(Text eines unbekannten Verfassers) Im Wintersemester 1953/54 organisierte Professor Rückriem eine Exkursion ins Ruhrgebiet, die uns vor allem mit Formen und Arbeitsbedingungen der modernen Industriegesellschaft bekannt machen sollte. Fast 30 Mitglieder unseres Semesters nahmen an der Fahrt teil. Sie führte … Weiterlesen →
Aldo Moro Opernheld
Ein zahlreiches und begeistertes Publikum wohnte am Freitag, dem 9. Dezember 2016, im Teatro Palladium zu Rom der Weltpremiere von „Un’infinita primavera attendo“ (Einen nicht endenden Frühling erwarte ich) bei, einer Kurzoper in einem Prolog und neun Szenen mit Aldo Moro als Protagonisten. Eine Verspätung der historiographischen Auseinandersetzung mit dem 1978 von den Roten Brigaden ermordeten Christdemokraten und zweimaligen italienischen Ministerpräsidenten beklagt im Programmheft der veranstaltenden Accademia Filarmonica Romana deren Präsident Paolo Baratta. Man habe deshalb zur hundertsten Wiederkehr von Moros Geburtstag gemeinsam mit dem Istituto della Enciclopedia Italiana Treccani einen Impuls geben wollen, einen Impuls in Form eines Auftrags zur Komposition einer Aldo Moro-Oper. Herausgekommen ist in jedem Fall ein wieder überzeugendes Zeichen des Engagements der altehrwürdigen (deswegen keineswegs angestaubten) römischen Musikakademie für die Neue Musik und für Italiens junge Komponistengeneration. Sandro Cappellettos Text ist kein wirklich politischer Operntext und schon gar kein agitativer. Aldo Moro alias Il Presidente (Daniele Adriani, Tenor) wird vor allem in seinen christlich-humanistischen Zügen gezeichnet und über eine Sequenz mehr oder weniger distinkter Bilder in dieser seiner Gesinnung bestätigt. Aber er ist von Anfang an vor allem Opfer, Opfer einer alles beherrschenden Feindseligkeit und Gewaltsamkeit zumal zwischen den ideologisch verhärteten politischen und gesellschaftlichen Fronten. Moros unablässiges Bemühen, Brücken zu schlagen und Prioritäten der Menschlichkeit und des Dialogs zu setzen, führt ihn in erschütternde Konfrontationen mit einer sich intellektuell gebärdenden, aggressiv herausfordernden Presse, mit von Kommunistenangst neurotisierten politischen „Partnern“ – glänzend die Szene mit dem amerikanischen Senator (Giorgio Celenza, Bass, zugleich dritter Journalist) auf einer Hotelterrasse in Puerto Rico – sowie mit dem rigorosen Apparat der Heiligen Kirche.
[...]
Michel Foucault und das Mittelalter? Analysebegriff „Heilsökonomie“
Dieser Beitrag ist das zweite Diskussionspapier in unserer Reihe zur Rezeption der Werke und Ideen Michael Foucaults in den deutschen Geschichtswissenschaften. Der am 27. November 2016 veröffentlichte Artikel zur Einführung in diese Reihe ist hier verfügbar.
Im Mittelalter erfolgte ein langwieriger, aber einschneidender christlich-normativer Wandel, der nicht mit dem Begriff der Christianisierung gleichzusetzen ist. Dieser kann je nach Verwendung bereits die bloße Taufe durch vorbeiziehende Wanderprediger bezeichnen, mit der nicht zwangsläufig ein Verständnis und eine vollständige Übernahme christlicher Glaubensinhalte und Deutungen der Lebenswelt einhergingen. Arnold Angenendt schilderte die Konversion der Stammesgesellschaften wie folgt:
[…] der Wechsel zum Christentum […] forderte […] den totalen Bruch mit der Welt der Vorfahren und den von ihnen begründeten Lebensregeln. Die alten Traditionen, die in nichtschriftlichen Gesellschaften das alleinige Lebensfundament bilden, wurden zerstört, und zugleich mußten neue Traditionen aufgebaut werden, weil nur im Rahmen und in der Form von Tradition die zum Leben notwendigen Regeln verstanden werden konnten.[1]
[...]
Hilde Ottenheimer (1896–1942)
Nimmt man die Geschichte der jüdischen Sozialarbeit in den Blick, begegnet man in unterschiedlichen Zusammenhängen Hilde Ottenheimer. Sie wirkte als Geschäftsführerin des Würtembergischen Landesverbandes für Israelitische Wohlfahrtsbestrebungen (1919 bis 1922), danach für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, wo sie an Periodika wie Zedakah und Nachrichtendienst und später an der Jüdischen Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik mitarbeitete. Sie lieferte reformorientierte Beiträge zur jüdischen Sozial- und Jugendarbeit, Wohlfahrt, aber auch zur jüdischen Kultur.
Über ihre bis heute relevanten Publiktionen hinaus wissen wir allerdings nur eher wenig über sie.1 Ein rares Selbstzeugnis finden wir in ihrem Lebenslauf vom 29. Juni 1933, der ihrem an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin gerichteten Antrag um Zulassung zum Doktorexamen beiliegt. Ihr darin skizzierter Bildungsweg hatte zeitbedingt kaum geradlinig verlaufen können:
Ich bin am 11. Dezember 1896 in Ludwigsburg geboren. Nach Absolvierung der zehnklassigen Mädchenrealschule und eines einjährigen Kursus in einer höheren Handelsschule in Stuttgart arbeitete ich zwei Jahre als Bürogehilfin.
[...]
Quelle: http://akjw.hypotheses.org/113
Portale und Blogs zur Landesgeschichte
Die meisten wichtigen Portale sind in einer AG zusammengeschlossen:
http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/ag/mitglieder.html
Es gibt dort aber auch – teils unverständliche – Lücken.
Bayern
Es fehlt http://www.bavarikon.
[...]
Quellen gegen Mythos und Verteufelung von „68“
Bestände des IfZ-Archivs zur Studentenbewegung
Text: Xaver Kretzschmar
„MORD AN RUDI DUTSCHKE? // Heute Nachmittag um 17 Uhr wurde Rudi Dutschke auf dem Kudamm durch mehrere Schüsse ins Gesicht niedergeschossen. Rudi Dutschke schwebt in höchster Lebensgefahr. // HAT SPRINGERS PROGROMHETZE NACH BENNO OHNESORG EIN NEUES TODESOPFER GEFORDERT? // Wenn wir uns nicht sofort zur Wehr setzen // WIRD SPRINGER WEITER MORDEN“

So lautet der Text eines Flugblatts zum Aufruf zu einer „Aktionsbesprechung“ am 11. April 1968, dem Tag des versuchten Attentats auf Rudi Dutschke. Das Jahr 2018, der Zeitpunkt an dem „1968“, der Höhepunkt der Studentenbewegung und auch des Attentats, ein halbes Jahrhundert zurückliegen wird, liegt noch in der Zukunft.
[...]
Wiener Nachträge I: Das Problem Wikileaks
In meinem Referat auf der IÖG-Jahrestagung hatte ich die Veröffentlichung zehntausender diplomatischer Dokumente durch Wikileaks im Jahre 2010 als Beispiel genommen, dass die Aktenkunde nicht nur im Archiv zuhause ist — und wo die Schwierigkeiten bei Material liegen, das aus dem Zusammenhang gerissen ist. Jetzt, vier Wochen später, liefert Wikileaks dafür auch ein heimisches Beispiel: Akten von … ja von wem eigentlich? Sind es überhaupt Akten?
Schon 2015 hatte Wikileaks Protokolle des NSA-Untersuchungssausschusses des Deutschen Bundestages kompromittiert. Jetzt wurden auch noch 2000 per Beweisbeschluss vom Ausschuss erhobene Unterlagen aus den Jahren 2014 und 2015 an dieselbe Plattform durchgestochen (neudeutsch: „geleakt“). Die Veröffentlichung machte vor einer Woche Furore in den Medien; in der Community wies Archivalia darauf hin.
Es wäre nicht sehr interessant, die mageren Formmerkmale dieser zeitgenössischen Behördenschriftstücke durchzukauen.
[...]
Portfolio als Daten
In einem Workshop kam die Frage auf, wie Portfolios als qualitative Daten für Forschungszwecke, insbesondere bei Fragen zum Kompetenzerwerb, genutzt werden könnten? Leider ist es mir trotz längerer Recherche nicht möglich gewesen einen fundierten Artikel zur Nutzung von Portfolios als Daten zur qualitativen Kompetenzforschung zu finden. Deshalb möchte ich im Folgenden meine Überlegungen zu diesem Thema wiedergeben, mir scheint aber, dass hier eine Forschungslücke besteht.Gerade im Lehramtsstudium wird Portfolio an vielen Hochschulen als Instrument zur Kompetenzreflexion genutzt und dient der Dokumentation des eigenen Lernprozesses, wird dabei aber im Hochschulkontext auch als Prüfungsleistung bewertet (vgl. zu Portfolio den Sammelband von Gläser-Zikuda/Hascher 2007). Aus dieser Mixtur ergeben sich für die Nutzung als Daten eines qualitativen Forschungsprozesses diverse Fragen:
- Portfolios sollen der Selbstreflexion des eigenen Kompetenzerwerbs dienen, werden gleichzeitig aber durch Dozierende bewertet. Hier stellt sich die Frage, ob eine „echte“ Reflexion der eigenen Kompetenzen stattfindet, oder „nach dem Wunsch der Dozierenden“ geschrieben wird? Man könnte dies mit „Sozialer Erwünschtheit“ in quantitativen und qualitativen Befragungen vergleichen, wonach sich das Antwortverhalten nach der sozialen Zustimmung richtet.
[...]
Personalisierung und Personifizierung: Zwei Erzählmuster
Ins unseren Debatten fielen, bisher vor allem in Bezug auf die Sozialgesetzgebung im Kaiserreich, immer wieder die Begriffe „Personifizierung“ und „Personalisierung“. Beide wurden dabei und werden oft synonym verwendet. In der Didaktik jedoch bezeichnen die Begriffe zwei unterschiedliche Darstellungsweisen von Geschichte, die sich auch in Dokumentarfilmen wiederfinden lassen.
Personalisierung beschreibt die mit dem Historismus verbundene Darstellung von Geschichte an „großen“ Persönlichkeiten – besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang ein Zitat des umstrittenen Historikers Heinrich von Treitschke (1834-1896), der behauptete, es seien „Personen, Männer (…), welche die Geschichte machen. Männer wie Luther, wie Friedrich der Große und Bismarck.“[1] Hier wird Geschichte also an Akteur(_inn)en einer Epoche erzählt, sie vereinen in ihrer Person, in ihrem Handeln die Essenz ihrer Zeit.
Obwohl mit der Abkehr der Geschichtswissenschaft vom Historismus in den 1970er Jahren auch die Geschichtsvermittlung sich vermehrt den, die Handlungen der Akteure (mit-)bestimmenden, Strukturen zuwandte, herrscht in den Alltagsvorstellungen vieler Menschen bis heute zumeist ein personalisiertes Geschichtsbild vor. Es vereinfacht den Zugang, Geschichte wird „überschaubar, konkret und anschaulich“, wie der Didaktiker Michael Sauer meint: „[Diese Art von Geschichtsvermittlung] lässt sich als klare Handlungsabfolge erzählen.
[...]
Audienzen – ein Nachtrag: Wie man als Kaiserin beeindruckt
In den letzten drei Einträgen diese Blogs ging es um Audienzen der Kaiserinnen, in denen in zeremonieller Form Ranghierarchien innerhalb des Alten Reiches, aber auch zwischen europäischen Mächten abgebildet wurden. Ein Nebensatz im Bericht zur Audienz der Gräfin Oxenstierna, Gemahlin des schwedischen Botschafters in Wien, führte dabei einen Aspekt einer solchen Audienz vor Augen, der in zeremoniellen Beschreibungen gewöhnlich kaum eine Rolle spielt: Welchen Eindruck hinterließ sie bei der oder dem von einer Kaiserin Empfangenen?
1674 hatte man im Umfeld der Kaiserin vermutet, die auffällige – und für den vorbildlichen Ablauf der Audienz nicht unproblematische – Schweigsamkeit der schwedischen Gräfin könne mit dem „respect“ zu tun haben, den diese während der Audienz empfand. Hinter diesem „respect“ könnten dabei mindestens zwei unterschiedliche Gründe gestanden haben: einerseits die Sorge um zeremonielle Fehler und die daraus möglicherweise folgenden diplomatischen Verwicklungen, andererseits tatsächlich der Respekt für die Kaiserin als Person selbst. Und wenn es schon für die im höfischen Umfeld zweifellos erfahrene Gräfin Oxenstierna nicht ganz leicht war, sich bei einer solchen Audienz höfisch sicher und selbstverständlich zu bewegen, wieviel mehr galt das erst für rangniedrigere Personen?
Genau diesen Aspekt von Audienzen berührt eine Quelle, die mir gerade bei einem Forschungsaufenthalt in Wolfenbüttel in die Hände fiel. Es handelt sich um die Beschreibung einer Audienz bei Kaiserin Elisabeth Christine im Oktober 1737, die diese dem Sekretär des Prinzen Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel (1718-1788) erteilte1.
[...]
