Ein Déjà-vu in der Kunsthalle Karlsruhe

Meister der Karlsruher Passion
Ich hatte gestern in der Karlsruher Kunsthalle ein Déjà-vu-Erlebnis, als ich die gleichnamige Ausstellung besuchte. Ich sah zwei Bilder der Kreuznagelung Christi, die beide sehr ähnlich zueinander waren. Eines davon hatte ich schon einmal gesehen, da war ich mir sicher. Dann fiel der Groschen: Ich hatte eines beim ARTigo-Spielen getaggt. Ein Blick auf die Informationen zum Bild zeigte, dass es das Bild des Meisters der Karlsruher Passion (1450/55) gewesen sein musste, weil sich dieses in der Kunsthalle Karlsruhe befindet und Bilder von dort im Datenbestand von ARTigo vorhanden sind.

Jetzt hing es im Original vor mir! Das hat mich sehr gefreut und ich habe mit den zwei Bildern, dem des Karlsruher Meisters und dem des Straßburger Meisters (1490/1500), etwas Zeit verbracht. Das menschliche Bildgedächtnis ist zwar sehr gut, aber ich hatte es bereits vor ein paar Monaten getaggt und aufgrund der kleinen Unterschiede konnte ich nicht ausmachen, welches von beiden ich kannte. Erinnert habe ich mich an die Komposition, wie die diagonal im Bild liegende Christusfigur, die vielen Menschen darum herum, die martialischen Waffen im Hintergrund sowie die kräftige Farbgebung.

Beim Bild des Straßburger Meisters hingegen ist die Figur des Mannes unten rechts im Bild nicht so wohlproportioniert dargestellt und der Spaten, auf den er sich stützt, wird von einer weiteren Figur verdeckt. Auch zählt dieses Bild ein paar Soldaten im Hintergrund weniger und auf Pflanzenmotive am Horizont wurde ebenfalls verzichtet. Außerdem weicht der Gesichtsausdruck der abgebildeten Personen von denen des anderen Bildes ab.

Zum Vergleich hätte ich neben das Bild des Karlsruher Meisters (s.o.), das man über Google oder ARTigo finden kann, gerne das Bild des Straßburger Meisters gestellt, um die Unterschiede noch einmal nachvollziehen zu können. Das Bild des Straßburger Meisters befindet sich im Hessischen Landesmuseum Darmstadt und ich habe es weder über Google noch über Prometheus gefunden, was sehr schade ist. Deshalb ist die Beschäftigung mit dem Vergleich für mich an dieser Stelle zwangsläufig definitiv zu Ende.

Was ich wiederum schade finde, denn ich könnte mir eine anregende Diskussion über die Déjà-vu-Ausstellung sehr gut vorstellen und habe auf der Homepage der Kunsthalle Karlsruhe danach gesucht. Vergebens. Dabei gibt das Thema dieser gelungenen Ausstellung dazu genug her. Solch eine Diskussion – vielleicht in Form eines Blogs – könnte die Besucher neugierig machen. Vielleicht kommen dann mehr? Anmerkungen der Besucher könnten hier gesammelt und ausgewertet werden. Wer weiß, welche Möglichkeiten darin noch liegen? So was muss man ausprobieren. Mein persönlicher Eindruck ist, trotz eigener Unkenntnis und einer nur vagen Ahnung der angesprochenen Möglichkeiten: Die Begleitung einer Ausstellung mit digitalen interaktiven Mitteln bietet neue Chancen der Kommunikation (und Forschung?), und zwar für Fachleute und für Laien. Es heißt, diese Chancen zunächst zu finden und dann zu nutzen, damit die Institution Museum auch morgen noch Bestand hat.

Quelle: http://games.hypotheses.org/345

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Motivation durch Belohnung?

Unser Gehirn reagiert auf Belohnungen. Allerdings anders, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Ein Satz wie: „Wenn du das und das tust, bekommst du 5 Euro“ bewirkt in der Regel eher das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte. Und da sind wir schon beim Punkt. Eine Belohnung dafür auszusetzen, damit jemand etwas tut, was man gerne von ihm möchte, funktioniert nicht wirklich.

Hierzu gibt es viele und große Studien. Beispielhaft möchte ich zunächst folgende Studie von Lepper, Greene und Nisbett (1973) aufführen: Vorschulkinder, die gerne malten und zeichneten, wurden in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe wurde eine Belohnung fürs Malen und Zeichnen versprochen. Der zweiten Gruppe wurde nichts versprochen, sie erhielt nach dem Malen eine unerwartete Belohnung. Der dritten Gruppe wurde nichts versprochen und erhielten auch nichts. Zwei Wochen später sollten die Kinder erneut malen und zeichnen. Dabei stellte man fest, dass die Kinder der ersten Gruppe weniger Zeit dafür aufwendeten als die Kinder der zweiten und dritten Gruppe, die sich nur wenig unterschieden. Außerdem wurden die Bilder nach vorher festgelegten Kriterien beurteilt. Die Bewertung ergab, dass das qualitative Ergebnis der Kinder der ersten Gruppe unter dem der anderen beiden Gruppen lag.

Aus Studien wie dieser kann man schließen, dass erwünschtes Verhalten aufgrund von extrinsischer Belohnung abnehmen kann. Ja, eine Tätigkeit, die vorher Spaß machte, wird dadurch verdorben. Warum ist das so? Wir Menschen sind grundsätzlich motiviert. Wären wir das nicht, würde es uns nicht geben. Eine Tätigkeit, die wir gerne machen, und für die wir plötzlich eine materielle Verstärkung erhalten, muss wohl ziemlich blöd sein, wenn es dafür schon Geld gibt. Also machen wir das fortan nicht mehr (oder weniger).

Durch weitere Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Art der Belohnung von Bedeutung ist. Materielle Belohnungen wie Geld korrumpieren und wirken sich auf intrinsische Motivation negativ aus. Dagegen wirkt sich Lob verstärkend aus. Demnach ist verbale extrinsische Verstärkung geeignet, ein bestimmtes Verhalten zu fördern.

Genauso haben Boni eher eine negative als positive Wirkung. Die Leistung ist bei einem hohen Bonus im Vergleich zu mittleren und eher niedrigeren Boni am schlechtesten, weil ein hoher Bonus den Druck erhöht. Dadurch nimmt die Risikobereitschaft zu und die Leistung ab.

Außerdem wurde gezeigt, dass ein hoher Bonus nur bei einfachen mechanischer Tätigkeit einen positiven Effekt hat, während sich bei geistigen Tätigkeiten ein geringerer Bonus positiv auswirkt.

Richtig zu motivieren ist gar nicht so leicht, wie man sehen kann. Tom Sawyer brachte seine Freunde dazu, für ihn den Zaun zu streichen, indem er herausstellte, wie viel Spaß es mache und welche Ehre es sei. Spaß und Ehre, wer will das nicht? Für den 30 Meter langen Zaun seiner Tante Polly hat es gereicht. Ob solch eine Methode allerdings dauerhaft funktionieren würde, ist fraglich.

Siehe auch Manfred Spitzer bei BR-alpha: http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/geist-und-gehirn/geist-gehirn-belohnung100.html

Quelle: http://games.hypotheses.org/318

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Naheliegende Assoziationen oder warum denken viele Menschen bei „blau“ auch an „Himmel“?

  Die häufigsten Taggings (eingegebene Begriffe der Spieler) in ARTigo sind die Begriffe „Mann“, „Frau“, sowie „weiß“ und „schwarz“. Wie es kommt, dass hauptsächlich einfache Begriffe eingegeben werden, darüber hatte ich mir bereits Gedanken gemacht. Aber wie kann man das Vorkommen von sehr naheliegenden Assoziationen erklären, wie „Mann/Frau“, oder „Himmel/blau“? In der Linguistik wird diese Wortbeziehung übrigens als Antonym bezeichnet. Natürlich müssen diese Begriffe zunächst als Objekte im Bild enthalten sein. Eine weitere Auswirkung dürfte aber unser Assoziationsnetzwerk haben, das wir im Laufe unseres Lebens aufgebaut haben. Vereinfacht kann man solch ein Netzwerk folgendermaßen darstellen: Abbildung 1: So könnte ein Begriffsnetzwerk zum Begriff „blau“ aussehen Wobei anzumerken ist, dass dieses Netzwerk individuell und erfahrungsabhängig ist. Aber es gibt doch einige sich bei vielen Menschen überschneidende naheliegende Assoziationen. Bei der Farbe „Blau“ werden als Assoziationen häufig die Begriffe „Himmel“, „Wasser“, „Grün“ und „Rot“ genannt. Inwieweit wir Zugriff auf dieses Netzwerk haben, bestimmen unsere Emotionen. Sind wir angespannt oder ängstlich, dann ist man fokussiert und der Scheinwerfer auf das Netzwerk verengt sich: Abbildung 2: verengter Fokus auf unser Begriffsnetzwerk Das ist an sich von der Evolution ganz nützlich eingerichtet, denn wenn Gefahr im Verzug ist, sollen wir handeln und nicht erst lange überlegen. Sind wir hingegen entspannt, haben wir einen weiteren Blick auf das Begriffsnetzwerk und es fällt uns mehr ein. Der Fokus verschwindet und wir sehen zwar nicht mehr so genau, dafür aber mehr (sh. Abbildung 1). Deshalb kommen wir häufig zu Problemlösungen in Situationen, in denen wir nicht verkrampft und angestrengt nach der Lösung suchen, sondern gerade etwas ganz anderes machen, z.B. beim Joggen oder, wie mir neulich eine Bekannte erklärte: „Meine besten Einfälle habe ich bei der Hausarbeit.“ Auf ARTigo bezogen würde das heißen, dass die Zeitbegrenzung auf eine Minute Spielzeit pro Bild sich auf unser Begriffsnetzwerk eher negativ auswirken würde, weil der Fokus schrumpft und wir damit auf weniger Begriffe Zugriff haben. Mehr Zeit könnte hier zu weiterführenden Begriffen führen, die nicht nur Objekte bezeichnen, die direkt im Bild enthalten sind, sondern die quasi auf der zweiten Ebene liegen, wie Begriffe, die Emotionen beschreiben, kunsthistorische Fachtermini und komplexere Tags, die aus mehreren Worten bestehen (Phrasen). Mehr Zeit könnte also zur Gewinnung von spezifischeren Begriffen beitragen. Informationen zu Einfällen und Ideen finden Sie hier: Manfred Spitzer: Geist und Gehirn. Einfälle – wer oder was steuert sie?      

Quelle: http://games.hypotheses.org/254

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Warum finden wir ein Bild schön?

Wir alle verfügen über innere Bilder. Wenn wir an etwas denken, erscheint es häufig vor unserem inneren Auge, begleitet von angenehmen oder weniger angenehmen Gefühlen oder Gedanken.

Unsere innere Bilderwelt besteht zunächst aus dem Selbstbild, das wir von unserer eigenen Person haben, dann aus dem Menschenbild, das wir von den anderen um uns herum haben, und schließlich ist das Weltbild zu nennen, das wir von den größeren Zusammenhängen, in denen wir uns bewegen und leben, haben [1].

Wie entstehen diese Bilder in uns? Sie entwickeln sich aus Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Das beginnt schon im Mutterleib mit den ersten Tast- und Geschmackserfahrungen. Richtig viele Erfahrungen sammeln wir dann nach der Geburt. Tut uns etwas gut, dann wollen wir das wiederholen und nochmal machen. Mögen wir etwas nicht, dann weigern wir uns und lehnen es ab. Das ist individuell verschieden, denn jeder hat seine eigenen Erfahrungen und damit seine eigenen Bilder. Indem wir etwas ablehnen und wiederholen, bewerten wir die Dinge und Bilder in uns. Bewerten heißt auch, dass wir sie mit einem Gefühl belegen. Somit sind alle Bilder automatisch bewertet und mit Emotionen verknüpft [2].

Ich frage mich, was das Gemälde eines Künstlers anderes als ein inneres Bild ist? Natürlich wurde aus diesem inneren ein äußeres Bild, indem es der Maler auf die Leinwand aufbrachte, sonst könnten wir es ja nicht sehen. Wobei sein inneres Bild nicht das Motiv selbst, sondern die Wahl des solchen ist. Dazu kommen der Pinselstrich und die Farbwahl, also der Ausdruck. Wenn zehn Maler vor demselben Motiv stehen und es malen, dann kommen zehn verschiedene Bilder dabei heraus: zehn verschiedene gemalte innere Bilder.

Beim Betrachten von Bildern in einem Museum begegnen sich die innere Bilderwelt des Künstlers und die innere Bilderwelt des Betrachters. Je nachdem, welche Berührungspunkte beide Bilderwelten haben, werden Gefühle im Betrachter geweckt, wie z.B. Freude, Ergriffenheit, Bewunderung oder Ablehnung und Irritation. Diese Berührungspunkte sind der Knackpunkt: Sie entscheiden nicht nur über Gefallen und Nichtgefallen, sondern auch über den Grad der Emotion, den wir beim Anschauen eines Gemäldes empfinden. Das ist meine Erklärung, warum wir ein Bild schön finden. Wobei meine Erklärung auch ein Bild ist.

[1] Gerald Hüther: Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2011

[2] Manfred Spitzer: Das Wahre, Schöne, Gute. Brücken zwischen Geist und Gehirn, Stuttgart 2009

Quelle: http://games.hypotheses.org/47

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