„… und wenn Typen dabei kaputtgehen“

„… und wenn Typen dabei kaputtgehen“

Die Ankündigung von Andreas Baader im Zuge des dritten Hungerstreiks der RAF-Häftlinge ab September 1974 sollte sich bewahrheiten:[1] Am 9. November 1974 starb Holger Meins im Alter von 33 Jahren, 1,83 Meter groß und 40 Kilo schwer, nach zwei Monaten Hungerstreik und fast zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Wittlich in der Eifel.[2] Am 21. November 1974 druckte der „Stern“ das Foto von Holger Meins auf dem Totenbett.[3] Es sollte Eingang in das kulturelle Gedächtnis der Bundesrepublik finden. Obwohl es viele Bilder von Holger Meins gibt, war es dieses Foto, welches bis heute das Bild von Meins und auch der RAF prägt. In vielen Publikationen und Filmproduktionen wird es entweder gezeigt oder darauf rekurriert, und auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Foto und Meins‘ Rolle als „Ikone“ der RAF-Geschichte bricht seitdem nicht ab.[4]

Im Folgenden soll es jedoch weniger um die Wirkungsgeschichte des Fotos gehen als vielmehr um die Frage, wie es eine derartige Wirkmächtigkeit entwickeln konnte.[5] Das Foto von Meins kann dabei exemplarisch für die Rolle von Bildern in der Beziehung von Mediengesellschaft und Terrorismus gesehen werden.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2017/01/09/und-wenn-typen-dabei-kaputtgehen/

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„Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun?

„Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun?

Videoauge der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Berlin, 9. November 2007. Foto: Cory Doctorow, Quelle: Flickr CC BY-SA 2.0

„Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun?“ – so lautet der vielleicht etwas rätselhafte und ungewöhnliche Titel meiner heutigen Abschiedsvorlesung.[1]

„Video. Zu Ihrer Sicherheit“ –  so ist auf Hinweisschildern an und in U-Bahnhöfen in Berlin und auch in den Bahnen selbst zu lesen.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/10/02/video-oder-was-haben-die-berliner-verkehrsbetriebe-bvg-mit-homer-zu-tun/

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Das „ikonografische Rückgrat“ der Welthandelsfrucht Banane

Schulwandbild „Die Banane“, um 1925
Herausgeber: Leipziger Verlagshaus der Spamerschen Buchdruckerei / Sammlung MdA, Stiftung historische Museen Hamburg (SHMH) ©

Die Banane wurde seit Jahrhunderten dort konsumiert, wo sie wuchs: in tropischen und subtropischen Regionen. In den gemäßigten Klimazonen des Nordens war ihr Konsum bis Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Dank der wissenschaftlichen Fortschritte, vor allem in der Dampfschifffahrt und durch die Entwicklung von Kühltechniken, gelang es, die leicht verderblichen, empfindlichen Früchte schneller und sicherer über die Weltmeere zu transportieren, sodass sie die Märkte sowohl des Nordens als auch des Südens unverdorben erreichten. Damit war eine der wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, durch die sich Ende des 19. Jahrhunderts aus einigen Gelegenheitsexporten ein bedeutendes Handelsgeschäft mit diesen Früchten entwickeln konnte, und zwar sowohl hinsichtlich der Pflanzungen in tropischen Regionen weltweit als auch hinsichtlich des Vertriebs und des Konsums. Die Banane wurde innerhalb der vergangenen 130 Jahre zu einer bedeutenden Welthandelsfrucht.

Was sind die Gründe dieser Erfolgsgeschichte? Warum flaute das Konsuminteresse im Laufe der Jahrzehnte nicht wieder ab, sodass Bananen neben anderen tropischen Produkten und dem Angebot an lokal wachsenden Früchten zu einem Obst unter vielen wurden?

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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/02/23/das-ikonografische-rueckgrat-der-welthandelsfrucht-banane/

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Bilder der Erinnerung

Plakat der Kampagne „Operation Last Chance II“ des Simon-Wiesenthal-Centers

1986 stellte die US-amerikanische Historikerin Sybil Milton fest, dass die visuelle Repräsentation des Holocaust aus einem wiederkehrenden Repertoire an Bildern schöpfe, das sich bemerkenswerterweise vom historischen Quellenbestand gelöst habe. Obwohl mehr als zwei Millionen Fotografien überliefert seien, so Milton, würden in der populären und wissenschaftlichen Literatur immer wieder dieselben Bilder genutzt, um die Geschichte des Holocaust zu veranschaulichen.

Ihrer Beobachtung folgten Arbeiten, die sich verstärkt der medialen Visualisierung des Holocaust in der Erinnerungskultur zuwandten und die fotografische Repräsentationsgeschichte als Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse entdeckten. Unter dem Aspekt der Tradierung verweist dieses sich wiederholende Set an Bildern auf ein kollektives Bildgedächtnis an den Holocaust. Es besteht aus Fotografien, die zu Ikonen geworden sind: das Torhaus von Auschwitz-Birkenau, das Foto mit dem Jungen aus dem Warschauer Ghetto oder das Porträt von Anne Frank, genauso wie aus Zeichen: den Stacheldraht und den „Gelben Stern“, und Motivgattungen: z.B. die strukturierten Reihen der Deportationen und Lagerappelle, mit denen die Geschichte für die Gegenwart symbolisiert wird.

Bislang ist aber nur wenig darüber bekannt, in welcher Art und Weise diese bildsymbolische Ordnung die Wahrnehmung des Holocaust im sozialen Alltagsgedächtnis beeinflusst.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/08/10/bilder-der-erinnerung/

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Archiv-August #2: Kırmızılı Kadın – The Woman in Red

Twitter: esé Juni 2013

 

Archiv-August #2: Der zweite Beitrag unserer Reihe erschien erstmals am 13. April 2015. Viel Spaß beim Lesen!

 

Hintergründe der Gezi-Park-Proteste

Als Ende Mai 2013 die Proteste auf dem Taksim-Platz in Istanbul und kurz darauf in vielen Städten der Türkei entflammten, hatten die Hinter- und Beweggründe bereits eine lange Geschichte, deren Einzelheiten und Verflechtungen in der Retrospektive nur schwer zu trennen und rekapitulierbar scheinen. Zur Einordnung der Bildikone The Woman in Red (auch: lady in red oder girl in red) / Kırmızılı Kadın in die Interessenkonflikte um den Gezi-Park empfehlen sich umfassende Abhandlungen der politischen Situation in der Türkei.[1] Die islamisch-konservative AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi, zu Deutsch etwa: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan ist seit 2002 ununterbrochen stärkste Partei des Parlaments.

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Quelle: https://visual-history.de/2021/08/16/kirmizili-kadin-p-the-woman-in-red/

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Kollektive Bilderwelten von Flucht und Vertreibung

GEO Nr. 11/2004, S. 110f. Foto von Fred Ramage: Berlin, 14. Dezember 1945

Stephan Scholz von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hat in Heft 1/2014 der „Zeithistorischen Forschungen“ die veröffentlichten Fotos zum Thema Zwangsmigration der Deutschen aus dem Osten am Ende des Zweiten Weltkriegs untersucht. Sein Befund ist überraschend:

„Trotz der erst geringen Zahl an Untersuchungen zeichnet sich bereits ab, dass das veröffentlichte Motivkorpus zum Thema Flucht und Vertreibung recht begrenzt ist, was teilweise die Folge einer relativen Bildknappheit zu diesem historischen Ereigniskomplex ist. Demgegenüber besteht ein zunehmender ‚Illustrationszwang‘ vor allem in den populären Erinnerungsmedien, der zur Reproduktion einer Vielzahl ähnlicher Bilder führt, die bestimmten Sehgewohnheiten und Bilderwartungen entsprechen. In dem Labyrinth nahezu austauschbarer Bilder ist dabei im Einzelnen oft schwer zu bestimmen, was das jeweilige Foto konkret zeigt und in welchem Zusammenhang es entstanden ist. Trotz vermeintlich eindeutiger Textbeigaben und teilweise langer Traditionslinien der Bildverwendung sind Fotos nicht selten aus ihrem historischen Entstehungskontext herausgelöst und erst nachträglich zu Bildern von Flucht und Vertreibung umcodiert worden.“

GEO Nr. 11/2004, S. 110f. Foto von Fred Ramage: Berlin, 14. Dezember 1945

GEO Nr. 11/2004, S. 110f.
Foto von Fred Ramage: Berlin, 14. Dezember 1945

Buchcover: Ulrich Völklein, „Mitleid war von niemand zu erwarten“. Das Schicksal der deutschen Vertriebenen, Droemer, München 2005

Buchcover: Ulrich Völklein, „Mitleid war von niemand zu erwarten“. Das Schicksal der deutschen Vertriebenen, Droemer, München 2005

Ein Beispiel aus dem Artikel: Ein Foto des britischen Pressefotografen Frederick Ramage (1900-1981) zeigt eine Gruppe von Frauen und Kindern auf verschneiten Gleisen sitzend, die in einem Bericht des Magazins „GEO“ über Flucht und Vertreibung als deutsche Flüchtlinge oder Vertriebene erscheinen (GEO Nr. 11/2004, S. 110f.). Ein Bild aus derselben Serie wurde 2009 von der „Süddeutschen Zeitung“ verwendet und mit dem Textkommentar versehen: „Vertriebene laufen entlang einer Eisenbahntrasse in Richtung Berlin“. Das Porträt einer der abgebildeten Frauen mit Kind im Arm diente 2005 auch als Coverfoto zum „Schicksal der deutschen Vertriebenen“ – mit Erlebnisberichten von Zeitzeugen, die in dem Foto ihre vermeintliche Repräsentation fanden.

Süddeutsche Zeitung, 28.2./1.3.2009 Foto von Fred Ramage

Süddeutsche Zeitung, 28.2./1.3.2009
Foto von Fred Ramage

Dass es sich bei den abgebildeten Personen aber tatsächlich um deutsche Flüchtlinge oder Vertriebene handelt, kann aus den Daten der Agenturen, die das Foto anbieten, nicht abgeleitet werden. Der Droemer-Verlag hatte das Porträt von Corbis bezogen, wo es unter dem Titel „Polish Refugees, 1945“ verzeichnet ist. Bei der Agentur Getty Images, von der die Bildvorlagen für den „GEO-Beitrag“ und den Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ stammen, ist in der Online-Datenbank von „survivors of an original 150 Polish people“ die Rede. [...]

 Lesen Sie weiter: Stephan Scholz, Ein neuer Blick auf das Drama im Osten? Fotografien in der medialen Erinnerung an Flucht und Vertreibung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 1 (2014), H. 1

Auch der Spiegel (42/2014 ) und die Welt (16.10.2014) sowie das polnisches Online-Portal onet. nehmen Bezug auf den Beitrag von Stephan Scholz in den „Zeithistorischen Forschungen“.

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/10/22/kollektive-bilderwelten-von-flucht-und-vertreibung/

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Foto(grafen)-Ikonen und Forschungsdesiderate

Károly Kincses (Fotomuseologe, Fotohistoriker und Kurator) in seinem Büro im Mai Manó-Haus.

Visual History: ARCHIVSOMMER 2023
Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erfolgte im Dezember 2013

Der Kauf eines Flugtickets nach Budapest erscheint heutzutage vergleichbar mit dem Erwerb einer Eintrittskarte für die Weltmeisterschaften im Tauziehen. Die Erlebnisse, die man vor Ort sammelt, die Gespräche, die man führt, werfen den reisenden, neugierigen Fragesteller unmittelbar in die Arena. Er wird augenblicklich zum Zuschauer dieses „Spektakels“.

Grundlegend unterschiedliche Auffassungen von Demokratie, Freiheit, Kultur und Kulturpolitik prallen in Ungarn aufeinander. Es wird gezogen und gezerrt, erbittert um Einfluss gekämpft, wobei man den Eindruck bekommt, dass in den letzten Jahren immer häufiger, neben Werten wie Vielfalt oder Offenheit in der (Kultur-)Politik, auch der kleinste gemeinsame Nenner auf der fachlichen Ebene unter die Räder gerät. An welchem Ende des Seils steht man? Nur das zählt einzig und allein.

Károly Kincses (Fotomuseologe, Fotohistoriker und Kurator) in seinem Büro im Mai Manó-Haus



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Quelle: https://visual-history.de/2023/08/10/fotografen-ikonen-und-forschungsaufgaben/

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