunkte?, Zusammenfassung vorhanden?, Zwischenüberschriften, Einzelbeitrag oder Portal?, angebunden oder ausgelagert
  3. Inhalte – Absichten und Anspruch, welche Informationen, theoretisch fundiert, Genre (Augenzeugenbericht oder wissenschaftliche Auseinandersetzung), Quellenangaben, wie groß- oder kleinformatig ist die Themenwahl, offensichtliche Auslassung oder Ergänzung bemerkbar, Adressaten
  4. Gestaltung – Bilder (unterschriften), Navigation, Layout, Verlinkungen, Schriftart, Umfang, Sprache, Werbung vorhanden, Medieneinsatz, Logos von Institutionen?
  5. Fazit – keine reine Zusammenfassung, sondern eine wertende und nochmals gewichtende Kritik – Glaubwürdigkeit (als Gesamteindruck)

Die Schreibarbeit wird auch nach dem Ende der Vorlesungszeit weitergehen. Wer also an den Themen Interesse findet,  kann per Mail-Follow-Funktion oder RSS-Feed dranbleiben.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2137

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