Der tote König

Der Tod ist nicht das Ende. Das gilt und galt erst recht für bedeutende Persönlichkeiten, deren Ableben ihrer Bedeutung keinen Abbruch tat. Sie lebten weiter in ihren politischen Ideen und Konzeptionen – oder zumindest in dem, was man ihnen unterschob; vielfach sorgte eine lebhafte Propaganda dafür, dass das Andenken weiterhin lebendig gehalten wurde. Dies war besonders bei gekrönten Häuptern der Fall, und Gustav Adolf war sicher das prominenteste Beispiel dafür. Sein Schlachtentod bei Lützen war ein Schock für die schwedische Sache und eine ganze Reihe von lutherischen Reichsfürsten, die auf den schwedischen König als Helfer, ja als Heilsbringer gesetzt hatten. Umgehend setzte damals eine Kampagne ein, die das Kunststück zu vollbringen trachtete, den Tod des Königs zwischen angemessener Trauer und der als notwendig erachteten Verherrlichung darzustellen.

Der tote König_1632Es gibt dazu verschiedene Darstellungen und auch unterschiedliche Medien. Vorherrschend für die massenhafte Verbreitung entsprechender Botschaften war das (illustrierte) Flugblatt, und auch im Fall des gefallenen Schwedenkönigs gab es eine ganze Reihe dazu. Hier möchte ich aber vor allem eine Medaille vorstellen, die ich vor einiger Zeit im British Museum gesehen habe.

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Quelle: https://dkblog.hypotheses.org/898

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“Groß-Peking” (1892): Eine ‘chinesische’ Medaille

Zum alljährlichen Gschnas des Künstlerhauses wurde eine zum Thema passende ‘chinesische’ Medaille aufgelegt. Im Jahr 1892, zu “Groß-Peking“, wurde diese von Anton Karl Rudolf Scharff (1845-1903), einem der bedeutendsten Medailleure der Zeit,[1] gestaltet. Die Beschreibung der Medaille  im “Reiseführer” ist kurz:

Einheits-Münze ‘Künstler – Foo-hund’[2] für den Preis-Courant, Werth = 3 fl. (sprich Floh). [...] Geschnitten von Anton Scharff.”[3].

Die Medaille ist in der Form der kǒngfāng xiōng 孔方兄, der “Münzen mit einem quadratischen Loch” gestaltet, sie hat einen Durchmesser von 45 Millimeter, das Loch eine Seitenlänge  etwa von 5 mm. Die silbernen Medaillen sind mit großer Liebe zum Detail gestaltet:

Peking 1892

Der “Reiseführer” sagt dazu: “Im Avers ein Künstler, welcher einen armen Mäcenas in das Loch (Atelier) locken will.” [4]. Das Avers zeigt in einem ‘chinessichen’ Interieur ein Paar: links eine ‘chinesische’ Tänzerin mit Fächer, rechts eine beleibte männliche Gestalt mit spitzem Hut, die eine Hand auf die Hüfte gestützt, die andere, die einen dreieckigen Wimpel hält, hoch erhoben. Dazu kommt auf einer rechteckigen Tafel das große Wappen der Stadt Wien (Doppeladler mit   Die Vorderseite zeigt einen “Künstler, welcher einen armen Mäcenas in das Loch (Atelier) locken will”[5] Der Künstler steht vor einem ‘asiatischen’ Gebäude, die Hand auf die Hüfteg gestützt, die andere mit einem dreieckigen Wimpel hoch erhoben.

Auf der anderen Seite findet sich eine Inschrift zum Anlass:

Peking, 1892 | Quelle: Aichelburg: Feste des Künstlerhauses - Galerie

023. Peking, 1892 [Avers] | Quelle: Aichelburg: Feste des Künstlerhauses – Galerie (Bild 25 von 762) ((größteres, farbiges Bild: Weiss Collection <abgerufen am 13.8.2014>.))

Der Reiseführer sagt dazu: “Im Revers der Höllenhund (Club der Münz- und Medaillenfreunde), welcher alle Münzen frisst.”[6].

Mehr als die Hälfte der Fläche wird von einem Drachen und einem Dämon ausgefüllt. Der Drache schlängelt sich über die linke untere Hälfte, auf ihm ein “Wächterlöwe” (der in einschlägigen Katalogen als “Foo-Hund” gedeutet wird). Der “Wächterlöwe”, im Profil mit dem Betrachter zugewanntem Kopf, hält das Emblem der Gesellschaft bildender Künstler Österreichs: Ein Wappenschild mit drei kleinen Schildchen, die die Künste symbolisieren: Palette, Pinsel & Malstock; Hammer und Meißwel sowie der Zirkel.[7]

Der Anlass ist mit ‘gepinselten’ Buchstaben vermerkt: “G’schnas Ball d. Wiener Künstler Hauses 29. Feb. 1892). Die Buchstaben erinnern weniger an chinesische Schriftzeichen denn an eckingen Formen der  japanischen katakana 片仮名 / カタカナ.

In einschlägigen Münz- und Medaillenkatalogen sowie in Auktionskatalogen findet sich diese Medaille mit mit zum Teil eigenartigen Erklärungen und Beschreibungen – sowohl zum Dargestellten als auch zum Text auf der Medaille:

Im Katalog der “International medallic exhibition” der American Numismatic Society von 1910 heißt es: “Nr. 3069: Gschnasfest of an Art Establishment of Vienna. Great-Peking medal, 1892. Obv. And Rev. Presentation in Chinese. [AR] 45 mm. Wien. Med. 218.]
Nr. 3070 – Same. (rev.) [Æ] 45 mm”[8]

Auch ein aktuelles Angebot der Münzhandlung Ritter Gmbh (Düsseldorf) scheint die Buchstaben für Schriftzeichen zu halten: “[...] neben chinesischer Schrift. Wurzb. 9397 [...]”[9]

Das Stück ist ungewöhnlich und taucht immer wieder in Münz- und Medaillensammlungen und bei Versteigerungen auf:  “932 Medals 紀念章: Society of Artists, Chinese “Gross Peking” Ball, Silver Medal, 1892, by Anton Scharff, in the style of a Chinese “Cash” coin, Mandarin with flag, and servant with flag, Rev dog of Fu and dragon, legend in imitative Chinese characters, 45mm (Wurzb[ach] 9397; Hauser 4818). An unusual and imaginative medal, [...].”[10]

Die Medaille zeigt, was man im späten 19. Jahrhundert für ‘typisch’ oder ‘echt chinesisch’ gehalten hat:

  • Form der Münze
  • ‘chinesisches’ Interieur (angelehnt an traditionelle chinesische Darstellungen) mit Tischchen und Gemälden an den Wänden
  • ‘chinesische’ Drachen und “Wächterlöwen”

Teil 1: Ein ‘chinesisches’ Wien: “Groß-Peking” im Künstlerhaus (1892)
Teil 2: Die Medaille zum Fest
Teil 3: “Seine Umgebung und Groß-Peking. Ein Handbuch für Reisende am 29. Februar 1892″
Teil 4: Das Fest im Spiegel satirisch-humoristischer Periodika
Teil 5: Das Chinabild in “Groß-Peking”

 

  1. Zur Biographie: K. Schulz: “Der Medailleur Anton Scharff (1845-1903)” In:  Numismatische Zeitschrift 104/105, 1997, 31-36; zur Biographie und den Arbeiten Scharffs: “Anton Scharff” in: Leonard Forrer: Biographical dictionary of medallists : coin, gem, and sealengravers, mint-masters, &c., ancient and modern, with references to their works B.C. 500-A.D. 1900. Vol. 5 (London: Spink & Son 1912), pp. 358-374
  2. “Foo-Hund” ist eine vor allem in der englischen China-Literatur geläufige Bezeichnung für shishi 石獅 ["Wächterlöwen"], s. Lehner, ebd.
  3. [F. Kilian von Geyersperg (ed.):] Seine Umgebung und Groß-Peking. (Wien: Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler 1892), 96.
  4. [F. Kilian von Geyersperg (ed.):] Seine Umgebung und Groß-Peking. (Wien: Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler 1892), 96.
  5. Ebd.
  6. [F. Kilian von Geyersperg (ed.):] Seine Umgebung und Groß-Peking. (Wien: Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler 1892), 96.
  7. S. dazu: Wladimir Aichelburg: “Das Künstlerhaus-Emblem, Logo” <abgerufen am 13.8.2014>.
  8. [American Numismatic Society]: International medallic exhibition of the American Numismatic Society opening on the twelfth of March, 1910. Catalogue. (New York 1910), 219
  9. Münzhandlung Ritter GmbH, Artikelnummer 47508 <abgerufen am 13.8.2014>.
  10. Baldwin’s Hong Kong Coin Auction 50 – 7th April 2011 (2011) Part 5 [pdf], Lot 932 {pdf] <abgerufen am 13.8.2014>.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1679

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