„Skopje 2014“ – harmloser Kitsch oder eine Gefahr?

Das Aushängeschild: Der „Krieger auf einem Pferd“ steht auf dem zentralen Platz Skopjes und stellt Alexander den Großen dar. Foto: Sofia Dreisbach

Über das gigantische Bauprojekt „Skopje 2014“ wird in der internationalen Presse wenig Schmeichelhaftes gesagt. Es sei ein „Disneyland“ und „Sinnbild von Verschwendung, Korruption und autoritärem Größenwahn“. Aber wie schlimm ist das Projekt wirklich? Es ist leicht, kopfschüttelnd durch die neu gekrönte „capital of kitsch“ zu laufen – und zu lachen, weil die schlohweißen Neubauten und Skulpturen zu künstlich wirken, um wahr zu sein. Oder zu sagen: „Was regt ihr euch so auf? Solche Bauten stehen doch massenhaft in europäischen Städten.“ Das tun sie – aber schon seit Aberdutzenden Jahren (das Berliner Stadtschloss ausgenommen).

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Quelle: http://erinnerung.hypotheses.org/1447

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Balkanissimo: Fußball-Länderspiel Serbien – Albanien, 14. Oktober 2014

Hochklassiger Fußball und Flaggenzeigen, das gehört international fast seit dem Beginn des Rasensports zusammen. Die Art, in der am Abend des 14. Oktober 2014 im Stadion von Partizan Belgrad beim Länderspiel zwischen Serbien und Albanien albanischerseits Flagge gezeigt wurde, hat man so trotzdem noch nie gesehen, und das hatte seine Folgen. Als circa in der 41. Spielminute eine Drohne im Stadion segelte und eine historisierende Karte des albanischen Siedlungsraums mitsamt Abbildungen des albanischen Staatsgründers Ismail Qemali und von dessen kosovarischem Zeitgenossen Isa Boletini sowie dem englischen Begleittext „Autochthonous“ mit sich schleppte, war bald darauf der Teufel los. Der für den SC Freiburg spielende Defensivspieler Stefan Mitrović übte sich in einer Abwehr der anderen Art, indem er mit einem hohen Sprung die provokante Fahne vom Himmel holte. Albanische Spieler stürzten zur Verteidigung des Stoffteils heran, einige Schläger aus dem Publikum stürmten das Spielfeld und prügelten wild auf die skipetarischen Spieler ein. Diese wehrten sich und wurden durch ihre Gegenspieler nunmehr tapfer gegen die von außen kommenden Prügler abgeschirmt. Bald blieb ihnen aber nur noch die von Wurfgeschossen begleitete Flucht in die Katakomben. Schon vor dem Einflug der Drohne war das Spiel wegen bengalischer Feuer beim Spielstand von 0:0 unterbrochen worden; zum Wiederanpfiff kam es nun nicht mehr. Welche Folgen der Spielabbruch und das ganze Geschehen für die beiden Fußballverbände und Mannschaften in der Qualifikationsrunde zur EM 2016 haben werden, in deren Rahmen das Skandalspiel gehörte, werden wir seitens der UEFA am 23. Oktober erfahren.

Das Spiel war schon vorab für viele Anwesende eine ganz besondere „Herzensangelegenheit“. Schuld daran war natürlich der offiziell gar nicht anwesende Dritte namens Kosovo. Der Krieg dort ist zwar immerhin 15 Jahre her, aber die emotionalen Wunden auf kosovarischer und serbischer Seite reichen weiter tief. Als seit 2008 jüngster Staat in Europa hat Kosovo weiterhin viele Probleme. Zu ihnen zählt, dass es in den meisten internationalen Sportverbänden wegen serbischen Einspruchs nicht Mitglied ist. Auf dem Fußballfeld folgt daraus, dass inzwischen zwar eine kosovarische Nationalmannschaft besteht, doch die kann höchstens Freundschaftsspiele austragen. Wer aus Kosovo stammt und gut Fußball spielt, tut sich das aus gutem Grund in der Regel nicht an. Davon profitiert nicht nur die Schweizer Nationalmannschaft, sondern vor allem die albanische: nicht weniger als acht der 11 Spieler, die in Belgrad für Albanien auf dem Rasen standen, sind in Kosovo geboren oder kommen aus der kosovarischen Diaspora in der Schweiz und in Deutschland. Die Anspannung, im Quasi-Feindesland vor dem Belgrader Publikum zu spielen, war bei ihnen mit Händen zu greifen. Rückendeckung durch eigene Fans hatten sie keine (diesen war ja vorher im Einvernehmen beider Verbände der Zutritt verboten worden), dafür erklangen von Beginn des Spieles an (und auf dem akustischen Höhepunkt im Stadion dann tausendfach) Gesänge, die auch für raue Fußballverhältnisse nicht gerade nett zu nennen sind. Einer der populärsten ging so: Ubij, zakolji da Šiptar ne postoji!1 Ohne Poesie verdeutscht bedeutet das in etwa: „Töte, schlachte, damit es den Albanesen auf dem Erdball nicht mehr gibt!“

Die Idee, zur Untermalung der Gesamtatmosphäre und zur gezielten Provokation eine Drohne für eine albanische Flaggendemonstration ins Stadion zu schicken, war bei all dem nur halb so originell, wie sie zunächst scheinen man. Bei einem Länderspiel ist sie zwar noch nie zur Anwendung gekommen, aber bei Ligaspielen gab es in Belgrad zuletzt schon öfters Drohnenauftritte. Vermutlich genügte es also für die jetzigen Täter, gelegentlich im Internet serbische Zeitungen zu lesen oder jemanden in Belgrad zu kennen, der von der praktischen Idee zu berichten wusste. Die anschließende albanisch-nationale Adaption dieser Methode war nun sprachlich zielgerichtet auf ein internationales Medienpublikum und auf eventuell des Englischen kundige serbische Stadiongäste ausgerichtet.

Wer aber hat die Eskalation mit der Drohne herbeigeführt? Die in regierungsfernen serbischen Blogs aufkommenden Verschwörungstheorien, dass dahinter Regierungskreise stünden, die den am 22. Oktober anstehenden Besuch des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama in Belgrad torpedieren wollten, kann man wohl beiseitelassen. War es dann Olsi Rama, der im Stadion anwesende jüngste Bruder des albanischen Regierungschefs, wie es im Gefolge serbischer Pressemeldungen auch die deutschen und sonstigen westlichen Qualitätsmedien fast einen ganzen Tag lang unkritisch verbreiten sollten? Dafür spricht auch unabhängig von seinem am Tag darauf von Tirana aus verbreiteten Dementi wohl rein gar nichts – aber praktisch alles spricht dagegen, angefangen von seinem Verhältnis zum älteren Bruder, der offenkundig als erster albanischer Staatschef seit Jahrzehnten nach Belgrad reisen will, bis hin dazu, dass eine regierungsaffine Persönlichkeit aus Albanien wohl kaum mit einer so durch und durch nichtstaatlichen Flagge wie jener durch das Stadion fliegenden identifiziert werden wollte. Sehr viel spricht hingegen dafür, dass es in der Tat nationalistische Fans des albanischen KF Shkëndija aus dem makedonischen Tetovo waren, so wie es in den sozialen Medien aus diesen Kreisen bald darauf neben anderen „Bekennernachrichten“ verlautet wurde.

Die Tetovoer Fans und Hooligans treten unter der Selbsttitulierung als „Ballisten“ ähnlich radikalchauvinistisch auf wie die im am Dienstag im Belgrader Stadion so reichlich vertretenen Hardcorefans und Hooligans von Partizan Belgrad. In der Hooliganlogik ergibt das Ganze denn auch von beiden Stadionfraktionen her reichlich Sinn: Den Gegner bis aufs Blut reizen, wenn man ihn schon nicht verprügeln kann. Die Drohne ist in dieser Auseinandersetzung ein ebensolcher Triumph der einen Seite wie umgekehrt das Einprügeln auf die albanischen Nationalspieler für jene Belgrader Hooligans, die die Absperrungen durchdrungen hatten.

In jeder anderen Logik aber gibt es nur Verlierer dieses Spiels. Die jungen Leute, die in Belgrad aus dem Kosovo für Albanien auf dem Rasen standen, mögen unter großem angestautem psychischem Druck gestanden haben, als sie nach dessen Fangaktion auf ihren serbischen Berufskollegen und Altersgenossen Mitrović losgingen. Trotzdem bleibt ihre Handgreiflichkeit auf dem Platz unentschuldbar, und der beifällige Jubel der jungen Leute von Tirana bis Mitrovica über die Vorkommnisse sollte der albanischen wie der kosovarischen Gesellschaft nur peinlich sein. Die serbischen Institutionen wiederum haben sich bis auf die Knochen blamiert: Mit keinem Wort sind sie rechtzeitig den rassistischen Hassgesängen im Stadion entgegengetreten, eine „feindliche“ Drohne – die ja auch wesentlich Gefährlicheres hätte tragen können als nur einen Fetzen Stoff – konnte in Anwesenheit des serbischen Staatspräsidenten Tomislav Nikolić ihre Kreise ziehen (vgl. mit entsprechender sicherheitstechnischer Kritik,2 4000 zuvor halbmilitärisch aufgebotene Bereitschaftspolizisten und das Ordnerpersonal im Stadium konnten nicht verhindern, dass gegnerische Spieler noch auf dem Rasen Opfer von Schlägerattacken aus dem Publikum wurden. Dazu kommen noch Politiker wie Außenminister Ivica Dačić, der munter über vermeintliche politische Hintergründe schwadronierte und dabei keinerlei Rücksicht auf zwischenstaatliche verbale Gepflogenheiten nahm. Der Balkan insgesamt präsentierte sich dem internationalen Publikum von einer Seite, als ginge es darum, alle über ihn vorhandenen westlichen Klischees zu erfüllen: hasserfüllt, unkontrolliert, desorganisiert. Und die „Internationalen“? Sie stehen kaum besser da: Eine UEFA, die die Brisanz der Partie offenbar nicht einzuschätzen wusste, die mit wechselseitigem Stadionverbot für die Gästefans ihre Schuldigkeit getan zu haben glaubte und nichts dafür tat, damit Serben Albanern und Albaner Serben sportsmännische Achtung entgegenbringen. Dazu kam die EU-Kommission, die über ihre Sprecherin den serbischen Behörden ein mehr als unerklärliches Lob für die „professionelle Handhabung“ der Situation aussprach.3 Das traurige Bild komplettieren die westlichen Medien, die mit Blick auf die Urheberschaft des Zwischenfalls bar eigener Recherche über Stunden nur diejenige (serbische) Version über das Geschehene weitertrugen, die ihnen mit der größeren Vehemenz serviert worden war. Fazit: Ein Trauerspiel, hoffentlich ohne Fortsetzung.

  1. Vgl. http://www.slobodnaevropa.org/content/article/26637528.html und http://www.youtube.com/watch?v=rrDdtVb2tZE.
  2. http://www.b92.net/info/vesti/index.php?yyyy=2014&mm=10&dd=15&nav_category=12&nav_id=911777.
  3. http://www.euractiv.com/video/eu-denies-role-serbia-albania-football-match-flag-stunt-309209.

Quelle: http://ostblog.hypotheses.org/290

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