Kriegsalltag im Protokollbuch

Schrieb ich zuletzt, die Einträge während des zweiten Weltkrieges waren spärlich? Nun zugegeben, das Vereinsleben ruhte ab 1939 beinahe vollständig, aber immerhin zwölf Seiten wurden in den Kriegsjahren beschrieben; wobei für 1942, 1944 und 1945 keine Einträge vorhanden sind. Hier … Weiterlesen

Quelle: http://ockenheim.hypotheses.org/82

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Kriegsalltag im Protokollbuch

Schrieb ich zuletzt, die Einträge während des zweiten Weltkrieges waren spärlich? Nun zugegeben, das Vereinsleben ruhte ab 1939 beinahe vollständig, aber immerhin zwölf Seiten wurden in den Kriegsjahren beschrieben; wobei für 1942, 1944 und 1945 keine Einträge vorhanden sind. Hier … Weiterlesen

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Schrieb ich zuletzt, die Einträge während des zweiten Weltkrieges waren spärlich? Nun zugegeben, das Vereinsleben ruhte ab 1939 beinahe vollständig, aber immerhin zwölf Seiten wurden in den Kriegsjahren beschrieben; wobei für 1942, 1944 und 1945 keine Einträge vorhanden sind. Hier … Weiterlesen

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„habe im gebrochenen Deutsch gefragt, was da angeschlagen sei”


RNB St. Petersburg, F 993 Arch. Westf., K. 17, Nr. 10 494–10 686, hier Nr. 10 507: Abschrift einer Deklaration von J. H. G. Oppermann, protokolliert von Hoffmann, Polizeikommissar in Braunschweig, 2. 4. 1813.

„[…] den Tags Befehl d. 29.sten März a.c. in welchen bekannt gemacht worden, daß mehrere Russen [lateinische Schrift] getödtet und zu Gefangnen gemacht worden, und welches an die Ecken der Gaßen angeschlagen worden war, in der Gegend des August Thors abgerissen habe […] Gärtner Oppermann […] dabei gegenwärtig […]

Johann Heinrich Gebhardt Oppermann [deklarierte gemerkt zu haben, wie] mehrere Leute an der Ecken gestanden, und den Tags Befehl gelesen hätten, er sei ebenfalls hinzu getreten, um denselben zu lesen. Ein Französischer Cuirassier habe ebenfalls unter diesen Leuten gestanden, habe im gebrochenen deutsch gefragt, was da angeschlagen sei. Es sei denselben hierauf gesagt, daß 200 Mann Russen getödtet und 17 zu Gefangenen gemacht worden, der Franzose habe hierauf erwiedert.

‚Spricht man die 200 Mann Russen todt, 17 Cosacken Gefangen, aber man sagt nicht wie viel Franzosen todt und gefangen genommen worden. Ich bin in Moscau gewesen, und weiß die Russen zu schätzen, und noch hinzugesagt S. V. Scheiss, und habe in 2 malen von der Ecken den Tags Befehl abgerißen. […]

Oppermann-Hoffmann”. 

 

Zur Quelle:

 

Diese Quelle ist in zwei Hinsichten interessant: Zum einen zeigt es, wie Übersetzungsprozesse spontan und unkompliziert zustande kamen. Beispielsweise konnte ein Nachbar oder Fremder als Interpret dienen. Im Protokoll vom Polizeikommissar Hoffmann wird deutlich, dass er auf der Suche nach einem französischen cuirassier, der mithilfe der umstehende Bevölkerung den Inhalt des zweisprachigen Anschlags erfuhr. Er sprach zwar nur gebrochen Deutsch, aber seine Zweisprachigkeit genügte, um die versammelten deutschsprachigen Menschen auf der Straße vor dem Anschlag anzusprechen und mit ihrer Hilfe den Inhalt des Anschlags zu erschließen. Aus einem anderen Dokument der gleichen Polizeiakte (Polizeibericht vom Generalpolizeikommissar der Hohen Polizei François Thibault de Guntz an seinen Vorgesetzten Bongars) erfährt man, dass der Tagesbefehl vom 29. März zweisprachig war. Daraus ergibt sich, dass der Cuirassier weder das Deutsche noch das Französische selbst nachlesen konnte, weil er des Lesens nicht mächtig war. Dies bedeutet, dass ein zweisprachiger Analphabet französischer Herkunft über Dritte, nämlich einsprachige deutsche Schriftsässige, durch Vorlesen auf Deutsch trotz geringer deutscher Sprachkenntnisse Zugang zum Inhalt des Anschlags erhielt – und dies, obwohl der gleiche Text eigentlich auch in seiner Muttersprache zur Verfügung stand. Da der französische cuirassier  nicht lesen konnte, hatte er sich in der Hoffnung zu ihnen gesellt, er werde unter den Leuten, die sich um den Anschlag versammelt hatten, bestimmt jemanden finden, der ihm entweder den französischen oder den deutschen Text vorlesen würde.

Zum anderen habe der Cuirassier den Anschlag abgerissen, so der Gärtner Johann Heinrich Gebhardt Oppermann und empört zum Besten gegeben, dass er der napoleonischen Kriegspropaganda kein Glauben mehr spende, nachdem er den Rußlandfeldzug miterlebt habe. Der französische cuirassier äußerte mit dieser Aktion und seinem Wutausbruch seine Desillusion über die Kriegszüge Napoleons und die Informationspolitik der französisch-kaiserlichen und westphälischen Macht, die mehr eine propagandistische Desinformationspolitik war.

 

Weiterführend:

Roger Chartier (Hg.), Pratiques de la lecture, Marseille 1985.

Erich Pelzer, Die „Bulletins de la Grande Armée” als Werkzeuge napoleonischer Propaganda, Selbstdarstellung und Legendenbildung, in: Rüdiger Schmidt, Hans-Ulrich Thamer (Hg.), Die Konstruktion von Tradition. Inszenierung und Propaganda napoleonischer Herrschaft (1799–1815), Münster 2010, S. 209–234.

 

Zitiert/verwendet, in:

Claudie Paye, „Der französischen Sprache mächtig”. Kommunikation im Spannungsfeld von Sprachen und Kulturen im Königreich Westphalen 1807−1813, München 2013, S. 127.

 

Abbildung Banner: C. G. H. Geißler, Französische Soldaten, welche auf dem Marsche zur Armee unter einem Baum biwaquieren, Radierung, um 1807, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gei III/5a, CC BY-NC-ND 2.0 DE

Quelle: http://naps.hypotheses.org/388

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Westphälische Deserteurs in Holland (1810): „mesures rigoureuses”


Nationaal Archief Den Haag, Archief Prins Stedehouder, 1810–1813 (2.01.01.08), Nr. 18, Différentes autorités civiles et militaires de l’Empire: Philippe François Maurice de Rivet d’Albignac (ministre de la Guerre ad interim à Kassel) à Charles François Lebrun (à Amsterdam), 26 juillet 1810.


„Jusqu’ici les déserteurs et les réfractaires westphaliens ont trouvé asyle dans les pays qui composaient la Hollande.

S. M. éprouverait de grandes difficultés dans le recrutement de son armée, si des mesures rigoureuses n’étaient prises pour leur arrestation.

J’ai l’honneur de prier V. A. S. de vouloir bien donner les ordres qu’elle jugera convenables, pour que les déserteurs et conscrits réfractaires westphaliens qui se trouvent dans les départemens de la ci-devant Hollande soient arrêtés et remis à la gendarmerie westphalienne aux points des frontières que V. A. S. désignera. J’ai donné les instructions nécessaires à cet égard aux autorités frontières et à la gendarmerie”.

 

Königlich westfälische Truppen, 1812

Abbildung: Richard Knötel, Uniformenkunde, Lose Blätter zur Geschichte der Entwicklung der militärischen Tracht, Berlin 1890. Band I, Tafel 43. (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kn%C3%B6tel_I,_43.jpg?uselang=de)


Zur Quelle:

Dieser Brief von Philippe François Maurice de Rivet d’Albignac an Charles François Lebrun, einige Tagen nach der Eingliederung des Königreichs Holland in das Kaiserreich, betrifft Deserteure aus Westfalen in Holland. Die Aushebung von Soldaten im Rahmen einer allgemeinen Kriegsdienstpflicht wurde in ganz Europa, auch in Westfalen, zum Symbol für das Napoleonische Regime. In der Theorie galt die Einberufung für zwei Jahre, aber während des Krieges galt sie praktisch, solange Napoleon wollte.

Als Napoleon das Königreich Holland von Louis Bonaparte eingliederte, durch das Dekret von Rambouillet, 8./9. Juli 1810, ordnete er sofort an, dass Charles-François Lebrun die Pflichten von Louis Bonaparte übernehmen sollte. In erster Linie sollte Lebrun den Übergang zur französischen Herrschaft beaufsichtigen. Charles-François Lebrun war gewiss ein geeigneter Mann für diese Position. Er besaß viele Jahre politischer Erfahrung und war einer der einflussreichsten Männer im Staatsapparat. Lebrun war 1799 von Bonaparte neben Jean Jacques Régis Cambacérès zum Dritten Konsul berufen worden. Mit Gründung des Kaiserreichs 1804 wurde Lebrun architrésorier (Erzschatzmeister) des Französischen Empire. Zudem war Lebrun nach der weitgehend problemlosen Eingliederung der einstigen Ligurischen Republik ins Kaiserreich, im Jahre 1805/06, Generalgouverneur mit Sitz in Genua gewesen.

Anstatt eine sofortige umfassende Eingliederung vorzunehmen, entschied sich Napoleon, dafür, die Holländischen Departements bis auf weiteres erst einmal teilweise in das Kaiserreich zu integrieren. Napoleon betonte, dass er die Niederlande nicht als ein Pays conquis ansehe und nicht beabsichtige viele französische Beamte dorthin zu schicken, oder holländische Institutionen rücksichtslos zu ersetzen. Am 16. Oktober 1810 gab der Kaiser das Décret contenant réglement général sur l’organisation des départements de la Hollande heraus. Im Wesentlichen sah das Dekret an der Spitze der Holländischen Departements einen Generalgouverneur vor (Lebrun), assistiert von einer Anzahl Intendanten. Der Generalgouverneur hatte die fast absolute Kontrolle über zivile und militärische Angelegenheiten in den niederländischen Departements.

Das Generalgouvernement musste als Mittler zwischen den niederländischen Departements und der Zentralregierung in Paris fungieren. Die Niederlande waren jetzt in sieben Departements gegliedert, ausgestattet mit den üblichen französischen Ziviladministrations- und Rechtspflegeinstitutionen, unterteilt in Arrondissements und Kantonen. Verwaltungs- und Gerichtssprache wurde nicht das Französische allein, vielmehr wurden die französische und die niederländische Sprache konkurrierend verwandt. Selbstverständlich aber korrespondierten die französischen Beamten nicht nur in Paris, sondern auch in Amsterdam mit ihren Untergebenen in Französisch.

Charles François Lebrun versuchte Dienstpflichtige aus Westfalen festzunehmen. Es gab in Holland 127 Gendarmerie-Brigaden, die über das Land verstreut waren und je aus fünf bis zehn Männern bestanden. Die paramilitärische Gendarmerie wurde bei Bedarf von den Behörden, entweder vom Maire einer Gemeinde, oder von einem höherrangigen Beamten zur Amtshilfe herangezogen. Weder dem Innen-, noch dem Polizei- noch dem Kriegsministerium eindeutig zugeordnet, war die so gut wie unkontrollierte Gendarmerie ein promptes, loyales und gefürchtetes Instrument der sozialen Kontrolle, aber auch der politischen Unterdrückung in Europa.


Weiterführend:

Alan Forrest, Conscripts and Deserters: the Army and Society during the Revolution and Empire, New York (Oxford University Press) 1989. Auch auf Französisch: Déserteurs et insoumis sous la Révolution et l’Empire, Paris (Librairie Académique Perrin) 1988.

Johan Joor, Resistance against Napoleon in the Kingdom of Holland, in: Michael Broers, Peter Hicks und Agustin Guimerá (hrsg.), The Napoleonic Empire and the New European Political Culture, Basingstoke (Palgrave Macmillan) 2012, S. 112−122.

Aurélien Lignereux, Servir Napoléon. Policiers et gendarmes dans les départements annexés (1796−1814), Seyssel, (Éditions Champ Vallon) 2012.

Kevin Linch, Conscription, in: European History Online, [veröffentlicht am 30.01.2012], http://www.ieg-ego.eu/linchk-2012-en (eingesehen am 29.06.2013).

Matthijs Lok, Martijn van der Burg, The Dutch Case: the Kingdom of Holland and the Imperial Departments, in: Michael Broers, Peter Hicks und Agustin Guimerá (hrsg.), The Napoleonic Empire and the New European Political Culture, Basingstoke (Palgrave Macmillan) 2012, S. 100−111.

Bettina Severin-Barboutie, Vom freiwilligen Söldner zum dienstpflichtigen Untertan. Militärische Massenmobilisierung im Königreich Westfalen, in: König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen (Ausstellungskatalog Museumslandschaft Hessen, Kassel 2008), München 2008, S. 120–126.

Martijn van der Burg, Napoleons Generalgouvernement Holland, 1810–1813. Die Frage von Assimilation und Integration, in: Helmut Stubbe da Luz (hrsg.), Statthalter Regimes (im Druck).


Zitiert in:

H.T. Colenbrander (hrsg.), Gedenkstukken der Algemeene Geschiedenis van Nederland van 1795 tot 1840 VI, ’s-Gravenhage (Martinus Nijhoff) 1911, Nr. 996. Digitalisiert: [http://www.historici.nl/Onderzoek/Projecten/GedenkstukkenGeschiedenisVanNederland1795-1840/index_html_en]

Abbildung Banner: C. G. H. Geißler, Französische Soldaten, welche auf dem Marsche zur Armee unter einem Baum biwaquieren, Radierung, um 1807, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gei III/5a, CC BY-NC-ND 2.0 DE.

Quelle: http://naps.hypotheses.org/336

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Fabien Lévy (Chambéry): Vorboten der Italienischen Kriege. Der Platz Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert

deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 13. Mai 2013: Prodromes aux guerres d’Italie: la place de Gênes dans l’édifice stratégique français au XVe siècle

Mit dem berühmten Zug Karls VIII. 1494 nach Neapel schienen die Italienischen Kriege, in denen sich Franzosen und Spanier auf der italienischen Halbinsel gegenüberstanden, ganz unvermittelt zu beginnen. Ein Unternehmen, dessen Ruhm, Zeugnis der berühmten furia francese, ein katastrophales Abenteuer verschleierte, das mit der schmachvollen Rückkehr nach Frankreich endete. Dabei waren alle typischen „Zutaten“ der Italienischen Kriege bereits vorhanden: das ausgesöhnte Königreich Frankreich, ein ritterlicher König, umgeben von einem turbulenten Adel, den es im Zaume zu halten galt, militärisches Können und Truppen, wie sie nunmehr nur die großen Nationen aufbringen konnten, und schließlich und vor allem die offenkundige Anziehungskraft Italiens. Selbst die Niederlage, rasch in einen epischen Sieg umgewandelt, nahm die vielen weiteren Niederlagen vorweg, welche Frankreich auf der Halbinsel noch erleiden sollte.

Trotzdem war der Zug Karls VIII. nicht das Ergebnis einer plötzlichen Eingebung des Königs. Während des gesamten 15. Jahrhunderts, als es sich vorrangig mit England und Burgund auseinandersetzte, hatte Frankreich die italienische Halbinsel nicht vergessen. Jenseits des Getöses des Hundertjährigen Krieges wurde eine aktive Italienpolitik geführt. Der Weg, den die Franzosen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer wieder nach Neapel nahmen, wurde über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg vorbereitet und eingeübt. Der bemerkenswerte Platz, den Genua in diesem Abenteuer Karls VIII. einnahm, war kein zufälliger: Die Stadt am ligurischen Golf diente nicht nur als Sammelpunkt für einen Teil der französischen Truppen. Durch einen exorbitanten Kredit des Ufficio di San Giorgio und der Familie Sauli stellte sie auch die Finanzierung der Unternehmung sicher, bevor sie die französische Armee auf ihren Galeeren bis in den Golf von Neapel brachte. Diese strategische Stellung als Durchgangsstelle und maritimes wie finanzielles Zentrum war nicht das Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung, sondern einer – wenngleich zögerlichen und diskontinuierlichen – Konstruktion, die über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg aus Genua ein entscheidendes Zentrum in den strategischen Planungen Frankreichs machte.

Zwischen 1396 und 1512 stand Genua drei Mal unter französischer Herrschaft: von 1396 bis 1409, von 1458 bis 1461 und schließlich von 1499 bis 1512. Aus diesen Zeiten und den sie verbindenden Zwischenräumen lassen sich klar mehrere Entwicklungen ausmachen.

So fällt zuallererst das zunehmende königliche Interesse an Genua auf. In der Tat lässt sich feststellen, dass das Interesse am Besitz Genuas sich langsam von den Fürsten auf den König verlagerte. Die ersten französischen Herrschaften über Genua waren noch keineswegs der königlichen Macht geschuldet, sondern Konsequenzen der Machenschaften einzelner französischer Fürstenhäuser und ihrer italienischen Interessen. Die komplexe Situation in der Stadt und auf der italienischen Halbinsel ausnutzend, waren es 1396 und 1458 noch die Orléans und Anjous, die Genua in die Hände des Königs trieben. Seit den 1440er Jahren jedoch lässt sich seitens Karls VII. und seiner Nachfolger eine bewusste und zielstrebige Politik ausmachen, Genua in Besitz zu nehmen und zu regieren –  wobei sie nicht zögerten, etwaig störende Fürsten hierbei beiseite zu schieben. Seitdem drängte sich Genau als Stadt mit offensichtlicher strategischer Bedeutung, derer sich die Krone bemächtigen wollte und musste, für sich selbst und um in Italien intervenieren zu können, geradezu auf. Genua wurde in gewisser Weise damit Teil der strategischen Planungen der französischen Krone, um dies fortan auch zu bleiben.

Diese Entwicklung erklärt sich einerseits durch die zunehmende Herausbildung Genuas zu einem maritimen und finanziellen Zentrum. Auch hier ist die Entwicklung chaotisch, stellten die Genueser doch schon seit langer Zeit den Franzosen immer wieder Armbrustschützen und Schiffe zur Verfügung. Während der drei französischen Herrschaftsphasen wurde Genua daher rasch den Anforderungen der Fürsten und später der großen Politik der Krone unterworfen, die bei ihren Unternehmungen unermüdlich immer wieder die gleichen Zielen verfolgte: die Landung in Neapel, der Kampf gegen Engländer und Spanier, die späten Kreuzzüge. Genua erschien hierbei unentbehrlich. Zuallererst durch seine finanzielle Macht: Die Kommune, v.a. aber der Ufficio di San Giorgio finanzierten diese Unternehmungen mehr oder weniger freiwillig. Und dann aufgrund seiner maritimen Kapazitäten: Frankreich ließ zahlreiche Schiffe in Genua chartern und auch bauen, um so seine eigenen Unzulänglichkeiten wettzumachen und mit seinen besser ausgestatteten Feinden zumindest gleichzuziehen.

Genua erweiterte damit die strategischen Möglichkeiten der Franzosen und erlaubte es ihnen, sich auf der italienischen Halbinsel einzubringen. Genua erschien wie ein französischer Brückenkopf in Italien, der über Land und über See einen einfachen Truppentransport ermöglichte. Vor allem lag von Genua aus ganz Italien offen: Mailand, Florenz und, etwas weiter, Rom wurden direkt bedroht, während die Genueser Flotte es gestattete, rasch den Golf von Neapel zu erreichen und Druck auf Venedig auszuüben. So entstand im Verlaufe des 15. Jahrhunderts allmählich ein französischer Weg durch Italien, der von Genua über Mailand, Pisa und die Toskana bis hin nach Neapel führte, und der später auch während der Italienischen Kriege wieder genutzt wurde. Mehr noch: Genua gestattete es der französischen Monarchie, die Halbinsel zu verlassen und seine Kreuzzugsträume zu verwirklichen, indem es ihr mit seiner Flotte und seinen Kontoren die Wege in den Osten öffnete.

Im Endeffekt schlug sich die zunehmende strategische Bedeutung Genuas für Frankreich auch in juristischen und institutionellen Entwicklungen wieder, welche aus Genua eine französische Stadt machen sollten. Im Laufe des 15. Jahrhundert vervielfachte sich die Zahl der juristischen Traktate, welche die Zugehörigkeit Genuas zur französischen Krone bewiesen, und auch im Sprachgebrauch schlug sich nieder, dass aus den Genuesen wahrhafte und gute Untertanen Frankreichs werden sollten.

Der Platz und die Bedeutung Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert verkörpert damit in perfekter Weise das Vorspiel zu den Italienischen Kriegen. Die Stadt erschien zunehmend als das französische Tor nach Italien, Janua Janua Italiae, deutlich machend, dass die Italienischen Kriege in keiner Weise ein spontaner Prozess, sondern eine von langer Hand vorbereitete und strukturierte strategische Bewegung waren.

Übersetzung: Torsten Hiltmann, Georg Jostkleigrewe

Informationen zu Fabien Lévy: hier

Zum Programm im Sommersemester 2013: hier

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/728

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