Resilience of Empowerment

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Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm “Wachstum, was nun?” in der ARTE-Mediathek

„Wachstum, was nun?“ fragt der neueste Dokumentarfilm von Marie Monique Robin, den ARTE am vergangenen Samstag in dritter Wiederholung gezeigt hat. Der Film setzt sich mit Alternativen zum volkswirtschaftlichen Wachstumsprogramm in Zeiten von Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftskrisen auseinander. Doch wer die alte Leier von sturer Wachstumskritik und einfachen „Small-is-beautiful“-Lösungen erwartet, wird enttäuscht.

Mit einer beachtlichen Bandbreite an Interviewpartnern, thematischen Zugängen und anschaulichen Projektbeispielen über den Globus verteilt gelingt es dem Film einen durchaus überzeugenden sowie anspruchsvollen Zusammenhang zwischen betriebswirtschaftlicher Selbstorganisation, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz zu skizzieren.

Der Begriff der Resilienz taucht dabei nicht nur als leeres Schlagwort auf, sondern wird im Mund der befragten “Resilienz-Praktiker” zu einem konkreten Handlungsbegriff, der vor allem eines nahelegt: Resilienz als die Frage nach der Fähigkeit einer Gruppe zu begreifen, zentrale ökonomische Zusammenhänge und deren unmittelbare Auswirkungen auf das Zusammenleben selbst zu gestalten.

Regionale Währungen, urbane Landwirtschaft oder Kraftwerksgenossenschaften werden in dem Film nicht als Ideen vorgestellt, Konsum durch Entsagung oder das internationale Wirtschaftssystem durch Subsistenzwirtschaft zu ersetzen. Die durchaus gespitzte Kritik am heiligen Gral des BIP zielt nicht darauf ab wirtschaftliches Wachstum an sich zum Feindbild zu machen. Dem Film liegt wohl vielmehr die Frage zugrunde: Auf welche Weise versuchen Menschen weltweit ihre eigenen Antworten auf die Fragen nach der Qualität und Quantität von wirtschaftlichem Wachstum (wie viel von welchem Wachstum wollen wir wozu?) zu koordinieren, umzusetzen und auszutesten? Und, wie erfolgreich sind sie damit?

Tatsächlich sind die unerwarteten Auswirkungen dieser „Sozialexperimente“ auf den unterschiedlichsten Ebenen in der Gemeinschaft wohl das eindrücklichste, was dieser Film zu bieten hat. Dass die meisten Projekte für regionales Wachstum und Wohlstand in der Gemeinschaft gesorgt haben, ist da noch am wenigsten überraschend.

Da ist zum Beispiel das regionale Währungssystem von Conjunto Palmeiras, einem Vorort von Fortaleza, Brasilien. Es versteht sich als ein komplementäres Währungssystem, will den Real also nicht komplett ersetzen, sondern unter anderem durch Mikrokredite und einen 10-% Rabatt beim Kauf der Regionalwährung die Wertschöpfung in der Gemeinde halten. Mit Erfolg. Was vormals ein von Abwanderung bedrohter Stadtteil war, weil die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zu den Löhnen und dem Arbeitsangebot vor Ort zu stark anstiegen, ist nun unter anderem in der Lage seine BewohnerInnen mit Arbeit und erschwinglichen Gütern zu versorgen.

Diese Entwicklung hing allerdings entscheidend davon ab, dass sich bereits im Vorfeld eine politische engagierte Vereinigung der Bewohner des Stadtteils (ASMOCOMP) gegründet hat, innerhalb derer es möglich war unterschiedliche Zukunftsvorstellungen zu organisieren und auszutesten[1]. Gleichzeitig drängt sich der Eindruck auf, dass die heutige Attraktivität des Stadtteils für seine BewohnerInnen nur insoweit direkt mit der Regionalwährung zu tun hat, insofern diese die Unmittelbarkeit von wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen fördert und zu einer lebendigen Gemeinschaft beiträgt, die für den Einzelnen interessante Möglichkeiten bietet, sich selbst einzubringen und in Kontakt zu seinen Mitmenschen zu stehen.

Diese Selbstorganisation der BürgerInnen in der Vereinigung kann insofern als resilient verstanden werden, als es ihr gelungen ist auf die bedrohlicher werdende Wirtschaftslage im Viertel mit der Gründung einer eigenen Bank zu reagieren und damit die Abhängigkeit von größeren, für sie selbst kaum beeinflussbaren volkswirtschaftlichen Zusammenhänge in ein ausgewogenes Verhältnis zur gemeinschaftlichen Selbstbestimmung zu bringen. Mit dieser Bank ist es den BewohnerInnen beispielsweise wiederum möglich Einfluss auf die finanzielle Förderung von Projekten im Viertel zu nehmen (auch solche Projekte, die von kommerziellen Banken kaum kreditwürdig wären): Projekte die zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks beitragen, stehen dabei ganz oben auf der Liste (vlg. auch Rike 2008).

Die Fähigkeit zur gemeinschaftlichen Selbstorganisation auf einer lokalen Ebene war auch in Kandebas, einem nepalesischen Bergdorf sowohl Bedingung als auch Chance, um sich mittels eines genossenschaftlich geführten Wasserkraftwerks von der unzuverlässigen, zentralen Energieversorgung unabhängig zu machen. Dadurch seien nicht nur die Familieneinkommen (und damit natürlich auch die Zahl an Handys und PCs) gestiegen, sondern auch Überschüsse erwirtschaftet worden, die die Genossenschafter, und damit die BewohnerInnen des Dorfes für weitere Investitionen in der Gemeinde und dessen weiterer Entwicklung einsetzen konnten. Gleichzeitig hat das Dorf damit einen Beitrag zur umweltfreundlichen Energiegewinnung gleistet und sich unabhängig von den Ölimporten gemacht, die für 1,5 Mrd. US-Dollar jährlich (2013) nach Nepal importiert werden.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass es dem Film nicht um eine pauschale Wachstumskritik geht, die auf ein stumpfes Plädoyer für Autarkie oder Askese hinausläuft, sondern dass er gerade dort ansetzt, wo das bestehende Wirtschaftssystem eben nicht in der Lage war den (oft zunächst ökonomischen) Bedürfnissen vor Ort gerecht zu werden. Weniger Ideologie als vielmehr der Wunsch nach Verbesserung und zum Teil die schiere Not sind der Ausgangspunkt dafür, dass die dokumentierten Gruppen den Bereich ihrer ökonomischen Selbstbestimmung ausgeweitet haben. Der Clou dabei: Mit diesen Ansätzen wurden eben nicht nur die ursprünglichen Ausgangsprobleme angegangen, sondern darüber hinaus mitunter noch weitreichendere Veränderungen angestoßen, die die betreffenden Gemeinschaften in ihren Augen „resilienter“ machen:

„Innovationen wie urbane Landwirtschaft, kommunale Energie, neue Formen des Konsums, all das, was wir als new economy bezeichnen, hat nicht nur wirtschaftliche Aspekte. Es sind auch Prozesse, die die Kommunen stärken und sie resilienter machen für Erschütterungen, die von außen kommen.“ Juliet B. Shor (Autorin von „Plentitude“)

Dass dies notwendigerweise im Kern ein dezentraler Ansatz bleibt liegt nicht an einer vermeintlichen Glorifizierung von Lokalität, sondern daran, dass sowohl die Möglichkeit der Selbstbestimmung als auch die gewünschten Auswirkungen der Unmittelbarkeit von wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen eben nur bis zu einem begrenzten Personenkreis erhalten bleiben. Auch wenn der Film einige visionäre Anklänge nicht verbergen kann, so behauptet er dennoch keine einfachen Gesetzmäßigkeiten oder glaubt aus seinen Beobachtungen unmittelbare Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Unstrittig ist darüber wohl nur sein Blick für das Potential des sozioökonomischen Experimentierens im Sinne der These “Resilience of Empowerment”.

Bleibt zu fragen, ob der Gedanke der Resilienz als lokales Ermächtigungskonzept letztenendes auch als eine recht unkritische Antwort auf die angegebenen Krisen der großen Systeme gelesen werden kann, verschiebt sich doch damit der Handlungs- und Wandlungsauftrag an die kleine Dorfgemeinschaft.

Der Dokumentarfilm „Wachstum, was nun?“ wird noch einige Tage auf der ARTE-Mediathek unter http://www.arte.tv/guide/de/050584-000/wachstum-was-nun abrufbar sein (ebenso in anderen einschlägigen sozialen Medien wie http://www.youtube.com/watch?v=PP3optDBN8c oder in der Videothek Ihres Vertrauens).

 

[1] Sohn, Rike (2008): Die solidarische Sozioökonomie der Banco Palmas in Fortaleza/Brasilien. Lokale Währungskomplemente als Bestandteil integrativer Entwicklung, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, 45. Jahrgang, 158/159. Folge.

 

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/305

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Dinosaurier, Journalismus und Resilienz

In diesem Semester habe ich mit meinen Studenten einen Text von Eugenia Siapera und Andreas Veglis (2012) über die Zukunft des Online-Journalismus gelesen, der eine interessante Parallele zwischen Dinosauriern und Journalismus herstellt und uns an die Frage der Resilienz heranzuführen vermag.

In Anlehnung an die Evolutionstheorie folgt der Text folgender Argumentation: Wie die Dinosaurier mehr als 160 Millionen Jahre den Planeten bevölkerten, so dominierte der Print-Journalismus mehr als 300 Jahre unsere Welt. Beide Arten waren einer plötzlichen Bedrohung ausgesetzt. Im Falle der Dinosaurier führte ein Meteoriteneinschlag zum Aussterben der Spezies. Im Falle des Journalismus ist der Meteorit erst vor (vergleichsweise) kurzer Zeit eingeschlagen: Mit dem Aufkommen des Internets hat der Journalismus Schwierigkeiten, neue Funktionen zu entwickeln und sich an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Er ist anhaltenden Belastungen unterworfen, die vor allem in der Medienkrise und der zunehmenden Kommerzialisierung begründet liegen. Demnach sind drei mögliche Zukunftsszenarien zu diskutieren: erstens das Aussterben der Art und die Entstehung einer vollkommen neuen Spezies, zweitens die Mutation bzw. die Entwicklung der Spezies in eine neue Richtung und drittens die Anpassung an die veränderte Umwelt. Für den Online-Journalismus sehen diese drei Optionen dann wie folgt aus:

a) Genese: Es entsteht eine neue Form des Journalismus mit eigenen Merkmalen, die sich sehr gut in die neue Umwelt einfügen. Neue Eigenschaften sind zum Beispiel Multimedialität, Hypertextualität und Interaktivität oder das Hinzukommen von User-generated Content.

b) Mutation: Der Journalismus mutiert und die Spezies entwickelt sich in eine neue Richtung, was auch mit Veränderungen der Umwelt einhergehen kann. Mutationen des Online-Journalismus sind zum Beispiel der Social-Media-Journalismus oder der Open-Source-Journalismus.

c) Resilienz: Durch eine Neuinterpretation journalistischer Eigenschaften und Werte passt sich der Journalismus an die neue Umwelt an. Da neue Technologien und neue Medien eine Fragmentierung des Publikums befördern, kann der Journalismus seine öffentliche Aufgabe nicht mehr wahrnehmen, sind die Bedürfnisse und Interessen des EINEN Publikums nicht mehr zu bestimmen und eine neue Definition der Funktionen und Strukturen des Journalismus ist vonnöten. Auch journalistische Werte und Eigenschaften wie Objektivität und Fairness, Glaubwürdigkeit und Autonomie sind einem Wandel unterworfen. Zudem durchdringen die zunehmende Unmittelbarkeit und Beschleunigung den Journalismus.

Siapera und Veglis (2012) benutzen nicht den Begriff der Resilienz. Es geht Ihnen auch weniger darum, diese drei Evolutionsmöglichkeiten eingehend zu diskutieren. Sie gebrauchen das Beispiel der Dinosaurier lediglich, um an die Thematik und die einzelnen Kapitel ihres Sammelbandes heranzuführen. Natürlich sind die oben genannten Autoren nicht die einzigen Sozialwissenschaftler, die sich von der Biologie inspirieren ließen. Auch Luhmann hat seinen System-Begriff aus der Biologie übernommen, wo es unter anderem darum geht, wie sich Systeme selbst erhalten.

Auch bei Resilienz geht es letztlich um genau diese Frage. Und wie der System-Begriff wird auch der Begriff der Resilienz von unterschiedlichen Disziplinen verwendet. Vor allem im Bereich der sozial-ökologischen Forschung ist in den letzten Jahren eine Fülle an wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema Resilienz entstanden. Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Systems, Irritationen zu absorbieren und sich neu zu organisieren, während es einem Wandel unterworfen ist – mit dem Ziel, seine Identität zu wahren (Folke et al. 2010).

Für die Kommunikationswissenschaft bietet dieser Ansatz einen konzeptionellen Rahmen zur Untersuchung des medialen und kommunikativen Wandels und einen interessanten neuen Fokus für empirische Forschung. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Aspekt der Stabilität, was die Betrachtung der Nachhaltigkeit eines solchen Systems ermöglicht (Alinovi et al. 2009). Im Grunde geht es in der Resilienz-Forschung um folgende Frage: Wie sehr können sich ein System, eine Organisation, ein Individuum verändern, ohne ihre Identität zu verlieren bzw. ihre Funktionen, ihre Strukturen und dazugehörige Rückkoppelungsprozesse soweit wie möglich beizubehalten (Walker et al. 2006).

Die Resilienz-Frage kann auf allen Stufen entlang des Kommunikationsprozesses Anschluss finden. So können beispielsweise das Mediensystem, Medienorganisationen, Journalisten oder Rezipienten im Zentrum der Betrachtung stehen. Zudem sind bei der Frage, was ein System (zum Beispiel Politik) resilient macht, stets auch die Medien mitzudenken. Resilienz stellt schließlich eine Eigenschaft dar, die die Anpassungsfähigkeit, Lernfähigkeit aber auch Widerstandsfähigkeit eines Systems oder besser einer Entität beschreibt. Das Resilienz-Konzept steht dabei nicht in Konkurrenz zu Konzepten wie Medialisierung oder Globalisierung, sondern kann die Forschung zum sozialen Wandel an dieser Stelle ergänzen. Darüber hinaus bietet es neue Möglichkeiten für praxisorientierte Studien. Auch ist diese Forschung nicht auf die Systemtheorie begrenzt. Disziplinübergreifend finden Konzepte wie das des Institutionalismus (Lebel et al. 2006, Dragos Aligica & Tarko 2014) vor diesem Hintergrund genauso Anwendung wie das des sozialen Kapitals (Sherrieb et al. 2010).

In der Kommunikationswissenschaft gibt es eine Reihe systemtheoretischer Entwürfe, die unterschiedliche Systemdefinitionen vorschlagen. Es herrscht nach wie vor Uneinigkeit, ob von einem System der Massenmedien (Luhmann 1996), dem Journalismus als sozialem System (Blöbaum 1994), der Öffentlichkeit als sozialem Funktionssystem (Gerhards 1994, Kohring 1997, Görke 2008) oder der politischen Kommunikation als System (Blumler & Gurevitch 1995) ausgegangen werden soll. Seit einiger Zeit versuchen Journalismusforscher vermehrt bestehende Theorien zusammenzuführen anstatt sich zunehmend voneinander abzugrenzen (vgl. Hanitzsch et al. 2007). Auf diese Weise hat neben Anthony Giddens’ Strukturationstheorie auch der Soziologe Uwe Schimank und sein Ansatz der Akteur-Struktur-Dynamiken im Fach an Bekanntheit gewonnen, der das „Schisma der Akteur-und Systemtheorien“ (Schimank 1988:619) zu lösen vermag. Schimanks Ansatz wertet den Akteur auf (Neuberger 2004) und ermöglicht eine Betrachtung auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen (Meyen et al. 2014).

Es sind vor allem die Mehrebenen-Ansätze, die die Betrachtung von Resilienz interessant machen: Dabei kann sich zum einen ein „shock“, zum anderem aber auch die Reaktion auf diesen Schock auf unterschiedlichen Ebenen abspielen. Anders formuliert: Veränderungen an einer Stelle des Kommunikationsprozesses können zu Resilienz an anderer Stelle führen. Es ist daher denkbar, Resilienz sowohl als unabhängige als auch als unabhängige Variable zu operationalisieren, und ratsam, Forschung auf unterschiedlichen Untersuchungsniveaus zu betreiben. Resilienz kann damit auch als Antwort auf „die Forderung nach einer methodischen Operationalisierung“ (Kohring 2004: 198) systemtheoretischer Journalismustheorien gelten und der Systemtheorie, aber auch anderen Theorien zu einer „unmittelbaren Praxistauglichkeit“ (Kohring 2004: 198) verhelfen.

 

Literatur

Alinovi, L., Mane, E. & Romano, D. (2009). Measuring Household Resilience to Food Insecurity: Application to Palestinian Households. Working Paper, January 2009, [online] URL: http://www.foodsec.org/fileadmin/user_upload/eufao-fsi4dm/docs/resilience_wp.pdf

Blöbaum, B. (1994). Journalismus als soziales System. Geschichte, Ausdifferenzierung und Verselbständigung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Blumler, J. G., & Gurevitch, M. (1995). The crisis of public communication. London: Routledge.

Dragos Aligica, P. & Tarko, V. (2014). Institutional Resilience and Economic Systems: Lessons from Elinor Ostrom’s Work. Comparative Economic Studies, 56, (52–76).

Folke, C., Carpenter, S. R., Walker, B., Scheffer, M., Chapin, T. & Rockström, J. (2010). Resilience thinking: integrating resilience, adaptability and transformability. Ecology and Society 15(4): 20. [online] URL: http://www.ecologyandsociety.org/vol15/iss4/art20/

Gerhards, J. (1994). Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch. In Neidhardt, F. (Hrsg.). Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 34). Opladen: Westdeutscher Verlag, 77-105.

Görke, A. (2008). Perspektiven einer Systemtheorie öffentlicher Kommunikation. In Winter, C., Hepp, A. & Krotz, F. (Hrsg.). Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Grundlegende Diskussionen, Forschungsfelder und Theorieentwicklungen. Wiesbaden: VS Verlag, 173-190.

Hanitzsch, T., Altmeppen, K.-D., Schlüter, C. (2007). Zur Einführung: Die Journalismustheorie und das Treffen der Generationen. In Altmeppen, K.-D., Hanitzsch, T. & Schlüter, C. (Hrsg.). Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden: VS Verlag, 7-23.

Kohring, M. (1997). Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus. Ein systemtheoretischer Entwurf. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Kohring, M. (2004). Journalismus als System. Grundlagen einer systemtheoretischen Journalismustheorie. In Löffelholz, M. (Hrsg.). Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, 185-200.

Lebel, L., Anderies, J. M., Campbell, B., Folke, C., Hatfield-Dodds, S., Hughes, T. P. & Wilson, J. (2006). Governance and the Capacity to Manage Resilience in Regional Social-Ecological Systems. Marine Sciences Faculty Scholarship. Paper 52.

Luhmann, N. (1996). Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Meyen, M., Thieroff, M. & Strenger, St. (2014). Mass Media Logic and The Mediatization of Politics. Journalism Studies, 15:3, 271-288.

Neuberger, C. (2004). Journalismus als systembezogene Akteurskonstellation. Grundlagen einer integrativen Journalismustheorie. In Löffelholz, M. (Hrsg.). Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag, 287-303.

Schimank, U. (1988). Gesellschaftliche Teilsysteme als Akteurfiktionen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 40 (3), 619-639.

Sherrieb, K., Norris, F. H. & Galea, S. (2010). Measuring Capacities for Community Resilience. Soc Indic Res, 99, 227–247.

Siapera, E., & Veglis, A. (2012). Introduction: The Evolution of Online Journalism. In E. Siapera & A. Veglis (Eds.), The Handbook of Global Online Journalism. Oxford, UK: Wiley-Blackwell, 1-17.

Walker, B. H., Gunderson, L. H., Kinzig, A. P., Folke, C., Carpenter, S. R. & Schultz, L. (2006). A handful of heuristics and some propositions for understanding resilience in social-ecological systems. Ecology and Society, 11(1): 13. [online] URL: http://www.ecologyandsociety.org/vol11/iss1/art13/

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/239

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Das asiatische Pressewunder

The continued resilience of Print Media in Asia. Plenary Session auf der Jahrestagung der IAMCR (International Association for Media and Communication Research), Hyderabad, 19. Juli 2014

Wenngleich ‚Resilienz‘ im Veranstaltungstitel steckt, fällt der Begriff im Lauf der 90 Minuten nur hin und wieder. Die Vortragenden bieten keine Definitionen an, allenfalls Umschreibungen wie ‚converting‘ oder ‚transisting‘. Es gibt für die rund 200 Zuhörer einiges Interessantes über den Wandel des indischen, bengalischen und chinesischen Mediensystems zu hören. Doch es bleibt vor allem die Einsicht hängen, dass es nicht nur unterschiedliche Ansichten über das Wie von Resilienz gibt, sondern vielmehr auch hinsichtlich der Frage, auf was sich der Begriff innerhalb der Printmedien überhaupt beziehen sollte.

Dr. N. Bhaskara Rao, Gründer und Chef des Centre for Media Studies (CMS) in Neu-Delhi, wird als „India’s pioneer in media research“ vorgestellt. Ihm zufolge gelte in Indien ‚Print is King‘, sowohl auf dem Leser- als auch auf dem Werbemarkt. Das Land verzeichne eine steigende Nachfrage nach Nachrichteninhalten in allen Mediengattungen. Viele neue Nachrichtenkanäle sind in den letzten zehn Jahren auf Sendung gegangen. Doch es seien die Zeitungen, deren Boom in der jüngeren Vergangenheit auf ein Schlagwort verdichtet werden könne: Regionalisierung. Der gestiegene Hunger nach Nachrichten in der jeweiligen Muttersprache lässt jenseits der führenden englischsprachigen Titel neue, regionale Absatzmärkte und auf ihnen neue Titel blühen – kein Wunder in einem Land mit über 120 Sprachen und unzähligen Dialekten. Die Zukunft seien etwa „Hindi-speaking media“. Indirekt ist der Zeitungsboom auch eine Folge von steigender Alphabetisierung und Bildung im Allgemeinen: „The more you see, the more you read“, so Rao. Für die indische Mittelschicht repräsentiere ein Abonnement auch einen gewissen Status, was Online-Medien in dieser Form nicht (oder zumindest nicht sichtbar) bieten könnten. Bei einem Leserkreis von bislang 400 Millionen Menschen und einer Alphabetisierung von rund drei Viertel der Bevölkerung gibt es noch viel Luft nach oben. Die Abwanderung der Rezipienten von Print- zu Online-Medien sei minimal und werde vom Print-Boom überkompensiert, besonders durch Erstleser, so Rao. Auch Shudipta Sharma, Dozent am Department of Communication and Journalism an der University of Chittagong in Bangladesh, bestätigt die Zugkraft der Alphabetisierung für sein Land.

Siddharth Varadarajan hat als Ex-Chefredakteur und Krisenreporter der Hindu eine etwas andere Perspektive auf den indischen Zeitungsmarkt. Er stellt fest, dass es mehr um Geschäftsmodelle gehe als um Journalismus. Jenseits des Wachstums der regionalsprachlichen Zeitungen und trotz absoluter Auflagenzuwächse sei die Situation der alten, englischsprachigen Qualitätstitel schwierig. Der niedrige Verkaufspreis habe dazu geführt, dass Zeitungen fast ausschließlich von Werbeeinnahmen und den in Indien weitverbreiteten „paid news“ abhängig seien. Aber auch fast alle Nachrichtensender würden defizitär arbeiten, Online-Medien hätten gleichermaßen bislang kein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden, so Varadarajan. Dennoch, und für westliche Ohren ungewohnt: Print ist Indiens Werbeträger Nummer eins und vereinigt zwei Drittel der gesamten Werbeerlöse auf sich. Während Rao in der Rolle der Zeitungen als Werbeträger den zweiten großen Wachstumsmotor neben der Bildungsexpansion sieht, steht und fällt Varadarajan zufolge die Resilienz der Zeitungsverlage letztlich damit, ob sie es schaffen, ihre Stärke als verantwortungsvolle Gatekeeper auf neue Publikationsformate zu übertragen. Gleichwohl sei es nicht entscheidend, ob Nachrichten in Zukunft (auch) noch auf Papier gedruckt würden. Varadarajan, ganz Journalist: Die Tugenden des Qualitätsjournalismus – Recherche, Relevanzzuweisung, Kommentierung – müssten vielmehr erweitert werden auf Fähigkeiten im Umgang mit der Geschwindigkeit und Interaktivität von Online-Medien. Man dürfe sich also künftig noch viel weniger allein als Journalist der Printausgabe von The Hindu sehen, sondern genauso für die Website und alle anderen Ausspielkanäle verantwortlich fühlen.

Eine dritte, weit politischere Perspektive bringt Dr. Debao Xiang ein, Associate Professor an der School of International Journalism in Shanghai. Die Entwicklung von Staatsmedien zu kommerziellen und sozialen Medien habe das chinesische Mediensystem in den vergangenen 20 Jahren gekennzeichnet. Drei große Zeitungen, erst um die Jahrtausendwende gegründet, wurden in den letzten Jahren eingestellt. Dies sei aber nicht mit einem Niedergang des Journalismus gleichzusetzen. Vielmehr gehe es bei den meisten Titeln um ein erfolgreiches ‚converting‘ oder ‚transisting‘, seit China vor 20 Jahren an das Internet angeschlossen wurde. Xiang skizziert den Masterplan: Von der Regierung nach einem Parteitagsbeschluss geleitet und von Medien- und IT-Firmen umgesetzt habe sich der Wandel von Print zu Online technologiegerieben, marktorientiert und rezipientenzentriert vollzogen. Das neue Massenmedium sei Social Media, von Xiang auch als ‚new media‘, ‚grassroot media‘ oder ‚public media‘ bezeichnet. Hierzu zählen Internetdienste wie ein chinesisches Facebook, ein Messenger und RSS-Feeds der Zeitungen, mit denen sich die alten Printanbieter neu erfunden hätten. Die Online-Angebote seien nun sogar beliebter als die entsprechenden Printprodukte.

Zusammengefasst hat der Printsektor also einmal weniger (Stichwort Bildungsexpansion) und einmal mehr (Regionalisierung als Marketingstrategie, neue Onlineangebote) zur eigenen Resilienz beigetragen. Da die indischen Qualitätstitel Probleme haben und die neuen Blätter eher am Geldverdienen interessiert zu sein scheinen als an einer (wie auch immer definierten) öffentlichen Aufgabe (paid content, Abhängigkeit von Werbung und damit von hohen Reichweiten), ist zudem fraglich, ob Auflagenwachstum hier tatsächlich mit einer Resilienz des Systems Massenmedien gleichgesetzt werden kann.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/228

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Resilienz und die Kommunikation mit Maschinen

Kommunikation mit Maschinen – so hieß die Tagung des neuen Human Dynamics Centre der Universität Würzburg. Hier lud die Philosophische Fakultät II vom 26. bis 28. Juni Philosophen, Soziologen, Psychologen und Ingenieure ein, um interdisziplinär über das Thema zu diskutieren.

Aus Sicht des Forschungsverbunds liegt es nahe, die einzelnen Beiträge daraufhin zu untersuchen, welche Rolle die Resilienz darin spielt. Dabei stellen wir uns zwei Fragen: Welche Systeme werden als resilient dargestellt? Was erzeugt diese Resilienz?

Der Beitrag “Zeigen als Technik – Bilder als Werkzeug” von Lambert Wiesing (Bildtheorie und Phänomenologie, Uni Jena) bildete den Auftakt der Tagung am Donnerstag Abend. Als eine erstaunlich resiliente Zeigetechnik erweist sich die Zentralperspektive, die über verschiedene Kulturen hinweg das dominante Darstellungsmittel geworden ist (im Gegensatz z.B. zur Bedeutungsperspektive). Der allergrösste Teil der von uns verwendeten Bilder ist in Zentralperspektive dargestellt (abgesehen von Kinderzeichnungen). Die Zentralperspektive ist keiner Beeinflussung von Weltanschauung, Religion oder Genderzugehörigkeit verdächtig. Was macht sie so erstaunlich resilient? Eine These ist, das die Verbreitung der Fotografie, einer Technik die es einfach macht, Bilder in Zentralperspektive zu erstellen, zu einer Dominanz der Zentralperspektive beigetragen haben könnte. Lambert Wiesing schlägt alternativ vor, dass die Zentralperspektive zwar vereinfachen und Details weglassen kann, aber dabei nichts darstellt was nicht richtig wäre.

Nach einem 1:0 für Deutschland im Spiel gegen die USA und einem zünftigem fränkischen Essen startete am nächsten Morgen Nicole Krämer (Sozialpsychologie, Uni Duisburg) mit ihrem Beitrag “Falsche Freunde? – Sozial-emotionale Wirkungen der Interaktion mit Maschinen”. Sie berichtete über die aus Ihrer Sicht erstaunliche Resilienz des sozialen Verhaltens von Menschen, die selbst auf computergesteuerte Avatare so reagieren, als wären sie soziale Wesen. So ist die Sprechangst vor einem ablehnend reagierenden virtuellen Publikum aus Avataren größer als vor einem freundlich gestimmten. Wir wählen andere Filme aus, wenn diese von einem virtuellen Agenten empfohlen werden, als wenn wir sie einfach aus einer Liste auswählen. Je häufiger ein Avatar lächelt, desto häufiger lächeln wir. Wenn ein Roboter gequält wird, leiden wir mit. Und da nützt es gar nichts, dass wir wissen, dass wir es in all diesen Fällen nicht mit sozialen Wesen sondern mit vorprogrammierten Maschinen zu tun haben – wir verhalten uns trotzdem so. Was macht unser Sozialverhalten so resilient und damit manipulierbar für Maschinen? Die Antwort könnte darin liegen, dass das Sozialverhalten sich im Laufe der Evolution entwickelt hat und damals eben noch keine Computer und künstliche Personen vorhanden waren. Aber ist das nicht zu einfach? Auch gegenüber Plüschtieren und Puppen zeigen wir uns emphatisch. Wieviel Realismus und Ähnlichkeit ist nötig? Nicht viel meint das Publikum, denn bereits Heider und Simmel (1944) konnten in ihren Studien zeigen, dass sogar Dreiecke und Kreise die sich bewegen von uns als mit sozialen Intentionen ausgestattete Individuen wahrgenommen werden.

Stephan Schwan (Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen) schließt an mit einer Betrachtung von “Digitalen Schnittstellen des Denkens und Lernens”. Sein Vortrag verweist darauf, dass das Externalisieren unserer Kognitionen unser Denken und Lernen resistenter machen kann. Klassisch geschieht das zum Beispiel mit Hilfe von Vorlesungsmitschriften oder Spickzetteln (wobei bei normalen Prüfungen die ersteren den letzteren überlegen sind). Computer können uns stupide oder hochkomplexe Rechenoperationen abnehmen und Daten grafisch darstellen. Damit befreien sie unser Denken für kreatives Problemlösen. Jedoch heißt eine Aufgabe zu vereinfachen nicht immer auch, sie leichter erlernbar zu machen. Ein gewisses Schwierigkeitsniveau ist nötig, sonst bleibt nichts im Gedächtnis hängen. Wie und wofür die Maschinen eingesetzt werden bestimmt also, ob unser Denken und Lernen mit ihnen resilienter wird.

Kurz vor der Mittagspause spricht Elena Esposito (Soziologie, Universität Modena und Reggio Emilia) über “Interaktion mit Algorithmen”. Sie erinnert uns daran, dass bereits ein Viertel aller Twitternachrichten und vier Fünftel der Bewegungen an Aktienmärkten von Algorithmen verursacht werden. Dies wirft die Frage nach der Resilienz unserer Kommunikation auf. Können wir überhaupt noch von Kommunikation reden, wenn wir mit Algorithmen interagieren? Denn Algorithmen denken nicht selbst. Sie bedienen sich parasitär der menschlichen Intelligenz indem sie unsere Aussagen nur noch nach Häufigkeiten sortieren und Verknüpfungen zwischen ihnen  aufbauen (vgl. Googles Page Rank). Die wahre Semantik muss immer noch von uns kommen. Also Entwarnung? Oder werden wir uns doch verändern?

Den ersten Beitrag am Nachmittag liefert Werner Rammert (Techniksoziologie und – philosophie, TU Berlin) zu “Interaktionen mit technischen Dingen und Daten”. Er erinnert daran, dass unser Eindruck von Autonomie im Alltag, und insbesondere bei der Nutzung von Technik, eine sehr resiliente Illusion ist. In einem Mensch-Machine-System sind beide Partner weitaus mehr aufeinander angewiesen, als es zunächst den Anschein hat. Genauso illusionär wäre es anzunehmen, dass auch eine Maschine völlige Autonomie haben kann (z.B. ein Autopilot im Flugzeug). Warum die Autonomie-Illusion dennoch so resilient ist, liegt daran, dass sie Verantwortungszuschreibungen ermöglicht. Wir halten daran fest, nicht nur weil es nützlich für die juristische Praxis ist, sondern auch um die anthropologische Differenz zu anderen Lebensformen zu erhalten und um Spielräume für kreatives Handeln zu ermöglichen.

Der letzte Vortag des Tages gehörte Andrea Kübler und Elisa Holz (Interventionspsychologie, Uni Würzburg), die über “Gehirn-Computer Schnittstellen” zur Verbesserung der Lebensqualität gelähmter Menschen referierten. Bei einer fortschreitenden Erkrankung wie der Amyothrophen Lateralsclerose (ALS), die für die Patienten zu schwersten Lähmungen führt und im Locked-In Syndrom endet, stellt sich die Frage, wie die Lebensqualität dieser Patienten aufrechterhalten lässt. Am Beispiel von zwei schwerst gelähmten Künstlern wurde gezeigt, wie Algorithmen, die Hirnstromsignale in die Steuerung eines Malprogramms übersetzen, den Künstlern ermöglichten selbst wieder Kunstwerke herzustellen und diese sogar auf Ausstellungen zu verkaufen. Die Auswirkungen auf Selbstwert, Lebensqualität und Teilhabe am Leben zeigten sich deutlich positiv. Der Vortrag lieferte ein besonderes Beispiel dafür wie es moderne Technik erlaubt, selbst unter extremen Bedingungen eine erhöhte Resilienz zu zeigen.

Der erste Vortrag am Samstag wurde von Lena Pint (Philosophie, Uni Würzburg) gehalten. Aus ihrem Vortrag zu “Körper und Leiblichkeit im digitalen Raum” nimmt man mit, dass trotz aller Verarmung der Interaktionen im Internet ein resilientes Bestreben vorhanden ist, den Körper wieder zu zeigen, sei es als Smiley-Icon in E-Mail Nachrichten, Selfie-Bildern auf sozialen Webseiten oder selbst gestalteten Avataren in Online-Games. Ähnlich wie in Nicole Krämers Vortrag zeigt sich, dass bisherige Kommunikationspraktiken sich auch in der ästhetisch reduzierten Kommunikation mit und durch Maschinen sehr resilient fortwirken können.

Die Tagung wurde beschlossen von einem Vortrag von Rüdiger Rupp (Neurorehabilitation, Universitätsklinikum Heidelberg). In seinem Vortrag “Lokomotionsrobotik in der Neurorehabilitation” ging es darum, wie querschnittsgelähmte Menschen durch den Einsatz von Robotertechnik wieder das Laufen erlernen können. Resilienz entsteht durch die Maschinen nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich, wenn sie auf die Resilienz von Rehabilitationseinrichtungen wirken, deren Mangel an Physiotherapeuten in der Zukunft verschärfen wird.

Auch wenn es die Vortragenden nicht explizit benannt haben – das Konzept der Resilienz spielte in jedem Vortrag eine Rolle. Liegt es am Thema “Kommunikation mit Maschinen”, das zu Resilienzbezügen auffordert oder ist Resilienz ein allgegenwärtiges Phänomen? Evolutionspsychologen würden behaupten, dass Resilienz der Selbsterhaltung dient und deswegen eine zentrale Fähigkeit lebender Systeme beschreibt. Aus den Vorträgen von Rupp, Kübler/Holz und Schwan lernen wir, dass Technik auf verschiedenartige Weise zu unserer Resilienz beitragen kann. Beim Eintreten in solche Mensch-Maschine-Systeme sollte uns jedoch bewusst sein, dass, obwohl es nötig sein könnte anders zu kommunizieren (Esposito), unsere kommunikative Grundausstattung uns daran hindern könnte zu erkennen, dass wir von Maschinen manipuliert werden. Verschiedene Resilienz-Mechanismen, die uns zunächst die Kommunikation mit Maschinen erleichtern, wurden angesprochen: die Illusion von Autonomie (Rammert), Körperlichkeit (Pint) und unser soziales Verhalten (Krämer). Schließlich zeigt Wiesings Beitrag, dass es sich auch lohnt zu untersuchen, wie Technik(en) selbst resilient gegenüber gesellschaftlichem Wandel werden können.

(Gerhild Nieding und Jörn Hurtienne gehörten zum Organisationsteam der Tagung)

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/184

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Mögliche Forschungsziele einer reaktivierten Nachkriegskinderstudie

Im letzten Blogartikel wurden die Ziele der ursprünglichen Nachkriegskinder-Studie dargestellt. Durch eine  Reaktivierung bzw. Revitalisierung, also eine erneute Untersuchung der gleichen Stichprobe, lassen sich Forschungsfragen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen untersuchen. Das übergreifende Forschungsziel einer neuen Studie könnte die Identifikation von Langzeiteffekten der Kriegs- und Nachkriegskindheit auf gesundheitliche und psychologische Aspekte im höheren Alter sein. Folgende Themenbereiche und Forschungsfragen könnten für eine Nachfolgestudie von Interesse sein:

1. Seelische Gesundheit im Alter und klinische Störungen

Insbesondere die Genese, Ätiologie und (neurobiologischen) Folgen von post-traumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen und Depressionen, deren Auftretenswahrscheinlichkeit durch traumatischer Ereignisse stark erhöht sind, lassen sich in der Stichprobe der Nachkriegskinder untersuchen.

  • Welche protektiven Faktoren, Bewältigungsformen und Risiken liegen vor?
  • Gibt es Langzeitwirkungen auf Hirnstrukturen, Hirnfunktionen und neuropsychologische Leistungen?

2. Körperliche Gesundheit, Gesundheits- und Ernährungsverhalten

Gerade für die Gesundheitsforschung gibt es interessante Fragen, die mit einer revitalisierten Studie beantwortet werden könnten:

  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen traumatischen Erfahrungen und Belastungen (in der Kindheit) und Herzkrankheiten im Alter?
  • Wie entwickeln sich frühe Krankheiten aus der Kindheit auf die Gesundheit im Alter aus?
  • Wirkt sich die Kriegserfahrung langfristig auf das Ernährungsverhalten aus?
  • Wie ist das Gesundheitsverhalten der Nachkriegskinder durch die Kriegserfahrung im Bezug auf die Selbstfürsorge geprägt?

3. Resilienz, Plastizität und Hardiness

Sowohl für die seelische als auch für die körperliche Gesundheit werden in der Forschung verschiedene Resilienzfaktoren diskutiert, die einen Schutz vor aversiven Reizen bieten können. Diese können sowohl in der Person selber liegen, wie Persönlichkeitseigenschaften oder körperliche Merkmale, oder in ihrer Umwelt vorhanden sein, wie z. B. vertrauensvolle Beziehungen und Unterstützung.

Durch die Plastizität des menschlichen Körpers und Gehirns, kann der Mensch sich unterschiedliche Bedingungen anpassen. Hardiness beschreibt einen Persönlichkeitsfaktor, der den Umgang mit Stressoren beschreibt. Verschiedene Menschen unterscheiden sich in der Ausprägung ihrer verfügbaren Resilienzfaktoren, Plastizität und Ausprägung im Bezug auf Hardiness.

Die Untersuchung dieser drei Forschungsthemen im Kontext der Lebensspanne erlaubt die Korrelation von Resilienz- und Risikofaktoren in der Jugend mit dem seelischen und körperlichen Gesundheitsstatus im Alter. Auch den Zusammenhang mit erfolgreichen Altern, wie z.B. der Ausbildung von sozialen Beziehungen und Freundschaften, lässt sich untersuchen.

4. Gen-Umwelt-Interaktionen, genetische Marker und Epigenetik

Aus biologischer und psychologischer Sicht können Interaktionen von Genen und Umwelt bei den Nachkriegskindern untersucht werden.

  • Lassen sich genetische Marker für Erkrankungen oder Vulnerabilitäten im Alter finden?
  • Führt die kindliche Erfahrung von Krieg zu epigenetischen Veränderungen?

5. Transgenerationale Übertragung

Auch die transgenerationale Weitergabe von Traumata durch bestimmte Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kind können untersucht werden.

  • Liegen die Gründe hierfür in der bewussten Erziehung oder eher in unbewusst vorgelebten Normen, Bewältigungsmuster und Verhaltensweisen?

Gerade unter Aspekten von Generationalität und Generativität ist die Untersuchung von transgenerationalen Phänomenen interessant.

6. Bildungserwerb und berufliche Entwicklung

Eine Vielzahl von Fragen zum Bildungserwerbung und zur beruflichen Entwicklung lassen sich mit einer Nachfolgestudie untersuchen und Thesen anhand von Originaldaten belegt werden.

  • Wie wirken sich frühe Erfahrungen auf die Gestaltung der Karriere aus?
  • Welche Faktoren bestimmen Schulerfolg?
  • Wie wirkt sich Schulerfolg auf den Berufserfolg aus?
  • Wie wurde der Berufsbeginn gestaltet?
  • Welcher Beruf wurde ausgewählt und wie wurde die Wahl begründet?
  • Wie waren die beruflichen Erwartungen und Aussichten? Wie wird die Berufslaufbahn rückblickend bewertet?
  • Wie ist der Zusammenhang zwischen schulischer Laufbahn, späterer (Aus-)Bildungsbiografie und der Entwicklung bildungsbezogener Aktivitäten (Bildungsstil) im späten Erwachsenenalter?
  • Wie werden diese Stile an nachfolgende Generationen weitergegeben?
  • Welche Rolle spielt der sozioökomische Status beim Berufserfolg als Startbedingung?
  • Welche Rolle spielt der sozioökomische Status für erfolgreiches Altern?
  • Gibt es Existenz- ängste bei den gealterten Kriegskindern?

7. Persönlichkeitsmerkmale & Einstellungen

Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen können wichtige Resilienz- oder Risikofaktoren bei der Entwicklung über die Lebensspanne sein. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach Kontrollüberzeugungen bei Kriegskindern und Nachkriegskindern von Bedeutung. Ich-syntone Verhaltensweisen werden diesen Kohorten vermehrt zugesprochen. Darunter fallen Sparsamkeit, Suche nach Wärme und Geborgenheit, Autonomie und Unabhängigkeit, fehlende Rücksichtnahme auf sich selbst und die eigene Gesundheit, Aufbruchsbereitschaft und Emotionsunterdrückung.
Fragen der persönlichen Emotionsverarbeitung und der Entwicklung von emotionaler Intelligenz könnten untersucht werden. Auch persönliche Einstellungen, insbesondere politische Einstellungen und ihre Entwicklung, sind von Forschungsinteresse.

8. Kognitive Leistungsfähigkeit und Intelligenz

Wie entwickelt sich intellektuelle Leistungsfähigkeit über die Lebensspanne und in welchem Zusammenhang stehen frühe kognitive Leistungen und kognitive Alterungsprozesse, wie Demenzen?

9. Lebenszufriedenheit

Im Kontext des Forschungsgebiets des erfolgreichen Alterns lautet eine Frage:

  • Wie ist der Zusammenhang zwischen damaligen Belastungen und der heutigen Lebenszufriedenheit?
  • Wie bewerten die damaligen Probanden heute ihre Lebenszufriedenheit?

10. Individuelle Lebensverläufe & Einzelfallanalysen

Bei diesem Thema sind Forschungsfragen von Interesse, die am einzelnen Individuum untersucht werden können, wie beispielsweise Fragen zur Zielbildung und Sinnstiftung oder Familienforschung.

  • Welche Rolle spielte Vaterlosigkeit für die Entwicklung der Nachkriegskinder?
  • Wie konnten „überforderte“ Mütter mit der Situation umgehen und wie wirkt sich dies auf die Kinder aus?

Auch explorative Fragen oder Fragen der Entwicklung über die Lebensspanne gehören hierzu.

Insgesamt wird deutlich, dass eine Vielzahl von Forschungsfragen anhand einer revitalisierten Studie beantwortet oder zumindest bestehende Thesen belegt werden können. Die hier vorgenommen Auswahl ist dabei nicht vollständig, da  beispielsweise geisteswissenschaftliche Aspekte, wie z. B. die medizinhistorischen Untersuchung von Forschungsmethoden in den 50er Jahren, noch nicht erwähnt wurden.

Quelle: http://zakunibonn.hypotheses.org/94

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