Was haben Karlheinz Stockhausen und Elvis Presley gemeinsam?

Hinter dieser etwas salopp formulierten Frage verbirgt sich Folgendes: Zu meiner Dissertation, die sich mit dem Fortschrittsdenken der 1950er Jahre befasst, habe ich schon mehrfach die gleiche Frage gestellt bekommen: Warum wurden in den 1950er Jahren die seriell denkenden Komponisten wie Stockhausen und Boulez als musikalisch fortschrittlich angesehen, nicht jedoch Elvis Presley? Eine berechtigte Frage, zu der ich nun ein paar Gedanken ausführen möchte.

Da ich in meiner Arbeit nicht einen Meta-Standpunkt einnehme, von dem aus ich urteile, was fortschrittlich ist oder nicht, sondern das Fortschrittsdenken der Zeit untersuche, kann ich der Frage freilich sinnvoll nur von einer spezifischen Fortschrittsposition aus nachgehen – etwa aus der Perspektive Heinz Klaus Metzgers, dessen prominente geschichtsphilosophische Deutung der Avantgarde (im Ausgang von Hegel, Marx und Adorno) in vielen seiner Schriften aus den 1950er Jahren artikuliert wird. Metzger geht davon aus, dass sich der Fortschritt in der Musik durch musikalische Revolutionen vollziehe, die sozusagen »objektiv« und notwendigerweise in der Entwicklung der Musik auftreten.1

Ein Beispiel für eine solche Revolution wäre um 1910 das Entstehen der atonalen Musik, die das bisher gültige Ordnungssystem der Tonalität auflöse. Oder aber die serielle Kompositionstechnik, die sich in Ablehnung der Unstimmigkeiten der Zwölftontechnik (die Tonhöhen sind in Reihen organisiert, nicht aber die Tondauer, die Dynamik etc.) entwickle. Dass Metzger hier von Revolutionen spricht, ist kein Zufall.

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Quelle: https://avantmusic.hypotheses.org/325

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