„Ich betrat den Gerichtssaal in der Erwartung, an einem Schauprozess als unglückseliges Opfer teilzunehmen“, schrieb der frühere SS-Hauptsturmführer und KZ-Arzt Alfred Trzebinski kurz vor seiner Hinrichtung in seinen Abschiedsbrief (S. 289). Trzebinski war im Mai 1946 von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt worden. Dem Mediziner, der unter anderem in Auschwitz, Majdanek und Neuengamme Menschenversuche durchgeführt hatte, hatte das Gericht vor allem seine Beteiligung an der Ermordung von zwanzig jüdischen Kindern in den letzten Kriegstagen vorgeworfen. Gerichtet waren Trzebinskis letzte Worte an niemand anderen als an den Menschen, der jenes harte Urteil gegen ihn gefordert hatte: an den Ankläger Major Stephen M. Stewart. Reue bekundete Trzebinski in seinem Schreiben keine, im Gegenteil rechtfertigte er sich noch ein letztes Mal für seine Taten. Zugleich jedoch zeigte er sich anerkennend gegenüber dem britischen Gericht, insbesondere aber gegenüber Major Stewart. „Dieser Mann (…) hat mir die Augen geöffnet über die Gerechtigkeit der britischen Justiz. Dieser Prosecutor ist für mich der Prototyp des fairen englischen Gentleman“ (S.
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Täter und Opfer im Warschauer Aufstand 1944. Zwangsarbeit, Zerstörung und Mord aus zwei Perpektiven
von Jan Kreutz Vor 70 Jahren, am 1. August 1944, begann der Warschauer Aufstand. Um 17 Uhr griffen Einheiten der nationalpolnischen Untergrundarmee (Armia Krajowa oder AK) Einrichtungen der deutschen Besatzungsverwaltung, Unterkünfte von Wehrmacht und Polizei sowie andere Ziele im gesamten … Continue reading
Täter und Opfer im Warschauer Aufstand 1944. Zwangsarbeit, Zerstörung und Mord aus zwei Perpektiven
von Jan Kreutz Vor 70 Jahren, am 1. August 1944, begann der Warschauer Aufstand. Um 17 Uhr griffen Einheiten der nationalpolnischen Untergrundarmee (Armia Krajowa oder AK) Einrichtungen der deutschen Besatzungsverwaltung, Unterkünfte von Wehrmacht und Polizei sowie andere Ziele im gesamten … Continue reading →
Quelle: http://de.hypotheses.org/138525
Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm
Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm erinnert an 20 Kinder und rund 28 Erwachsene, die in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 im Keller eines ehemaligen Schulgebäudes ermordet wurden. Die jüdischen Kinder, die zwischen 4 und 12 Jahre alt waren, wurden getötet, um zu vertuschen, dass sie zu medizinischen Experimenten im KZ Neuengamme missbraucht worden waren. Der Arzt Dr. Kurt Heißmeyer hatte im Juni 1944 Tuberkulose-Versuche zunächst mit bis zu 100 erwachsenen Häftlingen des KZ Neuengamme begonnen. Im Herbst 1944 forderte er aus dem KZ Auschwitz Kinder für eine Ausweitung der Experimente an.
Je zwei Häftlingsärzte und -pfleger wurden für deren Betreuung ausgewählt. Heißmeyer ließ an den Kindern, 10 Jungen und 10 Mädchen, ähnliche Versuche wie zuvor an den Erwachsenen durchführen. Als das KZ Neuengamme ab April 1945 aufgelöst wurde, da sich die Alliierten Hamburg näherten, wurden die 20 Kinder und ihre vier Betreuer am Abend des 20. April 1945 in das in einem kriegszerstörten Stadtteil gelegene und kurz zuvor geräumte Außenlager des KZ Neuengamme am Bullenhuser Damm gebracht. Hier wurden sie von SS-Männern ermordet. In derselben Nacht erhängten die gleichen SS-Männer sechs sowjetische Häftlinge aus dem KZ Neuengamme sowie weitere Häftlinge aus dem nahe gelegenen Außenlager Spaldingstraße. Die Gründe für diese Morde und auch die Namen dieser Häftlinge konnten bisher nicht geklärt werden.
Gedenkstätte und Ausstellung – Räume mit unterschiedlicher Funktion
Die aus einer privaten Initiative erwachsene Gedenkstätte erinnert seit 1980 an diese Taten. 2011 wurde eine neue, erweiterte Dauerausstellung von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme entwickelt, die das Designbüro „hellauf“ optisch ungewöhnlich gestaltet hat. Jugendliche und Erwachsene sollen dazu eingeladen werden, sich aktiv mit der Geschichte des Ortes, den Biografien der Opfer und den dort stattgefundenen Verbrechen zu befassen.
Häufig sind Besucherinnen und Besucher von der Atmosphäre in den ehemaligen Taträumen beeindruckt. Durch eine räumliche Erweiterung wurde eine Entzerrung der beiden Funktionen einer Gedenkstätte möglich: Der „Lernort“ wurde vom eigentlichen Gedenkort getrennt, um so eine intensivere und damit nachhaltigere Beschäftigung mit Hintergründen, Biografien und Auswirkungen der Tat in weniger „emotional belasteten“ Ausstellungsräumen zu ermöglichen. Die „Taträume“ sollten dagegen im Hinblick auf den Eindruck von Authentizität und als Zeichen der Sprachlosigkeit gegenüber der Tat weitgehend leer bleiben.
Bilder, Texte und Symbole erzählen die Geschichte
Die Ausstellung gibt auf großen zweisprachigen Thementafeln einen Überblick über den Ort und die Geschehnisse. Neben kurzen Einführungstexten sind erläuternde historische Dokumente und Fotografien wie auf einem Archivtisch angeordnet, um den Konstruktionscharakter von Geschichte anzudeuten.
Den Mittelpunkt des ersten Ausstellungsraumes bilden aber 24 farbige Kästen in Form von Koffern, in denen die Biografien der namentlich bekannten Opfer erzählt werden. Diese stehen auf einem geschwungenen Podest, der sich deutlich gegen den kantigen Kellerraum abhebt. In diesen symbolischen Koffern werden mit der Hilfe von Erinnerungsfotos und Dokumenten Geschichten aus dem Leben dieser Menschen, die vor ihrer Deportation in Polen und Jugoslawien, Frankreich, den Niederlanden oder Italien lebten, erzählt.
Neben den Tafeln für den Überblick über die Geschehnisse einerseits und den biografischen Zugängen andererseits gibt es zusätzlich im zweiten Ausstellungsraum die Möglichkeit zu einer individuellen Vertiefung zu eigenen Fragestellungen. Was waren das für Experimente? Was passierte mit den Tätern? Wie wurde in der Nachkriegszeit in Hamburg an diese Verbrechen erinnert? Wie konnten die Namen der hier ermordeten Menschen herausgefunden werden? Welche Nachwirkungen sind in den Familien der Opfer bis in die Gegenwart zu spüren? Schubladen und Türen laden ein, diese zu öffnen und sich mit den dahinter liegenden Quellensammlungen interpretierend zu beschäftigen. Interviews mit Zeitzeugen können angewählt und angesehen werden. Durch eine reflexive und differenzierte Beschäftigung mit einem speziellen Aspekt aus der Geschichte des Nationalsozialismus kann, so ist der Wunsch, auch an diesem besonderen Ort der Umgang mit Geschichte erlernt werden.
Die erste Stimme den Opfern
An den Besuch der Ausstellung schließt sich der Rundgang durch die „Taträume“ an. Eine Zuordnung der Kellerräume zum Tathergang kann nur auf Grundlage der Aussagen erfolgen, die die Täter vor Gericht abgegeben haben. Zitate aus solchen Aussagen, die zum Nachdenken anregen sollen, wurden an die Wände aufgebracht. Um aber den Familien der Opfer die erste Stimme in der Ausstellung zu geben, verweist gleich im Eingangsbereich der Gedenkstätte ein in die Sprachen der an diesem Ort ermordeten Menschen übersetztes Zitat der Mutter der hier getöteten Kinder Eleonora und Roman Witoński auf die Wichtigkeit des Erinnerns und Berichtens.
Dem Bedürfnis, ein Zeichen des Respekts und der Erinnerung für die Opfer an diesem Ort zurück zu lassen, kommt auch der Rosengarten der Gedenkstätte entgegen. Dieser wurde bereits in den 1980er Jahren von der Vereinigung „Kinder vom Bullenhuser Damm“ initiiert. Dort besteht auch heute noch die Möglichkeit, eine Rose im Andenken an die Opfer zu pflanzen oder niederzulegen.
Hinweise:
Gedenkstätte Bullenhuser Damm
Bullenhuser Damm 92 (Eingang über Schulhof)
20539 Hamburg
S-Bahnhof Rothenburgsort
Öffnungszeiten: So, 10-17 Uhr
Führungen für Gruppen (deutsch, englisch) nach Vereinbarung unter Tel. 040-4281310 (Museumsdienst Hamburg)
Führungen für Einzelbesucher siehe Programm der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de)
Ausstellung zweisprachig (deutsch, englisch), barrierefreier Zugang
Begleitbuch: Iris Groschek, Kristina Vagt: „Dass du weißt, was hier passiert ist…“ Medizinische Experimente im KZ Neuengamme und die Morde am Bullenhuser Damm. Bremen 2012 (Edition Temmen, 164 Seiten, 19.90 Euro)
Das Projekt „Stolpertonsteine“ Hamburg
von Marek Schossek -
Auf den kleinen Messingplatten stehen Namen und Daten: Elizabeth Lange, geb. 7.7.1900, gestorben am 28.1.1944 im KZ Fuhlsbüttel; Jonny Rummel, geb. 15.12.1924, erschossen am 8.2.1945 in Königsberg. Die Gedenksteine begegnen uns überall in Hamburg vor den Häusern, in denen diese Menschen einst gewohnt haben.
Sie zeugen von den Verbrechen, die an ihnen verübt wurden. Gemeint sind die Stolpersteine. Wir nehmen sie sicherlich an den meisten unserer täglichen Wege gar nicht mehr wahr. Und doch wird wohl jeder von uns hin und wieder über die Steine geistig stolpern und sich fragen: “Was für Geschichten haben diese Menschen wohl gehabt?”
Die Vertonung der Stolpersteine
Seit 1995 erinnert der Kölner Künstler Günter Demnig mit den Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus. Eine seiner Intentionen ist es, den ,in den Konzentrationslagern zu Nummern degradierten Opfern, ihre Namen zurückzugeben. Dass heute noch etwas mehr möglich ist, zeigen aktuell die beiden Studentinnen Marta Werner und Sarah Dannhäuser. Mit ihrem Projekt der „Stolpertonsteine“ haben sie die Biographien von 20 Opfern vertont. Die Idee kam den beiden angehenden Medienwissenschaftlerinnen, während eines Seminars. In neun Monaten und in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung, sowie dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. sind die „Stolpertonsteine“ entstanden.
Die beiden betonen, dass es ihnen wichtig ist, neben dem neuen Zugang zu den Biographien auch die verschiedenen Schicksale zu zeigen. Die 20 Biographien, die momentan über die Internetseite www.stolpersteine-hamburg.de und der Smartphone App (“Stolpersteine in Hamburg”) abrufbar sind, wurden mit ehrenamtlichen Sprechern aufgenommen. Unter ihnen Persönlichkeiten wie der Moderator Carlo von Tidemann oder der Schauspieler Tim Kreuer. Gelesen werden dabei nicht nur die Lebensläufe, sondern auch persönliche Aufzeichnungen der Opfer und ihrer Familien. Durch die Untermalung mit passenden Umgebungsgeräuschen werden die gelesenen Passagen zu kleinen Hörspielen. So hört man z.B. bei einer in einer Bar spielenden Szene die passenden Hintergrundgeräusche. Durch den Hörspielcharakter gewinnen die Stolpertonsteine eine Dimension, die die erwähnte Intention Demnigs übertrifft. Die Opfer gewinnen nicht mehr nur ihre Namen, sie bekommen einen Teil ihrer Geschichte zurück.
Es braucht nur Zeit und ein Smartphone
Im Augenblick ruht das Projekt der Studentinnen, die beiden arbeiten gerade an ihren Master-Abschlüssen. Es soll aber nach Möglichkeit weiter geführt werden. Material gibt es noch mehr als genug. Seit 2002 wurden in Hamburg 4326 privat finanzierte Stolpersteine verlegt. Es liegen noch gut 250 weitere Anträge auf Patenschaften vor. Und seit dem Herbst 2006 haben Forscher des Projektes “Biographische Spurensuche”, mehr als 1000 Biografien zu den in der Stadt gesetzten Stolpersteinen, erarbeitet. Dieses von den begleitenden Instituten geleitete Projekt, liefert die Grundlage für die von Marta Werner und Sarah Dannhäuser bisher produzierten „Stolpertonsteine“.
Die Frage nach der Geschichte der Opfer auf den Stolpersteinen, lässt sich jetzt einfacher beantworten. Wir brauchen nur noch ein Smartphone und etwas Zeit, Zeit um uns die Geschichten von diesen Menschen anzuhören. Menschen wie: Josef Schupp, geb. 11.3.1893, hingerichtet am 11.10.1944 im KZ Sachsenhausen, Heinrich Habitz GEN.“ Liddy Barcroff“ geb. 19.8.1908, gestorben am 6.1.1943 KZ Mauthausen.