Unter dem Schutz des Kaisers

Sicherheit stellte auch schon in der vormodernen Gesellschaft einen hohen Wert dar. Und doch war es eine ausgesprochen fragile Komponente im Ordnungsgefüge dieser Zeit. Gerade in Kriegszeiten war die Sicherheit mehr als sonst bedroht. Wie konnte man sich ihrer vergewissern? Salvaguardien, Schutzbriefe also, erschienen als das probate Mittel, um sich vor Einquartierungen, der Erhebung von Kriegssteuern und anderem Unbill zu schützen. Wenig überraschend also, daß Schutzbriefe in dieser Zeit ein Massenphänomen darstellten.

Doch an wen sollte man sich wenden, um eine solche Salvaguardia zu erhalten? Nach den herkömmlichen Ordnungsvorstellungen war die eigene Obrigkeit dafür zuständig, Schutz und Schirm für die eigenen Untertanen zu gewährleisten; diese Schutzleistung stellte nicht zuletzt eine wichtige Legitimierung für jeden Herrschaftsträger dar. Schnell zeigte sich jedoch in Kriegszeiten, daß die eigene Obrigkeit, egal ob es ein Stadtmagistrat oder ein Reichsstand war, schnell an ihre Grenzen stieß. Deshalb war es nicht unüblich, daß sich Schutzsuchende – und das konnten Einzelpersonen jedweden Standes oder auch Kommunen bis hin zu Reichsständen sein – direkt an eine Kriegspartei wandten. Zwar ging vom Militär ja eigentlich die Gefahr aus, gleichzeitig erblickte man gerade in ihr die Instanz, den nötigen Schutz zu gewährleisten. Je nach Situation war es sogar naheliegend, sich von beiden, miteinander verfeindeten  Armeen Schutzbriefe ausstellen zu lassen und so für jede Eventualität vorgesorgt zu haben.

Eine andere Möglichkeit war es, sich direkt an den Kaiserhof oder an den Reichshofrat zu wenden. Tobias Schenk, der schon seit einiger Zeit im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv wichtige archivarische Erschließungsarbeiten zum Reichshofrat betreibt, hat in zwei jüngst erschienenen Beiträgen aufschlußreiche Beispiele dafür angeführt: Reichsgeschichte als Landesgeschichte. Eine Einführung in die Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 90 (2012), S. 107-161; Das Alte Reich in der Mark Brandenburg. Landesgeschichtliche Quellen aus den Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 63 (2012), S. 19-71.

Wie die Titel zeigen, ist die Stoßrichtung beider Aufsätze eine ganze andere, doch geht er in beiden Fällen auch auf die Phase des Dreißigjährigen Kriegs ein und bietet für unser Thema der Salvaguardien einmal westfälische (S. 121 f.), ein anderes Mal brandenburgische Exempel (S. 41-46). Besonders letztere sind bemerkenswert, zeigen sie doch die Schwäche der Hohenzollernherrschaft in dieser Zeit. Nicht nur brandenburgische Untertanen suchten Schutz beim Kaiser, sondern die Kurfürstin Elisabeth Charlotte selbst, als strenge Calvinistin kaum einer prohabsburgischen Haltung verdächtig, erbat sich Anfang 1631 kaiserliche Schutzbriefe für ihre Güter.

Was brachten nun solche Schutzbriefe? Viele Episoden aus diesen Kriegsjahren belegen, daß Salvaguardien oftmals nur ein Stück Papier waren. Deswegen gab es nicht nur papierne Salvaguardien, sondern auch „lebendige“ (wie man sie zeitgenössisch nannte) – echte Soldaten also, die als Wachmannschaft einem Konvoi oder Reisenden beigegeben wurden. So etwas kostete natürlich noch mehr als ein Dokument, und auch diese Trupps garantierten nicht immer die ersehnte Sicherheit. Wichtig in dem Kontext ist aber die generelle Frage, welchen Effekt kaiserliche Schutzbriefe hatten: Hat man dem Reichsadler mehr Respekt entgegengebracht als dem Siegel irgendeines Kommandeurs? Dieser Frage geht Tobias Schenk nicht mehr nach, und im Zusammenhang seiner Aufsätze ist dies auch nicht seine Aufgabe gewesen. Doch genau hier lohnt es sich, die bereitgestellten Indizien weiterzuverfolgen und zu überprüfen, ob die kaiserlichen Schutzbriefe tatsächlich dazu beitragen konnten, die Präsenz des Reichs und des Kaisers in kriegsbedrohten Regionen aufrechtzuerhalten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/93

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