Löwen vor den Toren: Exoten halten Wache

Die Idee des Wächterlöwen (shishi 石獅, d. i. “Steinlöwe”) erreichte China mit der Ausbreitung des Buddhismus von Südasien über die zentralasiatischen “Seidenstraßen”. In Südasien wurde der Löwe als Symbol der Herrscher betrachtet. Im Gegensatz zu Indien und Persien waren Löwen in China nicht einheimisch. Erst durch ausländische “Tributgesandtschaften” waren Löwen als Geschenke nach China gekommen.[1]

lion, Qianqingmen

Löwe vor dem Qianqingmen (“Tor der Himmlischen Klarheit”), Kaiserpalast, Beijing – Foto: Georg Lehner

Im Laufe der Zeit transformierte man in China das mächtige, aber gefährliche exotische Tier zu einer durchaus verbreiteten Wächterfigur, die vor Palästen, Gräbern und Tempeln zu finden ist[2]. Nicht immer, jedoch sehr häufig, sind diese vor den Eingängen zu diesen – in unserem Zusammenhang in erster Linie interessierenden traditionellen – Gebäuden paarweise zu finden.

In aller Regel findet sich zur Linken ein weibliches und zur Rechten ein männliches Tier – wobei beide mit einer auffallenden Mähne ausgestattet werden. Zur Unterscheidung des weiblichen und des männlichen Tiers genügt an und für sich ein Blick auf die Pranken:

Unter der linken Pfote des männlichen Löwen ist ein gestickter Ball [auf unserem Bild ganz offensichtlich unter der rechten!], unter der rechten Pfote des weiblichen ein Löwenbaby. Je nach dem Rang des Beamten haben die Löwen vor seinem Amtsgebäude eine größere oder kleinere Anzahl von Beulen auf dem Kopf. Der linke Löwe kann auch das Amt des T’ai-shih (Größter Meister), eines der höchsten Ämter im Staat, der rechte das des Shao-pao (Kleinerer Beschützer, ebenfalls ein hohes Amt im kaiserlichen China) symbolisieren.[3]

Nach Eberhard sind diese “Löwentorwächter” in China bereits für das 3. Jahrhundert n. Chr. bezeugt. Zum gestickten Ball gibt es zwei Interpretationen: nach der ersten enthält der Ball das “Löwenjunge wie in einem Ei”, nach der anderen “ist es kein Ball, sondern eine große Perle, mit der der Löwe zur Beruhigung seines Temperaments spielt.”[4]

  1. Vgl. dazu Ronald G. Knapp: Things Chinese. Antiques – Crafts – Collectibles (North Clarendon VT/Tokyo/Singapore 2011) 141 (“Guardian lion”; u.a. mehrere Abbildungen von Wächterlöwen ebd., S. 140) sowie Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 135 f. (“Lion”).
  2. Beispiele bei Knapp/Freeman: Things Chinese, 141
  3. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 181 (“Löwe”). Zu den beiden hier erwähnten Ämtern vgl. auch Welch: Art, 136. Demnach waren diese der taishi 太師 , der Lehrer des Kaisers und der shaoshi 少師, der Mentor des Kronprinzen.
  4. Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole, 181 f..

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1041

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Linkdossier zur Geschichtspolitik

Deutungen der Vergangenheit sind immer auch ein Politikum. In unseren Linktipps zur Veranstaltung Umkämpfte Erinnerung. Wie mit Geschichte Politik gemacht wird möchten wir unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen zur Geschichtspolitik zeigen. Die Linkliste wird sukzessive erweitert. Für Hinweise sind wir immer dankbar!

Politik mit Geschichte – Geschichtspolitik?

Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim und Wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, hat sich 2008 für die Bundeszentrale für politische Bildung mit Geschichtspolitik beschäftigt und kommt zu dem Schluss:

“Geschichtspolitik lässt sich nicht abschaffen. Aber sie lässt sich durchdringen und durchschauen.”

Die Erfindung der Vergangenheit

Der kürzlich verstorbene Historiker Eric Hobsbawm stellte 1994 in der Zeit fest:

“Mythen und Erfindungen sind für eine Politik der Identität entscheidend, mit der heute Völkergruppen, indem sie sich nach Ethnien, Religion oder nach neuen oder alten Staatsgrenzen definieren, in einer unsicheren und wankenden Welt Sicherheit mit der Aussage zu gewinnen hoffen: ‘Wir sind anders und besser als die anderen.’”

Geschichtspolitik als politisches Handlungsfeld

Berthold Molden, derzeit visiting professor an der University of New Orleans (Marshall Plan Chair), analysierte den Begriff Geschichtspolitik 2011 für die österreiche Zeitschrift Bildpunkt, online auf linksnet.de abrufbar:

“Politische Ideologien aller Art haben sich stets, wenn auch in höchst unterschiedlicher Weise, auf Geschichte berufen, um ihre jeweiligen Zukunftsentwürfe zu rechtfertigen. Somit kann Geschichtspolitik verstanden werden als jedwedes politische Handeln, das sich auf historische Argumente stützt oder die Deutung und Repräsentation von Geschichte zu beeinflussen versucht.”

Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik in Deutschland

2004 veröffentlichte Heinrich August Winkler den Sammelband zur Geschichtspolitik. Zehn Historiker beschäftigen sich in diesem mit der Geschichtspolitik in Deutschland seit 1848. Rezensionen zum viel diskutierten Band lassen sich auf HSoz-Kult, Sehepunkte, Cicero, FAZ-Online und Zeit-Online finden.

Was ist Geschichtspolitik?

Der Arbeitskreis “Geschichte und Politik” der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft stellt seine Sitzungsprotokolle online zur Verfügung und hat sich Folgendes zum Ziel gesetzt:

“Neben dem praktischen Anliegen, der wissenschaftlichen Arbeit ein Forum zu bieten, zielt der Arbeitskreis zugleich auf den Öffentlichkeitsaspekt. Da Interpretationen von Geschichte schon immer zum politischen Geschäft gehörten, ist es notwendig, sie unter diesem Gesichtspunkt auch zu untersuchen und auf diese Weise im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses Stellung zu beziehen.

Primat der Politik versus Primat der Gesellschaft

Bei der internationalen Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht im November 2010 diskutierten Lutz Klinkhammer, Gustavo Corni, Jay Rowell und Ulrich Herbert über das Verhältnis zwischen dem Primat der Politik und dem Primat der Gesellschaft und nahmen eine Standortbestimmung vor. Die Diskussion ist als mp3-Datei kostenlos bei perspectivia.net abrufbar.

Deutsche Erinnerungsorte

Auf facebook wurden wir von Jutta Abu-Obed auf die Deutschen Erinnerungsorte von Étienne François und Hagen Schulze aufmerksam gemacht. Das dreibändige Werk vertritt den Ansatz, mit insgesamt 120 Beiträgen den Fokus auf Rezeption und Wirkung geschichtlicher Vorgänge anstelle der Darstellung von Abläufen zu legen. Unter den Autoren der Beiträge finden sich größtenteils Historiker, durch die Mitarbeit von Germanisten, Publizisten, Volkskundlern und Politologen erschließen sich aber auch andere Blickwinkel auf die Deutschen Erinnerungsorte. Der Beck-Verlag stellt mit Arnold Eschs Ein Kampf um Rom, Gérald Chaix’ Die Reformation und Rudolf Vierhaus’ Die Brüder Humbold Leseproben aus allen Bänden online zur Verfügung. Auf zeitgeschichte-online.de lässt sich überdies noch der Beitrag von Jürgen Danyel Der 20. Juli finden.

Rezensionen zu den Bänden sind auf HSoz-Kult (Bd. I), HSoz-Kult (Bd. II), HSoz-Kult (Bd. III), Sehepunkte (Włodzimierz Borodziej), Sehepunkte (Christoph Cornelißen), BZ-Online und archiv.iwm.at erschienen. Für den Online-Auftritt des Instituts für Geschichte der Universität Oldenburg erklärte Mareike Witkowski 2009 “Was ist ein Erinnerungsort?” und auf dradio.de findet sich ein verschriftlichter Radiobeitrag, der auch Étienne François zu Wort kommen lässt.

Generationen und Gedächtnis

Ebenfalls bei der Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht abgehaltene Diskussion zwischen Andreas Gestrich, Mark Roseman, Georgi Verbeeck, Dorothee Wierling zum Thema Generation und Gedächtnis. Roseman konstatierte z.B., dass nicht nur über der intensiven Beschäftigung mit dem Holocaust Kriegsfolgen aus dem Blickfeld geraten seien, auch habe das laute Auftreten der 68er-Generation dazu geführt, normative Forderungen an die Erinnerungskultur zu stellen, die mit einer authentischen Erinnerung nicht viel gemein gehabt hätten. Der Tagungsbericht lässt sich auf HSoz-Kult abrufen, die mp3-Datei der Diskussion auf Perspectivia.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/87

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Imperiale Repräsentation in Klosterresidenzen und Kaisersälen

Der 1985 erschienene  Aufsatz  des Wiener Kunsthistorikers und Frühneuzeit-Forschers Friedrich Polleroß ist im Schriftenserver ART-Dok der Universitätsbibliothek Heidelberg online. Insgesamt können dort über 40 ältere Aufsätze dieses Autors abgerufen werden, darunter einige wichtige Beiträge zur Kulturgeschichte des Wiener Hofs.  Aus Anlass der gerade laufenden internationalen Open-Access-Woche hat das Weblog Archivalia ein Kurzinterview mit Polleroß geführt.

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