1 Jahr MinusEinsEbene auf de.hypotheses

Mein Doktorandenblog MinusEinsEbene ist vor einem Jahr „umgezogen“ zu der geisteswissenschaftlichen Plattform de.hypotheses.

Alles in allem ist zu sagen: Ich fühle mich dort sprichwörtlich „sauwohl“. Das Blog lief bei blogger.com nicht besonders gut und mir fehlten Ideen und der Antrieb weiterzumachen. De.hypotheses zeigte sich dann als Alternative und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Und füllte den Antrag aus.

Das Blog sollte und soll meine Dissertation begleiten, wurde aber mit den Monaten auch eine Art Spielwiese. Ich konnte mal Sachen veröffentlichen, die ich NIEMALS bei einer Zeitschrift eingereicht hätte. Ich denke da an meine drei Posts zu StarTrek und Archäologie, die bis heute die meist gelesenen Beiträge sind.

Es war zudem möglich Teilaspekte meiner Dissertation vorzuformulieren, die dann später in einem gedruckten Vorbericht Verwendung fanden. So geschehen mit dem Post „Historische Überlieferung und ihre archäologische Glaubwürdigkeit“ und meinem neuesten Vorbericht mit dem sperrigen Titel: „Der Einfluss des franziskanischen Armutsgedankens auf die Interpretation der Befunde in und um die Elisabethkirche in Marburg an der Lahn“, der erst vor wenigen Wochen erschienen ist und auch online vorliegt.

Das Blog wurde damit so was wie ein Online-Notizbuch. Es ist schlicht etwas anderes, wenn man für sich selbst Notizen macht, oder wenn man einen Aspekt für die Öffentlichkeit ausformuliert. Ich denke auch, dass das die Zukunft von Wissenschaftler-Blogs ist. Die Website stellt den Wissenschaftler in seiner jeweiligen akademischen Station als Studierenden, Doktoranden, Postdoc usw. vor und dient gleichzeitig als Notizbuch.  Zumindest würde ich mir das so wünschen.

MinusEinsEbene ist kein Nachrichtenportal. Das kann ich als Einzelperson nicht leisten und habe dazu auch gar keine Lust. Da draußen gibt es Scharen von jungen Journalisten, die das Internet nutzen, um sich zu profilieren. Was mich nicht davon abhält, meinen Senf zu aktuellen Ereignissen abzugeben, wofür ich dann und wann auch unfreundliche Kommentare bekam.

Ein letzter Teilaspekt, der unter jungen Bloggern heiß diskutiert wird, ist: Ist Bloggen schädlich für meine wissenschaftliche Zukunft? Ich kann das nicht beantworten. Ich weiß nur: Die Situation für junge Geisteswissenschaftler in der Forschung ist so schlecht, dass es auch schon egal ist. Die Arbeitssituation an Universitäten, Dankmalpflege-Behörden und Museen ist so, dass Forschung und Publizieren nur einen ganz geringen Teil der Arbeitszeit ausmachen. Forschen und Publizieren ist in Deutschland zu einem Hobby geworden und da ist es auch fast nebensächlich, womit man sein Geld verdient.  Am Ende kann man mit seinem eigenen Blog in einer Bewerbung „Einschlägige Erfahrungen in den Neuen Medien und Sozialen Netzwerken“ angeben.  Wichtig ist nur, sich von Ewig-Gestrigen nicht erzählen zu lassen, dass Online-Publizieren schädlich ist. Das Ende einer Karriere beginnt nur nämlich dann, wenn man aufhört, nach vorne zu blicken.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/849

Weiterlesen

Landesgeschichtliches Kolloquium an der Uni Freiburg

Das traditionsreiche „Landesgeschichtliche Kolloquium“ ist das wissenschaftliche Forum des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte I und der Abteilung Landesgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Kooperationspartner von Archivum Rhenanum). Die Spannbreite der Themen ergibt sich aus den Schwerpunktsetzungen in Forschung und Lehre am Lehrstuhl (Politische Geschichte des Früh- und Hochmittelalters in europäischer Perspektive) und an der Abteilung Landesgeschichte (Raumbezogene Studien für den Oberrhein und den deutschsprachigen Südwesten – gesamtes Mittelalter mit Ausblicken auf die Neuzeit). Die sachbezogene Interdisziplinarität und methodische Vielfalt der ausgewählten Beiträger soll nicht nur die wissenschaftlichen Diskussionen am Lehrstuhl vorantreiben, sondern ist bewusst auch als sinnvolle Ergänzung zu den Lehrveranstaltungen konzipiert. Studierende sind deshalb vom ersten Semester an herzlich willkommen!
Das ausführliche Semesterprogramm finden sie hier.

Quelle: http://archives.hypotheses.org/533

Weiterlesen

Die neun Dreifüße

Unter den frühesten Gefäßtypen der chinesischen Kunstgeschichte kam dem Dreifuß (ding 鼎) besondere Bedeutung für die politische Symbolik zu. Die Entwicklung der Dreifüße dürfte ihren Anfang mit urtümlichen Kochtöpfen genommen haben. Als politisches Symbole wurden Dreifüße in ein mythisches Altertum zurückdatiert. Die Legende will es, dass der mythische Urkaiser Huangdi 黃帝 (der “Gelbkaiser”) den Besitz von neun Dreifüßen mit der Herrschaft über China gleichsetzte. Während der Zhou-Zeit (11.-3. Jh. v. Chr.) symbolisierten die neun Dreifüße die neun Provinzen des Landes. Sollte einer dieser neun Dreifüße in Verlust geraten, ging man vom baldigen Ende der Dynastie aus.[1]

In seinem Buch Das chinesische Denken schrieb Marcel Granet über die neun Dreifüße:

Das Metall hierfür hatten die Neun Hirten als Tribut geliefert, und Yü konnte auf diesen seinen Kesseln die ‘Embleme’ der Wesen aller Länder darstellen, den diese ‘Embleme’ hatte er als Huldigungsgeschenke aus den 9 Gebieten empfangen. Die in diesen Symbolen beschlossene Macht war derartig, daß die Neun Kessel als Entsprechung der Welt gelten konnten; sie bewirkten, daß im ganzen Kosmos Ordnung und Frieden herrschte.[2]

Die neun Dreifüße waren schließlich während der Zhou-Zeit verloren gegangen. Der Erste Kaiser, der 221 v. Chr. den Einheitsstaat gründete, wollte diese neun Dreifüße wiederfinden: “Dies gelang auch, aber als ein Dreifuß gerade bis zur Wasseroberfläche hochgezogen war, tauchte ein Drache aus dem Bronzegefäß empor und zerbiß das Seil, an dem es hing.”[3]

  1. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Chinesen und ihre Schrift (München: 5. Aufl., 1996) 66 (‘Dreifuß’) sowie Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 262 (‘Tripod’).
  2. Marcel Granet: Das chinesische Denken. Inhalt – Form – Charakter. Übers. und eingel. von Manfred Porkert; mit einem Vorw. von Herbert Franke (Frankfurt a.M., 5. Aufl. 1997 [frz. 1934; dt. Übers. 1963]) , 128.
  3. Lothar Ledderose: “Die Kunstsammlungen der Kaiser von China.” In: Ders. (Hg.): Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt (Frankfurt a. M. 1985) 42; vgl. dazu Jeannette Shambaugh Elliott: The Odyssey of China’s Imperial Art Treasures (Seattle 2005), 6. Belege für die historiographische Überlieferung der Legende bei Dorothee Schaab-Hanke: “Wenn die Dreifüße zu versinken drohen …. Zu Grant Hardys Worlds of Bronze and Bamboo.” In: Oriens Extremus 42 (2000/01) 213 f.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/824

Weiterlesen

Duisburger Lokalpolitiker wollen Denkmal verhindern

Die Mandatsträger von SPD und CDU der Bezirksvertretung Süd in Duisburg lehnten in Ihrer Sitzung am 26.09.2013 die Eintragung des Bodendenkmals „Böckumer Leitgraben“ in Denkmalliste ab und sorgten damit lokal für Schlagzeilen.

Die Beschlussvorlage 13-1065, den „Böckumer Leitgraben“ als Bodendenkmal in die Denkmalliste einzutragen, sorgte bei den Mandatsträgern fraktionsübergreifend  für Heiterkeit.

Joseph Paeßens (CDU) sagte: „Mich laust der Affe. Das ist nun wirklich kein Denkmal!“, es war von „einem Witz“ die Rede oder von: „bloß weil irgendein Bauer im 16. Jahrhundert mit der Schippe einen Graben gezogen hat.“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Hartmut Ploum schlug erheitert vor, doch auch die ostfriesischen Entwässerungsgräben bei Emden unter Denkmalschutz zu stellen. [1]

Der sog. „Böckumer Leitgraben“ ist ein gut im Gelände zu erkennender Entwässerungsgraben aus dem 15./ 16. Jahrhundert, der auf einer Niederterrasse angelegt wurde. Die aufwendigen Bauarbeiten wurden notwendig, weil durch den örtlichen Mühlenstau sich die hydrologischen Bedingungen veränderten und der Grundwasserspiegel deutlich anstieg. Der Graben verlief ursprünglich offen als 2 m breite und 1 bis 2 m tiefe Rinne durch das Gelände. Heute ist er durch Erosion noch 1m breit und entsprechend flacher.[2]

Anders als ein moderner Straßengraben diente er nicht zur Entwässerung von Oberflächenwasser, sondern war eine wasserbauliche „Entsumpfungsanlage“. Der damals angestiegene Grundwasserspiegel drohte nämlich die  Felder und das Dorf zu überschwemmen. Ohne diesen ehemals breiten und tiefen Graben hätten die ansässigen Bauern ihre Heimat verlassen müssen. Somit ist dieser unscheinbare Graben wichtig für die regionale Geschichtsschreibung im Duisburger Süden, der ohne diesen Graben ganz sicher anders aussehen würde.

Näheres dazu kann man in der offiziellen Eintragungsbegründung der örtlichen Stadtarchäologie nachlesen. Dazu wurden auch Bilder und ein Lageplan veröffentlicht.

Es ist natürlich nicht so, dass Kommunalpolitiker sich nicht für lokale Geschichtsschreibung interessieren. Die Initiative auf Eintragung des Böckumer Leitgrabens erfolgte auf Antrag der SPD-Fraktion 2005 Drucksache 05-2916. Die Duisburg-Süd-SPD hat damit ihren eigenen Antrag abgelehnt.

Man kann gespannt sein, wie die Sache jetzt weitergeht. Üblicherweise reicht die zuständige Untere Denkmalbehörde eine Beanstandung ein, so dass die Eintragung noch einmal von der Bezirksvertretung Süd behandelt werden müsste. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Süd am 17.10.2013 ist noch nicht veröffentlicht worden.

In die Denkmalliste eingetragen wird der „Böckumer Leitgraben“ aber in jedem Fall. Wenn die Denkmaleigenschaften eines Bodendenkmals nachgewiesen sind, wie im Fall des Böckumer Leitgrabens, sieht das DSchG NRW kein Ermessen vor. Die Eintragung ist zwingend. Die Einwände der Politik spielen dann keine Rolle. Zumindest wenn es nach dem Gesetz geht….

Weiterführende Links

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/spott-ueber-dreckigen-kanal-als-denkmal-aimp-id8519995.html

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/entwaesserungsprobleme-vor-600-jahren-id1471060.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/825

Weiterlesen

Duisburger Lokalpolitiker wollen Denkmal verhindern

Die Mandatsträger von SPD und CDU der Bezirksvertretung Süd in Duisburg lehnten in Ihrer Sitzung am 26.09.2013 die Eintragung des Bodendenkmals „Böckumer Leitgraben“ in Denkmalliste ab und sorgten damit lokal für Schlagzeilen.

Die Beschlussvorlage 13-1065, den „Böckumer Leitgraben“ als Bodendenkmal in die Denkmalliste einzutragen, sorgte bei den Mandatsträgern fraktionsübergreifend  für Heiterkeit.

Joseph Paeßens (CDU) sagte: „Mich laust der Affe. Das ist nun wirklich kein Denkmal!“, es war von „einem Witz“ die Rede oder von: „bloß weil irgendein Bauer im 16. Jahrhundert mit der Schippe einen Graben gezogen hat.“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Hartmut Ploum schlug erheitert vor, doch auch die ostfriesischen Entwässerungsgräben bei Emden unter Denkmalschutz zu stellen. [1]

Der sog. „Böckumer Leitgraben“ ist ein gut im Gelände zu erkennender Entwässerungsgraben aus dem 15./ 16. Jahrhundert, der auf einer Niederterrasse angelegt wurde. Die aufwendigen Bauarbeiten wurden notwendig, weil durch den örtlichen Mühlenstau sich die hydrologischen Bedingungen veränderten und der Grundwasserspiegel deutlich anstieg. Der Graben verlief ursprünglich offen als 2 m breite und 1 bis 2 m tiefe Rinne durch das Gelände. Heute ist er durch Erosion noch 1m breit und entsprechend flacher.[2]

Anders als ein moderner Straßengraben diente er nicht zur Entwässerung von Oberflächenwasser, sondern war eine wasserbauliche „Entsumpfungsanlage“. Der damals angestiegene Grundwasserspiegel drohte nämlich die  Felder und das Dorf zu überschwemmen. Ohne diesen ehemals breiten und tiefen Graben hätten die ansässigen Bauern ihre Heimat verlassen müssen. Somit ist dieser unscheinbare Graben wichtig für die regionale Geschichtsschreibung im Duisburger Süden, der ohne diesen Graben ganz sicher anders aussehen würde.

Näheres dazu kann man in der offiziellen Eintragungsbegründung der örtlichen Stadtarchäologie nachlesen. Dazu wurden auch Bilder und ein Lageplan veröffentlicht.

Es ist natürlich nicht so, dass Kommunalpolitiker sich nicht für lokale Geschichtsschreibung interessieren. Die Initiative auf Eintragung des Böckumer Leitgrabens erfolgte auf Antrag der SPD-Fraktion 2005 Drucksache 05-2916. Die Duisburg-Süd-SPD hat damit ihren eigenen Antrag abgelehnt.

Man kann gespannt sein, wie die Sache jetzt weitergeht. Üblicherweise reicht die zuständige Untere Denkmalbehörde eine Beanstandung ein, so dass die Eintragung noch einmal von der Bezirksvertretung Süd behandelt werden müsste. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Süd am 17.10.2013 ist noch nicht veröffentlicht worden.

In die Denkmalliste eingetragen wird der „Böckumer Leitgraben“ aber in jedem Fall. Wenn die Denkmaleigenschaften eines Bodendenkmals nachgewiesen sind, wie im Fall des Böckumer Leitgrabens, sieht das DSchG NRW kein Ermessen vor. Die Eintragung ist zwingend. Die Einwände der Politik spielen dann keine Rolle. Zumindest wenn es nach dem Gesetz geht….

Weiterführende Links

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/spott-ueber-dreckigen-kanal-als-denkmal-aimp-id8519995.html

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/entwaesserungsprobleme-vor-600-jahren-id1471060.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/825

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Die große Unbekannte?

Wenig ist über sie bekannt und dennoch spielte sie eine entscheidende Rolle im Leben von Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Die Rede ist von seiner Mutter – Augusta Maria Gräfin von Truchsess Zeil-Wurzach.

Geboren wurde sie im Jahr 1743, im Alter von 26 Jahren heiratete sie den jüngsten der drei Brüder aus dem Geschlecht Salm-Reifferscheidt-Dyck. Ihr Mann Johann Franz war zu diesem Zeitpunkt bereits 55 Jahre alt und musste nach der Resignation seiner Domherrenstellen in Köln und Straßburg für den Fortbestand der Linie sorgen. Mit der Geburt Josephs im Jahr 1773 wurde diese Pflicht erfüllt.

Nach nur sechs Ehejahren starb Johann Franz. Seine hochschwangere Witwe (Josephs Bruder Franz kam erst zwei Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt) war somit Regentin und Verwalterin der Herrschaft. Zum Mitvormund der Kinder hatte ihr verstorbener Mann seinen Schwager Joseph von Zeil-Wurzach bestellt – ebenfalls Domherr in Köln und Straßburg. Die Folgen dieser Wahl? Ein jahrzehntelanger Prozess um finanzielle Angelegenheiten.

Soweit die Fakten. Die Quellen zur Kavalierstour ihrer Söhne lassen eine fürsorgliche Mutter erahnen: Besuchen die beiden Jungen das Gymnasium in Köln, hält sie sich meist im „Salmschen Hof“ in der Trankgasse auf. Führt der erste Teil der Studienreise nach Brüssel, reist sie mit um vor Ort persönlich für die angemessene Ausstattung zu sorgen. Auch die Briefe ihrer Söhne, wenn auch den stilistischen Regeln der Zeit unterworfen, vermitteln das Bild einer engen Bindung.

Ganz so unbekannt ist sie also doch nicht. Lediglich nach dem Herrschaftsantritt Josephs scheint sie vollkommen im Dunkeln zu verschwinden. Nur ihr Todesjahr ist bekannt: Sie starb im Jahr 1805.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/346

Weiterlesen

Der Jom-Kippur-Krieg und die Erinnerungskultur in den USA

Vor 40 Jahren – am 6. Oktober 1973 – begann der Jom-Kippur-Krieg. Er veränderte nachhaltig die Beziehung amerikanischer Juden zu Israel und ist ein Ausgangspunkt der Holocaust-Erinnerungskultur, wie sie heute existiert.

Fünf Jahre zuvor hatte der Sechs-Tage-Krieg (1967) einrucksvoll die Stärke Israels demonstriert. Drei arabische Armeen wurden geschlagen und das Westjordanland, der Sinai und der Golan erobert. In Hinsicht auf den Holocaust wurde der Krieg als Salvation Myth interpretiert, wie es Peter Novick ausdrückte. Das Martyrium des jüdischen Volkes, mit dem Holocaust als Höhepunkt, wurde durch den Sechs-Tage-Krieg beendet. In der Euphorie nach dem Krieg glaubte man, dass Israel allen Gefahren trotzen könne. Für die Erinnerung an den Holocaust hätte dies mit Novicks Worten bedeutet: „Had the victory of 1967 brought an end to Israel’s travails, the Holocaust might have entered American Jewish consciousness in this fashion – as a subordinate, historicized and transcended element in a salvation myth.“ [1]

Erschüttert wurde diese Auffassung fünf Jahre später durch den Jom-Kippur-Krieg. Am 6. Oktober 1973 wurde Israel von Ägypten und Syrien angegriffen, während viele Soldaten aufgrund des Feiertags Jom Kippur demobilisiert waren. Israel stand einer erdrückenden Übermacht gegenüber und wurde in kurzer Zeit an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, was Verteidigungsminister Moshe Dajan dazu veranlasste, die „Zerstörung des Dritten Tempels“ – also das Ende Israels – zu befürchten. Angeblich forderte er wiederholt den Einsatz von Atomwaffen, deren Besitz Israel bis heute offiziell dementiert. Es war jedoch nicht nur der überraschende Angriff an einem Feiertag, der Israel in diese katastrophale Situation gebracht hatte. Das Land war im Allgemeinen auf einen derartigen Angriff nicht vorbereitet. Es hatte die Stärke seiner Gegner achtlos unterschätzt: ein Resultat des überlegen gewonnen Sechs-Tage-Kriegs.

Israels Niederlage konnte nur durch massive Unterstützung durch die Vereinigten Staaten verhindert werden, die über eine Luftbrücke innerhalb kurzer Zeit militärisches Material im Wert von über 10 Milliarden Dollar in das Land brachten. Die hohen Verluste Israels zeigten, dass das Land nicht länger der sicherste Ort auf der Welt für Juden war, was den Mythos des Sechs-Tage-Kriegs erschütterte. Eine Katastrophe wie der Holocaust war wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Gleichzeitig war das Verhältnis zwischen Israel und den USA durch den Krieg und die allgemeine geopolitische Situation belastet. Die USA waren damit beschäftigt, sich aus Vietnam zurückzuziehen und wollten die brüchigen Beziehungen zu der Sowjetunion nicht gefährden. Zudem führte der Konflikt zu einem kostspieligen Anstieg des Ölpreises (Ölpreiskrise 1973). Im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs sahen amerikanisch-jüdische Gruppierungen die Isolation Israels als eine große Bedrohung für die Existenz des Landes. Um der Isolation entgegenzuwirken, war es notwendig, die Erinnerung an den Holocaust zu stärken: nicht als historisiertes und nachrangiges Ereignis der Vergangenheit, sondern als aktuelles und potentiell wiederholbares Problem.

[1] Peter Novick. The Holocaust in American Life, New York: Houghton Mifflin, 1999, S. 151.

Quelle: http://fyg.hypotheses.org/126

Weiterlesen

Lost in (Cyber-)Space? Das Stadtarchiv Amberg in der schönen neuen Welt des Web 2.0 (Vortragsfassung)

 Jörg Fischer hat für unser Blog seinen Vortrag (Deutscher Archivtag Saarbrücken, 26.9.2013) zur Verfügung gestellt!

Lost in (Cyber-)Space?

Das Stadtarchiv Amberg in der schönen neuen Welt des Web 2.0

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

„Lost in Space“ war der Titel einer inzwischen etwas angejahrten Science Fiction Serie, die etwa zur gleichen Zeit wie Star Trek das Licht der Welt erblickte und in den 1990er Jahren unter dem Titel „Verschollen zwischen fremden Welten“ den Weg ins deutsche Fernsehen fand. In der Serie geht eine Familie mit dem wegweisenden Namen „Robinson“ im Weltall verloren und beschäftigt sich danach drei mehr oder minder unterhaltsame Staffeln lang damit den Rückweg zur heimischen Erde zu finden. Im Verlauf ihrer Odyssee werden die Robinsons mehrfach um ein Haar zum Opfer monströser Aliens, die buchstäblich hinter jeder Ecke der Story hervorspringen.

Nicht zuletzt deshalb, weil der eine oder andere von Ihnen fürchten mag, dass ihm selbst und den ihn in den virtuellen Raum begleitenden Beständen das Gleiche im Datenraum des Web 2.0 zustoßen könnte, möchte ich die Metapher jener Robinsonade aus der Sci-Fi-Mottenkiste gerne beibehalten um zunächst kurz den Weg des Stadtarchivs Amberg in die schöne neue Welt des Web 2.0 zu schildern.

 

Als unser Raumschiff im Mai 2010 den Erdorbit verließ und sich auf den Weg dorthin machte, wo noch nie zuvor einer von uns gewesen war, befielen den Steuermann leichte Zweifel, denn dieser hatte selbst kaum Erfahrung mit dem tiefen Raum: Seine ersten privaten Ausflüge dorthin waren erst wenige Tage her. Die Crew – seinerzeit bestehend aus nur einem weiblichen Mitglied, das wider Erwarten nicht Lieutenant Uhura gerufen wird – quittierte den Aufbruch mit Gelassenheit, während unser Kapitän sich zwar grundsätzlich der Existenz des uns umgebenden Weltraums bewusst war, sich aber dennoch im Wesentlichen auf die strenge Überwachung der Kosten dieser Mission beschränkte.

Die Admiralität ließ das Schiff ziehen. Auch wenn rund 2.000 laufende Meter gewichtiger historischer Daten, mehr als zweitausend durchaus bedeutende Urkunden und eine kaum mehr zu überblickende Zahl an nostalgischen schwarz-weiß Fotografien darin gespeichert waren, schien ein Verlust des eher ungeliebten Vehikels samt seiner Fracht irgendwo im kosmischen Mahlstrom verschmerzbar. Der Ehrlichkeit halber muss man im Nachhinein zugestehen, dass wohl auch der Steuermann vergessen hat, den Abflug ordnungsgemäß zu melden.

 

Der Weg gestaltete sich zunächst holprig, in erster Linie deshalb, weil dem Mann am Ruder noch nicht recht klar war, wie er die ihm zur Verfügung stehenden technischen Mittel nutzen sollte. Erst nach und nach – die hohen Chargen der Admiralität würden wohl von „sukzessive“ sprechen – erkannte man, welche Mittel dem ungewohnten Medium am ehesten entsprachen und je länger unser Schiff sich zwischen den Sternen bewegte, desto sicherer wurde seine Hand. Nach den ersten gelungenen Manövern nahm auch der Kapitän allmählich Notiz von den Reizen der neuen Umgebung und tatsächlich: Nach gut eineinhalb Jahren Flugzeit meldete sich die Admiralität und tat ihre Freude über die unerwartet erfolgreiche Reise kund. Es gelang uns, friedliche Kontakte mit anderen Schiffen aufzunehmen, die wie wir in den unendlichen Weiten unterwegs waren. Wir tauschten Daten untereinander aus und stellten dabei erstaunt fest, wie groß das Interesse an den von uns verwahrten Informationen war – ein Lernerfolg den wir sicher nie gehabt hätten, wenn wir im sicheren Orbit geblieben wären. Unterwegs nahmen wir ein neues Crewmitglied an Bord und während unsere eigene Begeisterung für das neue Medium weiter wuchs, erreichte die Zahl unserer Freunde einen Umfang, den wir uns am Beginn unserer Reise niemals hätten vorstellen können.

 

Verlassen wir kurz das Raumschiff und betrachten das Web 2.0, seine Möglichkeiten und letztlich seine Unvermeidbarkeit ganz nüchtern: Das Jahr 2013 kennt immer weniger „Reisende“ im Web, die als bloße Konsumenten – Consumer – vergleichsweise statische Informationen suchen um sie dann – wie auch immer – zu verwerten, um nicht den Begriff verbrauchen zu benutzen. Nein, sowohl die „Digital Natives“, also jene vergleichsweise jungen Mitmenschen, die nach dem Jahr 1995 das Licht der neuen Welt erblickt haben, als auch zunehmend jene als „Digital Immigrants“ bezeichneten älteren Semester, die sich noch dunkel an die Zeit vor dem Erwachen Skynets, pardon des Internet, erinnern können,  wollen nicht mehr nur konsumieren, sie wollen selbst Informationen liefern, vorhandene ergänzen oder verändern: Sie gestalten das Web mit. Der Consumer ist zum Prosumer geworden, von einem passiven zu einem aktiv am Werden des virtuellen Raumes und seiner Fortentwicklung teilnehmenden Baustein der virtuellen Welt die – man muss es zugeben – immer weniger überschaubar scheint.[1]

 

Natürlich war uns dies im Jahr 2010 nicht bewusst. Tatsächlich hatten wir im Vorfeld keinerlei grundsätzliche Überlegungen zu unserem Flug angestellt: An eine Social-Media-Richtlinie hat seinerzeit niemand gedacht und es gibt sie bis heute nicht; ein Fakt der unserer Auffassung nach mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt. Der Auslöser für unsere Initiative waren zwei konkrete Probleme:

Das Erscheinungsbild der offiziellen städtische Homepage, wenn man so will unsere Orbitalstation, ist wie wohl bei den meisten anderen Archiven durch verschiedene Normen definiert, die sämtlich durch die Corporate Identity der Stadtverwaltung vorgegeben sind. Innerhalb dieses doch recht eng geschnürten Korsetts konnten wir unsere eigenen Vorstellungen von einer Webpräsenz nicht verwirklichen. Insbesondere hatten wir aber ein großes Problem damit, dass dem Archiv keinerlei redaktionelle Kompetenzen bei der Betreuung seiner eigenen Webseite zugebilligt wurden. Jedwede Ergänzung oder Änderung des Auftritts muss auch heute noch über die Pressestelle veranlasst werden, was in der Regel zu Verzögerungen – teilweise von mehreren Wochen – führt. Eine schnelle Kommunikation aktueller Termine, Schließungen oder Änderungen ist so natürlich nicht möglich.

 

Das pragmatische Verlassen des Orbits – um wieder metaphorisch zu werden – brachte uns daher vor allem eins: Freiheit.

Wir hatten die Möglichkeit jedwede aus unserer Sicht relevante Information quasi in „Echtzeit“ ins Netz zu stellen, sie zu „posten“. Mit der Zeit kamen wir dahinter, welche dieser Posts von unseren Usern goutiert und welche ignoriert wurden. Die entsprechenden Hilfsmittel – in erster Linie Daten über die Nutzung aber auch über die Herkunft der Nutzer – wurden vom „Steuermann“ immer stärker genutzt, und zuerst langsam, dann immer stärker stieg die Zahl derer, die unseren Auftritt im Facebook mit einem „like“ versahen, d. h. unsere virtuellen „Freunde“ wurden.

Hinterfragen Sie am besten selbst, wie viele Benutzer Ihr Archiv jedes Jahr besuchen, wie viele interessierte Personen Ausstellungen frequentieren, die Sie mit großem Arbeitsaufwand und Herzblut in Ihrem Archiv organisiert haben. Unsere letzte wirklich große Ausstellung von Archivalien – 2009 in Kooperation mit dem Staatsarchiv Amberg – hatte rund 3.000 Besucher.

Diese Zahl entspricht der Zahl unserer Besucher im Facebook in einer durchschnittlichen Arbeitswoche. Im – für uns sehr gut verlaufenen – Jahr 2012 wurden die von uns geposteten Inhalte sogar von mehr als 125.000 Usern gesehen.

 

Natürlich kann man den Wert solcher Zahlen nun aus jeder Richtung analysieren, Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen, restriktive Social-Media-Richtlinien entwerfen (wie hilfreich diese auch immer sein mögen): Was bleibt ist letztlich der Fakt, dass Sie wie auch wir mit Hilfe dieses Mediums eine Vielzahl grundsätzlich eine beträchtlich größere Zahl an vor allem aber nicht nur jungen Usern erreichen können und werden. Die beliebte Formulierung, man müsse die „Leute abholen“ wo sie sind halte ich persönlich für eine Floskel. Niemand wartet auf Sie. Aber es gibt eine große Zahl an Menschen, die Sie mit relativ wenig Aufwand für die Geschichte Ihrer Stadt begeistern können und die sich insbesondere für historische Fotografien erwärmen:

Wir nutzen hierzu die Technik der erzählenden Bilder – historische Aufnahmen, die auch ohne Beschreibung bereits eine Geschichte erzählen, z. B. Straßenzüge dem Betrachter bei letztlich geringer Abweichung zum heutigen Zustand so viele Fragen aufgeben, dass er oder sie dort verweilt. Dieser User wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Beschreibung lesen, die sie dem Bild beigefügt haben. Sie werden erstaunt sein, wie viele „friedliche Kontakte“ sie so zu anderen Menschen herstellen können, aber auch, wie viele Anregungen Ihnen diese neuen „Freunde“ zu geben im Stande sind. In den Weiten des Alls verbergen sich mehr begeisterte Heimatforscher und Hobbyhistoriker als auch wir vermutet haben.

 

Und die Aliens? Es gibt sie. Vergessen Sie die NSA und Google – sobald sie das Web betreten und sei es nur das klassische Web 1.0 haben Sie sich diesen Entitäten ausgeliefert. Oder wie bereits die „Zeit“ schrieb: „Wer Microsoft, Apple, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype und YouTube nicht nutzt, wird vom Prism-System nicht direkt erfasst.“[2]  Die privaten und öffentlichen Netzoligarchen und ihre stetig weiter entwickelten Algorithmen sind in einem Maße omnipräsent, dass die Empfehlung unseres Bundesinnenministers „sich selbst zu schützen“ nicht mal mehr mit dem Pfeifen im Walde – oder besser: im dunklen Lüftungsschacht des Raumschiffs – verglichen werden kann.

 

Nein – relevanter  sind jene nervigen Aliens, die jederzeit alles besser wissen als sie, die falsche Behauptungen in die Welt setzen, rotzige Kommentare zu ihren Posts einstellen und überhaupt die schöne neue Welt durch übelriechende Flatulenzen verpesten.

Ziehen Sie in einem solchen Fall nicht den Phaser.

Bleiben Sie sachlich und höflich. Entwaffnen Sie diese Aliens mit Ihrer Kompetenz. Die anderen User werden auf Ihrer Seite sein. Nicht jedes Raumschiff braucht einen Schutzschirm wie die selige Enterprise und nicht jedes Archiv im interaktiven Datenraum braucht gleich einen „Shitstormmanager“.

 

„Dank unseres selektiven Erinnerungsvermögens sind wir in der Lage, rasch neue Gewohnheiten anzunehmen und frühere zu vergessen.“[3] Ein kurzer und scheinbar harmloser Satz aus dem kürzlich in deutscher Sprache erschienenen Buch „Die Vernetzung der Welt – Ein Blick in unsere Zukunft“ des Autorenduos Eric Schmidt und Jared Cohen. Schmidt – immerhin Executive Chairman von Google, und Cohen stellen auch fest, dass die „virtuelle Welt nicht nur unseren Umgang mit anderen Menschen verändern [wird], sondern auch unsere Selbstwahrnehmung.“[4]

 

Gestatten Sie mir dazu einen ganz persönlichen Gedankensplitter, der diesmal nichts mit Science Fiction zu tun hat: Vor nicht allzu langer Zeit verbrachte ich einen Teil meines Feierabends mit einer hoch gelobten Fernsehserie, die, produziert von Hollywood-Ikone Martin Scorsese, einige interessante Einblicke in die Prohibitionszeit der frühen zwanziger Jahre bietet. Einer der Protagonisten befand sich – notgedrungen – auf der Suche nach einem Telefon, ein situationsbedingt unnötig zeitraubender und nervtötender Akt in dessen Verlauf mir ganz beiläufig durch den Kopf schoss: Warum benutzt er nicht sein Handy?

Nun ist es zwar offenkundig, warum ein Charakter der 1920er Jahre noch kein Handy benutzen darf, durchaus bemerkenswert scheint jedoch, wie selbstverständlich der Konsument, von seinen eigenen Gewohnheiten ausgehend, ein erst kürzlich erlerntes Verhalten auch von einem fiktiven Charakter erwartet, dessen Handeln bald 100 Jahre in der Vergangenheit stattfindet.

 

Schmidt übertreibt also durchaus nicht mit seiner eingangs zitierten Feststellung und ich persönlich neige dazu, ihm auch zu glauben, wenn er hinsichtlich der Weiterentwicklung der Rechenprozesse prophezeit „Wir werden die Antworten auf ihre Fragen kennen, ehe sie selbst die Fragen wissen.“[5]

Ob man diese „Brave new World“ nun sehnlich erwartet, oder sie unwirsch zu ignorieren versucht spielt keine Rolle. Sie ist bereits um uns – das bereits Gesagte erinnernd möchte man hinzufügen: Sie ist irgendwie bereits in uns.

 

Die Frage ob Archive im Web 2.0 agieren sollten, die Überlegung nach Sinn und Unsinn des Ganzen ist somit letztlich rein akademisch, da die Meinung der Archive hierzu schlicht niemanden außerhalb der Archivgemeinde interessiert. Das Web 2.0 ist bereits da, das „Internet der Dinge“ – die Vernetzung von Maschinen, Gebrauchsgegenständen und Hauselektronik wird kommen. Ob Sie schon bald eine SMS von Ihrem Kühlschrank bekommen werden oder der lieber gleich ihrem Auto mitteilt, dass sie noch zum Supermarkt fahren sollen, kann ich nicht sagen. Für uns bleibt ein Satz maßgeblich, den Carsten Ulbricht schon beim Deutschen Archivtag in Köln im Jahr 2012 formulierte „[…] die neue Art der Nutzung und Kommunikation im Internet wird bleiben.“[6]

 

Wir müssen uns dem stellen. Letztlich ist das nur möglich, wenn wir – jeder für sich – Social Media mit gestalten. Nachträglich zu dokumentieren werden diese komplexen Entwicklungen ebenso wenig sein wie das Regieren der Kanzlerin via SMS.

 

Und bei allem eventuell vorhandenen Unwohlsein sollten sie eines nicht vergessen: Eine Webpräsenz, die von mehreren hundert oder tausend Menschen wöchentlich besucht wird kann für sie auch ein Instrument sein, wohl begründete Interessen ihres Archivs durchzusetzen. Auch Kommunalpolitiker sind im Web 2.0 vertreten – sie werden verblüfft sein, dass auf einmal Entscheidungsträger von Ihrer Arbeit Notiz nehmen, die nie zuvor auch nur eine ihrer Veranstaltungen besucht haben.

 

Ein Umstand, den man mit einem erstaunten „faszinierend“ kommentieren möchte.

 

In diesem Sinne: Gehen sie mit ihrer Besatzung an Bord, setzen sie Kurs und zitieren sie mit fester Stimme Captain Kirk: „Scotty, Energie!“

 

 

[1] vgl. Kemper, Joachim; Fischer, Jörg; Hasenfratz, Katharina; Just, Thomas; Moczarski, Jana; Rönz, Andrea: Archivische Spätzünder? Sechs Web 2.0-Praxisberichte in: Der Archivar  Heft 02/2012, Seite 136 ff.

[2] http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-06/nsa-prism-gegenwehr Beuth, Patrick: „Gegen die NSA ist Gegenwehr kaum möglich“, Download vom 15.07.2013

[3] Schmidt, Eric; Cohen, Jared: Die Vernetzung der Welt – Ein Blick in unsere Zukunft. Reinbek bei Hamburg, 2013, S. 16

[4] Ebd.

[5] vgl. auch:  Bürgerbewegung zur Rettung der Privatheit. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Rudolf Baum im Gespräch (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturfragen/2177869); analog: Schmidt, Eric; Cohen, Jared a. a. O.

[6] Ulbricht, Carsten: Social Media & Recht. Chancen und Risiken im Web 2.0, in: VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.: Kulturelles Kapital und ökonomisches Potential – Zukunftskonzepte für Archive, Fulda 2013

 

 

© Jörg Fischer, Stadtarchiv Amberg

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/905

Weiterlesen