Der Kampf um die Zukunft als Kampf um die Deutungshoheit der Vergangenheit

28.11.2016 Anna Michaelis

Wissenschaft kann viele gesellschaftliche Funktionen haben, sie kann durch technische Innovationen den Lebensstandard von Gesellschaften heben, kann gesellschaftliche Zustände analysieren und damit aufklärerische Funktion haben usw.. Vor allem in Phasen von Krisenempfinden und Desorientierung kann Wissenschaft aber auch dazu in Dienst genommen werden, Zeitlichkeit in den Griff zu bekommen. Die generalisierende Narration von den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende als das „nervöse Zeitalter“ ist sicherlich ein ausgetretener Pfad der historischen Sinnproduktion und in einiger Hinsicht angreifbar. Nehmen wir allerdings eine kleine Gruppe, eine Minderheit, nämlich die deutschen Juden in den Blick, lässt sich das Bild eines allgemeinen Krisenempfindens spezifizieren und dadurch differenzierter betrachten. Inwiefern stand für die deutschen Juden im Wilhelminischen Deutschland Zukunft zur Disposition?

 



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Quelle: https://grk1919.hypotheses.org/229

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Enttäuschte Erwartungen als Keimzelle des Neuen

23.11.2016 Claudia Berger

Es ist so verführerisch wie zumeist falsch, Entwicklungen aus der Retrospektive so zu betrachten, als hätten sie sich zwangsläufig so ergeben müssen, wie sie sich nun einmal ergeben haben. Der historische Akteur hingegen ist, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht, der Kontingenz der Ereignisse ausgesetzt. Für ihn ist nichts „vorsortiert“. Wir hingegen kennen den „Ausgang“ seiner Bemühungen – aus der Vielzahl der Möglichkeiten muss keine mehr ausgewählt werden. Alle Studien und Analysen können so zweckmäßig ganz auf das eigentlich Geschehene ausgerichtet werden, ganz als habe es keine andere Möglichkeit gegeben, als wäre auch diese Entwicklung nicht nur eine Möglichkeit in einem kontingenten Möglichkeitshorizont gewesen. Dieser logische Fehlschluss wird im Englischen bezeichnenderweise „Historian’s fallacy“ genannt.



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Quelle: https://grk1919.hypotheses.org/224

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Wandeln zwischen den Welten – Verkleidung als Akt der Befreiung in Assassin’s Creed: Liberation

Aveline de Grandpré wechselt in verschiedene Kostüme, damit in soziale Klassen und zeigt nebenbei, dass Spielmechaniken Geschichtsbilder erzeugen.

Aveline de Grandpré wechselt in verschiedene Kostüme und damit ihre gesellschaftliche Klasse – nebenbei zeigt sie, dass Spielmechaniken Geschichtsbilder erzeugen.

von Felix Zimmermann, Universität Köln

Assassin’s Creed III: Liberation (bzw. die grafisch überarbeitete Version Assassin’s Creed: Liberation HD) brachte einige Premieren für die Spielereihe. Nicht nur schlüpfte man erstmals in die Rolle einer weiblichen Assassine, sondern konnte über die prominent im Spiel platzierte Verkleidungsmechanik sogar zwischen drei verschiedenen Personas[1] der Protagonistin Aveline de Grandpré wechseln. Im Rahmen des Masterseminars „Pirates, Madams, Voodoo Queens: A Gender History of New Orleans“ von Dr. Rebecca Brückmann an der Universität zu Köln schien es reizvoll, Assassin’s Creed: Liberation[2] als Untersuchungsgegenstand zu wählen. Dessen Handlung spielt im New Orleans des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

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Quelle: http://gespielt.hypotheses.org/1010

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Clash of (Risk-) Cultures?

13.10.2016 Arno Barth

Wenn man sich wie unser Graduiertenkolleg mit Risikomanagement beschäftigen möchte, taucht schnell die Frage auf was, wann, warum und wem als (wie) riskant gilt. Unser Antrag unterscheidet vier unterschiedliche Typen der Risikokalkulation: Statistische Berechnung, proto-statistische Einschätzung (grobe Schätzung aufgrund Zahlenmaterials), erfahrungsbasierte Einschätzung und intuitive Einschätzung. Wertvolle Impulse verdanken Geschichtswissenschaft im Allgemeinen und unser Forschungsverbund im Besonderen der US-Historikerin Arwen Mohun.

Mohun hat unter anderem eine bemerkenswerte Monographie zur Technik-Kulturgeschichte vorgelegt und hier der Risikokategorie breiten Raum gegeben.1 Ihr theoretischer Ansatz stellt die Lücke zwischen Laien und Experten bei der Wahrnehmung und Einschätzung von Risiken in den Mittelpunkt.

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Quelle: https://grk1919.hypotheses.org/208

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Clash of (Risk-) Cultures?

13.10.2016 Arno Barth

Wenn man sich wie unser Graduiertenkolleg mit Risikomanagement beschäftigen möchte, taucht schnell die Frage auf was, wann, warum und wem als (wie) riskant gilt. Unser Antrag unterscheidet vier unterschiedliche Typen der Risikokalkulation: Statistische Berechnung, proto-statistische Einschätzung (grobe Schätzung aufgrund Zahlenmaterials), erfahrungsbasierte Einschätzung und intuitive Einschätzung. Wertvolle Impulse verdanken Geschichtswissenschaft im Allgemeinen und unser Forschungsverbund im Besonderen der US-Historikerin Arwen Mohun.

 

Mohun hat unter anderem eine bemerkenswerte Monographie zur Technik-Kulturgeschichte vorgelegt und hier der Risikokategorie breiten Raum gegeben.1 Ihr theoretischer Ansatz stellt die Lücke zwischen Laien und Experten bei der Wahrnehmung und Einschätzung von Risiken in den Mittelpunkt.

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Quelle: https://grk1919.hypotheses.org/208

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,,Life is feudal: Your own“ – Ein Erfahrungsbericht über räumliche Abhängigkeiten, gildenähnliche Sozialstrukturen und eine meditative Eigendynamik

 

Vierzehn wagemutige AbenteurerInnen aus drei unterschiedlichen Volksgruppen, eine natürliche, ursprüngliche Spielwelt – frei von menschlichen Einflüssen – aber voller gefährlicher Wildtiere: Das als „real life Medieval simulator“[1] beworbene Massively Multiplayer Online Role Play Game Life is Feudal: Your own[2] versetzt seine Spieler auf eine abgeschiedene Insel, auf der es im Rahmen eines mittelalterlich angehauchten Settings gilt, durch virtuell harte Arbeit die unberührte Spielwelt nach den individuellen Vorstellungen zu verändern, Siedlungen und Wege zu errichten, sowie diese zu verteidigen. Die Fülle an verschiedenen erwerbbaren Fertigkeiten und Fähigkeiten und die dadurch notwendigen Spezialisierungen der Spieler macht es anfangs nötig, in kooperativer Form durch den Zusammenschluss Gleichgesinnter zuallererst das Überleben zu sichern. Von fundamentaler Bedeutung für den Fortbestand der Gemeinschaft scheint das Verschaffen von Orientierungs- und Überblickswissen durch jeden einzelnen „player historian“[3], verbunden mit dem genrespezifisch so nötigen Wissenstransfer.

Es ist der 8. August 1016 und man trifft sich beim Lagerfeuer zwischen Binnensee und Olymp. Einige haben bereits erste einfache Schlafplätze errichtet und warten auf die letzten Reisenden, die nunmehr aus allen Himmelsrichtungen der Inselwelt eintreffen. Als alle beim Lagerfeuer eingetroffen sind, ist die Dunkelheit verzogen.“[4]



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Quelle: http://gespielt.hypotheses.org/993

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Erich Mendelsohns »Haus der jüdischen Jugend« recherchieren

Wer sich mit deutsch-jüdischer Geschichte etwas näher befasst, der hat sicher schon etwas von Erich Mendelsohn, einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, gesehen oder gehört. Mir ist er wieder begegnet bei der Vorbereitung der Konferenz zur Jugendbewegung des Steinheim-Instituts und des Arbeitskreises jüdische Wohlfahrt — existierte doch in Essen in den 1930er Jahren ein von Mendelsohn entworfenes und in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes jüdisches Jugendheim. Ich bin nun seiner Geschichte für einen Beitrag in Kalonymos einmal näher nachgegangen. Was mir dabei wieder auffiel: Wer noch die prädigitalen (Un-) Möglichkeiten der Recherche, der Literatur- und Quellenbeschaffung erinnert,1 der weiß natürlich die heutigen Möglichkeiten mehr als zu schätzen. Obwohl die Materiallage zu Mendelsohns »Haus der jüdischen Jugend« nicht wirklich gut ist, kann man sich schnell nicht nur ein erstes Bild machen, sondern findet zügig relevante Quellen und sehr rare Fotos im Online-Archiv des Leo Baeck Institute Digibaeck und zeitgenössische Literatur in der Sammlung Judaica Frankfurt — nicht nur die Nachweise, sondern gleich die digitalisierten Originale. Beide Angebote ziehe ich grundsätzlich als Erstes zu Rate, sie sind unverzichtbar für Recherchen zur deutsch-jüdischen Geschichte.

Einen überaus interessanten und für mich neuen Einblick in Leben und Wirken des Architekten bietet zudem die 2014 erschienene Online-Edition des Briefwechsels von Erich und Luise Mendelsohn 1910-1953.2 Zwar bringt die Suche nach »Jugendheim« hier kein direktes Ergebnis, aber es gibt es doch die eine oder andere Passage, die man in diesen Zusammenhang stellen kann, und die durchaus Fragen aufwirft — was ja motiviert, am Thema dranzubleiben.

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Quelle: http://djgd.hypotheses.org/1013

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Experten der Zukunft

26.08 Dennis Gschaider

Die Produktion von Wissen über die Zukunft scheint derzeit Konjunktur zu haben. In einer Wissensgesellschaft, die sich auf der permanenten Suche nach Ideen befindet,  um durch Innovationen die gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben, kann Zukunftswissen als Handlungswissen die notwendige Orientierung in der Vielfalt der Möglichkeiten bieten. Das Angebot hierfür ist breit aufgestellt:  Neben einer wissenschaftlichen Zukunftsforschung, die seit ihrer Begründung als Futurologie den Weg einer methodisch abgesicherten, reflexiven Wissenschaft beschreitet, hat sich eine Vielfalt an Anbietern etabliert, die das Bedürfnis an Wissen über die Zukunft bedienen.

So betreibt im beschaulichen Wetzlar die phantastische Bibliothek ein Projekt namens „Future Life. We read the Future“ zur anwendungspraktischen Aufbereitung von Science-Fiction Literatur als Ressource für Innovationen und nutzt damit eine Quelle, die wie keine andere die gesellschaftliche Vorstellung von Zukunft prägt.1 Privatwirtschaftliche Einrichtungen wie das „Zukunftsinstitut“ versprechen dagegen mittels Trendforschung Veränderungsprozesse aufzuspüren und daraus Handlungsstrategien für die Zukunft abzuleiten.

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Quelle: http://grk1919.hypotheses.org/192

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Kein Interesse am unentdeckten Land

Vor 50 Jahren erkundete das Forschungsraumschiff Enterprise zum ersten Mal neue Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. Die 400 Personen starke Besatzung setzte sich zum größten Teil aus Vertretern einer Menschheit zusammen, die erwachsen geworden war, Krieg, Hunger und Rassismus überwunden hatte, Religion, Geld und – kurioserweise – Bücher nur noch als Erinnerungen an eine abgelegte Vergangenheit kannte. Während der Kalte Krieg gärte und der Civil Rights Act nur unter Mühen seinen Weg vom Papier in die gelebte Wirklichkeit fand, wurden die US-amerikanischen Zuschauer Zeugen des humanistischen Optimismus‘ des Serienschöpfers Gene Roddenberry: Die Zukunft wird großartig – und sie wird uns einen Horizont ungeahnten Ausmaßes bescheren. Wie zur Bestätigung sollte bald darauf Apollo 11 auf der Mondoberfläche landen – einen Monat nach Ausstrahlung der finalen Folge von Star Trek.

Genau 25 Jahre, eine Spin-off Serie (Next Generation) und mehrere Spielfilme später trat die Crew um Captain Kirk 1991 auf der Kinoleinwand ein letztes Mal zusammen, um zu bezeugen, wie nach dem irdischen auch im Weltall ein eiserner Vorhang fällt: In Star Trek VI sitzen Vertreter verfeindeter Machtblöcke bei einem reichlich ungemütlichen Dinner und stürzen ihr romulanisches Ale herunter, nachdem sie der Diplomatie zuliebe widerwillig auf das unentdeckte Land – die Zukunft – angestoßen haben: Mit dem Ende des erdrückenden aber wenigstens vertrauten Kalten Krieges hielt die Angst vor einer ungewissen Zukunft Einzug im Star Trek-Universum.

Und sie setzte sich fest: Die folgenden Serien des Franchise (Deep Space Nine, Voyager und das Prequel Enterprise) und Filme waren moralisch ambivalenter, füllten das All mit immer mehr neuen Bedrohungen, stürzten die Galaxis in einen Zustand post-kolonialer Zersplitterung und schließlich in einen ausufernden Krieg. Trotz ihres düsteren Untertons fügen sich diese Erzählungen aber durchaus in Roddenberrys Vision ein, indem sie diese ergänzen: Die versprochene Zukunft wird sich demnach nicht von alleine einstellen, sondern muss mühsam erarbeitet werden.

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Quelle: http://grk1919.hypotheses.org/188

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Sterben und Erben

21.07.2016 Anja Zawadzki

Es ist eine menschliche Eigenart, dass man sich eine Zukunft, in welcher man selber nicht mehr lebt, nur ungern oder gar nicht vorstellen kann und will, da dies bedeutet, sich aktiv mit dem eigenen Tod und dem, was danach kommt, auseinander zu setzen. Wahrscheinlich verfasst auch deshalb nur jeder dritte Bewohner in Deutschland ein Testament– und das, obwohl im Jahr mehrere hundert Millionen Euro vererbt werden.1 Allerdings geht es bei Testamenten nicht nur um eine bloße Verteilung materieller Güter. Armut im Alter, Angst vor Erbstreitigkeiten und der Wunsch, auf das Leben der Nachkommen Einfluss nehmen zu können, sind nur einige der Handlungsmotive, die sich in den Rechtsverfügungen widerspiegeln. Mittels Verschriftlichung versucht man sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzten und damit Ängste vor einer nicht mehr selbst beeinflussbaren Zukunft abzubauen. Durch die Tatsache, dass man sich ganz genau überlegt, was man zu vererben hat und wie nach dem Tod mit dem zu vererbenden Besitz umzugehen ist, erfüllen Testamente eine Scharnierfunktion zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.



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Quelle: https://grk1919.hypotheses.org/185

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