Projektbeschreibung: Jacob Bianchi und das Comptoir der Künste, Wissenschaften und…

Die Österreichische Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts dokumentiert österreichische Forschungsprojekte zum 18. Jahrhundert; da ich mich in den letzten Monaten und auch noch auf absehbare Zeit mit einem umtriebigen Herrn namens Bianchi und dessen Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien beschäftige, ist dort die entsprechende Projektbeschreibung veröffentlicht, die ich auch an dieser Stelle dem p.t. Publikum zur Kenntnis bringe:

Projekttitel: Jacob Bianchi und das Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien, Wien 1770-1774

Leitung: Anton Tantner

Projektbeschreibung
Jacob Bianchi, 1732 am Comosee geboren, war seines Zeichens Barometermacher, herumvagierender Elektrizitätsdarsteller und klassischer Projektant; seit Anfang der 1760er Jahre hielt er sich in Wien auf, gab Kurse in Experimentalphysik und firmierte als liechtensteinischer Mathematicus, bezahlt aus der Privatschatulle des Fürsten Josef Wenzel Liechtenstein, in dessen Stadtpalais er auch mitsamt Frau und Kindern residierte. Um 1770 deckte Bianchi die Behörden mit einem wahren Feuerwerk an Vorschlägen und Privilegsansuchen ein: Ganz gleich ob es sich um eine Feuerspritze, ein Geographisches Handbuch, das Graben nach Salpeter, ein allgemeines Zeitungscomptoir (das als Alternative zur Post die Zeitungen vertreiben sollte) oder eine Stadtpost handelte, Bianchi war dabei, hatte jedoch kaum finanziellen Erfolg. Längerfristige Wirkung sollte er mit der Realzeitung haben, die er 1770 gründete und zunächst vorwiegend Nachrichten aus dem Bereich der Landwirtschaft, Naturwissenschaften, aber auch des Theaters brachte, bevor sie – nach Bianchis Weggang – zu einem der wichtigsten Journale der österreichischen Aufklärung wurde. In Zusammenhang mit der Realzeitung stand das ebenfalls 1770 von Bianchi geschaffene Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien, das gleichzeitig als Ausstellungsraum für in der Realzeitung vorgestellte physikalische und landwirtschaftliche Modelle, als Verkaufsgewölbe für Gemälde, Kupferstiche und Broschüren, als Auskunftsbüro für Fremde sowie nicht zuletzt als Gratisausgabestelle für Kleesamen diente. Größeren Bekanntheitsgrad erlangte das mit diesem Comptoir verbundene, von Bianchi 1772 eröffnete Lektürkabinett; 1774 dürfte er sich aus der Realzeitung und dem Comptoir zurückgezogen haben und übersiedelte später nach Paris, wo er ein Magasin de Physique eröffnete und 1785 starb.
In der Nachfolge der bisherigen Beschäftigung mit Bianchi – genannt seien der Biograph seines Sohns, Friedrich Heller von Hellwald, der NS-Bibliothekar Alois Jesinger, die Aufklärungsforscherin Edith Rosenstrauch-Königsberg und der Wissenschaftshistoriker Oliver Hochadel – konzentriert sich mein Projekt auf Grundlage von Archivrecherchen vor allem auf Bianchis Tätigkeit für das genannte Comptoir, das als eines von mehreren Adressbüros betrachtet werden kann, die in Wien im ausgehenden 18. Jahrhundert gegründet wurden.


Einen Vortrag, der sich u.a. mit Bianchi beschäftigen wird, werde ich übrigens am 30.1.2013 um 18 Uhr im Rahmen von Geschichte am Mittwoch am Institut für Geschichte der Uni Wien halten.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197337333/

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Ö1: Das Prinzip Ordnung

Kommende Woche (12.11.-15.11.2012, 9:05-9:30) sendet Ö1 eine vierteilige Serie zum Thema Das Prinzip Ordnung.

Die Ankündigung:

Radiokolleg - Das Prinzip Ordnung. Wie wir uns die Welt zurechtlegen
Gestaltung: Martin Adel

Dass für gar nicht so wenige Leute die sichtbare, vordergründige Ordnungsmacherei dazu führt, dass sie nichts mehr finden, deutet schon darauf hin, dass auch hinter dem scheinbaren Chaos (etwa auf dem Schreibtisch) eine unsichtbare Ordnung walten kann; und zugleich ein Hinweis darauf, dass zwischen "Ordnung" und "ordentlich" Welten liegen können.

Die sichtbare Ordnung stellt nur die berühmte Spitze des Eisbergs all dessen dar, was mit Ordnung zusammenhängt. Ein Gutteil des Geordneten ist (wie die Ordnung selbst) abstrakt, etwa mathematische Ordnungen (z.B. die Ordnungszahlen) oder auch - und hier rühren wir vielleicht an den Kern dessen, was Ordnung ist: die als Ordnungen bezeichneten kognitionsphysiologischen Eigenschaften oder Fähigkeiten des menschlichen Hirns. So gesehen, muss man davon ausgehen, dass das meiste, was wir als "geordnete Verhältnisse" begreifen - erstens - dadurch erst konstituiert wird, dass wir ordnend eingreifen. Und - zweitens - dass der Großteil der Ordnungen unsichtbar ist. Der "Eisberg" ist also "schier endlos" ausgedehnt und ausdehnbar:

AB- und AN-ordnung, BAU-ordnung, DIENST-ordnung, EIN-ordnung, FEUDAL-ordnung, GEFECHTS-, GESCHÄFTS-, GEMEINDE-, GESELLSCHAFTS-, GEWERBE- und GRÖSSEN-ordnung, HAUS-ordnung, INTERNATIONALE RECHTS-ordnung, JUGENDSCHUTZ-ordnung, KALENDER- und KLEIDER-ordnung, LEBENS- und LOHN-VER-ordnung, MARKT- und MARSCH-ordnung, NOTVER-ordnung, PROZESS-ordnung, RANG- und REGIERUNGS-ordnung, SCHLACHT-, SCHUL-, SOZIAL-, STAATS-, STRASSENVERKEHRS- und STUDIEN-ordnung, TAGES- und TISCH-ordnung, UN- und UNTER-ordnung, VER-ordnung, WAHL-, WELT- und WIRSCHAFTS-ordnung, ZUNFT- und ZIVILPROZESS-ordnung.
Und das sind keineswegs alle.

Da sage noch jemand, Ordnung sei das halbe Leben; es ist das Ganze.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197336793/

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IFK_Vortrag: Nacim Ghanbari, Kontakte knüpfen. Netzwerktheorie und Aufklärungsforschung

Vortrag
NACIM GHANBARI
Kontakte knüpfen. Netzwerktheorie und Aufklärungsforschung
12. November 2012, 18.00 Uhr c. t. (Eintritt frei)

IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz
Reichsratsstraße 17
1010 Wien
http://www.ifk.ac.at

Die diskursive Allgegenwart der sozialen Netzwerke kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Teile der Literatur- und Kulturwissenschaften netzwerktheoretische Erkenntnisse erfolgreich ignorieren. Sie werden kaum zitiert, geschweige denn besprochen, auch wenn das Netzwerk in zahlreichen Texten als Metapher zum Einsatz kommt. Dies gilt auch für die Aufklärungsforschung, die in besonderer Weise von der nachträglichen Identifizierung der Gelehrten und Literaten als Prototypen des agilen Netzwerkers profitiert. Ausgehend von einem Panorama der wechselvollen Theoriegeschichte des sozialen Netzwerks diskutiert Nacim Ghanbari in ihrem Vortrag die verschiedenen Möglichkeiten, das netzwerktheoretische Vokabular und Instrumentarium für kulturwissenschaftliche Zwecke zu übernehmen. Im Zentrum des Interesses stehen die Freundschaftsbünde - von denen der "Göttinger Hain" und die "Bremer Beiträger" lediglich die bekanntesten sind -, die abseits der vorgesehenen literarischen Hauptverkehrswege neue Formen kollektiver Selbstorganisation der Autoren erproben.

Nacim Ghanbari studierte Deutsche Literatur, Geschichte und Philosophie in Hannover und Konstanz, wo sie mit einer Arbeit zum Thema "Das Haus. Eine deutsche Literaturgeschichte 1850–1926" promovierte. Sie war 2004 bis 2007 Promotionsstipendiatin im Graduiertenkolleg "Die Figur des Dritten" und 2005 (Februar bis Juni) Visiting Research Scholar am Department of Germanic Studies, University of Chicago.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197336287/

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IG.EL – Verein für LektorInnen an österreichischen Fachhochschulen

Die Zustände, unter denen LektorInnen an den österreichischen Fachhochschulen unterrichten müssen, sind noch absurder als diejenigen an den Universitäten, man glaubt es kaum; nachdem es schon seit 1996 eine an den österreichischen Unis aktive Interessengemeinschaft LektorInnen und WissensarbeiterInnen gibt, hat sich nun eine Schwesterorganisation für die Fachhochschulen als Verein gegründet, nämlich IG.EL - Interessensgemeinschaft externer LektorInnen und WissensarbeiterInnen; eine Webpräsenz gibt es auch schon, und zwar unter: http://www.igel.or.at/blog

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197335706/

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Heinrich Bosse: Bildungsrevolution 1770-1830

In den 1970er Jahren besuchte er Seminare bei Foucault und Kittler und ließ sich von diesen zu seinen bildungsgeschichtlichen Arbeiten inspirieren; nun erscheinen zehn seiner Artikel in einem Band, herausgegeben von Nacim Ghanbari, die auch ein Gespräch mit Bosse geführt hat, das gekürzt im Merkur (August 2012, S.691-703, online hier) erschien. Ich bin ja schon gespannt auf Bosses Aufsatz zur Einrichtung der Schiefertafel!

Verlagsankündigung: Der gemeinsame Fluchtpunkt dieser Studien ist die deutsche Bildungsrevolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Sie betrifft die beiden wichtigsten Kulturtechniken, Lesen und Schreiben. In der Bildungsrevolution verändert sich der elementare, rhetorische, akademische Unterricht, darüber hinaus aber auch Schule, Autorschaft, Öffentlichkeit und sogar die Sozialgliederung der Gesellschaft. Das neue Konzept der Bildung wirkt über die Unterrichtsinstitutionen hinaus, indem es eine außerschulische Praxis scholarisiert, das Selberlernen. Die Unterrichtsverhältnisse ihrerseits werden unter dem staatlichen Zugriff neu strukturiert.
Dabei verschmelzen die lateinischen und die volkssprachlichen Bildungssysteme, die seit dem Mittelalter nebeneinander existierten, in einem umfassenden Bildungsapparat. Zugleich wandelt sich die ständische Öffentlichkeit der gelehrten Republik in ihr modernes Gegenstück, und der gelehrte Stand der Lateinkundigen verschwindet in der Formation der Gebildeten.


Bosse, Heinrich: Bildungsrevolution 1770-1830. (=Reihe Siegen. Beiträge zur Literatur-, Sprach und Medienwissenschaft; 169). (Hg. mit einem Gespräch von Nacim Ghanbari). Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2012. [Verlags-Info]

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197335150/

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Buchpräsentation Klaus Ratschiller: An deiner Stelle, Wien 9.11.2012

Klaus Ratschiller präsentiert am 9. November 2012 um 19 Uhr in der Schraubenfabrik, 1020 Wien, Lilienbrunngasse 18 (hinterer Hof) den Roman An deiner Stelle.

Buchinfo:

Der 50-jährige Jakob Kläger hat sein Leben lang geschrieben, aber deswegen gleich Schriftsteller sein zu wollen oder werden zu müssen, ist nie seine Sache gewesen. Seine junge Nachbarin Agnes Sternfeld lockt ihn aus seinem Gehäuse, das vor allem aus seiner zusammengestohlenen Privatbibliothek besteht. Als sie mit ihrem Freund den Sommer verbringt, spricht Jakob für sie einen Bericht auf Band: Er erzählt von Menschen, die, obwohl oder gerade weil ihnen die Mittel dafür fehlten, mit großer Beharrlichkeit nach einem Ausdruck für das suchten, worum es ihnen im Leben ging. Wie daran Freundschaften und Lieben zerbrachen, auch seine eigenen. Wie und warum er und einige seiner Freunde jahrelang ihre Unabhängigkeit bewahren wollten, indem sie Diplomarbeiten für andere verfassten. Aber er erzählt auch mit großer Zuneigung vom Leben derer, die ihr Studium nicht ohne Hilfe von Ghostwritern abschließen konnten. Er erzählt das alles unter dem Eindruck großer historischer wie privater Ereignisse und Katastrophen, denen die Menschen, die er liebte, nicht gewachsen waren … Nachdem Agnes den Bericht angehört hat, der ihr nahe geht, obgleich er ihr wie eine Nachricht aus einer untergehenden Welt erscheint, wendet sie sich wieder ihrem Leben zu. Jakob dagegen kann nicht länger so weitermachen …

Ratschiller, Klaus: An deiner Stelle. Roman. Wien: Edition Atelier, 2012. 416 Seiten, 22,95 Euro, ISBN 978-3-902498-30-4

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197331124/

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ak: Nachrufe auf Eric Hobsbawm

Analyse & Kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis hat Logie Barrow, Marcel van der Linden, Katja Kullmann und mich gebeten, als Nachruf auf den am 1. Oktober verstorbenen Eric Hobsbawm kurz ein von Hobsbawm verfasstes Lieblingsbuch zu nennen und dessen persönliche Bedeutung zu schildern. In Print sind diese Texte in der Ausgabe Nr. 576, 19.10.2012, S. 24 unter der Überschrift Geschichten von links unten erschienen, ich dokumentiere meinen Beitrag auch an dieser Stelle:

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Das Pseudonym Francis Newton

Zu den vielfältigen Themen, mit denen sich Eric Hobsbawm beschäftigte, zählten auch der Jazz und seine Geschichte. Bereits 1959 publizierte er in London »The Jazz Scene«, ein Buch, das unter dem Pseudonym Francis Newton erschien, weil Hobsbawm seine historische von der jazzjournalistischen Arbeit trennen wollte. »The Jazz Scene« weist alle Stärken auf, die Hobsbawms sonstige wissenschaftliche Veröffentlichungen charakterisieren; er verwahrte sich darin gegen jegliche Biologismen, die Jazz als Ausdruck einer »Rasse« oder als typisch afrikanische Musik betrachten wollten, mokierte sich über jazzaffine Eliten, die ob des vermeintlichen Exotismus verzückt waren und betonte stattdessen die vielfältigen hybriden Einflüsse, die den spätestens ab den 1920er Jahren in Europa populär gewordenen Jazz kennzeichneten.

Besonders bedeutsam war für mich, als ich das Buch im Zuge der Arbeit an meiner Diplomarbeit zu den »Schlurfs« - einer um den Swing entstandenen Arbeiterjugendsubkultur im Wien während der NS-Herrschaft - las und zu meiner Freude entdeckte, dass Hobsbawm darin jenen Jugendlichen Aufmerksamkeit entgegenbrachte, die im NS-beherrschten Europa Jazz hörten und dadurch in eine Distanz zum Faschismus gerieten, die auch zu Protest- und Widerstandsaktionen führen konnte. Namentlich erwähnt er die Zazous, die sich im deutsch besetzten Paris an Johnny Hess, Charles Trenet und Django Reinhardt begeisterten und wegen ihrer Frisur zuweilen Opfer von Haarschneideaktionen wurden; manche von ihnen trugen öffentlich einen Judenstern mit dem Schriftzug »Swing«, nahmen an Demonstrationen teil und kamen deswegen in Arbeitslager.

Es spricht für Hobsbawm, dass er sich im Kalten Krieg weder von den Kampagnen gegen den Jazz in den realsozialistischen Ländern noch von dessen Instrumentalisierung durch die US-Propaganda von seiner Liebe zu dieser Musik abbringen ließ und gleichzeitig einen nüchternen, analytischen Blick auf diese erste Massenkultur des 20. Jahrhunderts beibehielt.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/197330406/

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