Vor einigen Tagen ist AutoThür freigeschaltet worden. Es handelt sich dabei um eine digitale Edition autobiographischer Texte aus Thüringer Leichenpredigten, die in einem eigenen Portal von der Forschungsstelle für Personalschriften in Marburg präsentiert werden. Verantwortlich dafür zeichnet ein leistungsstarkes Team unter der Leitung von Eva-Maria Dickhaut. Gefördert wird das Projekt durch die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur.
Das Editionsprojekt ist nicht speziell auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zugeschnitten. Aber viele Biographien berühren die Jahre und Jahrzehnte dieses Kriegs. Teilweise handelt es sich um Lebensläufe, die sich mitten im Krieg entfalten. Andere Biographien starten in der Kriegszeit und finden ihre Lebensmitte dann weit im späten 17. Jahrhundert. Gerade diese Beispiele erscheinen mir hochinteressant, weil es die Generation vorstellt, die durch die Kriegsjahre früh im Leben geprägt wurde und diesen Erfahrungshorizont in die Nachkriegsphase einbrachte. Von welcher Seite man es auch betrachten mag, wird dieses Projekt in vielen Fällen auch für die Forschung des Dreißigjährigen Kriegs von Belang sein.
Die Edition bietet das Digitalisat der gedruckten Leichenpredigt inklusive einer Transkription. Die naheliegende Frage steht im Raum: Braucht man letzteres? Nun ist die Qualität der Vorlagen so gut, daß dies nicht der hinreichende Grund ist. Allerdings zeigt die Erfahrung im universitären Unterricht, daß frühneuzeitliche Drucke mit ihrem Schriftbild mitunter erhebliche Probleme bereiten. Nicht daß man diesen Schwierigkeiten immer aus dem Weg gehen muß. Aber um inhaltlich Boden gut zu machen und rascher zur inhaltlichen Analyse zu kommen, ist es schon praktisch, eine Umschrift zu haben. Vor allem aber bietet die Transkription die Möglichkeiten, den Text auszuzeichnen. Hier sind vor allem Personen- und Ortsnamen getaggt worden. Erstere verweisen auf die GND, letztere werden in einer Landkarte identifiziert. Auf einer Karte werden im weiteren auch die verschiedenen Lebensstationen einer jeden Biographie veranschaulicht; ein Personennetzwerk, aufgeschlüsselt nach den Kategorien Familie, Ausbildung, Beruf und Sonstiges zeichnet die soziale Verortung nach, während eine Zeitleiste die einzelnen biographischen Stationen vermerkt.
Was fehlt, ist eine weitergehende inhaltliche Kommentierung sowie eine zusammenhängende Kontextualisierung, etwa im Rahmen einer Einleitung. Nun geht dies streng genommen über den Rahmen einer Edition hinaus, und sicher erfordert dies besonders aufwendige Recherchen, zumal die in den Leichenpredigten Genannten historisch nicht unbedingt zu den prominenten Persönlichkeiten zählen, die über weitere Literatur rasch zu ermitteln sein dürften. Gleichwohl wird erst eine solche Arbeit erkennen lassen, wie wichtig und wie aussagekräftig diese Quellen sind. Daß hier ein durchaus lohnenswerter Ertrag zu erhoffen ist, hat die Arbeitsgruppe auch schon gezeigt, indem sie schon vorher im Rahmen einer monatlichen Artikelserie „Leben in Leichenpredigten“ beispielhafte Interpretationen vorstellte.
Wichtig ist aber, daß jetzt neben den vielen anderen Datenbanken, in denen die Arbeitsstelle vor allem verschiedene Kataloge, Verzeichnisse und einschlägige Literatur aufbereitet, auch Leichenpredigten selbst im Volltext ediert werden. Den Marburgern ist viel Schwung zu wünschen, daß sie nun die Edition weiter vorantreiben. Genauso wünschenswert ist aber auch eine noch stärkere Anbindung dieses Projekts an die Forschung, damit umso deutlicher wird, welchen Stellenwert Leichenpredigten im Rahmen der frühneuzeitlicher Geschichte eingenommen haben.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/263