Staatliche Subvention der deutschen Schifffahrt in der NS-Zeit (Teil II)

Erweiterung der Reichshilfe

Obwohl der VDR sich skeptisch gegenüber weiterer staatlicher Subvention und der „Inanspruchnahme des deutschen Reichsetats“1 äußerte, setzte die Reichsregierung die Zahlung der Reichshilfe fort. Diese wurde ab dem Mai 1934 fest im staatlichen Haushaltsbudget eingeplant. Die Auszahlung der Reichshilfe an die Reedereien erfolgte fortan in bar durch die Reichshauptkasse. Im Jahr 1936 war schließlich ein Rückgang der Geschäftsverluste der deutschen Großreedereien zu verzeichnen, sodass die Bilanz der Hapag 1937 erstmals keine Verluste aufwies.2

Auch kleinere deutsche Nord- und Ostseereedereien meldeten ihren Anspruch auf die Reichshilfe an. Insbesondere die Reedereien aus der Ostseetrampschifffahrt beklagten die Berechnungsgrundlage der Reichshilfe und die damit einhergehende Bevorzugung der großen Reedereien: Höhere Betriebskosten, kürzere Reisen und längere Hafenliegezeiten verringerten die staatlichen Zuschüsse für die Ostseereeder. Außerdem hatten sich die Wettbewerbs-bedingungen in der Ostseeschifffahrt durch den Wertverlust ausländischer Währungen wie dem Pfund Sterling verschärft. Als unmittelbare Reaktion auf die Benachteiligung der deutschen Trampschifffahrt, gewährte die Reichsregierung für die Nord- und Ostsee-reedereien Kompensationszahlungen, indem sie ab Ende 1935 zur allgemeinen Reichshilfe den Posten zusätzliche Reichshilfe ergänzte, welche die Bruttofracht bezuschussen sollte. Diese sollte bis zum 31. März 1937 gezahlt werden, allerdings wurde sie, leicht gekürzt, für die Linienschifffahrt in der Nord- und Ostsee und Erzfahrten nach Norwegen und Schweden noch bis 31. Mai 1938 ausbezahlt.3 Künftig richtete sich die Höhe der ausgezahlten allgemeinen Reichshilfe mit der zusätzlichen Reichshilfe nach der Besatzungsstärke, der Schiffsgröße und der verschifften Frachtsumme.4

Verdeckung von staatlichen Subventionsmaßnahmen

Wie wichtig es war, seitens des RFMs und RVMs die Reichshilfe nicht als staatliche Sub-vention aufzufassen, macht die Maßnahme vom 25. April 1936 deutlich, mit der das RFM alle ab dem 1. Januar 1935 gewährten Gelder aus der allgemeinen Reichshilfe und zusätzlichen Reichshilfe rückwirkend der Körperschafts- und Einkommenssteuer unterwarf. Dies diente dazu Subventionskriege mit dem Ausland zu vermeiden und der Reichshilfe ihren Subventionscharakter zu nehmen.5 Fast zeitgleich, zum 1. Juli 1936, wurden zudem die Einheitssätze für die Reichshilfe von 3 Pfg. auf 5-9 Pfg. täglich pro BRT (bei Schiffen bis 1250 BRT) hochgesetzt, zudem entfielen die Höchstsätze für Schiffe unter 2000 BRT. Über all diesen Bestimmungen wachte künftig die Reichsfestsetzungsbehörde.6

Auch Kürzungen der Reichshilfe setzten ab dem April 1935 ein, als die die zuständigen Ministerien Fahrten mit Schnittholz, Öl, Getreide und Kohle zwischen deutschen, belgischen und niederländischen Häfen aus der Reichshilfe ausschlossen. Zudem entfiel ab Mai 1936 die Reichshilfe für Fahrten zwischen deutschen Häfen, ebenso wie für Verschiffungen aus dem Ausland ins Deutsche Reich, bei denen öffentliche Behörden und/oder Reichsstellen Auftraggeber waren. Nur bei besonderen Absprachen waren diese Regierungstransporte ab dem 1. Juli 1936 förder-berechtigt. Ab 1937 entfielen außerdem jegliche Fördermittel für staatseigene Schiffe oder solche, die im Besitz öffentlicher Stellen lagen.7

Nachweislich wurde die Reichshilfe bis zum 30.04.1945 ausbezahlt und diente weniger als eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sinne der Förderung der nationalen Arbeit, sondern vielmehr als staatliche Unterstützungsmaßnahme zur Betriebskostenfinanzierung der Schifffahrtsunternehmen.8 Vor der NS-Zeit um 1929/1930 sorgten – wenn überhaupt – lediglich Privatinvestitionen für Expansion in der deutschen Schifffahrt, während diese spätestens ab 1933 durch die staatlichen Fördermittel in Form der Reichshilfe oder anderen Reichszuschüssen ermöglicht wurde.9 Aus Sicht der deutschen Wirtschaftsinteressen waren die Gelder der staatlichen Schifffahrtsubventionierung für die Sanierung der nationalen Schifffahrt vorgesehen, nicht aber zur Finanzierung aufwendiger Wettbewerbskämpfe in der Linienschifffahrt.10

Das Abhängigkeitsverhältnis vom NS-Staat und der deutschen Schifffahrt

Rückbezüglich auf den Ausgangspunkt der deutschen Schifffahrt zum Machtwechsel 1933 hin gesehen, beschreibt Schmelzkopf die besondere Betroffenheit der deutschen Seeschifffahrt von den Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre bis 1932/1933 und postuliert, dass diese Betroffenheit „keine Folge des Regimewechsels war, sondern [dass] der Regime-wechsel“11 die Erscheinungsformen nur verstärkt habe. Er sieht den Weg der staatlichen Subventionierung als Lösungsweg alternativlos und im NS-Staat durchgeführte staatliche Regulationen als notwendiges Krisenmanagement.12 Mit der festen Einrichtung von Subventionsgeldern im staatlichen Haushaltsplan begann sich spätestens ab Mai 193413 das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Schifffahrtsunternehmen und dem NS-Staat ent-scheidend zu festigen. Zeitgleich stand 1934 das NS-System durch die negative Handelsbilanz und schwindende Devisenvorräte gesamtwirtschaftlich „vor einer ernsten Bewährungsprobe, in der die Entscheidung über den weiteren Ausbau der Wehrwirtschaft“14 entschieden werden musste.

 

Empfohlene Zitierweise: Blümel, Jonathan (2014): Staatliche Subvention der deutschen Schifffahrt in der NS-Zeit (Teil II). In: JBS History Blog. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

 

Bibliographie:

  1. Siehe Rübner 2005. S. 308.
  2. Vgl. Rübner 2005. S. 306-308.
  3. Vgl. Rübner 2005. S. 309.
  4. Vgl. Nübel 1936. S. 92.
  5. Vgl. Rübner 2005. S. 310.
  6. Vgl. Rübner 2005. S. 311 u. S. 412 fn. 264.
  7. Vgl. Rübner 2005. S. 311.
  8. Vgl. Rübner 2005. S. 311 u. S. 412 fn. 264.
  9. Vgl. Rübner 2005. S. 316.
  10. Vgl. Rübner 2005. S. 374.
  11. Siehe Schmelzkopf 1974/1975. S. 200.
  12. Ebenda S. 200.
  13. Vgl. Rübner 2005. S. 306-308.
  14. Siehe Volkmann, Hans-Erich: Außenhandel und Aufrüstung in Deutschland. 1933 bis 1939, in: Forstmeier, Friedrich/Volkmann, Hans-Erich: Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Düsseldorf 1975. S. 81-131. Hier S. 87.

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