Das nächste Kapitel aufschlagen! Die Digital Humanities auf den Hochschul- und Berufsinformationstagen (hobit) in Darmstadt

Was sind eigentlich diese Digital Humanities, was macht man da(mit) denn? Diese Fragen unserer “traditionell” ausgerichteten FachkollegInnen haben wir sicherlich alle schon häufig beantworten müssen. Nun, da die DH im Begriff sind, sich zu institutionalisieren, Professuren eingerichtet werden, Module, Schwerpunkte und Studiengänge entstehen, müssen wir auch die Fragen von SchülerInnen, Studieninteressierten und wissenschaftlichem Nachwuchs beantworten. Da an der TU Darmstadt zum einen bereits Erfahrungen in dem seit 2006/07 akkreditierten Masterstudiengang Linguistic and Literary Computing (LLC) bestehen, zum anderen konkrete Pläne zur Entwicklung eines BA-Studienganges Digital Philologies verfolgt werden, sollten Wege gefunden und Materialien konkret erprobt werden, diese Adressatengruppe zu informieren – im Idealfall zu begeistern! Eine weitere Überlegung war, dass Studierende nicht nur die InteressentInnen am besten informieren können, sondern dass es darüber hinaus zu den Berufs- und Schlüsselkompetenzen gehören muss, adressatenorientierte Info-Materialien zu erstellen. Im Rahmen des Seminars “Was sind Digital Humanities? Grundlagen, Voraussetzungen, Vermittlung” des laufenden Wintersemesters 2012/13 haben daher Studierende aus den Studiengängen Joint BA Germanistik, Master Germanistik und Master LLC verschiedene Materialien zusammengestellt, die über die Digital Humanities und entsprechende Studienmöglichkeiten an der TU Darmstadt informieren. Diese Materialien kamen gewissermaßen im Praxistest zum ersten Mal auf den Darmstädter Hochschul- und Berufsinformationstagen (hobit) zum Einsatz, wo die Seminar-Gruppe ebenfalls die Betreuung des Infostandes, der alle Studiengänge des Instituts für Sprach- und Literaturwissenschaft präsentierte, mitübernahm. Da die hobit von zahlreichen SchülerInnen der Rhein-Main-Region besucht werden, die sehr gezielte Fragen nach Ausbildungsinhalten, bedingungen und Berufsperspektiven mitbringen, bot sich eine ausgezeichnete Gelegenheit zum Praxistest. Flankiert wurden die Stand-Aktivitäten durch Vorträge der Lehrenden, die mit jeweils über 100 Interessenten gut besucht waren.

Konkrete Erfahrungen: 1. Bei der Erstellung 2. Auf der Messe 3. Lessons learned.

1. Bei der Erstellung: Eine Herausforderung des Seminars bestand darin, dass die 18 TeilnehmerInnen unterschiedliche Voraussetzungen in Bezug auf den Kenntnisstand zu den DH mitbrachten, da es polyvalent für unterschiedliche Module eingesetzt werden konnte. Im Joint BA Germanistik stand es für die Module Sprache in Texten sowie für den Optionalbereich zur Verfügung, im Master Germanistik deckte es die Felder Texte und Editionen, Angewandte Linguistik und Sprache im Beruf ab, und im Master LLC schließlich die Bereiche Texte und Editionen sowie die Projekte Corpuslinguistik oder Computerphilologie. Diese bewusst gewählte Zusammenstellung von Voraussetzungen und Anforderungen erwies sich jedoch wie erhofft als Vorteil für die Kreativität und die Möglichkeiten zur Zusammensetzung und Ausrichtung der Teams: In vier eng zusammenarbeitenden und ständig interagierenden Unter-Gruppen wurden folgende Materialien erstellt:

• Gruppe 1: Homepage- und Flyertexte – Salmana Iqbal, Christina Klingler, Nicole Volz, Nicole Woitzik
• Gruppe 2: Poster & Flyer – Sascha Bay, Florian Enders, Tim Feuerbach, Antoine McCracken
• Gruppe 3: Berufsperspektiven – Karla Ayllon, Raissa Breder-Bigoszewski, Lena Jungbauer, Sebastian Steinhaus, Nurhayat Yasar
• Gruppe 4: Filme, Präsentationen & Interviews – Leonie Blumenschein, Fenja Kastendiek, Nadezhda Petrova, Christopher Tauchmann, Livia Weber

In den ersten Sitzungen wurde geklärt, wo die notwendigen Sachinformationen eingeholt werden konnten, wo die Kompetenzen und Interessen der TeilnehmerInnen lagen und welche Materialien erstellt werden sollten. Die entsprechenden Gruppen fanden sich zusammen, erste Konkretisierungen der gemeinsam beschlossenen Ideen wurden in den Gruppen selbständig erarbeitet.

Es folgte eine Plenumsphase, in der die Ideen zur Diskussion gestellt, kritisch reflektiert, optimiert und untereinander abgestimmt wurden. In weiteren Iterationen wechselten sich Gruppenarbeitsphasen und Plenums-Rückkopplung ab. Viel Zeit wurde außerhalb der Seminarsitzungen investiert. Alle TeilnehmerInnen blieben dem Seminar treu, niemand sprang ab.

2. Auf der Messe.

Hobit Darmstadt 2013 – Stand des Instituts für Sprach- und Literaturwissenschaft

Realitätskonfrontation: Der Stand ist klein, eng, versteckt. Die Poster drängeln sich auf den erkämpften Stellwänden, der Bildschirm, auf dem der Film läuft, könnte größer sein, der Ton geht im Lärm des allgemeinen Messe-Gewirrs unter. Dennoch: Die Lust, mit der alles zusammengestellt wurde, wird deutlich, der Stand quillt über vor Material, Konventionelles (Bücher, Gummibärchen) mischt sich mit Originellem (Poster, Film, Quiz, Buttons …).

DH Darmstadt Buttons

Mit viel Aufregung und ein wenig Unsicherheit (Wieviele InteressentInnen werden vorbeikommen? Werden sie uns überhaupt finden? Wie spreche ich schüchtern vorbeischauende SchülerInnen an? Welche Fragen werden sie stellen? Weiß ich genug über unsere Studiengänge und Berufsperspektiven?) werden die ersten Gespräche geführt und Flyer verteilt, schließlich sogar gezielt SchülerInnen an den Stand gelockt. Zu den Stoßzeiten geraten wir in den Beratungsflow – die Zeit verfliegt, wir reden und reden. Bei Flaute (am Nachmittag) tauschen wir uns untereinander und mit den KollegInnen an den Nachbarständen aus. Was uns erstaunt (warum eigentlich?): Viele SchülerInnen erzählen uns, dass sie gerne und besessen lesen, gerne mit Sprache umgehen, dass sie daher den dringenden Wunsch verspüren, Germanistik zu studieren; viele finden die Digital Humanities aufregend, weil sie neu sind, die SchülerInnen äußern sich mutig und experimentierfreudig; sehr viele interessieren sich vor allem für konkrete Berufsperspektiven und wissen die Darmstädter Germanistik-Einbettung in das spezifische Umfeld einer technischen Universität, die Ausrichtung auf Angewandte Linguistik, Deutsch als Fremdsprache und Digital Humanities besonders zu schätzen, können die Rahmenbedingungen kritisch einordnen und würdigen.

3. Lessons learned: Man hat immer zu wenig Zeit. Die Materialien werden trotzdem fertig, denn alle geben 200%. Die Möglichkeit, nicht nur für die Schreibtischschublade der Lehrenden, sondern für einen praktischen Einsatz zu arbeiten, verbunden mit der Möglichkeit zu konkreter persönlicher Bewährung setzt Kreativität, Arbeitslust und Verantwortungsbewusstsein frei. Spaß!

Was haben die Studierenden (für die Digital Humanities und für ihre persönliche Bildung) erreicht?
• neues Wissen, Wissen recherchieren, bündeln, auswählen
• Texte adressatenadäquat konzipieren und schreiben
• Text- und Bildsprache reflektieren
• Verantwortung für gemeinsame Projektergebnisse übernehmen, Qualitätssicherungsprozesse
• Team- und Zeitmanagement, Organisation verteilter Arbeitsprozesse
• Berücksichtigung von Designvorgaben und Urheberrecht
• Softwarekenntnisse
• Kommunikationskompetenz (untereinander und nach außen), Umgang mit Kritik (äußern und annehmen, produktiv umsetzen)
• Vermittlungskompetenz, schriftlich und mündlich
• Selbstreflexion: warum studiere ich eigentlich Germanistik/LLC, was erwarte ich für mich und meine
Berufsperspektiven davon? Identifikation mit der Institution und der “Fachheimat”

Was haben wir als Lehrende und als VertreterInnen der sich entwickelnden und etablierenden Digital Humanities gelernt? Das Interesse für neue Studieninhalte und Studienfächer ist riesig – das bestärkt uns im Plan der Entwicklung eines BA-Studiengangs. Gute Beispiele, die veranschaulichen, was Digital Humanists machen, womit sie sich beschäftigen, sind wichtig, genauso wichtig ist aber auch die Zukunfts-, die konkrete Berufsperspektive – ich denke, damit können wir besonders gut punkten. Die Verbindung von Forschung, Abstraktionsvermögen, Theorie- und Modellbildung, die einhergeht mit der Rückbindung an die Praxis, an materielle Artefakte des kulturellen Erbes, an Werkzeuge, an konkrete Anwendungsmöglichkeiten – was die Digital Humanities ja auszeichnet –, stößt auf größtes Interesse und vermag zu überzeugen. Studierende als “Vermittlungsinstanzen” können Ängste der InteressentInnen gut abbauen (Ist die Informatik zu schaffen? Muss ich diesen oder jenen Leistungskurs belegt haben?). Die Digital Humanities haben sich hier als “junge”, offene, mutige Disziplin bestätigt.

Fazit: Im nächsten Jahr unbedingt wieder! Ein herzlicher Dank geht an alle TeilnehmerInnen des Seminars, alle HelferInnen, alle InteressentInnen und an die diesjährigen Organisatorinnen des Instituts-Messestandes Sandra Denzer und Lisa Rhein!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1258

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TextGrid sucht Wissenschaftlich-technische/n Software-Architekt/in

Im Arbeitspaket “Betrieb und Softwarepflege Repository”, betreut von der SUB Göttingen, sucht TextGrid für den Bereich Technisches Qualitätsmanagement

eine/n wissenschaftlich-technische/n Software-Architekt/in in Teilzeit (75%, TV-L 13) .

Aufgaben sind u.a.

  • die innovative Weiterentwicklung der TextGrid-Middleware in Zusammenarbeit mit der GWDG, Weiterentwicklung der TextGrid Indizierungs-Infrastruktur für die Recherche in Bezug auf Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Performanz
  • die wissenschaftliche Konzeption, technologische Begleitung und Dokumentation verschiedener TextGrid Publikations-Prozesse und -Workflows
  • und die Konzeption und Umsetzung von Monitoring-Konzepten für die TextGrid-Infrastruktur in Bezug auf Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Performanz.

Vorausgesetzt werden u.a.

  • Hochschulstudium der Informatik oder vergleichbare Qualifikation
  • Erfahrungen im Aufbau von (verteilten) Repositorien, z.B. mit Fedora, iRODS etc.
  • Erfahrungen mit Lucéne und SOLR
  • Programmierkenntnisse und grundlegendes Verständnis von Service-Architekturen wie z.B. SOAP und REST
  • Gute Kenntnisse in XML und verwandten Themen, wie TEI, XSLT, XPATH
  • Gute Kenntnisse in RDF
  • Sehr gute Kenntnisse in Linux

Bewerbungsschluss ist der 15.02.2013.

Stellenausschreibung und weitere Infos hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1304

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DH Summer School Bern 2013

 

 

 

 

 

Ab sofort kann man sich für die diesjährige DH Summer School in Bern (26.-29.06.2013) registrieren:

http://www.dhsummerschool.net/

Auf dem Programm stehen bislang folgende Plenary Sessions:

  • History and Futures of Digital Humanities (Susan Schreibman, Trinity College, Dublin)
  • Digital Textual Editing (Elena Pierazzo, King’s College, London)
  • Social Knowledge Construction and Creation in Literary Studies Environments (Ray Siemens, University of Victoria, Canada)
  • Digital Humanities and Cultural Criticism (David Berry, Swansea University)
  • Historical Data Representation and GIS (Frederic Kaplan, Ecole Polytechnique de Lausanne)
  • Quantitative research methods and network analysis (Claire Lemercier, SciencePo Paris)

Außerdem folgende Workshops / Tutorials:

  • Collaborative work practices in the Digital Humanities (Lynne Siemens, Victoria University)
  • Historical Sources Criticism in the Digital Age (Pascal Föhr, Basel University)
  • Introduction to Network Visualisation with GEPHI (Martin Grandjean, Lausanne University)
  • Multimedia Literacies (Claire Clivaz et al., Lausanne University)
  • Prototyping and Visualizing Virtual Places (Eric Champion, Aarhus University)
  • TEI and Musicology (Laurent Pugin & Claudio Bacciagaluppi, Bern University)
  • Zotero and Citation Management Softwares (Nicolas Chachereau, Lausanne University)

Eine unconference rundet das Programm ab.

Die Teilnehmerzahl ist auf 60 beschränkt!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1284

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Der Hype um das Internet, die digitale Welt und der ganze Rest #rkb13

Die Titelgrafik der RKB-Tagung basiert auf einem Design von Moma Propaganda, São Paolo. www.momapropaganda.com.br

 

Die RKB-Tagung in München ist gerade vorüber. Wer nicht dabei sein konnte, hatte via Twitter und über hypotheses.org die Möglichkeit “live” dabei zu sein und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Nun freut es umso mehr, dass sich die Süddeutsche Zeitung ausgiebig mit dem Thema der Wissenschaftskommunikation befasst (Ausgabe 29 vom 4.2.2013, S. 9).

Exempli gratia ist der Publikationsprozess, samt vorgelagerter Erarbeitung von Informationen, wobei die Reduktion auf den Begriff “filtern” eher zu pauschalisierend ist, bis zur Thesenentwicklung und anschließendem Schreibprozess. Schlagwörter wie “Open Access” dürfen in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Der Rückgriff auf die Infrastrukturen als Allheilsbringer der Geisteswissenschaften geht dann doch etwas weit. Hier werden wissensgenerierende Methoden zu stark mit dem Output der Wissenschaften verknüpft, mit dem Paper, mit dem Buch, mit der Online-Publikation. Denn auf einen solchen Output hinzuarbeiten, dürfte keinem Infrastrukturprojekt als Ziel dienen. Wenn dies so wäre, dann würden Infrastrukturen zu stark an einzelne Projekte und Forschungsvorhaben gebunden sein. Das dem nicht so ist, sollte klar werden, schaut man auf die heterogene Nutzerlandschaft, die gesamten Geisteswissenschaften.

Aber allein durch die Nutzung digitaler Tools wie Mendeley, Geobrowsern oder Visualisierungsumgebungen wie Gephi beginnt keine neue Epoche. Die Fragestellungen sind – ja, sie dürfen es auch explizit sein – die gleichen wie zuvor. Denn das bestätigen oder verwerfen alter Thesen ist ein guter Anfang um schließlich neue Fragestellungen zu entwickeln und diese auch an einer großen Masse an Daten überprüfen zu können. Erst an dieser Stelle kommt die Infrastruktur ins Spiel, deren Rolle zwar zentral ist, die aber den nach wie vor analogen Vorgang der Hypothesenbildung wenn überhaupt nur ein wenig unterstützen kann. Das bedeutet, dass das überaus kreative Vorgehen und Arbeiten in der Wissenschaft nach wie vor nicht von Maschinen ersetzt werden kann.

Der Spiegel schrieb im April 1957 im Zusammenhang mit Roberto Busas Corpus Thomisticus von “Text-Analyse durch Elektronen-Gehirne” (S. 62) und die innerkirchliche Diskussion – zu den vom Teufel persönlich entsandten Maschinen – blieb nicht aus. Vielleicht ist die aktuelle Diskussion davon nicht so weit weg. So klingt es zumindest etwas esoterisch, wenn vom “magischen [...] Vorsprung” durch Technik geschrieben wird; im SZ-Artikel und auch in den Tweets.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1248

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Happy Birthday! Ein Jahr DHd-Blog

Kaum zu glauben: Der DHd-Blog wird dieser Tage bereits ein Jahr alt. 131 Artikel, 194 Kommentare, rund 40 Autorinnen und Autoren haben seit  Januar 2012 den Blog zu einem etablierten Forum für die Digital Humanities in Deutschland gemacht – für aktuelle Themen und Entwicklungen, für Veranstaltungshinweise und Stellenanzeigen, für Information und Diskussion. Solche (virtuellen) Orte sind im deutschsprachigen Raum bislang noch spärlich gesät; an der Bündelung der Kräfte und Energien wird vielerorts gearbeitet. Dazu ist der Blog als gleichsam „überparteiliches“ Medium hervorragend geeignet. Er trägt dazu bei, den vielen Stimmen der deutschsprachigen Digital Humanities einen lebendigen Raum zu geben.

Herzlichen Dank deshalb an alle Beiträgerinnen und Beiträger für ein spannendes Jahr, verbunden mit der Aufforderung, auch in Zukunft zu berichten, zu diskutieren und zu informieren – kritisch, streitbar und anregend!

Das DHd-Blog-Team

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1241

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Lokführer- Stadtteilarchiv Ottensen

von Birgit Gewehr -

Auf dem Gleisdreieck Altona soll nach der Verlegung der Fernbahn nach Diebsteich eine neuer Stadtteil entstehen – das größte Neubauprojekt in Hamburg nach der Hafencity. Schon in seinem derzeitigen Planungsprozess stößt es auf großes, auch kritisches Interesse und wird ganz Hamburg in den nächsten Jahren sicherlich intensiv beschäftigen. Das Stadtteilarchiv Ottensen erarbeitet zur Zeit als Geschichtswerkstatt für Altona eine Ausstellung, zu der bemerkenswerten Geschichte dieses Ortes. Die Ausstellung: Achtung! Zug fährt ab. Geschichte des Eisenbahnknotens Altona – Arbeitsalltag, Nachbarschaft, Umbruch wird im Frühjahr 2013 eröffnet.

Das Porträt des ehemaligen Lokführers Jochen Lawrenz gibt einen Einblick in seinen Arbeitsalltag im Bahnbetriebswerk Altona, seit seiner Eröffnung 1895 eines der größten und bedeutendsten in Deutschland. 1992 wurde es endgültig stillgelegt. An die Dampflokinfrastruktur erinnert heute noch der unter Denkmalschutz stehende Wasserturm.

 

Das Bahnbetriebswerk Altona mit den Lokomotivschuppen und Drehscheiben 1960 / Foto: Jochen Lawrenz
 
 

Schon als Kind zog es Jochen Lawrenz, Jahrgang 1935, mit Spielkameraden an den Bahnhof seines Heimatdorfes Steinbek bei Bad Segeberg, um die Lokomotiven zu sehen. „Ich habe als Schüler beim Bauern gearbeitet, in den Ferien, hab mir Geld verdient und hab mir die ersten Märklin-Modelle in einem Spielwarenladen in Altona in der Ottenser Hauptstraße gekauft.“ Entgegen dem Wunsch seiner Eltern strebte er einen technischen Beruf an. „Lokführer war für mich ein Traumberuf. Für meine Mutter war es eine Art Albtraum. Jeden Tag lag sie mir in den Ohren, wie gefährlich es auf der Lok ist und alle möglichen Unfälle wurden dramatisch geschildert. Mein Vater sah alles gelassener, schlug aber einmal vor, Uhrmacher zu werden, da sitzt man in der warmen Werkstatt oder bedient im Laden die Kundschaft. Konnte mich alles nicht reizen.“

„Wir mussten alle Drecksarbeiten durchlaufen.“ Ausbildung zum Lokführer

Wer Lokführer werden wollte, musste einen Gesellenbrief als Schlosser, Elektriker oder in einem ähnlichem metallverarbeitenden Handwerk vorlegen, gute Leistungen nachweisen und mindestens 21 Jahre alt sein. Jochen Lawrenz machte von 1954 bis 1957 im Bundesbahn-Ausbesserungswerk Glückstadt eine dreijährige Lehre als Maschinenschlosser.

„Dann war ich Lokführerbewerber und hatte mich natürlich für das Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona beworben. Da wollten alle hin, weil die Schnellzüge hatten, weil das eine tolle Dienststelle war, das war das größte Betriebswerk in Norddeutschland.“ Doch im April 1957 kam er zum Bahnbetriebswerk (Bw) Hamburg-Eidelstedt. „Und da musste man alles mal durchlaufen, alle Drecksarbeiten. Anfangs hab ich mit meinem Kollegen Kokswagen abgeladen, einer hat immer geschaufelt und der andere hat die Kohlen unten in den Heizungskeller reingeworfen. Dann nach ein paar Tagen mussten wir mit drei Mann Dampflokomotiven putzen. Gearbeitet wurde wie am Fließband. Der erste Kollege entfernte den Ruß und Dreck mittels Bürste und Putzwolle. Der zweite ölte mit einer Zerstäubungsvorrichtung und Altöl den Kessel, das Führerhaus und die Seitenflächen des Tenders ein. Der dritte rieb dann mit Putzwolle alles blank.

 

Lokomotivführer Jochen Lawrenz auf einer Lok aus dem Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona 1970 / Foto: Jochen Lawrenz
 
 

Als das dann durch war – wir mussten zwei große Lokomotiven sauber machen und eine kleine – wurden wir auf dem Ausschlackkanal beschäftigt: Lokomotiven ausschlacken, das war ganz schwere Arbeit. Da waren zwei Gleise, die waren gegeneinander aufgeständert und da unten schwamm Wasser in der Grube, das war in Altona ganz genauso. Die Rostfläche hatte bis zu viereinhalb Quadratmeter und in der Mitte war ein Teil absenkbar und dann fiel die ganze Schlacke raus auf eine schiefe Ebene unten ins Wasser rein und wurde da gelöscht. Das waren feste Leute; aber die jungen Leute, die Lokführer werden wollten, die liefen da mit und mussten mit Schichtdienst machen. Die Lok kam an, dann wurde der Wasserkran rumgedreht und der Deckel vom Tenderwassereinlauf oben aufgemacht und der Wasserkran aufgedreht. Dann ist man zur Rauchkammer vorne am Kessel gegangen, hat die große Tür aufgemacht und dann wurde die Rauchkammer leer geschaufelt – der ganze Ruß und Dreck, den der Funkenfänger festgehalten hat – damit das nicht aus dem Schornstein flog und Brände verursachte.“

Ab August 1958 begann seine einjährige Schlosserzeit an Dampflokomotiven im Rahmen der Lokführerlaufbahn. Jochen Lawrenz führte im Schichtdienst kleinere Reparaturen an den Loks durch. Nach einem Jahr folgte dann eine Zeit als Heizer im Rangierdienst oder im leichten Streckendienst auf der Dampflok und begleitend der Besuch der Heizerschule im Bw Eidelstedt. 1960 wurde Lawrenz zum Bw Husum versetzt. Von dort führten ihn viele Einsätze nach Altona. „Eigentlich hatten es mir von da an die großen und imponierenden Bahnanlagen des Bahnhofes und des Bahnbetriebswerkes Hamburg-Altona angetan.“

Nach einem Jahr Erfahrung als Schlosser und zwei Jahren als Heizer konnte er den fünfwöchigen Lehrgang an der Lokfahrschule in Eidelstedt besuchen und bestand im Mai 1961 die praktische und theoretische Lokomotivführerprüfung.

„Die 1084 war ein sehr guter Dampfmacher.“ Auf einem Probezug nach Altona

1962, mit 24 Jahren, begann Jochen Lawrenz auf der Lok zu fahren, zunächst als Lohnempfänger und dann verbeamtet als Reservelokführer auf Probe. Erst ab dem 27. Lebensjahr konnte man Beamter auf Lebenszeit werden. Seine Heimatdienststelle war das Bahnbetriebswerk Husum. Er fuhr die Strecken von Husum nach Altona, Westerland, Bad St. Peter-Ording, Lübeck, Rendsburg und Kiel und zurück; oft machte er Dienst auf „Rundfahrten“, die in Altona endeten.
„Die Pausen waren schön in Altona, die hatten eine tolle Kantine, da war immer Leben, die war auch nachts auf, eine eigene Kantine im Bahnbetriebswerk, neben dem Lokrundschuppen. Oben waren die Übernachtungsräume; da war auch ein Übernachtungswärter, der einen empfing und einem ein Zimmer gab, er hat die Leute auch geweckt. Im Laufe der Zeit wurde er eingespart, da kriegte das Personal von der Lokleitung einen Wecker.“

Am 28. August 1967 hatte Jochen Lawrenz Dienstschicht auf der Strecke von Kiel nach Altona. Er fuhr mit einer ölgefeuerten Dampflok der Baureihe 01, der 01 1084, die vor einem Probezug aus 13 neuen Wagen aus dem Ausbesserungswerk Neumünster eingesetzt wurde. Lawrenz war als Reservelokführer und Heizer dem Hauptlokführer Hans Heinrich Hansen – im Führerstand rechts auf der Lok – zugeteilt. „Nachdem Hans-Heinrich und ich die Lok kurz angeguckt hatten und der Kesseldruck noch bei 10 atü stand, gingen wir erst einmal zum Mittagessen in die Kantine… Der Kesseldruck war nun auf achteinhalb gefallen. Mit dem Zünden der Ölfeuerung warteten wir aber lieber noch ein wenig, um den Kesseldruck noch weiter absinken zu lassen. Durch Dampfverbrauch nach Abstellen von Luftpumpe, Lichtmaschine und Hilfsbläser kamen wir rasch auf rund 5 atü runter. Jetzt erst öffnete ich die Feuerkastentür und warf brennende Putzwolle vor den Brenner. Der Saugzug des warmen Kessels fachte sofort die Flammen an. Nun die Klappe wieder zu, Verriegelung davor, Brennerdampf auf und dann das Öl. Wumm – und die Brenner tosten. Der abgesunkene Kesseldruck bot die Gewähr dafür, dass die Feuerung nun ausreichend brennen konnte, um die Ausmauerung der Feuerbüchse richtig warm zu bekommen, möglichst hell glühend. Nur so konnte man nach der Abfahrt Spitzendruck liefern. Ganz allmählich stieg bei geringem Brenndampfdruck der Zeiger des Kesseldruckmanometers auf 8 atü, und dann sollte es schon losgehen. Mittels Achtungspfiff holte mein Meister den Drehscheibenwärter aus der Bude, die Scheibe wurde uns vorgedreht und dann vorsichtig den Regler auf, Zylinderhähne auf, und unter lauten Zischen setzte sich die Maschine in Bewegung.“

 

Eine Altonaer 03er Lok, gebaut in den 1930er Jahren, auf der Drehscheibe in Altona, 1967 / Foto: Jochen Lawrenz

 

Nachdem Jochen Lawrenz auf dem Abstellbahnhof Kiel-Ost die Lok an den Zug gekuppelt hatte, ging die Fahrt los. „Der Kesseldruck war inzwischen auf 11 atü gestiegen, die Bremsprobe wurde mittels Handzeichen ausgeführt… 13 Wagen hatten wir am Band, 463 Tonnen Zuggewicht. ‚Gottverdammich’, bemerkte Hans-Heinrich, ‚dor kömmt sacht bös an rieten [reißen]!’ Inzwischen hatte ich den Heißdampfbrenner voll losgedreht, sowie auch die Nassdampfbrenner, um einen noch höheren Brennerdruck zu erhalten und damit ein Optimum an Öl möglichst rauchfrei verbrennen zu können. Die vordere Luftklappe hatte ich bereits vorhin im Bw vor dem Zünden richtig geöffnet und so stieg der Kesseldruck unmittelbar vor der Abfahrt langsam auf 16 atü an, so dass die Kesselsicherheitsventile bereist anfingen unruhig zu werden. Bereits um zwei Minuten war die planmäßige Abfahrtszeit überschritten. Dann endlich „Ausfahrt frei“ … Vorsichtig öffnet Hans-Heinrich den Reger, schließt die Zylinderhähne, und die Maschine reißt am Zughaken, um dann einen Moment zu verharren, dann erst setzt sich der Zug in Bewegung. Es ist immer wieder ein imponierender Vorgang, diesen Moment höchster Kraftanstrengung zu erleben… Die 1084 war ein sehr guter Dampfmacher und ein guter Schnellläufer bei hohem Leistungsvermögen.“ Sie erreichten ihr Ziel, den Abstellbahnhof Hamburg-Langenfelde, sogar „zwei Minuten vor Plan“. Von dort fuhr die abgekoppelte Lok ins Bahnbetriebswerk Altona. „Die Lok wurde auf dem Ausschlackkanal mit Heizöl betankt, und gleichzeitig nahmen wir Wasser. Bereits vorher hatte ich die Schlepp- und die vordere Kuppelachse abgeölt, weil man beim Wasserfassen da nicht mehr herankam. Das Abölgeschäft war natürlich nicht jedermanns Sache, aber auch das gehörte wie selbstverständlich dazu und musste in Kauf genommen werden. Nach Abschluss aller Arbeiten und Meldung einer Reparatur nahmen wir unser vom Lokleiter zugeteiltes Übernachtungszimmer in Beschlag, wobei der Führer ganz wie auf der Lok das rechte Bett und der Heizer das linke Bett nahm. Solche Marotten pflegten wir gerne.“

„Altona hatte imposante Anlagen!“

Jochen Lawrenz wohnte in Lübeck, war „beheimatet im Bw Eidelstedt, aber große Teile seines Berufslebens spielten sich im Bw Altona ab. „Wer in Altona war, der wusste, dass er auf einer tollen Dienststelle ist.“ Seit der Eröffnung 1895 war das Bahnbetriebswerk Altona eines der größten und bedeutendsten in Deutschland und die wichtigste Dienststelle für den Fernreiseverkehr im Hamburger Raum. Dort wurden die Züge unterhalten, bevorratet und eingesetzt. Den Bahnhof Altona liefen sehr viele Reisezüge an, die hier endeten oder „Kopf machten“, die Fahrtrichtung wechselten und neu bespannt weiterfuhren. Das Betriebswerk war technisch immer auf der Höhe seiner Zeit, über die Jahrzehnte wurden zahlreiche Umbauten durchgeführt.

Die Ausschlackungsanlage war dreigleisig – „ein Riesenbetrieb“, wie Lawrenz betonte. „Altona hatte imposante Anlagen.“ Das Gleis des linken Ausschlackkanals wurde zu seiner Zeit schon als Dieselloktankstelle genutzt. Beim Ausschlacken fiel die glühende Schlacke in einen mit Wasser gefüllten Schlackensumpf unter der Lok und wurde sofort abgelöscht. 1955 war ein neuer Wasserturm nah der Entschlackungsanlage gebaut worden. Jochen Lawrenz erinnert sich an die Einfahrt in Altona: „Die Fahrt endete ja quasi am Prellbock in Altona in der Halle. Meistens Gleis 6, 8, 9. Entweder der Zug ging weiter nach Hannover oder Osnabrück, der kriegte eine neue Altonaer Lok, oder er endete in Altona, dann wurde mit einer Rangierlok der Train [der Zug] abgezogen, entweder er ging nach Langenfelde oder zum Schäferkamp. Man fuhr mit der Lok langsam rückwärts hinterher bis ans Ausfahrsignal und dann kriegte man Licht, zwei weiße Lichter, und dann waren die Weichen Richtung Bahnbetriebswerk gestellt, Richtung Ausschlackkanal, und denn ging das los: Rauchkammer reinigen, Ausschlacken, Wasser nehmen. Bei den ölgefeuerten Loks wurde nur Wasser genommen und Öl gebunkert. Das Lokpersonal hat dann schon angefangen die Lok abzuölen. Vor dem Ausschlacken, schon beim Reinfahren nach Hamburg-Altona, hatte der Heizer ein Reservefeuer angelegt, das blieb liegen und alles andere wurde beim Ausschlacken rausgeschmissen. Während der Ausschlackung hat man Papierkram gemacht oder sich mit der Lok beschäftigt, alles mal abgeklopft, ob alles in Ordnung war, schon mal eine Bremsprüfung gemacht. Die Ausschlackung dauerte zehn Minuten.“

Die Großbekohlungsanlage mit ihrem riesigen Kohlenlager und einem Portalkran war Anfang der 1950er Jahre erneuert worden. Die großen Schlepptender der Dampflokomotiven wurden hier aus einem Kohlewiegebunker mit sechs paarweise eingesetzten Schüttbehältern beladen.„Dann wurde langsam an die Kohle gefahren.“ Jochen Lawrenz erinnert sich an einen Vorfall auf der Bekohlungsanlage: „Man muss nun wissen, man war ja nicht alleine. Da waren auf beiden Seiten manchmal vier, fünf Loks hintereinander, die alle noch behandelt werden wollten. Mit dem Kohlen-Viez musste man sich gut stehen, wenn man einigermaßen gute Kohlen haben wollte. Man fuhr langsam unter die Bekohlungsanlage und da war die Kabine, wo der Kohlenlader drin war. Es fand ein Blickkontakt statt; der Kohlenlader guckte einen an, das hieß: Hast du Zigaretten oder ´ne Zigarre? Wenn der Lokführer dann Zigaretten rüberlangte oder ein Bier, dann hat der Kohlen-Viez gute Kohlen gegeben. Wir waren mal mit der P8 hinter einer Bebraner 01 und der Bebraner Lokführer hat gar nicht darauf reagiert, der wusste vielleicht auch nichts von diesen Feinheiten. Da wies der Kohlenviez ihn etwas weiter vor unter eine andere Kohlentasche. Eine Riesenstaubwolke – nur ‚Blumenerde’ kam runter, nur Kohlenstaub, nur Dreck! Stückarme Kohle nannte sich das amtlich. Der Bebraner Lokführer war außer sich. Der hatte einen F-Zug, der durchlief bis Treuchtlingen [hinter Nürnberg], der konnte so eine Scheißkohle nicht gebrauchen. Der ist runter von der Lok, zur Lokleitung, hat gesagt, was anliegt: ‚Abladen!’ Die Kohle nimmt er nicht! Die zwei, drei Mann in der Lokleitung haben sich bedeckt gehalten, sie wollten den Kohlenlader, den Kollegen, vielleicht nicht in die Pfanne hauen. ‚Ich möchte zum Chef!’ Er hat sich den Weg zeigen lassen zum Dienstellenleiter. Der Chef kam mit ihm und hat angeordnet: ‚Abladen’. Dann ging die Maschine auf die Drehscheibe und auf das Kohlenladegleis neben der Kohlenbühne und dann haben sie mit dem großen Kohlegreifer versucht abzuladen. Nur kriegt man mit dem Greifer schlecht Kohlen vom Tender. Dann wurde der Kohlengreifer auf die Erde abgesenkt neben dem Tender, zwei, drei Arbeiter wurden geholt, und die haben den Tender leer geschaufelt, durch die Tür durch, immer in den Greifer rein. Und da muss ich sagen, die Lokführer damals, das waren gestandene Leute!“

Sand gegen das Durchtrehen der Räder und zur Verkürzung des Bremsweges

Anfang der 50er Jahre war eine moderne Luftdruckbesandungsanlage mit hochgelegenem Behälter an den Drehscheibenzufahrtsgleisen gebaut worden. „Nach dem Kohlenladen wurde Sand genommen. Der Sandkasten war in der Regel auf dem Kessel, der Sand war dadurch immer trocken gehalten. Wenn eine schwere Anfahrt war, musste mit ganz viel Gefühl Dampf gegeben werden, und ein erfahrener Lokführer merkte, wenn die Räder durchtrampeln wollten, zum Beispiel wenn die Schienen durch Laubfall sehr glitschig waren. Dann betätigte er die Sandstreueinrichtung und streute mittels Druckluft Sand vor die Räder und die Reibungskraft zwischen Rad und Schiene wurde erhöht. Und Sand wurde auch bei Notbremsungen gestreut, um die Haftkraft zu erhöhen und den Bremsweg möglichst zu verkürzen.“

Das Bw Altona war ausgestattet mit einem kleinen und einem großen Halbrundlokschuppen mit insgesamt 54 Schuppengleisen und zwei miteinander verbundenen Drehscheibenkreisen. An der Nahtstelle der Lokschuppen stand das Gebäude der Lokleitung.

„Nun ging es weiter auf Hand- und Lichtzeichen des Drehscheibenwärters, auf die rechte oder linke Drehscheibe. Die Lok wurde so gedreht, dass sie rückwärts auf ein freies Gleis in den Schuppen fahren konnte. Die großen Loks gingen meistens nach rechts, die P8en [die Dampflokomotiven P8 der Preußischen Staatseisenbahnen, die noch bis 1974 eingesetzt wurden] nach links, weil die Gleise kürzer waren … Manchmal standen sie drei, vier Stunden. Die Schuppenfeuerleute haben die Lokomotiven überwacht, sind alle drei, vier Stunden rauf und haben was aufgeworfen oder Wasser gepumpt. Die Lokomotiven liefen nach einem festen Umlaufplan, weitgehend nach wirtschaftlichsten Gesichtspunkten. Die Umlaufpläne wurden von der Eisenbahndirektion, der Oberlokleitung, gemacht und die Dienstpläne von den Heimat-Bahnbetriebswerken. Das lief reibungslos. Die Loks liefen rund um die Uhr, die fuhren tagsüber die Reisezüge und nachts die Güterzuge.“

„Der Bremsweg ist schon mal vier-, fünfhundert Meter – das ist kein Auto!“

Die Lokomotiven fuhren normalerweise mit 135 km/h und zogen bis zu 15 Wagen. „Der Bremsweg ist dann schon mal vier-, fünfhundert Meter – das ist kein Auto!“ Jochen Lawrenz erklärt, dass Lokomotiven zur Sicherheit mit der „Induktiven Zugbeeinflussung“ ausgestattet waren. „Man fuhr nach Signal. Die Induktive Zugbeeinflussung, die „Indusi“, war für den Notfall. Vorsignal zeigt Warnstellung am Hauptsignal an – dann musste man beim Vorbeifahren am Vorsignal die Wachsamkeitstaste drücken, dann erschien über dem Bestätigungssignal am Wachsamkeitsmesser eine gelbe Lampe und die brannte 21 Sekunden und in 21 Sekunden musste unter 95 km/h runtergebremst werden. Wenn man das nicht schaffte, dann gab es eine volle Zwangsbremsung.“

An der Abzweigstelle Rainweg in Altona Nord ereignete sich am 4. November 1954 ein schwerer Unfall. Eine den Altonaer Bahnhof verlassende Dampflok 01 108 fuhr übers Signal und geriet in die Flanke der Vorspannlok des De 5136 aus Uelzen, die freie Fahrt auf dem Gleis Eidelstedt-Hamburg hatte. Beide Loks stürzten um. Die Zuglok des 5136 entgleiste, die aus Altona kommende Lokomotive fiel sich einmal überschlagend die Böschung hinunter in die Holtenaustraße. Jochen Lawrenz berichtet: „Die Lok habe ich da unten noch liegen sehen, mit den Rädern nach oben. Der Heizer war schwer verletzt, anschließend querschnittsgelähmt. Der Lokführer war auch schwer verletzt. Er hatte ganz klar das Halt zeigende Signal überfahren … Er hatte die Indusi nicht eingeschaltet.“

Erst ab 1972 wurden die Strecken nach und nach mit Funk ausgestattet und der Lokführer konnte bei Gefahr im Führerstand alarmiert werden. „Man hatte früher Knallkapseln, verplombt, auf jeder Lok, um sie im Notfall auf die Schienen zu legen. Ein Gegenzug fuhr dann drüber, bekam drei harte Schläge und der Lokführer hielt sofort an. Die Streckenläufer hatten auch Knallkapseln. Ich bin mal mit einer P8 auf dem Hindenburgdamm über Knallkapseln drübergefahren. Ein Streckenläufer hatte einen Schienenbruch festgestellt … Das knallte aber! Der ganze Führerstand war blau vom Pulverqualm!”

 

Bahnunfall 1958: eine vom Bahnhof Altona kommende Lok kollidierte mit einem Triebzug
auf dem Bahndamm Höhe Harkortstraße / Foto: Jochen Lawrenz
 
 
„Mit drei Achsen entgleist“

Die Fahrt von Altona nach Husum am 26. März 1964 auf der Lok 03 061 – Jochen Lawrenz war noch Heizer und dem Hauptlokführer Erwin Vogt zugeteilt – wurde „eine Dienstschicht, die uns fast nur Ärger eingebracht hatte. Der Eilzug E 1777 stand schon vor der Bahnhofshalle, die Zuglok hatte die Drehscheibe verlassen und sollte auf den Zug vorsetzen. Der Auftrag vom Posten kam per Handbewegung und Lautsprecherdurchsage ‚Lok für 1777 kommen’. Meister Vogt öffnete den Regler und die Zylinderhähne, und, laut zischend und einige Male schleudernd wegen der gerade in diesem Bereich außerordentlich schmierigen Gleise, setzten wir vor. Oben am Stellwerk RI angekommen, dreht der Wärter die Weiche in Richtung Aufstellgruppe, und per Handsignal ‚Kommen’ fuhren wir an unserem Zug vorbei. Wir sahen auch das hochstehende Gleissperrsignal, auf das wir langsam zurollten in der Erwartung, dass der Weichenwärter vom Stellwerk AL das Sperrsignal freigab. Und dann plötzlich bäumte sich unsere Lok vorne etwas auf, es krachte und knirschte, die Maschine schüttelte sich und – wir waren entgleist. Etwa 10 Meter vor dem hochstehenden Gleissignal lag eine Gleissperre mit dem dazugehörenden tiefliegenden Signal. Diese ‚hinterlistige’ Gleissperre hatten wir nicht gesehen, und so waren wir prompt ‚über den Hund gefahren’. Vor Schreck sprangen wir von der Lok und stellten fest, dass beide Laufachsen und die erste Kuppelachse entgleist waren. Die Treibachse stand oben auf dem ‚Hund’. Mein Meister blieb ganz gelassen, denn er konnte das wegstecken. Nur an seiner Zigarre kaute er unentwegt. ‚Tcha’, war sein Kommentar, ‚dann müssen wir uns wohl eine neue Maschine holen.’“

„Hässlich war das, wenn starker Wind war, wenn einem die Schlacke, der ganze Dreck in die Augen, in die Nase kam. In Westerland auf Sylt war das schlimm, da war alles im Freien. Ich habe oft was ins Auge gekriegt. Schutzbrillen? Ja, Brillen mit klaren Gläsern, die hätte ich mir kaufen sollen, aber… hatte ja keiner! Die Autozüge Niebüll-Westerland – da wurde rückwärts mit 80 gefahren, da flog einem der ganze Dreck entgegen! Wir kriegten von der Dienststelle Motorradbrillen, die waren unangenehm, wenn es im Sommer warm war.“

Der Dampflokbetrieb war mit sehr viel Dreck, Öl, Qualm verbunden. Jochen Lawrenz ist klar: „Da würden heute die Umweltschützer große Augen machen.“ Doch es ging auch anders: „In Hamburg-Altona war ich mal an meinem freien Tag als dritter Mann nach Westerland auf der Lok. Die 41er war am Zug und der Heizer hat das Feuer aufgebaut und es qualmte. Da hat der Weichenwärter vom Stellwerk gleich über Lautsprecher durchgerufen: ‚Lok 41 210, bitte sofort das Qualmen einstellen!’ Man hat schon darauf geachtet, dass nicht der ganze Bahnhof vollgequalmt wurde. Und das war ja auch hinzukriegen. Da wurde der Bläser ein bisschen weiter aufgemacht und die Feuertür auf, dass mehr Verbrennungsluft rein kam, und dann war der Qualm weg.“

„Ich habe bis 1972 nur auf Dampf gefahren.“ Das Ende der Dampflokzeit

Ab Ende der 1950er Jahre kamen die Dieselloks V 200 und V 60 im Bw Altona zum Einsatz – der erste Strukturwandel. Jochen Lawrenz liebte jedoch die Herausforderung, die die Dampflok stellte. „Mit Diesellok und E-Lok ist nur das Bremsen quasi das Gleiche geblieben, alles andere ist doch angenehm. Das Aufschalten, alles geht automatisch; drehen die Räder durch, wird über Elektronik Sand gestreut; die Höchstgeschwindigkeit wird vorher eingestellt, der macht nur einen Hebel nach vorne, alles andere macht die Maschine … Aber in der Leistung kamen diese damals modernen Dieselmaschinen nicht an die Baureihe 01 10 heran, auch wenn das unsere Bundesbahnführung nicht recht wahrhaben wollte … Dennoch war es wesentlich leichter als auf der Dampflokomotive, das ist gar keine Frage. Ich erinnere mich noch genau, als die V 200 im Kommen war und die ersten handverlesenen Lokomotivführer darauf ausgebildet wurden, dass keiner sich mehr nach der Dampflokomotive sehnte. Mein Herz hat jedoch stets der Dampflokomotive gehört.”

Von einer Romantisierung der Dampflokzeit hält Jochen Lawrenz allerdings nichts. „Das war saure Arbeit, das war harte Arbeit! Das war nicht mal eben so! Ich habe ja bis 72 nur auf Dampf gefahren, und ich habe viele begeisterte Eisenbahnfreunde, Dampflokfans, mitgehabt, und denn habe ich immer gesagt, Leute, wenn ihr diese ganze Arbeit über Jahre machen solltet, Sommer wie Winter, und Heiligabend und die Familie ist zu Hause – wir haben vier Kinder – und rund um die Uhr, da würde manch einer von euch abspringen. Meine Frau ist eine richtige Eisenbahnerfrau, das ganze Leben richtete sich nach meinem Dienst. Wenn ich vormittags von der Nachtschicht kam und die Kinder kamen von der Schule, da war Hallo! Wenn ich am Tage schlafen musste, hatte meine Frau alle Hände voll zu tun, um die vier Kinder ruhig zu halten – ich musste um 20 Uhr wieder zum Dienst. Das war für meine Frau auch nicht immer einfach.“

Als es mit den Dampflokeinsätzen bei der Bundesbahndirektion Hamburg endgültig vorbei war, ließ sich Jochen Lawrenz zum Bw Lübeck versetzen und machte dort eine Diesellokausbildung. Auf der Dampflok fuhr er nur noch Sonderfahrten für Eisenbahnfreunde. Der zweite Strukturwandel der Elektrifizierung kostete das Bahnbetriebswerk Altona die Existenz. Eine zusätzliche Rolle spielte, dass das Bw Altona nicht von LKWs mit Großbauteilen beliefert werden konnte. Um 1965 wurde zunächst ein kleiner Teil der Gleisanlagen des Bahnbetriebswerkes elektrifiziert und für E-Loks erreichbar. 1967 erfolgte der Abriss der Bekohlungsanlage. Die wenigen kohlegefeuerte Dampfloks fuhren nun zum Bahnbetriebswerk Eidelstedt, um ihre Vorräte zu ergänzen. Mit der 1965 fertig gestellten Elektrifizierung der Strecke von Hamburg nach Hannover und drei Jahre später auch nach Osnabrück verloren die Dampfloks des Betriebswerks Altona ihre wichtigen Personenzugleistungen nach Süden. Noch bis 1972 wurden aber Züge mit Dampflokomotiven auf der Marschbahn nach Westerland/ Sylt, Kiel und Flensburg eingesetzt. Seit der Elektrifizierung der Hauptstrecke nach Kiel im Jahre 1995 werden die von dort kommenden Züge vielfach über Hamburg-Dammtor zum Hauptbahnhof geleitet und enden nicht mehr in Altona. Im Jahr 1982 wurde der Doppelringlokschuppen für die Neutrassierung der S-Bahngleise abgerissen. Nach der Auflösung des Bahnbetriebswerks Altona als eigenständige Dienststelle 1983 übernahm das Bahnbetriebswerk Eidelstedt dessen Funktion. Die Drehscheiben wurden um 2000 entfernt. Heute erinnern nur noch der unter Denkmalschutz stehende Wasserturm und die Reste der ehemaligen Triebwagenhalle an dieses einst bedeutende Bahnbetriebswerk, in dem mit der 05 002 die schnellste Dampflok der Welt zu Hause war.

Seit 1999 in Pension, ist Jochen Lawrenz heute Zeitzeuge und selbst engagierter Archivar und Geschichtsschreiber in Sachen Eisenbahn. Die aktuelle Bahnpolitik kritisiert er: „Die Loks sind heute unwirtschaftlich, nicht ausgelastet. Wo sind heute die Güter? Auf der Straße. Eine Lok und ein Lokführer befördern 2000 Tonnen. Wie viele Lastwagen brauchen Sie dafür?!“ Als Pensionär immer noch in der Gewerkschaft der Lokomotivführer, ist er stolz, dass die Lokführer mit ihrem Streik den umstrittenen Bahnchef Mehdorn „zu Fall gebracht haben“. Er bedauert sehr, „dass die Bahn an die Wand gefahren wurde“, wie er sagt, dass weite Teile des Streckennetzes stillgelegt wurden. „Dieser Bahn weine ich keine Träne nach.“

Zur Autorin:

Birgit Gewehr ist Historikerin und freie Mitarbeiterin im Stadtteilarchiv Ottensen. Sie war an mehreren Ausstellungs- und Publikationsprojekten zur Geschichte Altonas beteiligt, z. B. ist sie Autorin des Buches “Stolpersteine in Hamburg-Altona. Biographische Spurensuche”. Zur Zeit forscht sie zur Historie des Altonaer Bahngeländes.

Quellen:

  • Interview 15.9.2009 in Lübeck mit Jochen Lawrenz, Bestand Stadtteilarchiv Ottensen
  • Aufsätze und Manuskript von Jochen Lawrenz zu seinem Werdegang und Berufsleben, Bestand Stadtteilarchiv Ottensen
  • Matthias Fuhrmann, Deutsche Bahnbetriebswerke (Bw Hamburg-Altona), Verlag Geramond, Garching-Hochbrück, Ergänzungsausgabe 2009
  • Uwe Jens Jansen, Die Eisenbahn in Hamburg, Hamburg 1999

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=729

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Wegen Überfüllung geschlossen?

Achtung, es folgt ein mehr oder weniger überflüssiger Bericht zur aktuellen Befindlichkeit – nicht seriös!
Zugegeben, die Überschrift trügt: der Lesesaal meiner Lieblingsbibliothek (HLB in Wiesbaden) ist noch nicht wegen Überfüllung geschlossen, aber gut Platz findet man inzwischen kaum noch. Woher kommen eigentlich diese ganzen Leute? Und was arbeiten die alle hier? Ich dachte, als hipper Student geht man dafür ins Starbucks (oder bin ich da falsch informiert?). Da trauere ich doch schon manchmal den Zeiten der wenigen Besucher hinterher, Altersdurchschnitt 70 (aber erst, wenn drei Mittzwanziger da waren) und regelmäßige Hustenanfälle. Gut, recht überlegt, ist es mir vielleicht doch so, mit all den Studenten und ohne die Viren, etwas lieber – wenn nur mehr Platz wäre.

Quelle: http://csarti.net/2013/01/wegen-uberfullung-geschlossen/

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Aktuelle Ausschreibungen

Mit der Bitte um Bekanntmachung und Weiterleitung! International applications welcome!

Am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt zwei
Professuren (W3 und W2) für Digital Philologies
zu besetzen.

In den vergangenen zehn Jahren hat das Institut die Digital Humanities mit Schwerpunkten in der anglistischen Corpus- und Computerlinguistik sowie der germanistischen Computerphilologie aufgebaut und seine Position durch intensive, international vernetzte Forschungen sowie einen bilingualen Master of Arts-Studiengang Linguistic and Literary Computing etabliert. Die Digital Humanities in der spezifischen Ausprägung der Digital Philologies sollen nunmehr durch einen Verbund von insgesamt drei Professuren am Institut weiter profiliert werden. Die bereits vorhandene germanistische Computerphilologie (Rapp) soll mit den Professuren (1) W3 Linguistik mit Schwerpunkt Corpus- und Computerlinguistik sowie (2) W2 Literatur- und Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Literaturwissenschaft/Digital Cultural Studies zu einem dezidierten philologiebasierten Cluster Digital Humanities komplettiert werden.
Von den zukünftigen Stelleninhaberinnen/den zukünftigen Stelleninhabern wird erwartet, dass sie ausgewiesen sind in den Digital Humanities und das entsprechende Fachgebiet in ganzer Breite in Forschung und Lehre vertreten und sowohl für die bestehenden Studiengänge des Instituts (Master of Arts Linguistic and Literary Computing, Master of Arts Germanistik, Joint Bachelor of Arts-Teilfach Germanistik, Master of Education Deutsch, Lehramt an Gymnasien Deutsch) als auch für die Einrichtung eines neuen Bachelor of Arts Digital Philologies aktiv Verantwortung übernehmen.
Mindestens zwei der nachfolgend genannten Forschungsschwerpunkte werden jeweils vorausgesetzt:

(1) W3 Linguistik mit Schwerpunkt Corpus- und Computerlinguistik (Kenn-Nr. 514)
• Empirische Methoden in der Linguistik
• Verschränkung quantitativer und qualitativer Methoden in Corpus- und Computerlinguistik
• Digitale Lexikographie
• Text- und Diskurslinguistik
• Wissenskommunikation
• Register- und Varietätenlinguistik

(2) W2 Literatur- und Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Literaturwissenschaft/Digital Cultural Studies (Kenn-Nr. 515)
• Literatur und digitale Textanalysen und deren Vermittlung
• Visualisierung
• Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft
• Buchgeschichte, Materialforschung
• Textualitätsforschung
• Digitale Editionsphilologie
• Digitalisierungsprozesse, Aspekte des digitalen Umgangs mit dem kulturellen Erbe
• Traditionen und Ordnungen des Wissens, seiner Vernetzung und seine Visualisierung

Vorausgesetzt werden ferner eine fachlich einschlägige Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen in einer philologischen Disziplin mit entsprechendem Nachweis der universitären Lehrbefähigung. Außerdem werden die Bereitschaft zur interdisziplinären Kooperation sowie Erfahrung in der Drittmitteleinwerbung erwartet.
Die Einstellung erfolgt im außertariflichen Angestelltenverhältnis mit einer qualifikationsabhängigen Vergütung in Anlehnung an die W-Besoldung. Diese wird zwischen Bewerber/in und Hochschulleitung verhandelt. Professorinnen und Professoren, die bereits in einem Beamtenverhältnis stehen, können in einem solchen weiterbeschäftigt werden. Es gelten ferner die Einstellungsvoraussetzungen der §§ 61 und 62 Hessisches Hochschulgesetz.
Die Technische Universität Darmstadt strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen am Personal an und fordert deshalb besonders Frauen auf, sich zu bewerben. Bewerberinnen oder Bewerber mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen Gleichgestellte werden bei gleicher Eignung bevorzugt.
Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen unter Angabe der jeweiligen Kenn-Nummer an die Dekanin des Fachbereichs Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, Frau Prof. Dr. phil. M. Knodt, Marktplatz 15, Residenzschloss, 64283 Darmstadt, zu senden.
Kenn.-Nr. 514
Bewerbungsfrist: 24.02.2013

The Department of Linguistics and Literary Studies of Technische Universität Darmstadt seeks to fill the following vacancies
2 Professorships (W3 and W2) in Digital Philologies

In the past ten years, the Department has established the Digital Humanities with foci in English Corpus and Computational Linguistics as well as German Computer Philology. Throughout this period, the Department has consolidated its position in the digital humanities through internationally networked research activities and the installation of a bilingual Master of Arts program Linguistic and Literary Computing. The specific profile of Digital Humanities as Digital Philologies is going receive further impetus by the installation of a cluster of three professorships representing this discipline. Together with the already existing professorship for German Computational Philology (Andrea Rapp), the two new professorships will form a philology-based cluster of Digital Humanities at TU Darmstadt: (1) W3 Linguistics with a focus on corpus and computational linguistics and (2) W2 Literary Studies and Cultural Studies with a focus on Digital Literary Studies / Digital Cultural Studies.
The prospective postholders are expected to have a succinct research profile in the Digital Humanities and to fully represent the field in research as well as teaching in the courses of studies offered by the department (Master of Arts Linguistic and Literary Computing, Master of Arts Germanistik, Joint Bachelor of Arts Germanistik, Master of Education German, Lehramt an Gymnasien Deutsch). They should furthermore take responsibility for the introduction of a Bachelor of Arts program Digital Philologies.
Expertise in at least two of the following research foci must be demonstrated respectively:

(1) W3 Linguistics with a focus in corpus and computational linguistics (Code-No. 514)
• Empirical methods in linguistics
• Quantitative and qualitative methods in corpus and computational linguistics
• Digital lexicography
• Text and discourse linguistics
• Scientific communication
• Linguistic register and variety studies

(2) W2 Literary Studies and Cultural Studies with a focus on Digital Literary Studies/Digital Cultural Studies (Code-No. 515)
• Literary studies and digital text analysis plus its teaching
• Visualisation
• Literary studies as cultural studies
• Book history, materiality research
• Textuality
• Digital scholarly editing
• Processes of digitalisation, digital treatments of cultural heritage data
• Traditions and orders of knowledge networks and knowledge visualisation

Applicants are expected to hold a Habilitation or a track record of equivalent scientific work relevant to one of the research profiles described above. A proven record of excellent teaching at university level is likewise expected. Furthermore, openness for interdisciplinary collaboration and experience in acquiring research funding are expected.
The position is tenured with a remuneration package commensurate with experience and qualifications, following the German “W-Besoldung”. The regulations for employment are specified under §§ 61 and 62 HHG (Hessisches Hochschulgesetz).
The Technische Universität Darmstadt intends to increase the number of female faculty members and encourages female candidates to apply. In case of equal qualifications applicants with a degree of disability of at least 50 or equal will be given preference.
Applications using code number 514/515 (including a CV, list of publications, copies of relevant diplomas, a record of teaching activities and academic accomplishments) are to be sent to the Dean of the Department of Linguistics and Literary Studies, Frau Prof. Dr. phil. M. Knodt, Marktplatz 15, Residenzschloss, 64283 Darmstadt.
Code. No. 514
Application deadline: 24-Feb-2013

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1228

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Tagung “Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken” (Trier, 18./19. Januar 2013)

Bei der Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, Bestände mittelalterlicher Bibliotheken, die heute weltweit zerstreut sein können, digital zusammenzuführen und zu erschließen. Auch werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Bestände wissenschaftlich zu nutzen und die vorhandenen Daten und Metadaten in übergreifende Portale einzuspeisen. Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Am 18. Januar 2013 wird in der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier, am 19. Januar in der Stadtbibliothek Trier getagt. Ein Anmeldung ist nicht erforderlich.

Programm am 18. Januar 2013

Begrüßung

09:00 – 10:00: Grußworte von Abt Ignatius Maaß OSB, Prof. Dr. Michael Jäckel (Präsident der Universität Trier) sowie Prof. Dr. Martin Przybilski (Geschäftsführender Leiter des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Trier)

Sektion I: Das Virtuelle Skriptorium und seine Kooperationsprojekte

Moderation: Prof. Dr. Andrea Rapp

10:00 – 10:45: Das Virtuelle Skriptorium St. Matthias
(Prof. Dr. Michael Embach, Prof. Dr. Claudine Moulin, Prof. Dr. Andrea Rapp)

Ziel des Projekts „Virtuelles Skriptorium St. Matthias“ ist es, den überlieferten Bestand an mittelalterlichen Handschriften aus der Trierer Abtei St. Matthias zu digitalisieren und damit virtuell zu rekonstruieren. Hierbei handelt es sich um eine Zahl von ungefähr 500 Kodizes, die weltweit auf etwa 25 Standorte verteilt sind. Die Digitalisierung soll einen Bestand zugänglich machen, der für ganz unterschiedliche Disziplinen von Wert ist. Mit einer derart rekonstruierten virtuellen Bibliothek ist die Absicht verbunden, das geistige Profil eines wichtigen Bildungszentrums und dessen Wachstum nachzuzeichnen und neuartige Einblicke in die Produktions- und Rezeptionsbedingungen seiner Bestände zu gewähren.

11:00 – 11:45: Textual Gridicism – Edieren mit TextGrid
(Florian Enders BA, Celia Krause M.A., Philipp Vanscheidt)

Digitalisierung ist nur ein möglicher Schritt bei der Erstellung digitaler Editionen. Bei der Erschließung eines mittelalterlichen Bibliotheksbestandes aber ist sie ein wesentliches Moment, an das sich weitere Schritte wie Transkription und Kommentierung anschließen. Aus diesem Grund werden die Faksimiles des „Virtuellen Skriptoriums St. Matthias“ auch in TextGrid eingespeist. Mit dieser virtuellen Forschungsumgebung für die Geisteswissenschaften ist ebenso ein Konzept für die Langzeitarchivierung verbunden wie die Möglichkeit, die Daten für Editionen mit einem Ensemble von elektronischen Werkzeugen zu bearbeiten. In dem Vortrag wird ein Überblick über TextGrid (www.textgrid.de) gegeben und eine Edition vorgestellt, die in dieser Umgebung entsteht.

11:45 – 12:30: Integration von eCodicology in die DARIAH Dienstewelt
(Danah Tonne M.Sc., Dr. Rainer Stotzka)

Im BMBF geförderten Projekt „eCodicology“ werden Methoden entwickelt und in Software implementiert, um makro- und mikrostrukturelle Elemente digitalisierter Handschriftenseiten automatisch zu messen, zu speichern und zu analysieren. Durch die Auswertung großer Mengen von Handschriften erhält der Kodikologe eine Datenbasis mit reproduzierbaren Merkmalen, mit denen Handschriftengruppen identifiziert, Kontinuitätslinien und Brüche aufgezeigt und Zusammenhänge zwischen Handschrifteninhalten und Layoutmustern entdeckt werden können.

Die automatische Auswertung birgt zusätzliche Anforderungen an die Infrastruktur, die den Geisteswissenschaften in der Regel selten zur Verfügung steht. Die Prozessierung einer Seite kann je nach Komplexität der Operationen bis zu mehrere Minuten auf einer Standard-Workstation benötigen. Schätzt man den Zeitaufwand auf ca. eine Minute pro Seite, dauert die einmalige Prozessierung des Virtuellen Skriptoriums St. Matthias mit ca. 170.000 Seiten ca. 4 Monate.

Zu diesem Zweck werden sowohl die Infrastruktur des vom BMBF geförderten Projektes TextGrid als auch der des europaweiten Projektes DARIAH genutzt. In diesem Vortrag wird die „Dienstewelt“ von DARIAH beschrieben und gezeigt, wie sich der Ablauf der automatischen Datenauswertung in DARIAH und TextGrid integriert und der Mehrwert für die kodikologische Forschung aufgezeigt.

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken I

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

15:15 – 16:00: Bibliotheca Laureshamensis – digital: Präsentation der Virtuellen Klosterbibliothek Lorsch
(Alexandra Büttner M.A., Michael Kautz M.A.)

Das Digitalisierungs- und Erschließungsprojekt „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ (www.bibliotheca-laureshamensis-digital.de) vereint auf der Grundlage der Studien Bernhard Bischoffs und Hartmut Hoffmanns alle bekannten Handschriften aus der Bibliothek und dem Skriptorium des ehemaligen Klosters Lorsch in einer virtuellen Bibliothek im Internet. Heute sind die 330 noch erhaltenen spätantiken und mittelalterlichen Handschriften auf 70 Institutionen in Europa und den USA verstreut. Die Zusammenführung der Lorscher Codices und Fragmente ermöglicht es, neben der Buchproduktion auch die kulturellen Grundlagen des Klosters und seiner Umwelt auf breiter Grundlage zu erforschen.

16:00 – 16:45: Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey: Internetplattform – Digitalisierung – Wanderausstellung – virtuelle Ausstellung
(Anja Jackes M.A.)

Ein Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Materielles und Immaterielles Kulturerbe UNESCO an der Universität Paderborn widmet sich der Rekonstruktion der seit zweihundert Jahren im Zuge der Säkularisation aufgelösten Klosterbibliothek Corvey, deren Gründung ins frühe 9. Jahrhundert zurück reicht. Der übergeordnete Aspekt des Projekts liegt bei der Erforschung des immateriellen Erbes Corveys und damit bei der Untersuchung der Klosterbibliothek als Aufbewahrungsstätte bedeutender geistiger Errungenschaften. Die Zielstellung des Forschungsprojektes ist die Rekonstruktion der heute nicht mehr als Ganze existierende Klosterbibliothek und zugleich die Erforschung der Wissensbestände, die über tausend Jahre hinweg in dem benediktinischen Kloster versammelt wurden und für Bildung, Lehre, Mission, Gottesdienst, aber auch für das alltägliche Leben und zur Unterhaltung der Mönche im Kloster zur Verfügung standen. Um die zerstreuten Corveyana wieder in ihren ursprünglichen Bibliothekskontext einzubetten, wurde die Internetplattform „Nova Corbeia“ aufgebaut, die als zentrale Schnittstelle die erhaltenen Buchbestände virtuell wieder zusammenführt. Insbesondere unikale Objekte wie die Handschriften, die heute weltweit zerstreut sind, werden in diesem Kontext am UNESCO Kompetenzzentrum volldigitalisiert und auf der Plattform für Wissenschaft, Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was über die im Internet zugängliche Datenbank virtuell geleistet wird, findet seine materielle Entsprechung in der Wanderausstellung „Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey“, die an sechs Orten (Corvey, Bonn, Marburg, Ziesar, Münster und Fulda) in Deutschland gezeigt wurde, und zwar da, wo sich weitere Konvolute der Bibliothek nachweisen ließen, die jeweils in den Ausstellungen gemeinsam präsentiert wurden.

17:00 – 17:45: Die digitale Kaiser-Heinrich-Bibliothek der Staatsbibliothek Bamberg
(Dr. Stefan Knoch)

Die Staatsbibliothek Bamberg besitzt insgesamt rund 1.000 mittelalterliche Handschriften, von denen 165 nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Bistumsgründer Kaiser Heinrich II. zurückgehen. Diese 165 Kodizes und Fragmente wurden bis zum Oktober 2012 sukzessive vom hauseigenen Fotografen der Staatsbibliothek Bamberg digitalisiert und mit technischer Unterstützung der Bayerischen Staatsbibliothek München im Internet frei zugänglich gemacht. Ein weiterer Mehrwert entsteht durch die Anreicherung der Digitalisate mit Strukturdaten, mit Beschreibungen zweier gedruckter Handschriftenkataloge in PDF und mit Daten der Forschungsdokumentation. Der Vortrag wird einen Überblick über die Hintergründe und Genese des Projekts sowie die Funktionen der digitalen Kaiser-Heinrich-Bibliothek geben.

17:45 – 18:30: Libri Sancti Kiliani digital: Technische Infrastruktur, Digitalisierung und vertiefte Erschließung der Würzburger Dombibliothek
(Dr. Hans-Günter Schmidt)

Die Würzburger Dombibliothek („Libri Sancti Kyliani“) gehört zu den bedeutenden mittelalterlichen Handschriftenensembles in Mitteleuropa. Ihre Wurzeln reichen bis in die Anfänge des 742 gegründeten Bistums Würzburg zurück, mit ältesten Handschriften aus dem 5. Jahrhundert. Bis heute ist die Dombibliothek für die Erforschung der Bildungsgeschichte des Frühmittelalters international von großer Bedeutung, insbesondere auch in der angelsächsischen und irischen Welt. Das 2010-2013 von der DFG geförderte Projekt „Libri Sancti Kiliani digital“ strebt an,

  1. den Dombibliotheksbestand der Universitätsbibliothek Würzburg vollständig digitalisiert im Internet zur Verfügung zu stellen,
  2. bereits vorliegende Katalog- und Dokumentationsdaten in ein vernetztes Lokalsystem zu überführen, zu erweitern und zu aktualisieren,
  3. neue Visualisierungstools und eine neuartige Nutzerschnittstellen zu erstellen, die in einem moderierten Wiki-System über Web Services ermöglicht, Informationen (z.B. Transkriptionen) von außen einzubringen und Daten auf Basis von Creative-Commons-Lizenzen für eigene Forschungen zu entnehmen.

Kernstück des Unternehmens ist der Aufbau einer neuen technischen Infrastruktur auf der Basis eines Workflowsystems, Metadatenstandards wie TEI P5 und METS und klassischer relationaler Datenbanken, die Vernetzung mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Portalsystemen (z.B. Manuscripta Mediaevalia oder Europeana) zulässt und zugleich den Anschluss an Langzeitarchivierungssysteme ermöglicht. Der Vortrag berichtet vom Projektstand, von bereits auf www.libri-kiliani.de online gegangenen Projektbausteinen, aber auch von den Problemen und schwierigen Randbedingungen eines anspruchsvollen, knapp kalkulierten DFG-Projektes.

Programm am 19. Januar 2013

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken II

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

09:00 – 09:45: The Nuns’ Network. Editing the Medingen Manuscripts
(Prof. Dr. Henrike Lähnemann, Andres Laubinger)

Between 1479, the reform of the convent, and 1526, the Lutheran Reformation, the Medingen nuns produced a wealth of devotional manuscripts, for their own use and for feeding it into the regional network of the city and the convents of Lüneburg, using both Latin and Low German. All the prayer-books are interlinked by being based on the same set of material which is edited, amplified, commented and translated. The only adequate way of presenting this complex of textually and visually linked manuscripts is in digital form. The paper will present the “Medingen Manuscript” project (http://research.ncl.ac.uk/medingen); by using the example of prayer-books dedicated to the apostle Mathias and other saints, I will show how the digital presentation allows us to gain new insights in the linguistic and devotional set-up of this Northern German scriptorium.

09:45 – 10:30: Digital Libraries and Federated Searching: The Manuscripts Online Project
(Dr. Orietta Da Rold)

This paper will discuss a new Project “Manuscripts Online”. The outcome of this project can be described as a digital library on its own, as it was inspired by methodologies relating to data mining, data clustering, federated searching which are intertwined with detailed studies of medieval manuscripts, artefacts and texts. The project was founded by JISC, a UK national funding body, and is of relevance to researchers in the fields of language, literature and history. The Manuscripts Online website is developed and hosted by the Humanities Research Institute (HRI) at the University of Sheffield, under the direction of an Editorial Group which will comprise six members from the Universities of Birmingham, Glasgow, Leicester, York, Sheffield and Queen’s University Belfast. The project has the ultimate aim to study the written culture of medieval Britain between 1000 and 1500 by pulling together and providing access to written and early printed primary sources in this period. This project will bring together will bring together the necessary data for lager data analysis and interpretation.

Sektion III: Übergreifende Portale

Moderation: Prof. Andrea Rapp

10:45 – 11:30: Leben! Einzeln und frei … – Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
(Torsten Schaßan)

Anhand der Datenorganisation und der darauf aufsetzenden Verwendung von Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel soll gezeigt werden, wie die vorhandenen Informationen in anderen Kontexten, also auch zur Rekonstruktion von Bibliotheken, genutzt werden können.

11:30 – 12:15: Der Europeana Lizenzrahmen als Basis für Digital Humanities
(Patrick Peiffer)

Patrick Peiffer arbeitet mit dem Europeana Team im Auftrag der Nationalbibliothek Luxemburg am „Europeana Licensing Framework“, das seit Herbst 2011 operationell und online ist. Der Vortrag wird anhand des Luxemburger Beitrags zu Europeana Regia und der virtuellen Rekonstruktion eines Manuskriptes die Schlüsselaspekte der (vertrags)-rechtlichen Standardisierung ansprechen und anschliessend die aktuellen Vorgaben des „Europeana Licensing Framework“ vorstellen: Public Domain Charter, Public Domain Mark und Data Exchange Agreement (http://pro.europeana.eu/licensing).

Sektion IV: Nutzen rekonstruierter Bibliotheken

Moderation: Prof. Michael Embach

13:30 – 14:15: Die althochdeutsche Überlieferung aus St. Matthias
(Falko Klaes)

Im Vortrag wird die mutmaßlich aus St. Matthias stammende althochdeutsche Überlieferung vorgestellt. Aus St. Matthias sind insgesamt vier Glossenhandschriften, eine Handschrift mit den Wind- und Monatsbezeichnungen der Karls-Vita Einhards und die „Trierer Verse“ überliefert. Diesen und dem bekannten Glossar aus der Handschrift 61 des Priesterseminars Trier soll besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

14:15 – 15:00: LapiDat – LAPIDARIUM der Abtei St. Matthias in Trier
(Prof. Dr. Gottfried Kerscher, Peter Pfeiffer M.A.)

Das Lapidarium von St. Matthias war bisher nur wenigen bekannt. Es enthält weit mehr als tausend Artefakte vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, darunter nicht nur Bruchstücke mit Ornamenten, sondern Figuren, ein Portal und weitere, zumeist in Zusammenhang mit Restaurierungen abgenommene Stücke. Etwa 600 Exponate wurden in einem ersten Durchgang zusammen mit den Studierenden der Universität Trier erfasst, von diesen sowie Frau stud. phil. A. Molter und Herrn P. Pfeiffer M.A., beide Projektmitarbeiter, sowie dem Fotografen des VBB des Fachbereiches III, Herrn A. Thull, in die Datenbank eingestellt. In einem zweiten Schritt solle eine genauere Bestimmung, Datierung und Zuordnung einzelner Stücke erfolgen. Das Projekt soll nicht nur der Restaurierung des Kreuzgangs von St. Matthias dienen, sondern später in eine Ausstellung münden bzw. der Forschung zugänglich sein.

Dafür hat Herr Pfeiffer eine entsprechende Datenbank erstellt. Diese wird hinsichtlich ihres Aufbaus und in ihrer Funktionsweise kurz erläutert. Für die Unterstützung bei den nicht ohne Weiteres von Seiten der Universität Trier zu realisierenden Arbeitsgänge danken wir dem HKFZ.

15:15 – 16:00: Ein mittelalterliches Euchariumsoffizium aus dem 17. Jh. – Überlieferung eines lokalen Heiligenkultes in der Trierer Liturgie
(Kristin Hoefener)

Im Skriptorium der Trierer Sankt-Matthias-Abtei wurden auch nach der Einführung des Buchdruckes noch Papierhandschriften hergestellt, u.a. ein Benediktionale, das heute in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars (Hs. 14) aufbewahrt wird. Die Handschrift aus dem Jahre 1667 überliefert eine Vesper und eine Messe zu Ehren des hl. Eucharius. Wenn dieses Offizium aus Sankt-Matthias mit den Texten eines Liber ordinarius des Trierer Doms aus dem 14. Jh. (London, British Library Harley 2956) verglichen wird, kann festgestellt werden, dass die Vespergesänge – alles Eigengesänge, deren Texte u.a. auf einer Vita s. Eucharii basieren – zwischen dem 14. und dem 17. Jh. nahezu unverändert geblieben sind. Die Messe dagegen überliefert, abgesehen von den Sequenzen, kein Eigenmaterial, sondern nur Gesänge aus dem Commune martyrum. Es sollen Trierer Eigengesänge präsentiert werden mit dem Ziel, eine lokale Patronatsliturgie und deren Bedeutung in der Kontinuität der Jahrhunderte vorzustellen.

16:00 – 16:45: Neumen und Neumentrennung – Herausforderungen in der Arbeit im Optical Neume Recognition Project (ONRP)
(Dr. Inga Behrendt)

ONRP (http://www.cs.bham.ac.uk/~aps/research/projects/neumes/project-description.php) ist ein interdisziplinäres Projekt von Computerwissenschaftlern (Alan Sexton) und Musikwissenschaftlern (Kate Helsen, Jennifer Bain, Inga Behrendt) aus Kanada, England und Deutschland, das die Erstellung einer Lesehilfe in Scans der Handschrift Hartker (Stiftsbibliothek St. Gallen – CH-SG 390/391, sogenannte St. Galler Neumennotation) von um 1000 mit Neumennotation hat: Einzelne Notationszeichen (Neumen), Neumengruppen und Neumen kombiniert mit Text sollen mithilfe eines Computerprogramms in den digitalen Bildern der Handschrift gesucht werden können.

Das umfassende System, das in den nächsten Jahren erstellt werden soll, ist für die Computertechnik der Optischen Wiedererkennung eine herausfordernde Aufgabe. Ein Aspekt der Arbeit ist, in den Scans alle verbundenen Komponenten zu isolieren und zu gruppieren, etwa 70 verschiedene Einzelzeichen. In der Notation bestehen jedoch die Notationszeichen, genannt Neumen, zum Teil aus einzelnen Komponenten und mehrheitlich aus mehreren Komponenten. Es gibt demnach etwa 70 Komponenten, aber sehr viel mehr Neumen, insbesondere wenn als Neume alle Zeichen über einer Textsilbe definiert sind (Göschl).

Die Modifikation der Neumenschreibweise sowie die Kombination von mehreren Neumenzeichen über einer Silbe haben verschiedene rhythmische Bedeutungen, wie die semiologische Erforschung der Neumennotation durch komparative Studien beschrieben hat. Ein Phänomen des rhythmischen Bedeutungswandels von Zeichen wird Neumentrennung genannt, und soll möglichst ebenfalls mit dem System „gelesen“ werden können.

Abschlussdiskussion (16:45 – 17:00)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1214

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DH Awards 2012

Noch bis zum Freitag, 11. Januar können auf

http://dhawards.org/DHawards2012/nominations/

Kandidaten für die DH Awards 2012 nominiert werden, und zwar in den Kategorien

  • best DH tool or suite of tools
  • best DH blog, article, or short publication
  • best DH visualization or infographic
  • best professional resources for learning about or doing DH work
  • best DH project for public audiences
  • best use of DH for fun

Ein internationales Kommittee, bestehend aus James Cummings (University of Oxford), Craig Bellamy (University of Melbourn), Sheila Brennan (George Mason University, Washington D.C.), Marjorie Burghart  (EHESS: École des Haute Études en Sciences Sociales, Lyon) sowie Kiyonori Nagasaki (International Institute for Digital Humanities, Tokyo), wird anschließend über die Kandidaten entscheiden.

Eine gute (und unkomplizierte) Gelegenheit, spannende und gelungene DH-Projekte des vergangenen Jahres aus dem deutschsprachigen Raum in internationalem Kontext zu würdigen!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1208

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