Vegetarismus – eine kleine Begriffsgeschichte

Als Gustav Struve (1805-1870), einer der Pioniere des Vegetarismus im deutschsprachigen Raum, um 1830 beschloss, kein Fleisch mehr zu essen, wurde er nicht zum Vegetarier: Dieser Begriff existierte zu jener Zeit noch nicht. Erst zehn Jahre später leiteten britische Fleischverweigerer aus dem lateinischen Wort „vegetus“ (lebhaft, munter, frisch) das englische „vegetarian“ ab. Im deutschsprachigen Raum wurde der Terminus zuerst mit „Vegetarianer“ übersetzt und schließlich auf „Vegetarier“ verkürzt. Bis sich diese Bezeichnung Ende des 19. Jahrhunderts für die Anhänger/innen fleischloser Ernährung durchsetzte, existierten unterschiedliche Benennungen nebeneinander[1].

„Pythagoräer”
1814 berichtete die Wiener Zeitung über einen „pythagoräischen Verein“ in Großbritannien, der seit drei Jahren bestand und „der es sich zum diätischen Grundsatze macht, nur aus dem Pflanzenreiche Speisen zu genießen, und sich alles Fleisches völlig zu enthalten“[2]. „Pythagoräer“ (bzw. „Pythagoreer“), die am weitesten verbreitete Bezeichnung für Vegetarier/innen, bevor es dieses Wort gab, bezog sich auf den antiken Philosophen Pythagoras (~570-510 vuZ)[3]. Pythagoras‘ Fleischabstinenz war primär durch die Vorstellung der Seelenwanderung begründet.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/272

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Fastenzeit um 1900 – ein Fest für Vegetarier/innen?

In der Fastenzeit vor Ostern kein Fleisch zu essen, wird derzeit von einer wachsenden Anzahl an Menschen wieder praktiziert, eine Vorschrift der katholischen Kirche ist es jedoch nicht mehr. Um 1900 waren die Fastengebote weitaus strenger (wenn es auch einen beträchtlichen Unterschied zwischen Theorie und Praxis gab). Welchen Einfluss hatte diese Tradition auf die Präsenz vegetarischer Speisen in der Wiener Küche und bedeutete die Fastenzeit eine größere Auswahl an Gerichten für Vegetarier/innen?

Fasten- und Abstinenztage
Im 19. Jahrhundert bestand in der katholischen Kirche über ein Drittel des Jahres aus potentiellen Fasten- und Abstinenztage, an denen Katholik/innen meist kein Fleisch essen sollten. Neben der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern zählte dazu die Fastenzeit vor Weihnachten (die teils nach Martini, teils nach dem 1. Adventsonntag begann, wobei Sonntage ausgenommen waren), außerdem die Quatembertage[1] und die Vigiltage[2]. Freitags sollte das ganze Jahr über kein Fleisch auf den Tisch kommen.



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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/253

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Vegetarisches auf Ausstellungen

Ausstellungen hatten um 1900 eine Bedeutung, die weit über jene von Konsum-, Freizeit- oder Gesundheitsmessen heute hinausging. Sie waren das „wichtigste Medium der Popularisierung des neuesten wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Wissens“[1]. Neben der Verbreitung von Information dienten sie auch der Vermittlung gesellschaftlicher Prinzipien und Normen. Die Präsenz des Themas Vegetarismus auf Hygiene- oder Haushalts-Ausstellungen kann als Indikator für den Stellenwert der fleischlosen Ernährung gesehen werden.

Die Entwicklung des Ausstellungswesens
Warenausstellungen entwickelten sich Ende des 18. Jahrhunderts aus Präsentationen von (Kunst-)Gewerbeprodukten[2]. Ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts stellten Hersteller von Gebrauchsgegenständen, Lebensmitteln, Konsumgütern oder Maschinen ihre Produkte auf Landes- und Gewerbeausstellungen zur Schau. Organisiert wurden die Veranstaltungen meist von Vereinen, deren Entwicklung eng mit jener des kommerziellen Ausstellungswesens verbunden war[3].

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/224

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140 Jahre vegetarische Gastronomie

Zugegeben, es gibt kein vegetarisches Restaurant, das seit 140 Jahren besteht. Den Titel des ältesten Veggie-Lokals darf das Hiltl in Zürich (seit 1898 bzw. ab 1904 unter der Geschäftsführung von Ambrosius Hiltl) für sich in Anspruch nehmen. Die erste vegetarische Gaststätte Kontinentaleuropas befand sich vermutlich in Leipzig, wo Lida Bernecker 1875, im Entstehungsjahr des Leipziger Vegetariervereins, dessen Mitarbeiterin sie war, am Markt gegenüber vom (heute: Alten) Rathaus ein vegetarisches Pensionat und Lokal gründete[1].
Zwei Jahre später konnten auch Wiener/innen rein vegetarisch speisen. Das vor 140 Jahren eröffnete Restaurant damit zu den frühesten Gastronomiebetrieben mit vegetarischer Kost.

Im Frühling 1877 beschloss das Bäckerehepaar Karl und Magdalena Ramharter, in ihrem Geschäft im 8. Bezirk einen vegetarischen Mittagstisch einzurichten[2]. Ein Mittagstisch war eine Gelegenheit zum Mittagessen, die von Privatpersonen (sehr oft Frauen) in deren Wohnungen oder von Greißler/innen, Fleischhauer/innen oder Bäcker/innen in den Verkaufslokalen temporär angeboten wurde.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/212

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Die Wiener Veggie-Szene um 1880

Parallel zu den Aktivitäten des Vereins für naturgemäße Lebensweise war Vegetarismus in den 1880er Jahren in Wien ein in Kunst- und Politikkreisen verbreiteter Lebensstil. Romantik und Liberalismus verbanden sich dabei mit dem Wunsch nach Erneuerung, einer Spur von Revolte und dem Selbstverständnis, einer kulturellen und politischen Avantgarde anzugehören.

Der Chronist: Friedrich Eckstein

Die ausführlichste Beschreibung der Szene um 1880 liefert Friedrich Eckstein in seiner 1936 publizierten Autobiographie Alte, unnennbare Tage.
Eckstein (1861-1939) stammte aus einer jüdischen Familie des Großbürgertums. Der gelernte Chemiker war in der Geschäftsführung des Familienbetriebs (einer Papierfabrik) tätig und ging in seiner Freizeit seinen vielfältigen Interessen auf den Gebieten der Kunst, Naturwissenschaften und Esoterik nach[1]. Als Stammgast in Wiener Kaffeehäusern galt er dort als Universalist, dem Friedrich Torberg in Tante Jolesch mit folgenden Worten ein Denkmal setzte: „Man raunte sich zu, daß der große Brockhaus, wenn er etwas nicht wusste, heimlich aufstand und im alten Eckstein nachsah.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/198

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