Erasmus-Postille

Titelbild: Babak Fakhamzadeh

Erasmus von Rotterdam und Martin Luther waren sich nicht grün. Als überragende Gestalt der europäischen Gelehrtengemeinschaft war Erasmus einst auch von Luther bewundert worden; Erasmus seinerseits hatte die Kritik des jungen Augustinermönchs an den Praktiken der Papstkirche zur Kenntnis genommen, die seinen eigenen Auffassungen entsprochen haben dürfte. Aber mit der römischen Kirche wollte Erasmus nicht brechen. Und wer sich nicht auf die Seite des Wittenberger Reformators stellte, war in der akuten Gefahr, eines Morgens als dessen Feind zu erwachen. Auch der unumstrittene Humanistenstar des frühen 16. Jahrhunderts war davor nicht gefeit. Öffentlichkeitswirksam vollzogen wurde der Bruch 1524. Erasmus veröffentlichte in diesem Jahr seine Abhandlung über den freien Willen (De libero arbitrio), in der er die freie Entscheidungsmöglichkeit des Menschen zwischen dem Guten und dem Bösen für ein Geschenk Gottes hielt. Martin Luther antwortete ein Jahr später mit einer Schrift über den geknechteten Willen (De servo arbitrio). Darin argumentiert er, der Mensch besitze keinen freien Willen im umfänglichen Sinn, weil er sich beispielsweise nicht dafür oder dagegen entscheiden könne, der göttlichen Gnade teilhaftig zu werden.

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Quelle: https://meinjahrmitluther.wordpress.com/2017/01/17/erasmus-postille/

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#refhum|Online-Presseschau “Völkerwanderung”

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Blogparade #refhum. Nach den neuerlichen terroristischen Anschlägen in Paris ist zu befürchten, dass sich die Rhetorik in der Flüchtlingsdebatte weiter zuspitzen wird. Bereits auf einer der letzten AfD-Demos warnte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland vor einer Völkerwanderung … Weiterlesen

Quelle: http://archphant.hypotheses.org/176

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32. Lepanto oder Der fortgesetzte Missbrauch der Vergangenheit

Es war einmal in Rompizzeria lepanto

Konrad Adam war in Rom. Ist wohl schon ein paar Jahre her, aber aus halbwegs aktuellem Anlass scheint ihm diese Reise wieder in Erinnerung gerufen worden zu sein. Bei dieser Romreise besuchte er den Palazzo eines namentlich nicht genannten Marchese an der Piazza Navona. Der Palazzo beherbergt die Fahne, die Don Juan d’Austria während der Schlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 auf seinem Schiff mit sich führte. Lepanto! Welch‘ Triumph der Christenheit über die ‚ungläubigen Erzfeinde‘ aus dem Osmanischen Reich! Und die Fahne, die als Zeuge für diesen unübertrefflichen Sieg bürgt, hängt immer noch in einem römischen Palazzo! Und Konrad Adam hat sie gesehen! (Sie zu berühren wagte er nicht, der weinrote Brokat schien ihm zu brüchig.) All das weckte in ihm die Erinnerung an dieses große Ereignis, an die Seeschlacht am Golf von Patras, als sich das Osmanische Reich und die „Heilige Liga“ (Papst, Spanien, Venedig, Genua, Malteser, einige italienische Fürstentümer) ein blutiges Gemetzel lieferten. Dabei versuchte, wie Konrad Adam es beschreibt, die „türkische Flotte die Schiffe der Liga zu umfahren und ihnen in den Rücken zu kommen“ (wie hinterhältig!). Aber: „Das Manöver misslang, die christlichen Streitkräfte erwiesen sich als disziplinierter und stärker.“ (Hatten wir auch nicht anders erwartet.) „Die Türken verloren an die 180 Schiffe, die Liga nur zwölf.“ (Dem Herrn sei‘s getrommelt!) „Und sie befreite an die 12.000 christliche Galeerensklaven, die für die Türken hatten rudern müssen.“ (Gloria! Victoria!)

Verfehlter Geschichtsunterricht

Weder der Besuch in einem römischen Palazzo noch die Erinnerung an Lepanto würde irgendjemanden interessieren – wenn es nicht zufällig als Artikel auf Seite 2 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stünde und wenn der Verfasser nicht zufällig Bundessprecher der Partei „Alternative für Deutschland“ wäre. [1] Eben jener Konrad Adam erinnert uns am christlichen Sonntag in einer Sonntagszeitung daran, welche Bedeutung Lepanto doch einst für die Christenheit besessen hat. Fragt sich nur, warum diese Erinnerung ausgerechnet in dieser Zeit?

Vielleicht geht es um ein wenig Geschichtsunterricht? Der Frühneuzeitler in mir freut sich natürlich, wenn ein Ereignis aus dem 16. Jahrhundert einen prominenten Platz im Politikteil einer großen Sonntagszeitung bekommt. Derselbe Frühneuzeitler in mir ärgert sich aber maßlos, wenn dieses Ereignis in derart verkürzender bis verfälschender Weise für propagandistische Zwecke missbraucht wird, so als seien seither nicht über vier Jahrhunderte ins Land gezogen. Was historisch gesehen an Lepanto wirklich wichtig war, sind zwei Dinge: Erstens verlor das Osmanische Reich (und nicht „die Türken“, wie Adam unkorrekt immer wieder schreibt) seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit. Das hat den europäischen Mächten damals sichtlich gut getan. Zweitens löste Lepanto in ganz Europa einen nachhaltigen Propagandakrieg gegen die Osmanen aus, der sich in zahlreichen Gemälden, Kapellen, Festen, Flugblättern usw. niederschlug. Darin wurden die göttliche Fügung des Geschehens und die Bedeutung des militärischen Schlags gegen den ‚ungläubigen Erzfeind‘ gebührend gefeiert. Es scheint fast so, als wollte Adam hier nahtlos anschließen.

Ansonsten ist aber vor allem interessant, was Adam alles auslässt. Er erwähnt zum Beispiel nicht, dass das Heilige (sic!) Römische Reich Deutscher Nation an der Heiligen (sic!) Liga herzlich wenig Interesse hatte, sondern lieber den Separatfrieden mit den Osmanen aufrechterhalten wollte. Er erwähnt auch nicht, dass Frankreich viel eher an einem Bündnis mit den Osmanen als mit dem Papst, mit Spanien oder den italienischen Staaten interessiert war. Er erwähnt auch nicht, dass die Heilige Liga 1573 schon wieder auseinanderbrach und Venedig einen Separatfrieden mit den Osmanen schloss – weil ihnen Geschäfte und Kooperationen wichtiger erschienen als kostspielige Kriegsführung. Er erwähnt auch nicht die zahlreichen Auseinandersetzungen, die das Zustandekommen der Liga im Vorfeld massiv erschwerten. Er erwähnt auch nicht, dass diese Niederlage die Osmanen nur kurz schwächte; die Flotte war im Nu wieder aufgebaut, so dass Voltaire in einer historischen Rückschau die Vermutung äußern konnte, Lepanto mute eher wie ein Sieg der Osmanen an. Und schließlich erwähnt er auch nicht, dass nicht nur in den Galeeren der Osmanen christliche Sklaven als Ruderer schuften mussten. Auch die Galeeren der Spanier, Venezianer, Genuesen, Malteser oder des Papstes bewegten sich überraschenderweise nicht mit Ökostrom vorwärts, sondern mit der (unfreiwilligen) Hilfe – tausender christlicher Galeerensklaven! Nicht selten handelte es sich um Strafgefangene, für die das Verbüßen ihrer Strafe auf einem solchen Schiff einem nahezu sicheren Todesurteil glich. Aber um solche historischen Differenzierungen muss sich Konrad Adam nicht kümmern, denn dadurch könnte die eigentliche Botschaft verwässert werden.

An die Ruderbänke!

Es geht also nicht um Geschichtsunterricht, es geht auch nicht um ein Jubiläum dieser Schlacht, das demnächst anstehen würde – man wird also nicht ganz fehlgehen, dahinter eine (partei-)politische Intention vermuten zu dürfen. Schade, dass sich die FAS für so etwas hergibt. Garniert wird der Artikel zu allem Überfluss auch noch mit einem Gemälde von Vassilacchi, das untertitelt ist als „Untergang des Morgenlandes“. Eine Einladung für die anstehenden Pegida-Demonstrationen, bei denen sich „Lepanto“ vielleicht als neuer Schlachtruf etablieren wird.

Der Artikel firmiert unter dem kaum missverständlichen Titel „Wie die Christen schon einmal die Türken schlugen“. Das ruft doch geradezu nach Wiederholung! Also ab in die Boote, ihr AfD-Wähler und Pegida-Anhänger, schlagt die ‚Ungläubigen‘, wo ihr sie trefft! Aber passt auf, dass ihr nicht unter Deck landet, angekettet an die Ruderbänke, während oben andere das Kommando führen …

Was lernen wir aus diesem ansonsten gänzlich zu vernachlässigenden Beitrag?

  1. Missbrauche nicht die Vergangenheit in vereinfachender und verfälschender Form für billige politische Anliegen der Gegenwart.
  2. Wenn du schon von dieser Vergangenheit erzählst, dann tue es in möglicher komplexer, möglichst zahlreiche Aspekte berücksichtigender Form.
  3. Wenn du schon einen Artikel schreibst, in dem billige Ressentiments gegen Andere bedient werden, dann schreibe wenigstens einen guten Artikel. Üble Beiträge mit üblen Inhalten sind eine doppelte Beleidigung.
  4. Wenn du etwas aus Lepanto lernen willst, dann lerne dies: Es ist wirklich für alle Beteiligten besser, auf gegenseitige Anerkennung und Zusammenarbeit zu setzen als auf gegenseitiges Abschlachten.

Muss man so etwas wirklich noch hinschreiben?

[1] Konrad Adam, Wie die Christen schon einmal die Türken schlugen. Die Seeschlacht von Lepanto ist über 400 Jahre her. Der AfD-Politiker Konrad Adam ruft die Erinnerung wach, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 4. Januar 2015, S. 2.


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Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2015/01/04/33-lepanto-oder-der-fortgesetzte-missbrauch-der-vergangenheit/

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