Keine echten Wiener, einst und heute

Die Krawallpresse schlagzeilt heute: Jeder 2. ist kein echter Wiener!

Wie sich die Zeiten eben nicht ändern, denn in den 1780er Jahren schrieb der Stadttopograph Pezzl:

Was die innere unmerkbarere Verschiedenheit der Bewohner Wiens betrifft, in dieser Rücksicht ist es wahr, daß keine Familie ihre einheimische Abstammung mehr bis in die dritte Generation hinaufführen kann. Ungarn, Böhmen, Mährer, Siebenbürger, Steiermärker, Tiroler, Niederländer, Italiener, Franzosen, Bayern, Schwaben, Sachsen, Schlesier, Rheinländer, Schweizer, Westfäler, Lothringer usw. usw. wandern unaufhörlich in Menge nach Wien, suchen dort ihr Glück, finden es zum Teil und naturalisieren sich. Die originalen Wiener sind verschwunden. [Absatz] Eben diese Mischung so vieler Nationen erzeugt hier jene unendliche Sprachenverwirrung, die Wien vor allen europäischen Plätzen auszeichnet.

Pezzl, Johann: Skizze von Wien. Ein Kultur- und Sittenbild aus der josefinischen Zeit. (Hg. von Gugitz, Gustav/Schlossar, Anton). Graz: Leykam, 1923, S. 22.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/165210936/

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Eine Reform als Einschränkung der Demokratie

Die geplante Polizereform in Österreich bedeutet eine Einschränkung demokratischer Rechte; da die üblichen Medien bei der Berichterstattung darüber weitgehend versagen, sei hier eine Stellungnahme der Solidaritätsgruppe dokumentiert:

Polizeireform schränkt Rechtsschutz für Bürger_innen massiv ein!

Mit der Errichtung der neun Landespolizeidirektionen per 1.9.2012 sollen durch schlankere Behördenstrukturen 10 Millonen Euro jährlich eingespart werden. Verschwiegen wird dabei, dass durch die Behördenreform auch der Rechtsschutz in vielen sensiblen Bereichen erheblich eingeschränkt wird, wie etwa im Versammlungsrecht.
Die Möglichkeiten gegen eine Versammlungsuntersagung vorzugehen sind sehr bescheiden. Über Berufungen gegen ein Versammlungsverbot entscheidet im Wesentlichen die Sicherheitsdirektion, also die oberste Polizeibehörde. Es bedarf wohl nur eines gesunden Menschenverstandes, dass diese nicht gegen die eigene Unterbehörde Entscheidungen trifft. Nach unseren Kenntnissen, ist dies bisher auch noch nie passiert. Der Bescheid der Sicherheitsdirektion kann in weiterer Folge nur vor dem VfGH angefochten werden. Dies ist nicht nur Kostenintensiv, sondern dauert auch lange, mit mindestens einem Jahr muss gerechnet werden. Mit der Einführung der Landespolizeidirektionen soll der Rechtsschutz aber nun komplett beseitigt werden. Denn fungiert die Landespolizeidirektion selbst als Versammlungsbehörde (quasi in allen Landeshauptstädten), ist als Berufungsinstanz auch die Landespolizeidirektion vorgesehen. Die beabsichtigte Einrichtung von sogenannten Rechtsmittelbüros, mag nichts daran ändern, dass sich diese Regelung am Rande der Verfassungskonformität bewegt. Wir sehen darin klar das rechtstaatliche Prinzip und den damit eng zusammenhängenden Grundsatz der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt. Auch die in Art 13 EMRK garantierte Grundrechtsbeschwerde wird so ad absurdum geführt. Zwar sollen mit der Einführung der Landesverwaltungsgerichte am 1.1.2014, diese als Berufungsinstanzen tätig werden, jedoch ist dieses Vorhaben lediglich in der Regierungsvorlage festgeschrieben und noch nicht als Gesetz beschlossen. Es ist also durchaus möglich, dass die Landespolizeidirektionen auch nach dem 1.1.2014 als „Rechtsmittelinstanz“, quasi für sich selbst, weiterbestehen; den Sicherheitsbehörden würde dies gewiss nicht ungelegen kommen.

Unabhängig von der juristischen Diskussion, bedeutet dies in der Praxis eine erhebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine zusätzliche Hürde für den politischen Willensbildungsprozess abseits der gesetzlichen Vertretungskörper. Es besteht die Gefahr, dass kritische Initiativen bereits im Vorfeld mundtot gemacht werden und der Willkür der zuständigen Beamt_innen ausgeliefert sind. Wir fordern den Gesetzgeber daher auf, diese juristische Farce unverzüglich zu beenden, und bis zum tätig werden der Landesverwaltungsgerichte die Unabhängigen Verwaltungssenate als Berufungsbehörden einzusetzen. Auch ein "vorläufiger Rechtsschutz", wie er etwa in Deutschland existiert, wäre Wünschenswert. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass über Berufungen gegen Versammlungsuntersagungen zeitnah entschieden werden könnte. Das Versammlungsrecht steht dabei exemplarisch für andere Bereiche, in denen die Rechtsmittel ebenfalls drastisch eingeschränkt werden. Zu diesen zählen etwas das Vereinsrecht sowie das Fremden- und Sicherheitspolizeirecht.


Nachtrag 10.9.2012: Es hat gedauert, nun hat der Standard die Story aufgegriffen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/138660900/

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Konterrevolution, keine Sternstunde

Manche SchriftstellerInnen sind einfach die besseren HistorikerInnen: Da muss ich doch im Standard tatsächlich lesen, dass ein an der Universität Klagenfurt lehrender Historiker den Wiener Kongress als diplomatische Sternstunde der Menschheit betrachtet. Ich halte es mit Michael Scharang, der folgende Analyse im Presse-Spectrum (nachzulesen auch in der aktuellen konkret) veröffentlicht hat:

Als Auftakt zum 19. Jahrhundert formiert sich die größte Konterrevolution der Neuzeit, der Wiener Kongress, und verpestet Europa. Gesellschaftliche Emanzipation Hunderter Jahre wird in kurzer Zeit vernichtet. Die monarchischen Häupter des Kontinents, früher immerfort im Krieg gegeneinander, ermannen sich, den Untergang vor Augen, in einem gemeinsamen Gewaltstreich jede geistige, politische, künstlerischeRegung zu ersticken.
Das System der Zensur, mit dem die Habsburger ihre Länder knebeln, erreicht eine Vollkommenheit, von der heute noch alle schwärmen, die sich Ordnung nur als Verordnung vorstellen können.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/109333152/

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Renée Schroeder: Austritt aus Österreichischer Akademie der Wissenschaften

Wie der Standard berichtet, verlässt die Molekularbiologin Renée Schroeder die Österreichische Akademie der Wissenschaften: Aus Solidarität mit jenen exzellenten WissenschafterInnen, denen es wegen ihres kulturellen Hintergrundes oder ihrer politischen Einstellung nicht möglich ist, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, lege ich meine Mitgliedschaft zurück.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97015543/

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Werner Geier Special

Gärtner eines Gartens für ein kommendes Volk nannte ihn Thomas Edlinger in seinem Beitrag für den letztwöchigen FM4-Sumpf (15.4.2012) - der 2007 verstorbene Radiojournalist Werner Geier wäre dieses Jahr 50 geworden; den Tribute-Abend letzten Mittwoch im Wienmuseum habe ich verkühlungsbedingt versäumt, zum Glück gibt's in den Tribe Vibes (19.4.2012) eine Zusammenfassung zum Nachhören.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/97000069/

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Karl VI. Katalog Online

Löblich, das Österreichische Staatsarchiv stellt den Katalog zu der letztes Jahr gezeigten Kleinausstellung über Karl VI. online zur Verfügung:

300 Jahre Karl VI. (1711-1740). Spuren der Herrschaft des "letzten" Habsburgers. Begleitband zur Ausstellung des Österreichischen Staatsarchivs. Hrsg. von Stefan Seitschek, Herbert Hutterer und Gerald Theimer. Wien 2011.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/96996383/

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Pynchon zum unverfälschten ÖsterreicherInnentum

In Thomas Pynchons famosen Roman Gegen den Tag kann man nicht nur erfahren, wie Anarchistengolf gespielt wird (S.1376), sondern liest auch folgende, am Vorabend des 1. Weltkriegs von der Protagonistin Renata ausgesprochene Worte:

Österreich hat hier unten in der Adria nichts verloren (...) Die waren noch nie eine Seefahrernation und werden auch nie eine sein. Sie sollen in ihren Bergen bleiben und Ski fahren, Schokolade essen, Juden misshandeln oder was immer sie sonst tun. Wir haben Venedig zurückbekommen, und genauso wird auch Triest wieder uns gehören. Je mehr sie sich hier einmischen, desto sicherer und vollständiger wird ihre Vernichtung sein.

Pynchon, Thomas: Gegen den Tag. Roman. Reinbek: rororo 24609, 2010, S. 382.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/64985003/

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