Eine Datenbank für die verschwundene Kunst der DDR


Karl-Siegbert Rehberg nahm bei der Eröffnung der Dresden Summer School 2012 an der Podiumsdiskussion teil. Was in der stark theoritisierenden Diskussion unerwähnt blieb, war sein Projekt: Bildatlas “Kunst in der DDR”.

Innerhalb des Projektes wurden nicht nur die gerade eröffneten Ausstellungen in Weimar (Abschied von Ikarus; 19.10.2012-3.2.2012) Erfurt (Tischgespräch mit Luther. Christliche Bilder in einer atheistischen Welt; 21.10.2012-20.1.2013) und Gera (Schaffens(t)räume; 19.10.2012-3.2.2012) konzipiert, Kataloge geschrieben und ein Symposium organisiert, sondern ein digitales Verzeichnis von mehr als 20.000 Bildern und Objekten angelegt. Es handelt sich um Werke die in der DDR entstanden sind und nach 1990 weitestgehend aus den öffentlichen Räumen und aus den Museen verschwanden.

Die Datenbank gibt den Werken ihren Raum und ihre Aufgabe, als künstlerische Objekte und historische Zeugen zurück. Im Interview mit Fridtjof Harder hat Karl-Siegbert Rehberg die Vorzüge dieser digitalen Erfassung deutlich benannt. Neben der besseren Überschaubarkeit der sehr verstreuten, meist in Depots befindlichen Werke ermöglicht die Datenbank das Gegenüberstellen sowie das Entdecken neuer Zusammenhänge und Widersprüche der Werke und ihrer Künstler. Alle Aktivitäten des Projektes sowie der Bildatlas sind auf der Internetseite für jeden einsehbar. Ein wissenschafltiches Blog erleichtet die Kontaktaufnahme und konstruiert einen barrierefreien Besucherraum. Der Bildatlas “Kunst der DDR” greift den heutigen Museen vor, die oft nicht wissen, ob und wie sie ihre DDR Kunst präsentieren können oder wollen.

Weitere Informationen können dem Interview entnommen werden. Die Passage zur Bedeutung der digitalen Medien befindet sich unmittelbar am Ende. Das vollständige Interview liegt als PDF auf der Homepage des SFB 804. Der Besuch des Bildatlasses sei jedem ans Herz gelegt: http://www.bildatlas-ddr-kunst.de/index.php?pn=database

Quelle: http://dss.hypotheses.org/745

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Wer das lesen könnt … Zur (Un-)Brauchbarkeit heutiger E-Book-Reader für historische Literatur


E-Book-Reader mit Buchseite im Fraktursatz

Wer in einer historischen Wissenschaft forscht, kann sich heute einen großen Teil seiner Quellenliteratur in elektronischer Form an den eigenen Arbeitsplatz holen: dank Google Books (und einiger progressiver Bibliotheken) sind bereits mehrere Millionen gemeinfreier Bücher digitalisiert. Bei einer größeren Forschungsarbeit warten dann zehn-, vielleicht zwanzigtausend digitalisierte Buchseiten darauf, gesichtet, bewertet und in den relevanten Teilen gelesen zu werden. Doch welche Art von Lesegerät ist überhaupt geeignet, um historische Literatur in digitalisierter Form effizient studieren zu können? Gibt es solche Geräte überhaupt auf dem Markt?

Drei Grundanforderungen muss der Reader mindestens erfüllen: er muss erstens für ermüdungsarmes Lesen langer Texte geeignet sein, zweitens über ein ausreichend großes Display verfügen und drittens einen effizienten Umgang mit denjenigen Formaten bieten, in denen die Digitalisate historischer Bücher üblicherweise vorliegen. Der erste Punkt ist schnell geklärt: hintergrundbeleuchtete Bildschirme sind für stundenlanges Lesen ungeeignet. In Frage kommen daher nur E-Book-Reader mit reflektiven Displays (“elektronisches Papier”), die in Bezug auf Kontrast und Schärfe der Textdarstellung die Qualität bedruckten Papiers inzwischen nahezu erreichen (eInk Pearl).

Die zweite und dritte Anforderung ergibt sich aus dem Format, in dem historische Literatur üblicherweise als Digitalisat zur Verfügung gestellt wird: nämlich als Image-Daten, also Faksimiles, die man in der Regel im PDF-Format herunterladen kann. Im Gegensatz zu elektronischem Text, bei dem sich Zeilen- und Seitenumbruch im Lesegerät entsprechend der Displaygröße und der eingestellten Schriftart und Schriftgröße anpassen, zeigen diese Faksimile-Digitalisate den Text genau in der Form, in der er im Original gedruckt vorliegt. Notwendig sind daher E-Book-Reader mit großem Display, so dass der Text in Vollseitenansicht wenigstens bei mittelgroßen Büchern noch gut lesbar ist.

Bereits an dieser Stelle beginnt der Markt, extrem dünn zu werden: Bei meiner Recherche im Frühjahr dieses Jahres kam es mir vor, als würde zur bereits millionenfach vorhandenen „Software“ noch die geeignete Hardware fehlen. Lediglich drei Anbieter hatten überhaupt lieferbare Geräte mit der ausreichenden Größe von rund 10 Zoll im Portfolio: PocketBook mit den beiden Varianten Pro 902 und 903, Amazon (Kindle DX) und Onyx (Boox M90/M92). Zwei weitere Anbieter (iRex und EnTourage) sind nicht mehr am Markt; inzwischen ist der Hersteller Ectaco mit seinem JetBook Color hinzugekommen.

Um einmal ein Maß zu geben: Die 10-Zoll-Displays haben ein Format von rund 20 x 14 cm – dies ist etwas kleiner als DIN A5 und entspricht ungefähr dem klassischen Oktav-Buchformat, so dass die digitalisierten Seiten solcher Bücher in Originalgröße wiedergegeben werden können. Bei Groß-Oktav und größeren Buchformaten ist eine gute Lesbarkeit bestenfalls noch dann gegeben, wenn die Darstellung des Readers einen angepassten Zoom auf den Satzspiegel erlaubt.

Dies wäre dann der dritte Punkt: ein nutzerfreundlicher Umgang mit PDF-Dokumenten. Amazons Kindle DX unterstützt PDF nur rudimentär, bei PocketBook (das leider kein Pearl-Display hat) ist er mittelprächtig, bei Onyx ist zumindest die Zoom-Funktionalität wohl die beste: es ist ein automatischer Randbeschnitt einstellbar, so dass die maximale Zoomstufe stets automatisch ermittelt werden kann und auch das Blättern von rechten zu linken Seiten nicht zu Ausschnittsverschiebungen in den Satzspiegel hinein führt. Der Teufel steckt aber auch bei dieser Lösung im Detail: etwa wenn Verschmutzungen, die Lagenangaben für den Buchbinder oder Annotationen außerhalb des Satzspiegels liegen. Stichwort Annotationen: Ein guter PDF-Reader muss auch die analogen Lektüretechniken wie Lesezeichen, Anstreichungen und Anmerkungen digital adäquat ersetzen. Beim Onyx Boox M92 ist dies dank Touch-Screen mit elektronischem Stift ganz ordentlich möglich; die Umsetzung des Anmerkungsexports ist jedoch noch verbesserungswürdig.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Sucht man einen 10-zolligen E-Book-Reader mit sehr gutem eInk-Display und ordentlicher PDF-Handhabbarkeit, kam zum Zeitpunkt meiner Recherche vor einigen Monaten genau ein Gerät in Frage – das zudem bei den allermeisten Händlern in Deutschland nicht erhältlich war. Ich ziehe daraus die Folgerung, dass es für Geräte dieser Art derzeit noch keinen ausreichend attraktiven Markt gibt.

Was heißt das nun für Bibliotheken? Immer mehr Einrichtungen forcieren die Digitalisierung ihrer Bestände, doch um die hardwaretechnischen Voraussetzungen der Benutzbarkeit dieser Digitalisate kümmert sich kaum ein Bibliothekar – in der Annahme, die Elektronikbranche werde für jeden Zweck schon geeignete Geräte anbieten. Eine derzeit eher naive Annahme, wie ich gezeigt habe. (Die möglicherweise auch daher rührt, dass Bibliothekare zwar viel Expertise im Erschließen, aber wenig Erfahrung im Lesen ihrer Bestände haben?) Doch sollen und können sich Bibliotheken hier engagieren? Oder wird es der Markt schon richten? Denkbar wären Public-Private Partnerships, in denen Uni-Bibliotheken mit Hardware-Unternehmen kooperieren. Mancherorts erhalten Studierende der naturwissenschaftlichen Fakultät zum 1. Semester einen iPad – sollte man nicht in Fächern wie Literaturwissenschaft „akademische E-Book-Reader“ zu etablieren versuchen?

Quelle: http://dss.hypotheses.org/682

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