„Du Spießer!“ Geschichte und Wandel einer beständigen Sozialfigur

„Wenn ich groß bin, will ich Spießer werden!“ (Werbespot LBS, 2007)

Der bekannte Werbespot der Versicherung LBS aus dem Jahr 2007 wirbt für das Abschließen eines Bausparvertrages und zeigt in der panischen Reaktion der Aussteigerfigur auf das Liebäugeln der eigenen Tochter mit der Spießigkeit unmissverständlich, dass keiner gerne Spießer genannt wird und sich normalerweise erst Recht niemand selbst so bezeichnet. In seiner langen Geschichte war der Begriff „Spießer“ oder „Spießbürger“ unentwegt leichten Bedeutungsänderungen unterworfen, schon immer wurden mit ihm jedoch Menschen bezeichnet, die vermeintlich geistig immobil, das Bestehende affirmierend, obrigkeitshörig, bequem, geistlos und provinziell auftraten; die, unfähig zu selbstständigem und unabhängigem Denken, mit Eifer die bestehenden Verhältnisse stützten. Dem Begriff scheint weiterhin eine schwer zu umreißende deutsche Spezifik anzuhaften, keine andere Sprache kennt ihn, weder der englische square noch der amerikanische babbit, und auch nicht der Schweizer Bünzli sind exakt deckungsgleich mit dem Spießer. Seit dem 18. Jahrhundert war in Deutschland der Spießbürger, oder der ihm nahezu identische Philister, zentrale Schablone zur Beschreibung des Kleingeistes, des Gegners von Aufklärung und Emanzipation. Von kritischen Literaten wie politischen Theoretikern von Heinrich Heine über Karl Marx bis zu Ödön von Horváth und seinem Ewigen Spießer ist gegen diesen Sozialtypus in unzähligen Varianten angeschrieben worden, zu dem bis heute niemand, auch ein_e Bausparvertragsbesitzer_in nicht, gern gezählt wird.

Doch der Spot zeigt mehr als das.

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Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/10664

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