Theorie des Digitalen Zeitalters

Der Blogeintrag versteht sich als geschichtstheoretische Spekulation. Sie endet pessimistisch. Wer setzt eine optimistische Spekulation dagegen?

Der Beitrag Theorie des Digitalen Zeitalters erschien zuerst auf Wolfgang Schmale.

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Statement: Thomas Stäcker – „Eine Bibliothek aus Texten weben“

Die neue alte Rolle der Bibliothek als Ort des Sammelns, Erschließens und Vermittelns von wissenschaftlicher Literatur im digitalen Zeitalter

»The Invention of Printing , though ingenious, compared with the invention of Letters, is no great matter«. Diese für manchen vielleicht überraschende Feststellung, die Hobbes in seinem Leviathan trifft, lässt die grundsätzliche Ebene der Schriftlichkeit gegenüber ihrem Träger, dem Buch, aufscheinen und relativiert zugleich die Bedeutung des letzteren in einer gleichsam phylogenetischen Perspektive. Bibliotheken wiederum, wie der große niederländische Gelehrte Justus Lipisus schreibt: »… sind eine alte Einrichtung und wurden, wenn ich mich nicht täusche, zusammen mit der Schrift erfunden.“


Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Augusteerhalle
(Foto: Friedrichsen | CC BY-SA 3.0)

Der enge Zusammenhang von Wissen, Schreiben und Bibliothek, so die These, löst sich auch in Zeiten des Internet nicht. Mit Lipsius gesprochen, kann das Wissen nicht mit Gewinn genutzt werden, wenn es nicht irgendwo aufbewahrt und bereitgestellt wird. Auch das elektronische Buch macht da keine Ausnahme, und es ist eine leichtfertige, ja gefährliche Vorstellung, dass das Internet gleichsam von selbst für die Kultur- und Wissenstradition und – sicherung sorgte. Bibliotheken und Archive behalten daher auch in Zeiten ubiquitärer digitaler Verfügbarkeit die Verantwortung für die Archivierung des Geschriebenen. Bibliotheken müssen sich jedoch im digitalen Zeitalter darauf einstellen, dass sich grundlegende Kulturtechniken, wie das Schreiben und Lesen, ändern und damit auch die traditionellen Formen des Sammelns, Erschließens und Zugänglichmachens. Überkomme und eingespielte Verhältnisse der Wissensproduktion und Aufgabenverteilungen müssen überdacht werden. Z.B. ist es in Zeiten des beliebig vervielfältigbaren Textes mittelfristig nicht mehr sinnvoll, wissenschaftliche Texte über ein gegenüber neuen „Lesetechniken“ wie maschine reading oder Anforderungen des semantic web weitgehend hermetisches Verlagssystem zu publizieren. Voraussetzung für Änderungen ist hier, dass es gelingt, die wissenschaftlichen Qualitätssicherungs- und Distributionssysteme neu auszurichten und dass Universitäten und Autoren die Kontrolle über ihre wissenschaftlichen Publikationen wieder stärker selbst in die Hand nehmen.

Bibliotheken sind Orte, an denen das Geschriebene, sei es analog oder elektronisch, zuverlässig als ein öffentliches, allen gemeinsames Gut für die Nachwelt gesichert wird, wo, unbeeinträchtigt von kommerziellen Interessen der freie Zugang über eigene Suchsysteme gewährleistet ist und wo in qualitativer Auswahl erworben wird. Allerdings sind Bücher nicht länger nur mehr materielle Gegenstände, die in Magazinen aufbewahrt werden, sondern in elektronischer Form miteinander semantisch vernetzte, an jedem Ort der Welt verfügbare, eben maschinenlesbare Texte, denen immer weniger ein end-user, sondern, wie McCarty es formulierte, ein end-maker gegenübersteht. Dieserart gewobene Texte bilden perspektivisch eine neue, eine digitale Bibliothek, die der analogen zur Seite tritt.

Dr. Thomas Stäcker ist Leiter der Abteilung „Neuere Medien, Digitale Bibliotheken“ und seit 2009 Stellvertretender Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt dabei unter anderem in der Akquise und Betreuung von Digitalisierungs- und Erschließungsprojekten. Er studierte Philosophie, Latinistik und deutsche Literaturwissenschaft und promovierte 1994 am Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften der Universität Osnabrück.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/304

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