Vertrautheit in der Fremde?


Die Wahrnehmung der Fremde an der Ostfront

Laura Maring

„Gerade in der Wahrnehmung der deutschen Besatzungsgebiete in Osteuropa waren“, so Jörn Leonhard in seiner monumentalen Synthese zum Ersten Weltkrieg, „die Semantiken und Vokabulare von Unsicherheit und Entfremdung in einem als unzivilisiert empfundenen Raum gekennzeichnet.“[1] Vor dem Hintergrund dieser These bekommt die Suche nach Äußerungen zur Wahrnehmung der Fremde durch deutsche Soldaten, die im Zuge des Ersten Weltkriegs an der Ostfront stationiert waren und sich über Feldpostsendungen ihren Verwandten in der Heimat mitteilten, noch mehr Gewicht. Auch Heinrich Echtermeyer – seit 1916 in Wolhynien, im Nordwesten der heutigen Ukraine stationiert – sah sich mit der Herausforderung einer fremden Umgebung konfrontiert, mit der er nur schwer zurecht kam.

Der Versuch, diese Konfrontation in seinen an den Bruder Bernard adressierten Briefen und Feldpostkarten wiederzufinden, gestaltet sich indes als schwierig: Denn explizite Beschreibungen der fremden Umgebung finden sich in den Schriftstücken nur selten. Ebenso schreibt Heinrich Echtermeyer nur wenig über die Menschen vor Ort, mit denen er möglicherweise in Kontakt kam. Und dennoch gewährt er uns bei genauerer Analyse seiner Feldpost tiefe Einblicke in seine Wahrnehmung der Fremde: Denn der Halverder Landwirt bedient sich einer Vielzahl an Distanzbegriffen, die zwar sprachlich nur sehr vage Bezug auf die fremde Umgebung nehmen, sich jedoch in über 80 Prozent seiner Briefe wiederfinden. Dabei dominiert die sprachliche Kennzeichnung „hier“ für die Fremde, die uns in 47 von insgesamt 58 Schriftstücken begegnet. Aber auch die explizite Nennung des Landes „Rußland“, einiger weniger Ortsnamen und der Substantive „Ferne“ sowie „Weite“, die in jeder zehnten Feldpostsendung Echtermeyers Verwendung fanden, können als sprachliche Mittel zur Kennzeichnung des Fremden gedeutet werden.

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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/468

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Vom Tod schreiben

Maximilian Wiech

Im Krieg ist der Tod allgegenwärtig. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch August Jasper diesen in seinen Briefen an seine Frau Bernhardine immer wieder thematisiert. So erwähnt er mindestens 273 gefallene Kameraden, Freunde und Verwandte, von deren Tod ihm berichtet wurde oder deren Zeuge er war. Doch wird die tatsächliche Anzahl an Toten, mit denen Jasper sich konfrontiert sah, diese Zahl noch um ein vielfaches überstiegen haben, erwähnt er doch in 35 der 112 Briefe, in denen er über an der Front gefallene Kameraden oder verstorbene Bekannte aus der Heimat schreibt, lediglich eine unbestimmte Anzahl an Verlusten. Von den Verlusten der Gegenseite schreibt Jasper in deutlich weniger Briefen; auch konkrete Zahlen nennt er nicht. Doch um zu verstehen, wie Jasper den Tod in seinen Briefen behandelt, reichen bloße Zahlen allein nicht aus. Es ist vielmehr zu analysieren, wie Jasper die Tode kommuniziert. Dafür ist es ratsam, die Todesfälle in zwei Gruppen aufzuteilen: Dabei umfasst die erste Gruppe die Toten aus Jaspers Kompanie, die zweite hingegen jene aus Jaspers Bekannten- und Freundeskreis.



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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/459

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Naturerfahrung


Das Zusammenspiel von Wetter und Kriegsmoral

Maximilian Schulze Niehues

 

“[…] mit Macht kommt der Frühling ins Land, er zieht aber auch in unsere Herzen,gibt uns Kraft und Mut und stimmt uns freudiger wie hoffnungsvoller.”

(Fritz Nollenberger Nr. 53, an die Eltern am 18.4.1942)[1]

In den Worten Fritz Nollenbergers tritt das Zusammenspiel von jahreszyklischen Beschreibungen oder solchen der erfahrenen Natur sowie der Motivation des Frontkämpfers deutlich zutage. In diesem konkreten Fall aus dem Zweiten Weltkrieg wird das Naturerleben – schöpft doch der Soldat durch die aufblühende Natur neue Motivation für das weitere Kriegsgeschehen – zur Kommunikation von Empfindungen instrumentalisiert.

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Quelle: http://feldpost.hypotheses.org/441

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Die Klangwelt des Ersten Weltkrieges

Oleg Alex Bachmann

»Der Laut des Geschosses ist ein anschwellendes und, wenn der Schuss über einen fortgeht, wieder abschwellendes Pfeifen, in dem der ei-Laut nicht zur Bildung gelangt. Große Geschosse nicht zu hoch über der eigenen Stellung lassen den Laut zum Rauschen anschwellen, ja zu einem Dröhnen der Luft, das einen metallischen Beiklang hat.«[1]

Was Robert Musil hier so anschaulich beschreibt, ist die unvergleichliche Klangwelt des Ersten Weltkrieges, mit der sich dieser maschinisierte Krieg von allen vorherigen unterschied.[2] Soldaten wie Musil, als Reserveoffizier in Südtirol und der italienisch-serbischen Front stationiert, beschrieben die apokalyptischen Hörerlebnisse des Trommelfeuers als „Krach wie beim Weltuntergang“, als „höllisches Konzert“, das selbst diejenigen, die den Anblick der Leichen und Zerstörungen ertragen konnten, in den Wahnsinn trieb.[3]

Bachmann_Haus unter Beschuss, Postkarte vom 6.1.16_PK_086_V
Aufnahme eines Hauses unter Beschuss, vermutlich am 06.01.1916 aufgenommen von A. Jaspers.

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Quelle: https://feldpost.hypotheses.org/389

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