Zum Hofstaat Tillys, II: Versorgungsfragen

Noch einmal zum Hofstaat, also dem Gefolge und der engeren Umgebung Tillys. Zwar bin ich, was die Identifizierung der in dem „Verzeichnus“ von 1623 genannten Personen angeht, zuletzt doch sehr schnell an Grenzen gestoßen. Und doch lassen sich noch einige weitere Erkenntnisse aus den in diesem Dokument gemachten Angaben ableiten. Dies bezieht sich vor allem auf die Art und Weise, wie die Versorgung des Tillyschen Gefolges organisiert wurde.

Aufschlußreich sind in diesem Verzeichnis nämlich die Angaben zu den Leistungen, die die genannten Personen beziehen sollten. So sollte Kriegskommissar Lerchenfeld 20 Pfund Brot und 15 Pfund Fleisch erhalten, dazu 4 Maß Wein und 16 Maß Bier – wohlgemerkt „yedes tags“! Sein Kollege Leiningen mußte mit 10 Pfund Brot und 6 Pfund Fleisch auskommen sowie mit 6 Maß Wein und 10 Maß Bier. Nach diesen Angaben könnte man auf den Gedanken kommen, daß im Gefolge Tillys ausufernde Gelage an der Tagesordnung waren.

Das dem so war, erscheint mir aber nicht sehr plausibel. Denn man wird davon ausgehen müssen, daß hinter den Namen Lerchenfeld und Leiningen nicht nur die genannten, sondern noch deutlich mehr Personen standen: eine ganze Schar an Bediensteten, vom Leibdiener über den Pferdeknecht bis hin zu Schreibern. Einen Hinweis darauf findet sich bei Lerchenfeld, dem auch noch die Versorgung von 12 Pferden zugestanden wird; bei Leiningen sind es acht Pferde: Das muß nicht bedeuten, daß Lerchenfeld elf und Leiningen sieben Bedienstete hatte. Denn hier wird man auch einige Ersatz- und Lasttiere einrechnen müssen – aber eben doch auch weiteres Personal, das den Kriegskommissaren zugearbeitet hat. Und genauso wird man auch die anderen Angaben auflösen müssen, die für die übrigens Personen ähnlich großzügige Tagesportionen beigemessen haben.

Die Tagesrationen gingen übrigens noch weiter. Für Lerchenfeld – bzw. „Lerchenfeld“, insofern wir jetzt davon ausgehen, daß hinter dem Namen noch ein paar Personen mehr stehen – waren zudem noch zwei Hennen pro Tag vorgesehen sowie ein halbes Kalb oder Schaf. Ähnliche Angaben gab es nicht bei allen anderen, aber eben doch bei einigen: Hier wird man eine gewisse Differenzierung erkennen wollen, die auch standesgemäße Unterschiede reflektierte. So hatten offenbar die Kommissare einen Status, der ihnen diese weiteren Leistungen zugestand; der Apotheker und Feldscherer hingegen bekamen diese zusätzlichen Vergütungen nicht.

Am Ende noch einmal die Frage, ob dies tatsächlich realistische Rationen waren, die von den Empfängern tagaus, tagein vertilgt wurden. Ich vermag es offen gestanden nicht wirklich einzuschätzen. Zu bedenken ist aber, daß es sich hier womöglich um Leistungen handelte, die nicht unbedingt zur tatsächlichen Konsumtion angesetzt waren. Nicht unüblich war es, solche Verpflegungsleistungen in sog. Ordonnanzen pauschal festzusetzen, die dann aber entweder in bar abzugelten waren oder von den Militärs weiterverkauft oder getauscht wurden. Wie auch immer, für die Dörfer, die hier das einquartierte Tillysche Gefolge zu versorgen hatten, bedeuteten diese täglich anfallenden Versorgungsgüter eine nicht zu unterschätzende Last – gerade auch vor dem Hintergrund, daß diese Leistungen nicht nur ein paar Tage, sondern mitunter wochen- und monatelang aufzubringen waren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/410

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Zum Hofstaat Tillys, I: Personalia

Tilly führte Krieg für den Kaiser und die Katholische Liga. Nur er allein? Oder hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? Wir wissen es gar nicht so genau, wollen es ihm aber gerne gönnen. Wer das engere Umfeld des Generalleutnants bildete, dazu wird man Aufschluß aus einer Aufstellung des sog. „Hofstaats“ erwarten können, der im November 1623 im Gebiet um Fulda Quartier nahm.

Der Begriff des Hofstaats entstammt dem Brief, in dem der Generalleutnant dem Fuldaer Fürstabt die Notwendigkeit der Quartiernahme erläuterte. „Hofstaat“ mag insofern irritieren, als er die Vorstellung eines staatlichen, womöglich repräsentativen Gefolges befördert. Davon wird kaum die Rede sein können. Vielmehr handelte es sich hauptsächlich um Angehörige der Militärverwaltung, die dem Generalleutnant zuarbeiteten. Die Auflistung dieser Personen ist hier einfach nur als „Verzaichnus“ deklariert und stellt die Beilage zum obengenannten Brief dar (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen A 10, Bd.2 Manuskripte II, Bd. 93: Fürstabtei Fulda fol. 184-185‘). Erläutert wird das Verzeichnis als eines „Der Jenigen Persohnen vnnd officiern, so von Fr. Fuldischen Dorffschafften sollen vnndterhalten werden.“ Im Weiteren werden dann die einzelnen Namen genannt sowie die Leistungen, die von den Dörfern täglich zu erbringen waren.

An erster Stelle steht „Commissar[i] von Lerchenfeldt“. Bei ihm handelt es sich um den Christoph von Lerchenfeld, der als Kriegskommissar im Heer der Katholischen Liga fungierte. Er war schon früh zum Generalkommissar aufgestiegen (wann genau, kann ich nicht festmachen) und zählte mit Hans Christoph von Ruepp zu den engsten Mitarbeitern Tillys. Seltsam, daß Ruepp hier gar nicht auftaucht. An seiner statt taucht vielmehr ein gewisser „Laininger“ auf. Auch er ist als Kriegskommissar Leiningen nachgewiesen, ist aber ein deutlich blasserer Name (siehe Briefe u.Akten, Bd. 2,2 [1625]: S. 16, Z.30; S. 64, Z. 20; S. 130, Z. 39). Vorher genannt ist noch der Generalprofoß, also der oberste Träger der Polizeigewalt in der Armee – allerdings ist hier nur das Amt angeführt ohne Namensnennung.

Weiter taucht ein Freiherr von Wolkenstein auf. Der Name läßt aufhorchen, denn die Familie spielte damals in Bayern eine wichtige Rolle. Bekannt ist vor allem Paul Andreas von Wolkenstein, der Geheimer Rat war. Ihn wird man aber nicht im Feldlager vermuten dürfen. Wahrscheinlich handelt es sich hier eher um Mathias Meinrad von Wolkenstein, der noch 1625 in ligistischen Diensten nachgewiesen ist (Briefe u.Akten, Bd. 2,2: S. 228 Anm. 1).

Als Gruppe zusammengefaßt werden dann folgende Namen genannt: Mons. Tserclaes, Champagne, La Ramé, Geraldin und Merzenich. Ersterer ist sicherlich nicht Tilly selbst, sondern muß ein Verwandter sein. Die anderen Namen kann ich derzeit nicht weiter identifizieren. Ebenso wenig einen „Mons. Tamison“. Ohne Namen angeführt sind wiederum der Apotheker und der Feldscherer. Am Ende taucht ein „Haubtman Eroltzhaimern“ auf, danach „dessen Leittenambt vnd Fendrich“. Erstmals sind hier militärische Chargen angesprochen – ob es sich um Soldaten von Tillys Leibkompagnie handelt? Einordnen kann ich all diese Namen leider nicht.

Und so bleibt an der Stelle ein deutlich unbefriedigender Eindruck: Man hat einen ersten, wenn auch nur schemenhaften Eindruck davon, wer zum engeren Umfeld des Feldherrn der Katholischen Liga gehört. Denn dieses eine Dokument wirft mehr Fragen auf, als daß es welche beantwortet: Funktionen und auch das jeweilige Verhältnis zum Generalleutnant bleiben ungenannt. Dies ist um so bedauerlicher, als zu Tillys Gefolge definitiv ein Beichtvater, vor allem aber auch Kanzlisten gehörten, denn der Feldherr führte eine intensive Korrespondenz mit allen möglichen Potentaten und Reichsständen, von Kurfürst Maximilian einmal ganz abgesehen. Von diesen Leuten ist hier niemand nachzuweisen. Sicher wird man in einigen Punkten weiterkommen, wenn man weitere Materialien dazu sondiert; allerdings wird dies eine ausgesprochen mühselige Recherche sein. Und so bleibt die oben gestellte Frage, wer Tilly eigentlich im Feld begleitete, deutlich schwieriger, als zunächst angenommen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/408

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