Die ausgewürfelte Einquartierung

Seit einigen Wochen ist erkennbar, daß im Blog “1628 Wertheim” die Hexenverfolgungen in eine entscheidende Phase treten: Im aktuellen blogpost wird erneut von Hinrichtungen berichtet. Gleichzeitig – und gerade wegen dieser nachgezeichneten Synchronität der Ereignisse schätze ich diesen Blog so sehr – passieren auch andere, teils banale, teils aufsehenerregende und einschneidende Dinge: so etwa der Weindurst des Kurfürsten von Mainz auf der einen, aber eben auch Einquartierungsfragen auf der anderen Seite. Bei letzteren klinke ich mich ein.

Nun gehören Einquartierungen zu den Alltäglichkeiten des Dreißigjährigen Kriegs; im dk-blog haben wir schon mehrfach diese Thematik berührt. Ein wichtiger Aspekt dabei war stets die Frage, wie eine solche Einquartierung organisiert wird: wo und bei wem werden wie viele Soldaten zu welchen Konditionen untergebracht? Zur Frage, wie das konkrete Quartier ausgewählt wird, bietet Wertheim ein sehr auffälliges Beispiel: Denn Anfang Mai 1629 haben sich, als es darum ging, 30 Reiter des Regiments Schönberg unterzubringen, betroffene Adlige (also offenbar Grundherren) darauf geeinigt, den Ort, der die Söldner aufnehmen sollte, durch das Zufallsprinzip zu bestimmen. Sie spielten darum, und am Ende traf es Allersheim.

Nun handelte es sich bei einem Losentscheid (und ein Spiel wird man darunter rechnen können) um eine Form der Entscheidungsfindung, die völlig unabhängig von ständischen Hierarchien und Abhängigkeiten funktionierte. Das mag auch die adligen Herren bewogen haben, auf dieses Verfahren zurückzugreifen. Dabei nahmen sie allerdings eine Entscheidung in Kauf, die unter Sachgesichtspunkten schlecht war. Im Fall Allersheim bedeutete dies, daß dieser Ort Söldner aufnehmen mußte, obwohl er bereits Einquartierungen zu ertragen hatte. Also einfach nur Pech für Allersheim?

Die Militärorganisation hatte zu dieser Zeit längst Strukturen ausgebildet, die solche Fehlentscheidungen zu verhindern suchten. In Gestalt der Kriegskommissare gab es zuständige Beamte, die auch für Einquartierungen zuständig waren und mit den Behörden vor Ort eine wenn möglich allseits akzeptable Lösung auszuloten suchten. Auch auf Seiten der betroffenen Landschaften gab es oft schon Kommissare, die die Belange der Region vertraten. Daß allein die Einrichtung solcher Kommissariate Härten bei der Quartiervergabe nicht ausschließen konnte, kann man sich leicht vorstellen. Wichtig bleibt jedoch, daß es beiderseits das Bemühen gab, eine nach Möglichkeit konsensuale Entscheidung herbeizuführen. Eine Quartierzuweisung durch Losentscheid oder durchs Spielglück konterkarierte nun genau diese Ansätze zur Kooperation zwischen Landes- und Militärbehörden. Insofern stellt das Beispiel Wertheim / Allersheim im Mai 1629 durchaus einen Sonderfall dar.

Allersheim hat sich übrigens mit dieser Entscheidung nicht abfinden wollen – gut verständlich, denn hier ging es um Überlebensfragen. Ob man bei den Adligen noch einmal rückgefragt und um eine Modifizierung der Entscheidung gebeten hat, ist nicht ersichtlich. Aber beim Fürstbischof von Würzburg hat man in dieser Sache suppliziert. Das war kein Zufall, denn Otto Friedrich von Schönberg, der Oberst des betreffenden ligistischen Kavallerieregiments, war gleichzeitig auch würzburgischer Geheimer Rat. Die Allersheimer richteten ihre Bitte also nicht an ihre eigene Herrschaft, sondern an die Obrigkeit des Obersten selbst – sicher kein ungeschickter Schachzug. Ob sie damit Erfolg hatten, läßt sich derzeit nicht nachvollziehen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/275

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Soldatenhochzeit

Seit einiger Zeit werden im Blog 1628 Wertheim archivalische Notizen präsentiert, die Geschehnisse um die Stadt Wertheim (Main/Tauber) aus dem Jahr 1628 dokumentieren. Die im wöchentlichen Rhythmus meist paraphrasierend aufbereiteten, teilweise aber auch mit Originalzitaten versehenen Notizen bieten einen breiten thematischen Rahmen zu ganz unterschiedlichen historischen Bezügen. Anders als in herkömmlichen wissenschaftlichen Arbeiten, die einer Fragestellung verpflichtet sind und damit einen thematischen Strang herauspräparieren, findet sich hier eben die bunte Vielfalt historischer Befunde: Nachrichten über Preisentwicklungen, Nachbarschaftsstreitereien und Beleidigungen, Fälle von Hexerei, zugezogene Neubürger, Erbfälle, Taufen und alles weitere, was sich im einfachen, alltäglichen Leben ereignete.

Ab und zu gibt es auch Hinweise darauf, daß 1628 ein Kriegsjahr war. So finden sich Nachrichten über Kavallerie, die in der Nähe Quartier genommen hat; prompt ist dann auch von einem „Tumult“ die Rede. Besonders aufgefallen ist mir aber der Hinweis, daß die Tochter eines Wertheimer Bürgers sich einem Soldaten, der in der Nähe stationiert war, angeschlossen und ihn offenbar auch geheiratet hat: http://1628blog.de/wertheim/ohne-meinen-willen. Natürlich waren und sind Partnerschaften und Heiraten etwas Alltägliches. Doch dieser Fall ist insofern bemerkenswert, als er verdeutlicht, daß Kontakte zwischen dem Militär und der zivilen Welt nicht zwangsläufig von Konflikten und Gewalt geprägt sein mußten. Da meist nur Devianzen den Weg in den Akten gefunden haben, prägen vor allem Episoden über Schändungen und andere Gewalttaten das Bild der Beziehungen zwischen Militär und ziviler Bevölkerung. Dahinter steht in der Forschung dann auch die Frage nach einer Abgrenzung des Militärs von der Bevölkerung und generell nach der sozialen Verortung der Söldner innerhalb der ständischen Gesellschaft (wozu ich mich vor einigen Jahren auch mal geäußert habe: Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zu Konstituierung und Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus, in: St. Kroll u. K. Krüger (Hrsg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, Münster u.a. 2000, S. 79-120).

Das Beispiel der Margaret aus Wertheim zeigt nun, daß für eine junge Frau ein Söldner nicht automatisch eine Bedrohung darstellte. Im Gegenteil, ein gemeinsamer Lebensentwurf schien erstrebenswert und die Risiken, die ein Leben im Feld mit sich brachte, offenbar erträglich. Möglicherweise stellte in ihren Augen die Verbindung mit einem Soldaten sogar eine durchaus attraktive Partie dar. Das mag in dem Fall auch mit dem Rang des Soldaten zusammenhängen, der als Corporal zwar nur einen niederen Rang innehatte, damit aber doch über die Masse der einfachen Söldner herausragte. Was anscheinend kein Thema darstellte, war die Konfession. Trotzdem gab es auch in dem Fall Probleme. Denn die junge Frau war die Bindung zu dem Söldner ohne väterlichen Konsens eingegangen. Wie skandalös dieser Umstand war, erfuhr sogar der Bruder Margarets. Er lebte in einiger Entfernung, mußte aber den Spott ertragen, daß seine Schwester ohne Einwilligung des Vaters mit einem Söldner davongezogen war – die Nachricht hatte offenbar die Runde gemacht. Er selbst fragte deswegen, selbst noch spürbar aufgebracht, beim Vater nach: http://1628blog.de/wertheim/schelm-und-bosewicht.

Nicht ganz klar ist dabei, ob der Ärger daher rührte, daß Margaret ohne den Segen des Vaters geheiratet, oder auf dem Umstand beruhte, daß sie sich auf einen Soldaten eingelassen hatte. Gleichwohl bleibt es eine bemerkenswerte Episode, einfach weil gar nicht so viele Nachrichten über reguläre Verbindungen dieser Art bekannt sind. Aus Wertheim kennen wir jedenfalls nun ein weiteres Beispiel.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/77

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