Die Auswirkung des Selbstwertes auf Crowdsourcing

MeissonierHaben Sie schon einmal jemanden von Ihrem neuen Vorhaben erzählt und Ihr Gesprächspartner hat abgewunken und gleich mehrere Einwände gehabt? Vorher waren Sie euphorisch, danach völlig ernüchtert? Folge: Sie werden mit diesem Menschen so schnell nicht wieder über neue Pläne sprechen. Möglicherweise werden Sie in Zukunft eher versuchen, ihn zu meiden.

Können Sie sich noch an die Rückgabe der Klausuren in der Schule erinnern? Als sie in absteigender Reihenfolge zurückgegeben wurden? Die guten zu erst und dann die immer schlechteren. Haben Sie auch einmal als einer der letzten Ihre Klausur zurückerhalten? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Folge: Schlechte Noten verursachen Angst. Mit Angst kann man nicht lernen, das hat die Neuropsychologie festgestellt. Aber leider wird hieraus schnell eine Spirale, die sich schnell nach unten dreht: Schlechte Noten, Beschämung in der Schule durch den Lehrer (beispielsweise die o.g. Prozedur der Rückgabe), Eltern schimpfen. Wollen das Beste. Streichen den nachmittäglichen Sport:“ Ab jetzt gibt es kein Fußball mehr: Du gehst jetzt zur Nachhilfe.“ Mehr Stress. Es wird immer enger. Mehr Angst. Die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft bessere Noten zu schreiben, sinkt. Einsatz von Psychopharmaka. Selbstwert im Keller. Eine mögliche Strategie des schlechten Schülers: Zusammenschluss mit anderen schlechten Schülern. In der Clique wird der größte Schmarrn gemacht. Eltern und Lehrer schimpfen (weiterer Selbstwertverlust), aber innerhalb der Gruppe der Schlechten geben sie sich dafür Anerkennung (Selbstwerterhöhung).

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie mit der Bedienung eines Gerätes oder einer Software nicht zurechtkommen. Alle anderen scheinen es zu können, nur Sie nicht. Komisch oder? Folge: Sie benutzen die Software nicht mehr. Sie bitten jemand anderen, es für sich zu tun:“ Ich kann das nicht. Ich bin viel zu ungeschickt dazu“. Falls es sich um Hardware handelt: Sie kaufen sich ein anderes Gerät.

Sozialpsychologisch kann das mit dem Attributionsfehler erklärt werden: Im Hinblick einer den Selbstwert schützenden Funktion neigen wir dazu, eigene Erfolge uns selbst, Misserfolge externen Ereignissen zuzuschreiben. Fatalerweise suchen wir aber gerade im Umgang mit dem Computer Fehler in der Bedienung bei uns selbst. Don Norman beschreibt das Phänomen wie folgt: „Ich beobachte oft, wie Menschen im Umgang mit mechanischen Geräten, Lichtschaltern und Sicherungen, Computer-Betriebssystemen und Textverarbeitungsanlagen, sogar Flugzeugen und Kernkraftwerken Fehler machen – manchmal gravierende. Unweigerlich haben die Leute ein schlechtes Gewissen und versuchen entweder, den Fehler zu vertuschen, oder sie klagen sich selbst an wegen „Dummheit“ oder Tolpatschigkeit“. Ich habe es oft schwer, die Erlaubnis zum Zuschauen zu erhalten. Niemand läßt gern einen anderen zusehen, wie er sich „dumm“ anstellt. Ich weise darauf hin, daß es sich um ein fehlerhaftes Design handelt und daß andere denselben Fehler machen. Aber wenn die Aufgabe einfach oder trivial erscheint, dann suchen die Leute die Schuld bei sich! Es ist, als ob sie auf perverse Weise stolz darauf wären, sich selbst für mechanisch inkompetent zu halten.“

Beispiel Arbeitsplatz

Belohnung ist etwas Positives und stärkt den Selbstwert. Wie werden Mitarbeiter in Unternehmen belohnt? – Mit Gehaltserhöhungen, Prämien oder Boni. Man weiß heute, dass die positive Wirkung einer zusätzlichen Geldleistung durch den Arbeitgeber nur kurz anhält und sich der Angestellte sehr schnell daran gewöhnt. Der Normalzustand ist bald wieder erreicht. Dabei gibt es eine Möglichkeit, Mitarbeiter zu guter Leistung anzuspornen, die gratis ist: Wertschätzung. Das ist sogar Beraterfirmen wie McKinsey bekannt. Die drei besten „noncash motivators“ sind demnach: Lob und Anerkennung durch den direkten Vorgesetzten, Aufmerksamkeit, sowie die Möglichkeit, Projekte in Eigenverantwortung ausführen zu können.

Das sind nur ein paar wenige Beispiele, aus denen hervorgehen dürfte, dass wir Menschen die Bestrebung haben, unseren Selbstwert zu erhöhen. Diese Situationen suchen wir. Situationen, in denen ein Selbstwertverlust droht, versuchen wir zu vermeiden. Und zwar immer, überall und jederzeit. Das kann man auch mit Crowdsourcing in Bezug setzen:

Crowdsourcing und der Selbstwert

Internetbasiertes Crowdsourcing ist technologiegestützt und basiert auf der freiwilligen Teilnahme der Nutzer. Zugegeben, die folgenden Features stützen häufig mehrere der vier genannten Bedürfnisse. Ich betrachte Sie aber hier hauptsächlich unter dem Aspekt des Selbstwertes. Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch, vollzählig zu sein; sie soll einen Denkanstoß und ein Gefühl dafür vermitteln, mit welchen Features der Selbstwert innerhalb einer Crowdsourcing-Anwendung angesprochen wird:

  • Eine fehlerfrei funktionierende sowie intuitiv und leicht zu bedienende Anwendung. Das hört sich banal an. Wer aber keine bugfreie und einfache Anwendung hinkriegt, darf sich alle weiteren Überlegungen sparen, denn der Nutzer kann mit einem einzigen Klick jederzeit abspringen.
  • Stellt die Plattform ein Diskussionsforum zur Verfügung, dann muss hier auf eine gute Netiquette und auf Fairness Wert gelegt werden.
  • „Nonfinancial motivators“, also Anerkennung. Bei ARTigo wäre das die Einladung eines besonders fleißigen Taggers durch den Museumsdirektor.
  • Feedback über den Betrag der Hilfeleistung des Nutzers.
  • Aufmerksamkeit: Bei Problemstellungen vielleicht ein Interview mit dem Nutzer, der die Lösung entdeckt hat. Wie ist er darauf gekommen? Etc.
  • Verteilungsgerechtigkeit: besonders bei Crowdsourcing-Initiativen, die von Unternehmen ausgehen, muss den Teilnehmern vermittelt werden, ob sie die Teilnahme als Ausbeutung oder faires Geschäft sehen.
  • Prozessgerechtigkeit: Wie fühlen sich Teilnehmer behandelt? Fühlen sie sich wichtig genommen und wertgeschätzt? Oder eher bedeutungslos? Auch dieser Eindruck entscheidet über die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an einem Crowdsourcing-Projekt.
  • Wieviel Sinn vermittelt die Tätigkeit? Nach Martin Seligmann geht man einer sinnhaften Beschäftigung um ihrer selbst willen nach. Da kann kommen was will, man bleibt dabei. Zudem trägt Sinn direkt zum Wohlbefinden bei. Das hat wiederum positive Auswirkungen, u.a. auf den Selbstwert.

Fazit:

Das Bestreben nach Erhöhung des Selbstwertes und Vermeidung von Selbstwertverlust begleitet uns auch bei der Arbeit am und mit dem Computer. Nutzer legen ihren Selbstwert nicht vor dem Schreibtisch nieder (und auch nicht die weiteren Bedürfnisse, um die es in dieser Artikelreihe geht). Programmierern ist das meist gar nicht erst bekannt. Es gibt an den Unis zwar den Bereich der Human Computer Interaction (HCI), der lehrt, wie man menschengerechte Software herstellt, aber die Masse der angehenden Software-Entwickler verfügt hier – wenn überhaupt – nur über rudimentäres Basiswissen, was eindeutig nicht ausreicht.

Mit HCI allein ist es aber nicht getan: Der Nutzer möchte ernst genommen werden, ein freundlicher, wertschätzender Umgangston in Foren ist ein absolutes Muss. Für eine Umgebung, in der sich der Nutzer wohl fühlt, damit er seine Kenntnisse und Fähigkeiten in das Crowdsourcing einbringen kann, braucht es Mitarbeiter, die mit Erfahrung und Fingerspitzengefühl eine solche Umgebung zu schaffen vermögen.

Weitere Artikel dieser Serie:

  1. Auftakt zur Artikelreihe: Was macht Crowdsourcing erfolgreich?
  2. Crowdsourcing: Definition und Prozessbeschreibung
  3. Die Auswirkung von Kontrolle und Orientierung auf Crowdsourcing
  4. Die Auswirkung von Gemeinschaft auf Crowdsourcing
  5. Die Auswirkung von Selbstwerterhöhung auf Crowdsourcing
  6. Die Auswirkung von Lustgewinn und Unlustvermeidung auf Crowdsourcing

Bild: “Le rieur” von Ernest Meissonier, 1865, Compiègne/Musée National du Château de Compiègne et Musée du Second Empire. Digitale Quelle: www.artigo.org

Quelle: http://games.hypotheses.org/1539

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Crowdsourcing und Bilddatenbanken: Wie erreicht man beim Tagger eine tiefere Auseinandersetzung mit den Bildern?

Das Konzept einer Softwareanwendung hat immer auch Auswirkungen auf die kognitive Leistung des Nutzers. Deshalb sollte es bewusst gewählt und die Gestaltung der Benutzerschnittstelle, der GUI (Graphical User Interface) ebenfalls mit Bedacht und keinesfalls zufällig vorgenommen werden.

In dem Artikel „Wie Bilddatenbanken nach Schlagworten jagen“ wurden bereits Tagging-Plattformen vergleichend nebeneinander gestellt.

Insgesamt kann man über kunstgeschichtliche Tagging-Plattformen sagen, dass hauptsächlich Begriffe getaggt werden, die als sichtbare Objekte im Bild vorhanden sind [1]. Auch bei ARTigo wird das deutlich. Subjektive Tags, die eine Stimmung oder Meinung zum Bild widerspiegeln, werden hingegen kaum eingegeben (z.B. „wild“, „ruhig“, „statisch“, etc.). Das liegt daran, dass diese Begriffe eine höhere Verarbeitungstiefe verlangen. Der Tagger muss sich mit dem Bild stärker auseinandersetzen und es auf sich wirken lassen. Dazu müssen ihm Anreize gegeben werden.

Wer fragt, bekommt Antworten

Bei YourPaintings geschieht das mittels eines Sets aus 6 Fragen, durch die der Tagger geführt wird:

  • Can you name any people in this painting?
  • Does this painting relate to any event?
  • What things or ideas can you see in this painting?
  • What places are shown in the painting?
  • What type of painting is this? Abstract, Landscape, Portrait … See examples.
  • What subjects do you see in this painting?

Alle Fragen werden in Bezug auf reale, im Bild vorhandene Objekte gestellt (bis vielleicht auf die Frage nach der „Idee“). Ich habe hier versucht, ein paar Bilder zu taggen und kann darüber folgendes berichten: Es ist nicht immer möglich, alle Fragen zu beantworten. Beispielsweise machen einige bei abstrakten Bildern keinen Sinn. Obwohl ich das weiß, wuchs in mir ein Gefühl der Unzulänglichkeit und ließ mich schließlich nach nur 6 Bildern abbrechen. Die Fragen sind bezüglich der Tag-Ernte von den Machern sicherlich gut gemeint. Aber führen sie eher zu Motivation oder zur Frustration? Das wäre interessant zu analysieren. Führen sie zur tieferen Auseinandersetzung mit dem Bild und zu mehr subjektiven Tags? Ich bezweifle das stark.

Wie kann man eine tiefere Auseinandersetzung erreichen? Fragen scheinen mir an sich keine schlechte Idee, um auf weitere Aspekte im Bild aufmerksam zu machen. Das Problem liegt wohl eher darin, wie diese Fragen gestellt werden:

  • Werden sie zur Inspiration angezeigt oder
  • im Sinne von „Frage und Antwort“?

Wenn sie eine neue Wahrnehmungsebene des Bildes öffnen und nicht nach formaler Beantwortung drängen, dann dürfte der Spieler es nicht als Mangel empfinden, wenn er nicht auf sie eingehen kann. Anders ist das bei einem Frage- und Antwortspiel: Jede nichtbeantwortete Frage hinterlässt – fast wie in der Schule – ein Gefühl der Unwissenheit.

Können inspirative Fragen eine Lösung sein?

Inspirative Fragen sollen Assoziationen zur Stimmung im Bild auslösen und nicht nur Objekte, die im Bild dargestellt werden, abfragen. „Wie wirkt das Bild auf dich?“ oder „Was würdest du fühlen, wenn du selbst Teil der Szene wärst?“ könnten hier als Beispiel dienen.

Aber nicht nur die Fragen selbst tragen zur Tag-Qualität bei, auch die Art ihrer Präsentation. Denn sie sollten nicht stören oder ablenken, aber doch wahrgenommen werden können.

Wäre es eine Möglichkeit, sie auditiv anzubieten? Oder ist eine visuelle Darstellung vorteilhafter? Hier bestünde die Möglichkeit, sie getrennt von der Anwendung, bzw. über das Menü erreichbar zu machen. Oder sollten sie während des Taggens ständig am Monitor sichtbar sein? Das ist gar nicht so einfach zu überlegen, denn der Tagger soll von ihnen positiv berührt und nicht genervt werden. Darin dürfte ihr Erfolg liegen.

Beim Design einer Anwendung ist stets der Mensch im Blickpunkt zu behalten, denn er interagiert mit dem Programm nach seinen Fähigkeiten. Diese auszuschöpfen und nicht zu beeinträchtigen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

 

[1] M.Weingartner, M.Arends, J.Froschauer, D.Goldfarb, D. Merkl. Analyse der Tags einer Kunst Folksonomy, in EVA 2011 Berlin: Elektronische Medien & Kunst, Kultur, Historie, die 18. Berliner Veranstaltung der Internationalen EVA-Serie Electronic Imaging & the Visual Arts, Konferenzband. – Berlin : Staatliche Museen zu Berlin, Gesellschaft z. Förderung angewandter Informatik, EVA Conferences International 2011.

Quelle: http://games.hypotheses.org/892

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Höhere Ordnung für die Tags in der Cloud

Rechts neben diesem Text unter der Twitter-Box sehen Sie die Tag-Cloud oder Tag-Wolke meines Blogs. Je größer ein Begriff dargestellt ist, desto häufiger wurde er verwendet. Die Häufigkeit über die Schriftgröße auszudrücken, ist eine Möglichkeit der Darstellung. Eine zweite Möglichkeit gruppiert die Tags nach ihrer semantischen Ähnlichkeit, d.h. dass Tags, die in der Wolke nahe beieinander stehen, kommen im selben Wortfeld vor.

Qin Gao wollte zeigen, wie die Tagging-Konsistenz von der Art der Darstellung von Tags beeinflusst wird. Hierzu wurden die Tags:

  • vergrößert dargestellt,
  • nach ihrer semantischen Ähnlichkeit gruppiert.

Wie bereits beschrieben, verwenden Anwender bereits benutzte Tags gern wieder, auch deshalb, um sich an ihre eigenen Tagging-Regeln, soweit sie sich daran erinnern, halten zu können (Wash & Rader, 2007). Außerdem steht fest, dass die Anzeige bereits verwendeter Tags als visuelle Hilfe die Tag-Auswahl des Anwenders beeinflusst (Binkowski, 2006).

Gao nahm an, dass

  1. die Visualisierung der Häufigkeit über unterschiedliche Schriftgrößen die Tagging-Konsistenz der Nutzer verbessert und
  2. dass die Visualisierung der semantischen Ähnlichkeit – hierzu werden zusammengehörige Tags gruppiert dargestellt – die Tagging-Konsistenz der Nutzer verbessert.

Zunächst sollte jeder Proband 60 Flickr-Fotos taggen (20 Stimuli und 40 Füllbilder). Anfangs war die Tag-Cloud leer und entwickelte sich mit jedem eingegebenen Tag.

Nach der ersten Tagging-Session füllten die Teilnehmer einen Fragebogen aus, bevor sie in einer zweiten Tagging-Session (Anzahl der Bilder wie zuvor) auf die zuvor entstandenen Tag-Wolken zurückgreifen konnten. Dann folgte zum Abschluss noch ein Interview.

Ergebnisse:

Bei der Häufigkeitsvisualisierung zeigte sich, dass die Größe der Tags in einer Tag-Wolke keinen Einfluss auf die Tag-Konsistenz hatte. Allerdings wurden dadurch die physischen Anforderungen signifikant verringert. Das kann mit dem Fitts‘schen Gesetz (Fitts, 1954) begründet werden, was im Resultat bedeutet, dass der Anwender weniger Zeit benötigt, wenn das Ziel, auf das er klicken soll, größer und / oder näher ist, weil die Schwierigkeit von Handbewegungen zum Zeigen und Auswählen größerer Ziele niedrig im Vergleich zu kleinen Zielen ist. Das steht in Übereinstimmung mit früheren Studien zu diesem Themenaspekt (Halvey / Keane, 2007), die zeigten, dass Tags, die mit einer großen Schrift dargestellt werden, schneller und leichter wiedererkannt werden.

Trotz des geringeren physischen Aufwandes führte die Darstellung der Tags in einer größeren Schriftgröße für häufig benutzte Tags zu einem höheren mentalen Aufwand, weil die visuelle Attraktivität von populären Tags andere nützliche Informationen verdecken kann, die weniger populär sind (Zeldman, 2005). D.h. auch klein dargestellte Tags können wichtig sein und es ist zusätzlicher mentaler Aufwand nötig, das zu erkennen.

Werden Tags zusätzlich semantisch gruppiert, erscheinen größer und kleiner dargestellte zusammengehörige Begriffe örtlich gruppiert. Die zusätzliche Visualisierung der semantischen Ähnlichkeit verbessert die Konsistenz von Tags signifikant, ohne die Arbeitsbelastung des Nutzers zu erhöhen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Nutzer dazu tendieren, ein Ziel mit mehreren Tags aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben, wobei diese Tags häufig von unterschiedlicher Popularität sind.

Anwender verwenden bereits benutzte Tags gerne wieder, um eine gewisse Konsistenz beim Taggen zu erzielen, scheitern aber in der Praxis häufig wegen der hohen Anzahl an Tags und Regeln daran. Deshalb ist es sinnvoll, die schwierige Aufgabe, sich an bereits verwendete Tags wieder zu erinnern, dadurch zu erleichtern, dass relevante Tags in Clustern dargestellt werden. Das ermöglicht dem Nutzer (logische) Rückschlüsse der Verbindungen der Tags untereinander.

Außerdem können Nutzer besonders hierfür ihr Ortsgedächtnis einsetzen, was zwei Teilnehmer ausdrücklich berichteten.

So, jetzt habe ich gelernt, dass mich die Tag-Wolke meines Blogs zwar physisch, nicht aber im Hinblick auf eine zu erreichende Konsistenz der Tags unterstützt. Da muss es mich nicht wundern, dass ich mit der Konsistenz der Kategorien und Schlagwörter, die ich vergeben kann, zu kämpfen habe und eigentlich nie richtig zufrieden bin. Vielleicht ist das ja eine zukünftige Perspektive für das Hypotheses-Team, eine semantisch geordnete Tag-Cloud zur Verfügung zu stellen :-)
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Weitere Artikel zu diesem Thema:

 

Literatur:

Qin Gao: An Empirical Study of Tagging for Personal Information Organization: Performance, Workload, Memory, and Consistency. In: International  Journal of Human-Computer Interaction, 27/7-9, 2011, S. 821-863

Quelle: http://games.hypotheses.org/861

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Taggen zur Organisation persönlicher Daten birgt Frustrationspotential


In diesem Experiment von Qin Gao wurden 40 Probranden bezüglich ihrer Leistung, Arbeitsbelastung und Gedächtnisleistung untersucht. Hierzu sollten Sie ein Organisations-Schema aufbauen und 38 Texte (Artikel) in einer Kategorisierungs- oder Tagging-Aufgabe organisieren. Dabei wurde die Zeit gemessen, die sie dafür benötigten und mittels eines Fragebogens ihre Zufriedenheit. In einem späteren Interview wurden die Teilnehmer nach ihren Gewohnheiten zu ihrem persönlichen Informationsmanagement befragt.

Die Ergebnisse für die Organisation von Informationen sind wie folgt:

Die Tagging-Teilnehmer berichteten eine höhere Arbeitsbelastung und Frustration als die Kategorisierungs-Teilnehmer. Das dürfte daher rühren, dass die Nutzer verschiedene Ziele mit ihren Tags erreichen möchten (Selektion von Tags für diverse Gelegenheiten führt zu mehr Tags; unterschiedliche Ebenen der Spezifität werden mit Tags bezeichnet, Beschreibung von verschiedenen Perspektiven des Inhalts), dies aber nicht immer schaffen, da sie beim Taggen gegen eigene Regeln verstoßen und somit Konsistenz nicht immer erreichen können.

Die Ergebnisse in der Information-Retrieval-Aufgabe

In dieser Aufgabe geht es um das Wiederfinden von Information, die zuvor organisiert wurde. Es wurden keine großen Unterschiede zwischen beiden Gruppen (Tagging/Kategorisierung) in der Bearbeitungszeit gemessen, allerdings gab es einen signifikanten Unterschied in der Fehlerrate. Die Fehlerrate der Tagger war höher als die der Probanden, die die Informationen über eine Ordnerstruktur wiederfinden sollten. Dafür gibt es folgende Gründe:

  • Ein Ordnersystem erlaubt im Gegensatz zum Tagging-System eine systematische und erschöpfende Suche, da vom Allgemeinen zum Besonderen gesucht werden kann.
  • Der Mangel einer klaren Struktur und die Schwierigkeit, die Konsistenz eines Tagging-Systems bewahren zu wollen, trägt zur höheren Fehlerrate bei.

Idealerweise können Tagging-Nutzer jeden Artikel mit zwei Klicks erreichen (einen Klick für den Tag, einen für den Artikel), was häufig weniger Klicks erfordert, als die Information in einem hierarchischen Ordnersystem wiederzufinden. Allerdings zeigten die Ergebnisse, dass die Gesamtzahl der Klicks, die ein Tagging-Nutzer für die Retrieval-Aufgabe benötigte, ähnlich zu der der Ordner-Nutzer war. Dies ist mit der hohen Fehlerrate beim Taggen verbunden, die den Vorteil der flachen Struktur aufhebt. Deshalb zeigen die Ergebnisse, dass es beim Taggen keine signifikante Reduktion in der Anzahl der Klicks gibt.

Die Tagger empfanden einen höheren Zeitdruck, als die Teilnehmer, die Ordner verwendeten. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass Retrieval-Aufgaben mehr kognitive Ressourcen von Tagging-Teilnehmern erfordern, als von Nutzern des hierarchischen Systems.

Der Vergleichstest für die Gedächtnisleistung zeigte, dass Tagger dazu tendierten, ein besseres Gedächtnis für das getaggte Material zu haben, als die Kategorisierungs-Teilnehmer, obwohl der Unterschied nicht signifikant war.

Sowohl in der Organistations- als auch in der Retrieval-Aufgabe wurden keine signifikanten Unterschiede in der Nutzerzufriedenheit zwischen beiden Gruppen festgestellt.

Obwohl die Tagger bei Organisationsaufgaben mehr Frustration zeigten, da ihnen klar war, dass sie Inkonsistenzen nicht vermeiden konnten, zeigten sie sich ähnlich zufrieden, wie die Ordner-Nutzer. Das könnte meiner Meinung nach mit dem sog. „Spreading-apart-Effekt“ begründet werden: Nach schwierigen Entscheidungen wird die gewählte Alternative aufgewertet und die nicht gewählte abgewertet (siehe hierzu auch Kognitive Dissonanz), so dass das zunächst empfundene Frustrationsgefühl dadurch verdrängt wird.

Fazit: Taggen ist kognitiv aufwändiger als Informationen in einem hierarchischen System zu verwalten. Vereinfacht kann man sagen, dass der Nutzer beim Taggen leicht den Überblick verliert; er kann letztlich seine Daten nicht „perfekt“ verwalten; seine Tags sind inkonsistent.

Meine Erklärung dafür ist, dass wir evolutiv bedingt stark in Kategorien denken und alles sofort darin einteilen. Das ist ein Mechanismus, der uns Menschen überlebensfähig macht. Tags überfordern uns in gewisser Weise. So schnell, wie sich die Technik ändert und neue Möglichkeiten schafft, können wir uns aber nicht anpassen. Gao stellt daher fest, dass die Frage nicht lauten darf: „Wird Tagging die Kategorisierung von Daten ersetzen?“, sondern lauten muss: “ Wie kann Tagging zusätzliche Informationen zur Kategorisierung bereitstellen?“

Die Vorteile, beide Systeme miteinander zu verbinden, dürfte die Lösung sein, damit der Nutzer seine kognitiven Leistungen zu einem höheren Grad ausnutzen kann.

Literatur:

Qin Gao: An Empirical Study of Tagging for Personal Information Organization: Performance, Workload, Memory, and Consistency. In: International  Journal of Human-Computer Interaction, 27/7-9, 2011, S. 821-863

Quelle: http://games.hypotheses.org/843

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