CfP: Arbeitskreis Süddeutsche Frauenstifte (neue Deadline: 23.5.!)

Frauenstifte, Kanonissenstifte, Damenstifte – die besondere religiös-kirchliche, aber nicht-monastische und dabei meist ständisch exklusive Lebensform von Frauen in Mittelalter und Früher Neuzeit findet seit langem die Aufmerksamkeit der historischen Forschung. Vor allem für die institutionengeschichtlichen Grundlagen vieler dieser Stifte erlauben inzwischen zahlreiche Bände der „Germania Sacra“ einen guten Einblick. Die begleitenden „Studien zur Germania Sacra“ gehen darüber hinaus auch spezielleren Fragen nach; neuere Beiträge nehmen insbesondere auch sozial- und kulturgeschichtliche Perspektiven ein und schlagen die Brücke zur Gender-Forschung oder zur neuerdings intensivierten Erforschung des [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4362

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Lehren aus der Causa Stralsund: Mehr Schutz für historische Bestände

Der folgende Text erschien zuerst in LIBREAS: Klaus Graf: Lehren aus der Causa Stralsund: Mehr Schutz für historische Bestände. In: LIBREAS.Library Ideas, Jg. 9, Heft 1 /Heft 22 (2013)
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:11-100208891 (PDF)
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In der Stralsunder Archivsatzung aus dem Jahr 2002 heißt es: “Das Archiv- und Bibliotheksgut ist Kulturgut und unveräußerlich.” Auch das Archivgesetz von Mecklenburg-Vorpommern schreibt die Unveräußerlichkeit des öffentlichen Archivguts fest. Beide Normen haben den Hauptausschuss der Stralsunder Bürgerschaft nicht abgehalten, im Juni 2012 in nicht-öffentlicher Sitzung den um etliche regionale Titel verminderten Bestand der historischen Gymnasialbibliothek im Stadtarchiv Stralsund einem bayerischen Antiquar zu verkaufen. Falk Eisermann wurde auf eine entsprechende Pressemeldung zur Schließung des Stadtarchivs wegen Schimmelbefalls aufmerksam, ich hakte nach, erhielt die Bestätigung der Stadt und mobilisierte die Öffentlichkeit, nicht zuletzt in dem von mir betreuten Gemeinschaftsweblog “Archivalia”. [Fn 01] Nachdem zwei germanistische Fachgutachter, Nigel Palmer und Jürgen Wolf, die im “Handbuch der historischen Buchbestände” gewürdigte Büchersammlung des traditionsreichen Stralsunder Gymnasiums als erhaltenswerte wertvolle Gesamtheit einschätzten und auch das Innenministerium (als Kommunalaufsicht) und das Kultusministerium in dem Verkauf einen Verstoß gegen die Archivsatzung und das Archivgesetz sahen, revidierte die Stadtverwaltung ihre Position und holte die Bücher, soweit diese noch bei dem Antiquar greifbar waren, zurück. Die Leiterin des Stadtarchivs – sie soll die Gymnasialbibliothek als “totes Kapital” bezeichnet haben [Fn 02] – wurde fristlos entlassen. Vor allem durch eine Auktion bei dem Königsteiner Auktionshaus Reiss wurden wertvolle frühneuzeitliche Drucke unwiederbringlich in alle Welt zerstreut, darunter auch Bücher aus der Bibliothek des Stralsunder Poeten Zacharias Orth († 1579). [Fn 03] Nicht verwertbare Bücher, die zu stark beschädigt waren, hatte der Antiquar vernichtet.

“Lehren aus dem Karlsruher Kulturgutdebakel” habe ich 2007 in der “Kunstchronik” publiziert, [Fn 04] und was ich damals schrieb, ist unvermindert aktuell. Mein damaliger erster Punkt “Öffentlicher Druck ist wirkungsvoll!” wurde eindrucksvoll bestätigt. Hervorzuheben ist dabei die große Rolle der Social Media. [Fn 05] Eine Petition bei openpetition.de fand gut 3600 Unterstützer.

Man kann den Ausgang der Affäre, die viele Bibliothekare und Archivare schockiert hat, glimpflich nennen: Die Stadt Stralsund hat eingesehen, dass sie einen gravierenden Fehler begangen hat. Sie hat den Kauf rückabgewickelt und bemüht sich derzeit um die Wiederbeschaffung der bereits verkauften Titel. Doch sollte das nicht zu der Annahme verführen, mit dem Kulturgutschutz stehe es in deutschen Landen zum Besten. Nur Propheten können wissen, ob das Stralsunder Desaster als Abschreckung taugen wird oder ob angesichts klammer Stadt- oder Landeskassen vermehrt Kulturgutverkäufe zu erwarten sind. Ich möchte daher mit Nachdruck darauf hinweisen, dass es keine wirksame Lobby für historische Sammlungen gibt und die rechtlichen Rahmenbedingungen völlig unzureichend sind. Seit 1994 dokumentiere ich Kulturgutverluste, die das Versagen des Kulturgut- und Denkmalschutzes belegen. [Fn 06]

Es ist ein Unding, dass es so gut wie keine gesetzliche Sicherung gegen den Ausverkauf kommunalen Kulturguts gibt. Noch am ehesten kann bei Archivgut der Veräußerung Einhalt geboten werden, schutzlos sind Sammlungen in Bibliotheken und Museen. Die früheren kommunalrechtlichen Genehmigungsvorbehalte, die die Veräußerung von Kulturgütern der staatlichen Kontrolle unterstellte, wurden weitgehend beseitigt. In § 90 der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung erhielt sich eine solche Vorschrift. Absatz 3 lautet: “Die Gemeinde bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde, wenn sie über bewegliche Sachen, die einen besonderen wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wert haben, verfügen oder solche Sachen wesentlich verändern will. Die Gemeinde bedarf abweichend von Satz 1 keiner Genehmigung, wenn diese Sachen an andere schleswig-holsteinische kommunale Körperschaften oder das Land Schleswig-Holstein veräußert werden.” Die wertvollen Altbestände der historischen Stadtbibliotheken oder kommunales Museumsgut dürfen ohne Weiteres in den Handel gegeben werden, da sie weder unter Denkmalschutz stehen, noch als nationales Kulturgut eingetragen sind.

2006 wurde durch das Städtische Museum Schwäbisch Gmünd der Verkauf einer als Schenkung in die Institution gelangten Zinnfigurensammlung angekündigt. Obwohl erhebliche Zweifel am Vorgehen des Museums bestanden, [Fn 07] wollte die Kommunalaufsicht das Vorgehen des Museums nicht beanstanden: “Für uns ergeben sich keine Hinweise auf eine besondere wissenschaftliche, künstlerische oder heimatgeschichtliche Bedeutung und auf eine besondere Beziehung zum Kulturbereich des Landes. Eine Eintragung in das Denkmalbuch als Kulturdenkmal kam also nicht in Frage. Nur in diesem Falle bedarf eine Entfernung von Einzelsachen aus der Sammlung einer Genehmigung. Beim ‚Code of Ethics for Museums’ des Internationalen Museumsrates (IOCM) handelt es sich um eine Selbstbindungsrichtlinie. Ein evtl. Verstoß gegen diese Empfehlungen zieht keine Konsequenzen nach sich.” [Fn 08] Aus meiner Sicht ist der Schutz beweglicher Kulturdenkmale in allen Bundesländern aufgrund viel zu hoher Hürden nur als ganz und gar inakzeptabel zu bezeichnen. Es stünde einem Kulturstaat gut an, anstelle des überflüssigen Schutzes der “kleinen Münze” im Urheberrecht endlich die kleine Münze bei beweglichen Denkmälern anzuerkennen. Während man an der untersten Grenze des Urheberrechtsschutzes (sogenannte “kleine Münze”) großzügig ist und selbst das bescheidene Wegekreuz als Kleindenkmal oder den Hufnagel im Waldboden als Zeugnis für eine einstige Römerstraße und archäologische Quelle schützt, bleiben hochrangige Bibliothek-Ensembles vom Denkmalschutz “verschont”. Der Schutz der kleinen Münze könnte bei Kulturgut beispielsweise bedeuten, dass man Eigentümern verbietet, mittelalterliche oder frühneuzeitliche illuminierte Handschriften aufzubrechen, damit die einzelnen Blätter gewinnbringend verkauft werden können.

In Nordrhein-Westfalen wären die Stralsunder Verkäufe ganz legal gewesen, da man hier bei der Novellierung des Archivgesetzes unsinnigerweise die Ausnahmeregelung für die Kommunen (und Universitäten) bei Sammlungsgut beibehalten hat. Unveräußerlich ist nur das umgewidmete amtliche Registraturgut. Sammlungen oder Nachlässe dürfen also in Nordrhein-Westfalen von den Archiven verkauft werden. [Fn 09] Auf Anfrage im Jahr 2009 wurde mir dazu mitgeteilt: “Aus Sicht der Landesregierung soll es der Wertung der kommunalen Selbstverwaltung uneingeschränkt obliegen, ausnahmsweise bestimmtes Archivgut, das nicht aus Verwaltungshandeln öffentlicher Stellen stammt, veräußern zu können.” [Fn 10]

Die Stralsunder Archivbibliothek zählt zu den vier ganz großen Altbestandsbibliotheken in Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch viele andere Archivbibliotheken bergen erhaltenswerte Sammlungen, die nicht selten vernachlässigt werden. Selbst wenn es im jeweiligen Archivgesetz eine Unveräußerlichkeits-Klausel für Archivgut gibt, können verkaufswillige Archivare und Archivträger zwei Ausflüchte anführen:

  1. Bibliotheksgut ist als Sammlungsgut kein “eigentliches” Archivgut und fällt daher nicht unter die gesetzliche Regelung für Archivgut.
  2. Selbstverständlich darf man “Dubletten” und für den Sammlungsauftrag des Archivs wertlose Bücher verkaufen, ohne gegen die Unveräußerlichkeit zu verstoßen.

Ich möchte die Hand nicht ins Feuer legen, dass es nicht nur vereinzelte Archivare gibt, die mit dem Argument “Sind doch nur gedruckte Bücher und keine Handschriften” Teile ihrer Dienstbibliotheken zu Antiquaren bringen und so den historischen Provenienzen in ihrer Sammlung Schaden zufügen. Schon der Vorgänger der geschassten Stralsunder Archivleiterin hatte ja mit dem Verscherbeln von Büchern begonnen. Er hat seine Nachfolgerin auch öffentlich in Schutz genommen.

Während Verkäufe im Museumsbereich in Deutschland noch weitgehend ein Tabu sind, herrscht in den USA eine Kultur der “deaccession”, die unbekümmert in den Markt gibt, was über Generationen bewahrt wurde. Kritiker meinen zwar, dass solche Bestände als Teil eines “Public Trust” zu verstehen seien, der treuhänderisch für die Öffentlichkeit erhalten werden müsse, [Fn 11] aber sie sind in der Minderheit. Es steht zu befürchten, dass eine solche Mentalität auch in Deutschland Boden gewinnen wird.

Warum sind Verkäufe von Beständen aus kulturgutverwahrenden Institutionen von Übel?

Erstens: Archive, Bibliotheken, Museen und andere Sammlungen (wie zum Beispiel die der Denkmalämter) haben eine Archivfunktion. Sie sind als Gedächtnisinstitutionen Teil des kulturellen Gedächtnisses und sollen ihre Kulturgüter dauerhaft bewahren. Gesetzlich festgeschrieben ist das aber leider nur für die Archive.

Zweitens: Die Gedächtnisinstitutionen sichern Geschichtsquellen und machen sie für Wissenschaft und Öffentlichkeit nutzbar. Um einen möglichst hohen Erlös zu erzielen, müssen sich verkaufswillige Institutionen an die Auktionshäuser wenden, die nicht derjenigen Institution den Zuschlag erteilen, in der das veräußerte Kulturgut am besten untergebracht ist, sondern demjenigen Bieter, der die höchste Summe zahlt. Unzählige für die Öffentlichkeit bedeutsame Kulturgüter verschwinden jährlich unzugänglich in Privatsammlungen. Wenn es bei solchen privaten Sammlungen die gleichen Möglichkeiten gäbe, die Stücke einzusehen, wie in öffentlichen Sammlungen, müsste man sich wenig Gedanken machen, aber das ist nun einmal nicht der Fall. Werden historische Sammlungen zerrissen, werden schützenswerte Geschichtsquellen zerstört, die nicht weniger Erkenntnisse über die Geschichte unserer Kultur vermitteln als archäologische Grabungen. Eine Dokumentation vor der Zerstörung, wie sie in der Boden- und Baudenkmalpflege üblich ist (mitunter auf Kosten des Bauherrn), kennt der Kulturgutschutz nicht. Man kann es Juristen überlassen zu überlegen, ob man die Pflicht des Staates, solche Geschichtsquellen für Wissenschaft und Öffentlichkeit zu bewahren, aus dem Kulturstaatsprinzip oder dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ableitet. Entscheidend ist, dass sich an der Praxis des Wegschauens, wenn hochrangige Sammlungen zerstückelt werden, etwas ändert, und dass man den Denkmalschutz bei beweglichen Kulturdenkmalen radikal ausweitet.

Drittens: Großzügige Stifter haben die Gedächtnisinstitutionen in der Regel deshalb mit Schenkungen bedacht, damit ihre Stücke dauerhaft als eine Art Denkmal der Stifter erhalten bleiben. Es verstößt eklatant gegen den Vertrauensschutz, wenn man sich nun von den einstigen Schenkungen trennt und sie zu Geld macht. Potentielle Mäzene, die mit der erwähnten Mentalität in den USA Probleme haben, werden abgeschreckt. Sammler, Familien und private Vereine sollten es sich gut überlegen, ob sie ihre Kulturgüter ohne Auflagen öffentlichen Sammlungen als Schenkung überlassen. Möglicherweise ist es sinnvoller, sie in eine Stiftung einzubringen, die sie als Dauerleihgabe an ein Archiv, eine Bibliothek oder ein Museum gibt. Voraussetzung ist freilich, dass die staatliche Stiftungsaufsicht funktioniert. Bei dem Karlsruher Kulturgüterskandal konnte davon keine Rede sein. Bürgerinnen und Bürger müssen sowohl im Stiftungsrecht als auch im Denkmal- und Kulturschutzrecht die Möglichkeit haben, alle Entscheidungen der Behörden zu kontrollieren. Derzeit ist vor allem an eine gerichtliche Kontrolle zu denken. Es muss also analog zum Naturschutzrecht die Möglichkeit einer Verbandsklage gegeben sein.

Zur bürgerschaftlichen Kontrolle gehört auch eine stärkere Verwaltungstransparenz. Die Stadt Stralsund hat entscheidende Sachverhalte der Öffentlichkeit bewusst vorenthalten, insbesondere den Kaufpreis des im Sommer 2012 verkauften Buchbestandes (angeblich 95.000 Euro). Meine Versuche, dies durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit korrigieren zu lassen, wurden im Eilverfahren abgeschmettert. Das Oberverwaltungsgericht in Greifswald befand letztinstanzlich, dass mein Weblog “Archivalia” kein redaktionell-journalistisches Angebot sei, da eine redaktionelle Prüfung der Beiträge nicht stattfinde. Dass dabei mein Grundrecht der Pressefreiheit als Rechercheur mit Füßen getreten wird, nimmt das Gericht in Kauf. Bleibt es bei dem jetzigen hohen Ansatz des Streitwerts, haben mich die beiden Verfahren zusammen etwa 800 Euro gekostet.

Wäre es sinnvoll, eine Unveräußerlichkeitsklausel in Bibliotheksgesetze einzubauen? Oder sollte man öffentliche Sammlungen verstärkt in das Verzeichnis nationaler Kulturgüter aufnehmen? Beides kann nicht schaden, bringt aber keine entscheidenden Verbesserungen.

Sinnvoll ist nur ein gesetzlicher Schutz, der alle erhaltenswerten Sammlungstypen umfasst. Ein Bibliotheksgesetz hat keine Auswirkungen auf den Museumsbereich. Dass die Liste des national wertvollen Kulturguts im Land Mecklenburg-Vorpommern leer ist, hat man zu Recht anlässlich der Causa Stralsund angemerkt. Diese Kulturgutliste ist nach wie vor eine virtuelle Kunst- und Wunderkammer der Bundesrepublik, über die man sich nur wundern kann. Entscheidend ist, dass dieser Kulturgutschutz keinerlei Sammlungsschutz bewirkt. Ein Einzelverkauf der Sammlungsgegenstände im Inland könnte nicht verhindert werden.

Es spricht also alles dafür, an der Systemstelle anzusetzen, bei der es um den Erhalt von Sachen und Sachgesamtheiten geht, an deren Bewahrung aus wissenschaftlichen, heimatgeschichtlichen oder künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse besteht. Also bei dem in den Denkmalgesetzen geregelten Denkmalschutz, der im Prinzip ja auch bewegliche Kulturdenkmale für die Nachwelt sichern soll. Die Entscheidung über den Ausfuhrschutz national wertvollen Kulturguts sollte der Ministerialbürokratie weggenommen und den Denkmalämtern übertragen werden. Jedes national wertvolle Kulturgut muss zugleich auf der Denkmalliste des jeweiligen Landes stehen. Der auf Archäologie und Baudenkmalpflege beschränkte Denkmalschutz muss erweitert werden, wobei eine solche Aufgabenausweitung angesichts des rauen Winds, der der Denkmalpflege zunehmend ins Gesicht weht, derzeit eine reine Illusion darstellt. Die Denkmalpflege in Nordrhein-Westfalen kämpft 2013 mit massiven Mittelkürzungen.

Soweit Denkmalgesetze wie in Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern Archivgut aus ihrem Geltungsbereich ausnehmen, sollte das rasch geändert werden. Auch bei Archivgut muss es die Möglichkeiten der denkmalschutzrechtlichen Eingriffsverwaltung, zum Beispiel eine vorläufige Unterschutzstellung bei Gefahr im Verzug geben. Es ist nicht hinnehmbar, dass private Archiveigentümer mit ihrem Archivgut Handlungsfreiheit haben, wenn es sich um Kulturgut, also kulturelles Allgemeingut handelt. Wenn sich ein westfälischer Landjunker entschließt, mit seinem Archiv ein Feuerchen auf dem Schlosshof zu machen, wird man ihn womöglich immissionsrechtlich belangen können, aber Denkmalschutz und Kulturgutschutz sind machtlos.

Es sei noch angefügt, dass die reine Existenz wertvoller Sammlungen für das öffentliche Interesse an ihrem Erhalt nicht ausreicht. Sie müssen auch gepflegt und angemessen nutzbar sein. Durch Kooperationen und Beratungsleistungen muss verhindert werden, dass wertvolle Bibliotheken – seien es öffentliche wie die Stralsunder Stadtarchivbibliothek, seien es private Adelsbibliotheken – verschimmeln und zugrunde gehen. Und die Kulturgüter müssen auch der Allgemeinheit (ebenso wie der Wissenschaft) zur Nutzung angeboten werden, wobei im digitalen Zeitalter vor allem an Digitalisierung und freie Nachnutzbarkeit als Open Data zu denken ist. “Kulturgut muss frei sein”. [Fn 12]

Als Fazit muss man leider konstatieren, dass die Rahmenbedingungen für den Kulturgutschutz eher schlecht sind, obwohl wir dringend mehr Schutz bräuchten. Der Staat zieht sich aus der Kultur zurück, man kann auch sagen: Er spart sie kaputt. Auf die Politik ist wenig Hoffnung zu setzen, denn Banausen wie in der Stralsunder Bürgerschaft kann es auch in einer Landesregierung geben. Unvergessen ist das Diktum des baden-württembergischen Justizministers, der 2006 im Karlsruher Kulturgutstreit angesichts der unersetzlichen Handschriften der Badischen Landesbibliothek von “altem Papier, das im Keller liegt”, sprach. [Fn 13] Also Resignation? Nicht unbedingt. Wenn der Kulturgutschutz nicht ganz ausgehöhlt werden soll, ist es erforderlich, dass in diesem Bereich die Bürgergesellschaft mehr Verantwortung übernimmt. Sie muss sich weit mehr als bisher einmischen und über Stiftungsgelder oder Crowdfunding alternative Finanzierungsmöglichkeiten anbieten. Den Social Media kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Sie können die Öffentlichkeit bei Missständen mobilisieren, zugleich aber auch für den kulturellen Wert der in den Gedächtnisinstitutionen verwahrten Zeugnisse der Geschichte und Kunst werben. Die Bürgergesellschaft muss also weit mehr als bisher aktiv in die “Überlieferungsbildung”, also die Arbeit am kulturellen Gedächtnis und die damit zusammenhängenden Bewertungsprozesse, einbezogen werden.

Fußnoten

[01] Vgl. für einen Überblick zum Sachverhalt neben den vielen Beitragen auf „Archivalia“ (auffindbar via Stichwortsuche nach “Stralsund”: http://archiv.twoday.net/search?q=stralsund) die zusammenfassenden Beiträge im “Weblog Kulturgut” (http://kulturgut.hypotheses.org/category/bibliotheken/stralsund) sowie explizit Graf, Klaus: Causa Stralsund, in: L.I.S.A. – Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung, 13.11.2012, abgerufen am 24.04.2013, http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4101. [zurück]

[02] Vgl. Müller-Ulrich, Burkhard; Marx, Peter: Stralsund will historischen Bibliotheksbestand zurückkaufen – 6210 Bücher waren abgegeben worden, in: Deutschlandfunk – Kultur heute, 21.11.2012, abgerufen am 24.04.2013, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1928683/. [zurück]

[03] Vgl. Graf, Klaus: Causa Stralsund: Kepler-Druck aus der Gymnasialbibliothek Stralsund am 30. Oktober für 44.000 Euro bei Reiss verauktioniert, in: “Archivalia”, 20.11.2012, abgerufen am 24.04.2013,http://archiv.twoday.net/stories/219022356/. [zurück]

[04] Vgl. Graf, Klaus: Lehren aus dem Karlsruher Kulturgutdebakel 2006, in: “Archivalia”, 06.02.2007, abgerufen am 24.04.2013, http://archiv.twoday.net/stories/3287721/. [zurück]

[05] Siehe auch den Kommentar von: Schmalenstroer, Michael: Die Stralsunder Gymnasialbibliothek ist gerettet, in: Schmalenstroer.net, 21.11.2012, abgerufen am 24.04.2013, http://schmalenstroer.net/blog/2012/11/die-stralsunder-gymnasialbibliothek-ist-gerettet/. [zurück]

[06] Vgl. die Links via https://docs.google.com/document/d/1j2fQxZxJir1mTytZ0EMpTFZGVW6aDbi96Db3cdC2a-U/, abgerufen am 24.04.2013. [zurück]

[07] Vgl.: Graf, Klaus: Museum Schwäbisch Gmünd verscherbelt Museumsgut, in: “Archivalia”, 09.12.2006, abgerufen am 24.04.2013, http://archiv.twoday.net/stories/3043380/. [zurück]

[08] Vgl.: Nachtrag zu: Graf, Klaus: Museum Schwäbisch Gmünd verscherbelt Museumsgut, in: “Archivalia”, 09.12.2006, abgerufen am 27.04.2013, http://archiv.twoday.net/stories/3043380/. Nachträglich wurde mir der Bericht über die Tagung des Museumsverbands Mecklenburg-Vorpommern am 28./29.4.2013 in Wismar bekannt, auf der darauf hingewiesen wurde, “dass Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich nicht ausreichend geschützt seien. So sei nicht geregelt, unter welchen Umständen Museen Kulturgüter überhaupt abgeben dürfen.” Besserer Schutz für Kulturgüter gefordert, in: ndr.de, 28.4.2013, abgerufen am 30.04.2013 http://www.ndr.de/regional/mecklenburg-vorpommern/kulturgueter101.html. [zurück]

[09] Siehe zur Diskussion die einschlägigen “Archivalia”-Beiträge durch eine Stichwortsuche nach “Sammlungsgut” und “NRW” http://archiv.twoday.net/search?q=sammlungsgut+nrw. [zurück]

[10] Vgl. Graf, Klaus: Archivgesetz NRW: Stadtarchive und Uniarchive sollen Archivgut verscherbeln dürfen, in: “Archivalia”, 30.11.2009, abgerufen am 24.04.2013, http://archiv.twoday.net/stories/6070626/. [zurück]

[11] The Art Law Blog, abgerufen am 24.04.2013, http://theartlawblog.blogspot.de/ passim. [zurück]

[12] Vgl. Graf, Klaus: Kulturgut muss frei sein!, in: “Archivalia”, 24.11.2007, abgerufen am 24.04.2013,http://archiv.twoday.net/stories/4477824/. [zurück]

[13] Vgl. Raffelt, Albert: Der “badische Kulturgüterstreit” – eine erste Zwischenbilanz. In: Sühl-Strohmenger, Wilfried [u.a.]: EUCOR-Bibliotheksinformationen – Informations des bibliothèques, 29(2007), pp. 26-29, abgerufen am 24.04.2013, http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/eucor_infos/pdf/eucor-29.pdf. [zurück]

Dr. Klaus Graf ist Historiker und Archivar, als solcher unter anderem als Geschäftsführer am Hochschularchiv der RWTH Aachen sowie als Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Universität Freiburg im Breisgau und am Lehr- und Forschungsgebiet Frühe Neuzeit der RWTH Aachen, tätig. Über die historiographische und archivalische Arbeit hinaus beschäftigt sich Klaus Graf intensiv publizistisch mit Themen wie Urheberrecht und Open Access, insbesondere in Zusammenhang mit Kulturgütern. Das von ihm maßgeblich inhaltlich geprägte Weblog Archivalia ist weit über Fachgrenzen hinaus bekannt.

Der Beitrag als PDF: http://edoc.hu-berlin.de/libreas/22/graf-klaus-4/PDF/graf.pdf . Er steht unter CC-BY.

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/204

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Archivbericht: Archiv für Christlich-Demokratische Politik

Wie vor drei Wochen versprochen kommt nun endlich der Nachbericht über meinen Archivaufenthalt im Hauptsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung bei St. Augustin (Bonn). Neben dem Archiv befindet sich in dem Gebäude noch eine für Zeithistoriker aufschlußreiche Bibliothek, der wissenschaftliche Dienst und die Betreuung für die Begabtenförderung. Insgesamt arbeiten in St. Augustin an die 200 Mitarbeiter für die CDU-nahe Stiftung, die als “Think Tank und Beratungsagentur wissenschaftliche Grundlagen und aktuelle Analysen vorausschauend für politisches Handeln [erarbeitet]“. Allerdings gibt es laut Bonner General-Anzeiger Umzugsgerüchte. Das Ziel heißt Berlin. Man darf in Zukunft also gespannt sein. Wobei mir als Wahlberliner die Reise ins Rheinland viel Freude bereitet hat. Eine Anfahrtsbeschreibung findet sich auf der Seite. Außerdem empfehle ich für einen längeren Aufenthalt den Bürgerhof in dem beschaulichen Örtchen Hangelar. Dieser liegt nur drei Trambahnstationen von der Konrad-Adenauer-Stiftung entfernt und man kann in der Regel einen guten Deal mit den Besitzern aushandeln.

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Das Archiv selbst wurde 1976 auf Initiative von Bruno Heck (dem langjährigen Vorsitzenden der KAS), Heinrich Krone und Helmut Kohl gegründet. Es wurde gleichzeitig mit der Einweihung des Neubaus (den ihr auf meinem letzten Blogeintrag bestaunen durftet) in Betrieb genommen und hat die Aufgabe: “Die geschichtliche Entwicklung der Christlichen Demokratie zu dokumentieren und zu erforschen”. Die Dokumentation wird durch die Abteilungen Schriftgut, Medienarchiv und Pressearchiv gewährleistet. Während die wissenschaftliche Forschung in dem hauseigenen Fachjournal “Historisch-Politische Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik” und der Reihe “Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte” veröffentlicht wird. Außerdem gibt die KAS das politische Magazin “Die Politische Meinung” heraus. Das Blatt bietet Hintergrundanalyse und ist eine Meinungsplattform für Politiker der CDU. Zudem kann es durchaus als Quelle über die verschiedenen politischen Anschauungen innerhalb der CDU betrachtet werden. Die beiden Zeitschriften sind – wie auch einige Quellen, aber dazu später mehr – mittlerweile online einsehbar.

Aber nun zu den eigentlichen Schätzen für uns Historiker: die Quellen. Wie oben bereits erwähnt gibt es drei bzw. vier Kategorien. Das Schriftgut, die Medien und die Pressedokumentation bilden das Rückrad des Archivs. Als letzten Punkt würde ich ebenfalls das reichhaltige Onlineangebot hinzuziehen. Ein ausführliches Dokumentationsprofil findet ihr in dieser PDF.

Schriftgut

Das Herzstück bildet natürlich das Schrift- und Sammlungsgut der CDU. In den Beständen befinden sich die Akten der Bundespartei, der CDU/CSU-Fraktion, der regionalen Gliederungen und Vereinigungen (z.B. Junione Union, Frauen Union oder die einzelnen Landes- und Kommunalverbände). Die Bestände der Ost-CDU wurden ebenfalls übernommen und sind größtenteils einsehbar. Außerdem kommen zahlreiche Deposita und Nachlässe von mehr oder weniger wichtigen CDU Politikern hinzu. Zu nennen wären der Nachlass des Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger, der Bruno Hecks (erster Generalsekretär der CDU und Gründer der KAS) oder von Alfred-Müller Armack sowie Kurt Biedenkopf. Eine Bestandsübersicht und Suchmaske (die allerdings ohne tiefere Kenntnis der Quellenbestände relativ unübersichtlich ist) finden sich hier. Ein Großteil der Quellen ist nur durch eine 30 Jahresfrist gesperrt. Die Akten der Bundespartei und der regionalen Gliederungen machen den größten Teil der Sammlung aus und sind für die 1960er und 1970er Jahre sehr gut erschlossen. Nur bei den Nachlässen muss man für viele Personen Anträge stellen, die aber in der Regel relativ schnell bearbeitet werden.

Medien

Die Medienabteilung habe ich leider nicht aktiv genutzt. Sie besteht aus einer Film-, Foto- und Audiosammlung. Vor allem die Wahlkampfwerbespots sind wohl für viele Forscher (insbesondere Studenten) eine wichtige Quelle. Eine kleine Auswahl lässt sich sogar über die Homepage einsehen. Eine Digitalisierung der unterschiedlichen Filme ist im Gange. Allerdings hat mir einer der Mitarbeiter, Hans-Jürgen Klegraf, einen sehr guten Tipp gegeben. Das Archiv besitzt eine der größten öffentlich-zugänglichen Plakatsammlung in Deutschland, die auch noch komplett frei zugänglich ins Internet gestellt wurde. Die Sammlung beinhaltet neben Plaketen der CDU/CSU auch solche anderer Parteien. Ein einmaliger Service, zumal durch die CC Linzenz alle Bilder der CDU kostenlos

Pressedokumentation

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Lizenz CC: KAS/ACDP 10-001:1852 CC-BY-SA 3.0 DE

Zu guter Letzt wäre noch die sehr ausführliche Pressesammlung zu nennen. An ihr merkt man deutlich, dass die KAS Mitte der 1970er Jahre mehr Mitarbeiter zur Verfügung hatte, weil zu diesem Zeitpunkt die Dicke der Aktenordner gewaltig zunimmt. In der Pressedokumentation werden über 40 bundesweite und regionale Zeitungen sowie die Pressemitteilungen der DPA und der unionseigenen Pressestellen nach Stichworten erfasst und ausgewertet. Faktisch heißt das: Berge an Ordnern mit Zeitungsschnipseln zu bestimmten Themen und glaubt mir, es gibt fast alles. Ein weiterer Markenkern dieses Archivteils ist die Dokumentation aller Veröffentlichungen der Konrad-Adenauer-Stiftung und ihrer wissenschaftlichen Institute. Allerdings befinden sich einige Exemplare dieser grauen Literatur nicht im Archiv, sondern in der Bibliothek. Deshalb lohnt sich ein Blick in deren Bestände über den internen Opac. Die Sammlung als Ganzes bietet die Möglichkeit gezielt nach Schwerpunkten zu suchen, ohne eine eigene langwierige Presserecherche zu beginnen. Der Auswahlzeitraum reicht bis in die Weimarer Republik zurück. Der Hauptaugenmerkt liegt jedoch deutlich auf der Bundesrepublik bis zum letzten Bundestagswahlkampf 2009.

Onlineangebot

Das Onlineangebot des Archivs ist zwar keine eigene Kategorie, es besitzt aber für den Historiker einige überraschend gute Quellen im PDF Format (und damit auch per Suchfunktion bearbeitbar). Somit braucht man für eine Vorrecherche oder für eine Hausarbeit im Grunde gar nicht nach St. Augustin fahren (sollte man natürlich schon allein wegen dem schönen Bau trotzdem). Als erste Anlaufstelle ist die “Geschichte der CDU” zu nennen. Was sich nach einer populärwissenschaftlichen Überblicksseite anhört, entpuppt sich als toller Quellenfundus. Vor allem für die Bundespartei lassen sich wichtige Dokumente finden: Berichte der Bundesgeschäftsstelle, wichtige Beschlüsse, Koalitionsverträge, Mitgliederstudien (mit reichhaltigen Statistiken) und Organigramme. Das Kernstück sind aber eindeutig die Protokolle der Bundesvorstände und der Bundesparteitage sowie die Grundsatzprogramme. Abgerundet wird das Onlinepaket durch ausgewählte Reden und den Informationsdienst “Union in Deutschland” (UiD/DUD). Im Großen und Ganzen ist das Angebot wirklich gelungen und ermöglicht durch die Protokolle des Bundesvorstand (bis 1973) auch erste Einblicke in die Führungszirkel der Partei.

Fazit

Die Arbeit im Archiv war nicht nur wissenschaftlich für meine Promotionsarbeit seh fördertlich, vielmehr konnte ich einige Kontakte knüpfen und hatte Spaß bei der Recherche. Der Grund hierfür war die gute Zusammenarbeit und die freundliche Hilfe der KAS Mitarbeiter unter der Leitung von Herrn Kühne. An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank. Ich komme wieder, keine Frage. Die Bestellung der Quellen ging zügig vonstatten und die Arbeitsplätze waren ausreichend geräumig. Einziges Manko sind die 40 cent pro Kopie (bei Quellen, in der Bibliothek und in der Pressedokumentation sind es nur 10 cent). Ein Service der für größere Mengen doch zu teuer ist. Außerdem wäre es sinnvoll für die Gäste einen WLAN Zugang anzubieten und nicht die teure Telekom Hotspot-Variant. Wobei, im Archiv braucht man eigentlich das Internet nicht wirklich. Der Lesestoff geht schließlich nicht so schnell zur Neige. Für Frage rund um das Archiv, Anfahrt oder Hotels kontaktiert mich ruhig.

Quelle: http://konservativ.hypotheses.org/41

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Fußball als Inszenierung der Geschlechterdifferenz – Von Bettina Staudenmeyer

Sport ist eine der letzten körperzentrierten Praxen in modernen Gesellschaften und damit ein wichtiger Ort geschlechtlicher Inszenierung. Insbesondere die Struktur des Leistungssports weist eine bis heute kaum in Frage gestellte Geschlechtersegregation auf. Männer und Frauen werden wie selbstverständlich in verschiedenen … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4625

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Pommersche Gravamina, Teil III – Profitmaximierung

In der Flugschrift der pommerschen Kriegs-Gravamina von 1630 wird das ganze Panoptikum der Schrecken ausgebreitet, die sich infolge der Einquartierung ergaben. Neben den Exzessen, die die Söldner verübten, werden aber auch Mechanismen deutlich, wie das Militär in diesem Krieg Gewinn machte. Daß Männer sich dafür entschieden, in den Krieg zu ziehen, hatte viel weniger etwas mit Patriotismus oder dem Kampf für die eigene Konfession zu tun; viel mehr spielte das Streben nach Gewinn eine Rolle. Das gilt für den einfachen Söldner genauso wie für den Adligen, der als Offizier diente. Wie ließen sich aber in einem Feldzug Profite erzielen, die den Weg in den Krieg attraktiv erscheinen ließen?

Mehr Geld konnten die Militärs bekommen, indem sie sich einfach über die Kontributionsordonanz hinwegsetzten. So war festgelegt, daß die Gage, die dem Oberst zustand, auch den Anteil enthält, der für die Hauptleute festgeschrieben war (S. 4, Nr. 5). Allerdings hat kein Oberst, Oberstleutnant oder Oberstwachtmeister jemals von seiner Gage einen Hauptmann bezahlt – für diesen mußten eigens Mittel aufgebracht werden, und der Oberst behielt den Hauptmannsanteil für sich. Ähnliches war bei der Bezahlung für den Stab vorgesehen, der aus dem Quantum für die Kompagnie genommen werden sollte. Doch auch dies funktionierte nicht, die Mittel für den Stab mußten extra bezahlt werden (ebd.). Und schließlich wurden die Kompagnien, „wann sie schon nit complet seyn / dannoch vor complet“ bezahlt. Auch wenn die Artillerie gar nicht vorhanden war, mußten für Artillerie Kriegssteuern aufgebracht werden (ebd.).

War dies noch eine plumpe Trickserei bei der Abrechnung der Kontributionen, eröffnete die Eintreibung dieser Kriegskontributionen weitere Möglichkeiten. Laut Gravamen Nr. 7 kam es vor, daß ganze Trupps von Soldaten, „ja wol gantze Compagnien“ ausgeschickt wurden, die „einen geringen Rest / von 1. 2. oder 3. Thalern“ an Kriegssteuern eintreiben sollten (S. 4). Man kann sich leicht vorstellen, daß bei solchen Aktionen die tatsächlichen Ausstände nur den Vorwand boten, um deutlich höhere Werte einzukassieren. Daß diese Verfahren auch nicht ohne Zwang und Gewalt abliefen, machen andere Gravamina deutlich: Dann konnte die Eintreibung der Kontributionen oftmals in reine Plünderungen ausarten, so daß die Salvaguardien, die womöglich von der eigenen Armee ausgestellt worden waren, erst recht nur noch ein Stück Papier waren.

Es ging also nicht immer nur um die großen Kriegsunternehmer, die ganze Regimenter und Armeen für einen Kriegsherrn vorfinanzierten und unterhielten. Auch schon für die unteren Offiziersränge bis hin zu den einfachen Söldnern boten sich hinreichend Gelegenheiten, Profite zu generieren und den Krieg zu einem guten Geschäft zu machen. Daß er vielfach zu derartigen Praktiken gezwungen wurde, weil die regulären Soldzahlungen oftmals monatelang nicht erfolgten, steht auf einem anderen Blatt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/153

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Und es regnete: aus Anlass der Bücherverbrennung vor 80 Jahren

Im Rahmen der universitätweiten Gedenkwoche aus Anlass der Bücherverbrennung vor 80 Jahren befassen sich alle (oder zumindest viele) Seminarsitzungen des Instituts für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin diese Woche in irgendeiner Weise mit der Bücherverbrennung bzw. mit der damit zusammhängenden Erinnerungsarbeit.

Wir haben also heute einen kleinen Abstecher über die Wikipedia-Artikel zur Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin gemacht. Mein einziges klares Ziel war dabei, die deutsche Fassung mit den anderen Sprachversionen zu vergleichen. Was darüber hinausgehen konnte, wusste ich nicht so recht.

Ich hatte ich mir vorgestellt, dass wir einen solchen Artikel in all den im Seminar vertretenen Sprachen vorfinden würden: englisch, italienisch, spanisch, französisch. Nun stellte sich heraus, dass es keine spanische Version gibt, dass die französische Version eine Übersetzung der deutschen Fassung ist (mit einigen Übersetzungsfehlern und ohne die Passagen über Magnus Hirschfeld) und dass die italienische Version ebenfalls eine Übersetzung ist, diesmal der englischen Version, die wiederum unter dem Titel “Nazi book burning” Farbe bekennt und dennoch einen Absatz zu Bücherverbrennungen während der “Denazification” enthält. Dass die Erinnerungsarbeit sich in all diesen kulturellen Zusammenhängen anders entwickelte, damit war wohl zu rechnen. Umso erstaunlicher schien mir die Tatsache, dass es neben der deutschsprachigen und der englischsprachigen Doxa keine Alternative zu geben scheint.

Nach einer Dreiviertel Stunde äußerten die Studenten den Wunsch, die Artikel zu ergänzen. Selbst dem langen, offensichtlich bereits stabilen deutschen Artikel fehlten Quellenangaben, nach denen recherchiert wurde. Es wurden in den weniger umfangreichen Artikeln Informationen aus dem deutschen Artikel eingebaut. Im allgemeinen Artikel über Bücherverbrennungen, den die spanische Wikipedia vorliegen hatte sowie in demjenigen der türkischen Wikipedia – ein äußerst karger Eintrag – wurden neue Absätze zur Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin eingebaut.

Immer wieder wurde die deutsche Fassung als Orientierungspunkt herangezogen. Ich musste  mich selbst ob der Genauigkeit dieses Artikels wundern. Und wie dort den so bekannten, symbolträchtigen Vorstellungen und Bildern entgegengearbeitet wird, etwa durch die Präzision der Schilderung der Vorbereitungen. Und durch die wiederholte Angabe, dass es regnete und regnete, in Berlin und in den anderen Städten auch, und das Feuer nicht starten wollte.

Zur Arbeit an den genannten Einträgen werden studentische Beiträge folgen.

 

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/265

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Zitierbarkeit von Wikipedia

Ein Beitrag von Stefanie Kurasch, Anahita Keyhita und Caroline Forscht

Die Frage, ob Wikipedia (in wissenschaftlichen Kontexten) zitierfähig ist, wird in der deutschen Wikipedia auf verschiedenen Ebenen beantwortet und diskutiert.

Im Autorenportal, das als Konsens der Community angenommen werden kann, taucht die Frage unter den Richtlinien für Wikipedia-Autoren_innen im Zusammenhang mit den Belegen der dargestellten Sachverhalte auf. Als zuverlässige Quellen werden Wikipedia-Artikel dort für Wikipedia-interne Arbeit prinzipiell ausgeschlossen. Als eingeschränkt zulässige Quellen gelten sie, insofern sie einem abgeschlossenen Autorenkreis entstammen oder hinreichend „externe Belege verfügbar sind, die unserem Quellenverständnis genügen“.

Ob Wikipedia für externes wissenschaftliches Arbeiten zitierfähig sei, beantwortet und verneint die Wikipedia-Community in den allgemeinen FAQ. Dort heißt es: “Da die Wikipedia ein Nachschlagewerk ist, sollte übrigens in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht aus ihr zitiert werden.“

Einen weiteren Standpunkt der Wikipedia-Community zur Frage der Zitierfähigkeit der Wikipedia artikulieren die Wikipedia-Artikel Zitierfähigkeit und Zitieren von Internetquellen. Hier wird auf die externe Diskussion über die Zitierbarkeit von Wikipedia verwiesen. Folgende Problempunkte werden dabei markiert: Keine Garantie für den Inhalt, Variabilität der Maßgaben zum wissenschaftlichen Arbeiten, dauerhafte Verfügbarkeit und Wandelbarkeit der Inhalte.

Zusätzlich dazu gibt es interne Diskussionen zur Zitierfähigkeit von Wikipedia. Die Positionen schwanken zwischen Ablehnung   und Einschränkung der Zitierfähigkeit der Wikipedia. In diesen Diskussionen geht es nicht nur um die interne Zitierfähigkeit von Wikipedia, sondern auch um ihre Verwendung in Schule und Studium. Wesentliche Kriterien für eine Verneinung oder Beschränkung der Zitierfähigkeit der Wikipedia sind dabei einerseits das Selbstverständnis der Wikipedia als Enzyklopädie und damit Tertiärquelle, die i.d.R. – abhängig von den fach-und disziplinspezifischen Standards zum wissenschaftlichen Arbeiten – nicht zitiert werden, und die unterschiedliche Qualität der Artikel andererseits. Die Diskussionen verweisen (teilweise durch Verlinkung) auf die gleichen und ähnliche Problempunkte, wie der Artikel zum Zitieren von Internetquellen.

Unsere Rückfrage an einen Wikipedianer zur Zitierfähigkeit von Wikipedia führte zu ähnlichen Antworten: einerseits strebe die Wikipedia als Tertiärquelle keine wissenschaftliche Zitierfähigkeit an, andererseits könnten gut recherchierte Artikel auch zitiert werden.

Die englische Sprachversion liefert dezidiertere Statements zur Zitierfähigkeit von Wikipedia. Dort gilt Wikipedia als nicht verlässliche Quelle, dabei wird auf den Status als Tertiärquelle und die Gefahr zirkulärer Belegstrukturen verwiesen. Inhaltlich sind die Argumente weitgehend konform.

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/79

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On the road towards a Digital Research Infrastructure for archaeologists

Digital data infrastructures for the arts and humanities are currently being developed within the framework of various projects in Germany and Europe. Among these projects, DARIAH (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) is one of the largest projects. And it is designed as a long-term project.[1] DARIAH focuses primarily on philology and history. But the project is open to other disciplines. So DARIAH is also conceptualizing a data infrastructure for archeology. The cooperation with other infrastructure projects (such as IANUS at the German Archaeological Institute – DAI) is a key component in the architecture of the digital data infrastructure for archaeologists.[2] Furthermore it should be taken into account the collaboration with the project CLARIN (Common Language Resources and Technology Infrastructure).[3] This data infrastructure project is geared to linguistic needs. Within the network of the different data infrastructure projects, DARIAH could be aimed to harmonize the national activities on the EU level. International data networks of archeology are desirable in related regions such as the North and Baltic Sea coast to go beyond existing administrative boundaries of research.

But what are the specific needs of archaeologists to a digital research data infrastructure? Is it even possible to implement a centralized research data infrastructure (that is accepted by the researchers) in the very heterogeneous landscape of archaeological sciences in Germany? Therefore, it seems very important right from the start of the project to involve as many partners as possible in the conception of the infrastructure. The structure of federal states in Germany did not enable the foundation of a national archaeological data service, such as in the Netherlands or the UK.[4] The political conditions are contrary to centralized efforts. Thus, a decentralized architecture of the data infrastructure represents a solution to the existing problem. The cooperative project with equal partners should bring together both: the research at the universities as well as at the national archives of administration. It makes mutually accessible the respective databases for all partners. Forthermore the DARIAH service will provide a redundant long-term binary data storage with sovereign rights of data privacy and security requirements.

[1] http://de.dariah.eu/partner

[2] http://www.ianus-fdz.de/projects/zentr-dig-arch/news

[3] http://www.clarin.eu/external/

[4] http://csanet.org/newsletter/fall12/nlf1202.html

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Quelle: http://archdigi.hypotheses.org/235

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Twitteraktion “Mein Lieblingsstück” für das Stadtarchiv Köln und die KMB

Am 12. Mai 2013 zum Internationalen Museumstag rufe ich zu der kleinen Twitteraktion “Mein Lieblingsstück” auf. Ziel ist es, die derzeitige Lage der drei, von einem Neubau-Plnungsstopp betroffenen Institutionen (Stadtarchiv, Kunst- und Museumbibliothek und Rheinisches Bildarchiv) bekannt zu machen und die seit fast einem Monat laufende Petition zu verbreiten.

Es müssen dabei nur 2 Tweets verschickt werden, die mit den hashtags #IMT13 und #IMD13 versehen sind.

1) Der erste Tweet enthält ein schönes Stück aus den Online-Bestände der 3 Einrichtungen. Man könnte z. B. ein Lieblingsstück aus der Kunst- und Museumsbibliothek posten. Hier findet man einiges: http://www.kulturelles-erbe-koeln.de/.

2) Der zweite Tweet verweist auf die Petition und ruft zum Mitzeichnen auf: https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-die-aufhebung-des-planungsstopps-fuer-den-neubau-des-historischen-archivs-der-stadt-koeln

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/643

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Der Soldat: Schutz oder Übel? Eine Etymologie

“miles dicitur a malo arcendo. ergo hodierni non sunt milites, quia omne malum adferunt.” – Eigentlich erwartet man von den Soldaten, daß sie für den Schutz der Bevölkerung sorgen und Unheil abwehren. Doch in diesen Zeiten ist alles anders, denn nun es ist das Militär, das allem Übel Tür und Tor öffnet. Daher kann man eigentlich nicht mehr von Soldaten sprechen, weil ihr Handeln dem Verständnis des Wortes widerspricht.

Der oben zitierte Satz stammt von Georg Mengershausen, einem Ratsherrn und Steuereinnehmer der Stadt Göttingen im 17. Jahrhundert. Er hat ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen, in dem er weniger das eigene Leben als vielmehr die Ereignisse seiner Zeit, so wie sie ihm vorkamen, aufgeschrieben hat – ein faszinierendes Zeitzeugnis (StA Göttingen, AB III 5). Dem zweiten Band (von vieren insgesamt) hat er die eingangs zitierte Sentenz vorneweg gestellt, gleichsam ein Motto für das, was in diesen Jahren passierte. Dieser Band des Diariums setzt im April des Jahres 1631 ein und reicht bis zum Dezember desselben Jahres; in dieser Zeit kam es nicht nur zur Zerstörung Magdeburgs, sondern auch in Göttingen erlebte man hautnah, was die Präsenz von Militär für Beschwernisse mit sich brachte – eine Erfahrung allerdings, die den Erlebnishorizont der vergangenen Jahre erweiterte, als man schon einmal eine Besatzung von Soldaten der Ligaarmee in den Mauern der Stadt hatte.

Ob Mengershausen sich wirklich für die Etymologie des Wortes miles interessiert hat, bleibt fraglich. Ihm ging es wohl eher um die Pointe in diesem Sinnspruch, durch die letztlich das Verkehrte-Welt-Motiv variiert wird – statt zu beschützen, bringt das Militär nur Unheil. Eine Erkenntnis, die womöglich das Zeitgefühl und die Wahrnehmung der eigenen Lebenswirklichkeit widerspiegelt.

Offen bleibt, woher Mengershausen diese Sentenz und diese Etymologie kennt. Im Diarium ist zwar ein Hinweis gegeben, dessen Abkürzungen allerdings für mich kaum lesbar und daher auch nicht zu identifizieren waren. Weitere Nachweise sind nur äußerst spärlich. Ich habe eine Stelle im „Speculum vitae humanae“ (zuerst 1468) von Rodericus Sancius de Arevalo / Rodericus Zamorensis nachweisen können. Aber darauf bezieht sich Mengershausen offenbar nicht. Auch gibt es in Spinozas „Tractatus theologico-Politicus de officiis hominum circa ius naturae“, Lund 1685, eine Referenz, doch auf dieses spätere Werk kann sich der Göttinger natürlich nicht berufen haben. Die großartige Sammlung der “Proverbia sententiaeque Latinitatis medii ac recentioris aevi” von Hans Walther hat mir in dem Fall nicht weitergeholfen.

Wenn jemand aber eine Idee hat oder einen weiteren Nachweis kennt, wäre ich für einen Hinweis dankbar. Denn daß allein das „Speculum vitae humanae“ als Ursprung dieser Etymologie in Frage kommen soll, will mir nicht ganz einleuchten. Die Ableitung „miles a malo arcendo“ ist übrigens nicht haltbar, wobei die sprachgeschichtliche Wurzel des Wortes miles ohnehin nicht geklärt ist (vgl. Walde / Hofmann: Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1938, S. 87).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/165

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